Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

Was meine Familie und mich faszinierte, war eine Gruppe von Hennen, die ungestört die Straße überquerte und sich dann im dörflichen Grün verlustierte und dort scharrte.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie der Abg. Dr. Salomon GRÜNE und Capezzuto SPD – Abg. Wieser CDU: Nur in einem CDU-Land mög- lich!)

Liebe Kollegen von der CDU, es ist schön, wie einfach man euch beglücken kann.

(Beifall bei allen Fraktionen – Abg. Wieser CDU: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?)

Zwischenfragen sind bei Jungfernreden nicht erwünscht, Herr Kollege.

Wer ließe sich von so einem dörflich-idyllischen Bild nicht anheimeln, und wer von uns gäbe nicht etwas darum, täglich exklusiv sein Frühstücksei von einer solchen glücklichen Henne zu bekommen?

(Abg. Wieser CDU: Cholesterin!)

Leider, liebe Kollegen und Kolleginnen, wird dies für die übergroße Mehrheit unseres 81-Millionen-Volks ein Traum bleiben.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Vorbei sind die Zeiten der Selbstversorger, und die volkswirtschaftliche Arbeitsteilung geschieht längst global, auch und gerade im Agrarbereich, im Ernährungsbereich. Lassen Sie uns doch, liebe Kollegen vor allem von den Grünen und von der SPD, nicht Traumbildern hinterherhinken, sondern der Realität ins Auge schauen. Dazu sind Politiker eigentlich verpflichtet.

In der Begründung des vorliegenden Antrags schreiben die Antragsteller, dass die Gesellschaft in ethischem Konsens Legehennenhaltung in Batteriekäfigen ablehne. Das ist sicher richtig; dem wird niemand widersprechen.

(Abg. Teßmer SPD: Sie wollen ja auch nicht in den Käfig!)

Dieser ethische Konsens, Herr Teßmer, spiegelt sich darin wider, dass wir den Tierschutz in unserer Verfassung in Baden-Württemberg verankert haben.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Und was schließen Sie denn daraus?)

In aller Deutlichkeit hat Agrarminister Willi Stächele deswegen einen europaweiten Ausstieg aus der Legehennenbatteriehaltung zum Jahr 2009 angemahnt.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Was Stächeles Position jetzt von der der Bundesverbraucherministerin unterscheidet, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Abg. Capezzuto SPD: Sie kommt zu spät!)

ist der Realitätssinn.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Lachen bei der SPD – Abg. Dr. Salomon GRÜ- NE: Ein politischer Offenbarungseid!)

Nicht nur Agrarminister Willi Stächele, sondern auch sein niedersächsischer Kollege Uwe Bartels – das hat ja Frau Rastätter erwähnt – und sein Kollege aus MecklenburgVorpommern waren der Meinung, dass man mit dem Ausstiegsdatum 2009 in der Lage gewesen wäre, in etwa gleiche Produktionsbedingungen für die europäische Geflügelwirtschaft auszuhandeln.

(Abg. Teßmer SPD: Da lachen ja die Hühner! – Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Dies wäre womöglich WTO-weit denkbar gewesen. Dann hätte man die Erfahrungen, sehr verehrte Damen und Herren, der neuen Modelle der Gruppenhaltung, die eigentlich erst 2004 von der Europäischen Kommission bewertet werden, auch mit einbringen können. Warum sich jetzt diese beiden Landwirtschaftsminister von A-Ländern plötzlich Frau Künast gefügt haben, das bleibt ihr großes Geheimnis. Ich sage auf Schwäbisch: Vielleicht hend se irgend e Bombole kriegt!

(Abg. Teßmer SPD: Die haben die Hühner ge- fragt!)

Diese beiden Minister tragen auf jeden Fall Verantwortung dafür, dass die großen Geflügelhalter in ihren Ländern auf

dem europäischen Markt und auf dem Weltmarkt in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen werden. Viele von diesen Geflügelhaltern haben in der letzten Zeit sehr viel Geld in ihre Anlagen investiert. Viele von ihnen haben in so genannte ausgestaltete Käfige – Sie haben es vorhin „strukturierte Käfige“ genannt – investiert, die in der EU bis zum Jahr 2011 zugelassen sind. Sie haben also genehmigte Betriebe auf EU-Standard. Darauf werden sie sich berufen.

(Abg. Zeller SPD: Mit Fernsehen!)

Nicht wenige haben bereits gesagt, dass sie eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland in Erwägung ziehen.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Dann sollen sie sie doch mal machen!)

Mit der Festlegung des Endes der Käfighaltung auf das Jahr 2006 wurde also die Chance vertan, einen Weg zwischen dem unbestritten notwendigen Tierschutz einerseits und der Vorbereitung der deutschen Geflügelwirtschaft auf den europäischen Wettbewerb andererseits zu finden.

Die Künast’sche Lösung, sehr geehrte Damen und Herren, ist kein wirklicher Fortschritt für den Tierschutz. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass gerade das von Ihnen erwähnte Beispiel aus der Schweiz, das als Volieren-, Boden- oder Freilandhaltung angeführt werden kann, nicht ohne Probleme für die Tiere und für die Umwelt ist.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Sehr richtig! – Beifall des Abg. Hauk CDU)

Ich möchte nur die Stichworte zunehmende Salmonellenerkrankungen, Kannibalismus und dann notwendiger Einsatz von Antibiotika anführen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das stimmt doch gar nicht! – Abg. Capezzuto SPD: Das wird jetzt schwer für den Minister!)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Legehennen in Deutschland von der Batteriehaltung zu befreien bedeutet für uns als Eierimportland, das Deutschland ja de facto ist – wir haben nur eine Produktion von 40 Millionen Eiern am Tag –, dass wir Eier aus ausländischer Batteriehaltung importieren müssen. Das ist wahrlich nicht das Gelbe vom Ei.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Damit werden zwar das Gewissen und der Bauch beruhigt, doch das ist pure Heuchelei. Ein nationaler Alleingang führt lediglich zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland.

(Beifall des Abg. Kiefl CDU)

Zudem wird der Import vermeintlicher Ökoeier zunehmen. Wie das Ei gelegt wurde, könnte eigentlich nur die Henne sagen.

(Abg. Capezzuto SPD: Nein, das ist nicht wahr!)

Aber Hennen reden nicht, sie gackern.

(Beifall des Abg. Wieser CDU)

Mit diesem einseitigen Ausstieg der Deutschen aus der Käfighaltung wird die Tür für falsche Ökoeier zu einem – zugegeben attraktiven – Markt geöffnet.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Sie haben Probleme!)

Das Huhn, das goldene Eier legt, ist zwar noch nicht erfunden, aber eine Umetikettierung von ausländischen Batterieeiern könnte dem gleichkommen. Zu gering ist die Möglichkeit, die Herkunft der Eier zu überprüfen. Dann tut sich ein Problem des Verbraucherschutzes auf, das Sie natürlich noch nicht angesprochen haben.

(Abg. Teßmer SPD: Redet die mehr als fünf Minu- ten?)

Das vermeintliche Freilandei ist also möglicherweise ein falscher Fuffziger, und deswegen sollte man den Verbraucher hierzulande davor schützen.

(Abg. Teßmer SPD: Noch eine Sonderregelung für Ostereier!)

Bleibt am Ende festzustellen: Dieser einseitige Ausstieg aus der konventionellen Hennenhaltung ist nur ein Pyrrhussieg für Deutschland. Auch im Tierschutz ist Deutschland – das sollten die Grünen endlich kapieren – keine Insel, genauso wenig wie auf anderen Politikfeldern, wie wir zurzeit bemerken.

Wir müssen es schaffen, sehr verehrte Damen und Herren, den Interessenausgleich zwischen Mensch, Tier und Umwelt in den Mittelpunkt unserer Agrar- und Tierschutzpolitik zu stellen und nicht in populären Aktionismus zu verfallen.

Als CDU-Fraktion lehnen wir deshalb diesen ideologisch überfrachteten Vorschlag ab.