Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Wenn wir sehen, dass 83 % der jungen Menschen in Deutschland einen Abschluss der Sekundarstufe II haben und wir damit international in der Spitzengruppe liegen,

und wenn wir noch dazu die Bemühungen Baden-Württembergs im beruflichen Schulsystem ergänzen, müssen wir feststellen, dass wir das Paradebeispiel eines gegliederten Schulsystems mit einer ausgewiesenen Durchlässigkeit haben,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje!)

wie Professor Baumert bereits nach der ersten PISA-Studie feststellte, indem er im Zusammenhang mit dem beruflichen Schulsystem sagte:

Baden-Württemberg ist ein Paradebeispiel eines gegliederten Schulsystems.

Meine Damen und Herren, das sind die Fakten in Kürze; Fakten, die wir in dieser Legislaturperiode häufig in diesem Haus diskutiert haben. Deswegen fordern wir Sie auf: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, die Qualitätsverbesserung des Unterrichts voranzubringen und Qualitätsentwicklungssysteme auszubauen, damit wir uns auf einen Bereich konzentrieren, der die Kinder unmittelbar betrifft, nämlich die Qualitätsentwicklung des Unterrichts. Strukturdebatten lenken letztlich vom Wesentlichen ab.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Nun zu dem Gesetzentwurf der Grünen. Liebe Frau Kollegin Rastätter, eine Basisschule zu fordern macht in diesem Wahlkampf aus Ihrer Sicht für Ihre Klientel durchaus Sinn; das möchte ich natürlich zur Kenntnis nehmen.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Es geht um die Kinder, nicht um meine Klientel! Für die Kinder des Landes!)

Das ist auch Ihr gutes Recht. Allerdings bleiben viele Fragen offen, und wir als Landesregierung müssen uns mit diesen Fragestellungen natürlich auch kritisch auseinander setzen.

Wenn Sie davon sprechen, dass es viele kleine Grundschulen und Hauptschulen im ländlichen Raum gibt und dass diese auf Dauer nicht finanzierbar sind und wir deswegen die Basisschule einführen sollten, dann bitten wir Sie darum, seriöse Berechnungen auf den Tisch zu legen und die Fragen zu beantworten: Was geschieht aus Ihrer Sicht mit diesen kleinen Standorten? Ist es in Ihrem Konzept überhaupt möglich, anstelle dieser Grundschulen und Hauptschulen, Basisschulen mit einem höheren Raumbedarf zu entwickeln? Sie können uns nicht belegen, wie viele zusätzliche Ressourcen aufgrund Ihres Schulsystems erforderlich wären, um eine solche neue Struktur entstehen zu lassen.

Die kommunalen Landesverbände haben sich zu Recht sehr kritisch geäußert, weil sie natürlich die Frage stellen: Wie soll man jetzt eine gewachsene Struktur, die sich über Jahrzehnte in Baden-Württemberg entwickelt hat, von heute auf morgen oder auch innerhalb der nächsten Jahre auf den Kopf stellen? Deswegen muss die Frage gestellt werden: Was geschieht mit den Kindern, die möglicherweise durch die Einrichtung von Basisschulen längere Schulwege zurücklegen müssen, als sie es heute tun?

(Staatssekretär Wacker)

Meine Damen und Herren, zu den skandinavischen Beispielen hat der Kollege Röhm schon einiges gesagt. Wir wissen, dass auch in Finnland leistungsgerecht differenziert wird.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Aber individuell differenziert! Das ist doch der Unterschied!)

Wir haben uns auch davon überzeugt: Durch zusätzliche Ressourcen, durch zusätzliche Lehrkräfte, durch zusätzliche Fachkräfte werden dort individuelle, separate Lerngruppen gebildet, um die Schüler besonders zu fördern.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Darüber haben wir uns auch vor Ort informiert. Deswegen müssen Sie sagen, wenn Sie hier ein finnisches oder ein skandinavisches Schulsystem wollen, was das dann letztlich die öffentliche Hand kostet und ob Sie dafür zusätzliche Lehrkräfte zur Verfügung haben.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Caroli?

Ja, sehr gern. Herr Caroli, es ist wahrscheinlich Ihre letzte Zwischenfrage, die Sie hier stellen.

Bitte sehr, Herr Dr. Caroli.

Herr Staatssekretär, nehmen Sie zur Kenntnis, dass in den skandinavischen Ländern zwar binnendifferenziert wird, aber längeres gemeinsames Lernen bis zur neunten Klasse das Besondere ist, das dieses Schulsystem von unserem Auslesesystem unterscheidet?

Ich möchte an dieser Stelle sagen: Das war tatsächlich mein letzter Beitrag hier im Landtag. Ich bitte um die entsprechenden Ovationen.

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen)

Lieber Herr Kollege Caroli, Sie wissen natürlich auch – damit sagen wir nichts Neues in dieser Strukturdebatte –, dass wir eine hohe Trefferquote bei den Grundschulempfehlungen für die weiterführenden Schulen haben. Sie wissen, dass 97 % der Grundschulempfehlungen von den Eltern anerkannt werden

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Es bleibt ih- nen ja nichts anderes übrig!)

und dass den Anschlussempfehlungen auch weitere Anschlussempfehlungen folgen können bis hin zu einem Abschluss auf einem beruflichen Gymnasium. Deswegen ist der Vorwurf der frühen Selektion oder der frühen Trennung keineswegs angebracht. Denn es handelt sich im Grunde genommen bei der Grundschulempfehlung um eine Laufbahnentscheidung und nicht um eine Abschlussempfehlung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Regina Schmidt- Kühner SPD: Schauen Sie sich doch einmal die Hauptschule an, Herr Wacker! Was soll denn das?)

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Grünen zielt darauf ab – um das auch in aller Deutlichkeit zu sagen –, das dreigliedrige Schulsystem abzuschaffen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Damit wollen Sie auch die Hauptschule beerdigen. Wir sagen – das ist die Position, die wir heute als Landesregierung deutlich zum Ausdruck bringen – Ja zu den kleinen Schulstandorten im ländlichen Raum. Wir wollen kleine Grundschulen, kleine Hauptschulen, viele einzügige Hauptschulen nicht einer solchen Strukturdebatte opfern.

(Beifall der Abg. Fleischer CDU und Kleinmann FDP/DVP – Abg. Fleischer CDU: Sehr gut!)

Wir bekennen uns dazu, dass Bildungspolitik mit dem dreigliedrigen Schulsystem auch eine sinnvolle Strukturpolitik für den ländlichen Raum ist. Ich sage Ihnen auch zu: Wir werden alles tun, damit wir die Hauptschulen auch in Zukunft stärken. Wir werden das Gegenteil dessen tun, was Sie einfordern. Ich verweise auf unser Programm für den Ausbau von Ganztagsschulen, mit dem wir in besonderem Maße auch die Hauptschule unterstützen.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Warum will nie- mand mehr dorthin, Herr Wacker?)

Sie erfahren von uns ein klares Bekenntnis für das dreigliedrige Schulsystem. Wir wollen damit die Kinder und Jugendlichen an Hauptschulen in besonderem Maße fördern. Das ist unsere zukunftsfähige Politik, und darauf setzen wir.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Repnik CDU: Der Mann ist gut! Der Mann hat Zukunft!)

Meine Damen und Herren, in der Allgemeinen Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 13/5083.

Abstimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport, Drucksache 13/5139. Der Ausschuss für Schule, Jugend und Sport empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Kann ich den Gesetzentwurf insgesamt zur Abstimmung stellen? –

(Abg. Seimetz CDU: Jawohl!)

Wer dem Gesetzentwurf Drucksache 13/5083 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mehrheitlich abgelehnt.

Damit ist Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.

(Stellv. Präsidentin Christa Vossschulte)

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Ernennungsgesetzes und anderer Vorschriften – Drucksache 13/4963

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 13/5145

Berichterstatter: Abg. Junginger

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.