Das sind wichtige Elemente in dem Kampf gegen die Abhängigkeit. Bitte versuchen Sie nicht, ein Bild zu erstellen, als ob wir uns hier in der Drogenpolitik nicht weiterbewegten.
Manchmal ist die Kärrnerarbeit und das Bewährte viel wichtiger für die Abhängigen als irgendeine Idee,
die letzten Endes aber nicht umgesetzt werden wird, weil sie den Patienten und den Abhängigen nicht helfen wird.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bebber meinte, ich solle ein liberales Signal geben. Ich sage in aller Offenheit gerade an die Freunde des liberalen Koalitionspartners, dass wir in Baden-Württemberg gemeinsam eine Drogenpolitik und eine Suchtpolitik machen, die sich in ganz Deutschland sehen lassen kann.
Natürlich gibt es da und dort auch innerhalb der Koalitionsparteien in dem einen oder anderen Schwerpunkt noch einige Unterschiede. Das darf ja auch so sein. Aber wir machen gemeinsam eine gute Drogen- und Suchtpolitik.
Nein, das meine ich jetzt nicht negativ. – Es ist aber schon verwunderlich, dass man immer wieder die Zahl der Drogentoten als Maßstab für die Drogenpolitik nimmt. Wir haben dies nie getan. Wir waren im Übrigen bis zum Jahr 1999 immer führend, ganz unten, was die Zahl der Drogentoten anbelangt. Niemand aus der Opposition hat uns gelobt nach dem Motto: „Sie machen eine gute Drogenpolitik.“ Jetzt ist sie hochgestiegen. Das hat etwas mit Aussiedlern und mit Schwerpunkten zu tun, zum Teil auch mit besonderem Stoff, der auf dem Markt war. Plötzlich heißt es, wir würden eine schlechte Drogenpolitik machen.
Ich nenne Ihnen einmal ein paar Zahlen. Wenn dem so wäre: In Bremen haben wir eine Sterberate von 11,46 Drogentoten auf 100 000 Einwohner.
In Bremen haben wir eine Sterberate von 11,46 Drogenopfern auf 100 000 Einwohner. Jetzt nehmen wir einen Flächenstaat: In Nordrhein-Westfalen – dort gibt es teilweise Fixerstuben – liegt diese Sterberate bei 2,86. Das sind die Zahlen vom letzten Jahr. In Baden-Württemberg – wir haben keine Fixerstuben – haben wir eine Sterberate von 2,73 Drogentoten auf 100 000 Einwohner.
Ich weiß nicht, ob man diese Zahlen wirklich hochrechnen darf, weil sie eben nicht der Maßstab für eine gute Politik sind.
Ich sage in aller Offenheit – Sie haben es hier angesprochen –: Wir brauchen eine humane Drogenpolitik. Sie sagen uns, wir sollten nicht ideologisch sein. Ich bin in dieser Hinsicht Ideologe. Ich habe die Ideologie, dass wir dem Kranken, dem Abhängigen helfen sollten, aus der Krankheit herauszukommen. Da bin ich Ideologe.
Wir akzeptieren in Baden-Württemberg Drogenabhängige als Kranke, aber wir akzeptieren nicht die Drogenakzeptanz. Ja zum Kranken, Hilfe zum Ausstieg, aber mit Sicherheit keine Hilfen zum Drinbleiben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen heilen helfen. Deswegen geben wir alle Hilfen zum Ausstieg, aber nicht zum Drinbleiben. In Baden-Württemberg werden wir uns nicht auf die beiden Punkte fokussieren, die Sie immer wieder ansprechen, die Sie jedes Jahr wieder bringen, um den Koalitionspartnern rote Ohren zu verschaffen; ich weiß das ja.
Jedes halbe Jahr. – In Baden-Württemberg haben wir eine Drogenpolitik, eine Suchtpolitik, die umfassend ist. Wir haben – die Zahlen wurden schon genannt – insgesamt 420 000 Schwerstabhängige, davon ca. 250 000 Alkoholabhängige, 150 000 Medikamentenabhängige und 20 000 von illegalen Drogen Abhängige. Bei Ihnen dreht es sich doch immer darum, was wir mit den von illegalen Drogen Abhängigen machen. Ihnen fällt nichts anderes ein, als gebetsmühlenartig zu fordern: Macht endlich eine Rechtsverordnung für Heroinmodelle oder für den Bereich der Fixerstuben.
Es ist ja schön, dass Sie die IFT-Studie gelesen haben. Diese Studie wurde übrigens von mir auf den Weg gebracht, weil ich mich darüber gewundert habe, dass so viele Drogentote zu Lebzeiten bei Ärzten in Methadonbehandlung waren. Über 20 % der Drogentoten sind direkt oder indirekt substituiert gewesen und waren bei Ärzten in Behandlung. Vor zehn Jahren hat man gesagt, mit Methadon könne man alles regeln und heilen, die Drogenabhängigen könnten aussteigen.
Das hat man gesagt. So war das doch immer. Herr Kretschmann, Sie waren dabei. Wir haben hier 1988, 1989 und 1990 schon Debatten über Schweizer Modelle geführt.
Nein, ich male nicht schwarz-weiß. Vor zehn Jahren hat es geheißen: Mit Methadon kann man heilen, mit Methadon kann man aussteigen. Mit Methadon kann man ausschleichen. Methadon gibt keinen Kick.
Wir haben inzwischen über 3 500 Menschen in Methadonprogrammen und wissen ganz genau: Ohne psychosoziale Betreuung kann niemand aussteigen.
Dann kam die nächste Forderung: „Denjenigen, die kein Methadon vertragen, geben wir eben Heroin. Diesen armen Kerlen geben wir Heroin.“ Das ist doch ein Anachronismus sondergleichen. Warum?
Das heißt doch im Umkehrschluss: Wenn ich bereit bin, Heroin im ambulanten Bereich zu geben, wie es die Schweiz gemacht hat – ich kann ein paar Zahlen nennen –, muss ich mir doch die Frage stellen: Heute Heroin – – Aber jetzt ist der Betreffende vielleicht ein Kokser. Ja, warum gebe ich dem nicht Kokain? Ein anderer hängt vielleicht auf Crack. Einem Dritten gebe ich meinetwegen ein anderes Rauschmittel. So ist es.