Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Teßmer SPD: Der Drautz hat den Dö- ring beleidigt! – Abg. Bebber SPD: Das war eine Spitze gegen die Frau Künast! – Weitere lebhafte Zurufe)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Stächele.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Lebensmittelkontrolle ist eine ständige Herausforderung,

(Lachen bei den Grünen – Beifall bei Abgeordne- ten der SPD und der Grünen)

(Minister Stächele)

der man sich mit Besonnenheit – nicht mit Geschrei – und Verantwortung stellen muss.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Glück FDP/DVP)

Wir haben im Jahr 50 000 laufende Kontrollen und etwa 20 000 Zusatzkontrollen. Ich habe das in meinem Bericht im Juli dargestellt.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Trotzdem nichts ge- merkt!)

Es war erfreulich, zu wissen, dass sich die Zahl der Beanstandungen und Gefährdungen wirklich in Grenzen hielt.

(Abg. Teßmer SPD: Dann hätte ja nichts passieren dürfen!)

Damit komme ich auf den Punkt, dass, liebe Frau Kipfer, nicht der Eindruck entstehen darf: Da war eine anonyme Anzeige, und plötzlich fangen die an, tätig zu werden.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: So steht es in Ihrer Stel- lungnahme! – Zurufe von der SPD)

Wir wollen es ja nur klären, damit hier nicht ein Eindruck entsteht, der falsch ist.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Warum schreiben Sie dann Falsches in Ihrer Stellungnahme?)

Hören Sie erst einmal zu, was ich Ihnen zu sagen habe.

(Zurufe von der SPD)

Tatsächlich bringen diese Kontrollen auch fehlerhaftes Verhalten zutage. Heute Morgen kam allerdings eine Meldung, die uns erfreut und erleichtert. Sie haben mitbekommen, dass wir Wachstumsregulatoren bei den Karotten feststellen mussten. Wir haben dann weitere Proben bei der Babykost genommen. Nun wurde uns mitgeteilt, dass alle neun Proben bei der Babykost einwandfrei sind. Das sind auch gute Nachrichten.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Drautz FDP/ DVP)

Damit bin ich bei dem Vorgang, um den es geht. Am 21. März kam in der Tat ein anonymer Hinweis,

(Abg. Teßmer SPD: Aha!)

zwei Einkaufsgemeinschaften im Bodenseeraum würden illegale Pflanzenschutzmittel einführen und anwenden. Insgesamt waren 120 Betriebe betroffen, es ging um ca. 36,5 Tonnen

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Eine ganze Schaf- herde!)

und – was vor allem für die Bewertung der ganzen Vorgänge um Pflanzenschutzmittel interessant ist – 113 verschiedene Mittel. Gleich im März/April haben die zuständigen Organe – WKD, Landratsamt und Regierungspräsidium – die Untersuchungen aufgenommen. Es ist dann gelungen, zum 30. Mai das wieder ins Ausland zurückzuschaffen, von dem man offensichtlich wusste, dass es hier nicht zulässig ist.

Die weiteren Schwierigkeiten ergeben sich, wenn es darum geht, im europäischen Raum zugelassene Pflanzenschutzmittel daraufhin abzuprüfen, ob sie auch in Deutschland zugelassen sind. Wir haben präventiv im Juli aufgrund dieser Vorkommnisse Proben aus dem Handel gezogen. Sie waren Gott sei Dank alle miteinander negativ. Also musste man abwarten, bis es möglich war, Proben an der Frucht zu ziehen. Diese Proben haben ergeben, dass in Deutschland nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel eingesetzt worden sind.

Damit wird es notwendig, das Ganze von zwei Seiten her zu betrachten und zu beurteilen. Einmal geht es um die pflanzenschutzmittelrechtliche Seite, zum anderen um die lebensmittelrechtliche Seite. Im Hinblick auf den Verbraucherschutz ist die erste Frage immer die: Ist der Verbraucher gefährdet? Das heißt: Sind die Rückstandshöchstmengen erreicht? Wenn ein Pflanzenschutzmittel im Ausland, aber nicht in Deutschland zugelassen ist, heißt das noch nicht, dass lebensmittelrechtlich eine Gefährdung entsteht, wenn sich die Ergebnisse innerhalb der zulässigen Rückstandsmengen bewegen.

Das andere ist, dass man pflanzenschutzmittelrechtlich untersucht. Das heißt, ob das Mittel möglicherweise mit dem wirkungsgleich ist, was in Deutschland zugelassen ist. Diese Untersuchungen liefen ab April, ab dem Moment, ab dem man die Mittel hatte, und gingen bis Ende Oktober hinein, weil es unendlich schwierig ist, tatsächlich Mittel für Mittel durchzuprüfen, ob es eventuell zwar nicht zugelassen ist, aber doch Wirkungsgleichheit bestehen könnte.

Wir haben dann konsequent in den Fällen gehandelt, in denen missbräuchliche Anwendung stattgefunden hat. Verbraucherschutz heißt, jede Gesundheitsgefährdung zu verhindern. Sie wissen, wir haben im Bodenseebereich zu einer Marktregulierung greifen müssen, und zwar nicht in jedem Einzelfall, sondern generell. Wer an den Markt will, muss den Nachweis erbringen. Weil das HQZ im Hinblick auf Pflanzenschutzmittel noch weit höhere Anforderungen stellt, haben wir in diesen Fällen sofort das HQZ aberkannt. Wir haben dann konsequent in der ganzen Breite gehandelt: WKD, Regierungspräsidium, Landratsamt genauso wie die Mitarbeiter meines Hauses und die Untersuchungsanstalten. Wir haben an der ganzen Front gearbeitet, um in allen Fällen, auch wenn dies schon durch die Ergebnisse feststand, ganz konsequent diese Erzeugnisse aus dem Markt zu nehmen, um keine Gesundheitsgefährdung in concreto aufkommen zu lassen.

Im Zug der weiteren Ermittlungen haben Ermittler festgestellt: Da stehen Birnen, deren Wuchs besonders beachtlich ist. Das war der Auslöser für Untersuchungen an Birnen. Wir haben leider festgestellt – das hat den Zorn verdoppelt –, dass bei Birnen Mittel eingesetzt worden sind, die so genannten Wachstumsregulatoren, von denen jeder von Anbeginn an wusste, dass sie in Europa nicht zugelassen sind, wenn man von einigen Getreidesorten in wenigen Ländern Europas absieht.

Wir haben bei diesen Wachstumsregulatoren und in der Beurteilung dessen, was konkrete Gesundheitsgefährdungen bedeuten kann, unseren Überlegungen von vornherein bei Chlormequat den Wert von 0,5 Milligramm pro Kilo

(Minister Stächele)

gramm zugrunde gelegt, obwohl tatsächlich – ein Redner hat es angesprochen – derzeit in Deutschland noch 3,0 Milligramm pro Kilogramm gelten und die 0,5 Milligramm pro Kilogramm noch nicht in nationales Recht umgesetzt sind. Bei unseren Eingriffen in den Markt haben wir das zugrunde gelegt, was bereits europaweit Richtnorm ist, auch eingedenk dessen, dass man sich vielleicht, weil es noch nicht nationales Recht ist, schadenersatzpflichtig machen könnte.

Nun komme ich zur Frage der Information. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine ganz schwierige Thematik, mit der sich der Landtag von Baden-Württemberg und die Regierung vor Jahren einmal intensiv auseinander setzen mussten. Im Gefolge ist damals – nach der Birkel-Situation – ein Verbraucheraufklärungs- und -informationsgesetz entstanden, das über viele Jahre in Deutschland einmalig war. Jetzt ist es von Sachsen fast wortgleich übernommen worden. Nach diesem Verbraucherinformationsgesetz gibt es zwei Dinge, die man beachten muss:

Erstens: Wenn eine Gesundheitsgefährdung konkret ansteht und zu befürchten ist, muss man nach § 15 eine Warnung herausgeben. Das kommt leider immer wieder vor. Solche Warnungen sind ein Alltagsgeschäft des Agrarministers. Wir hatten dieser Tage Salmonellen bei Pilzen. Wir hatten Salmonellen bei den Mettwürsten. Das heißt, wenn eine konkrete Gesundheitsgefährdung zu befürchten ist, muss die Warnung hinaus, und zwar unter Hintanstellung der Interessen des Produzenten und der Handelstreibenden.

Dass in der Folge selbstverständlich – so liegen die Dinge jetzt auch – etwa bei den Salmonellen Anwaltsbriefe mit Schadenersatzforderungen kommen, muss ich dann in Kauf nehmen. In dem Moment, in dem Gesundheitsgefährdungen zu befürchten sind, muss nach § 15 eine Warnung herausgegeben werden.

Unterhalb dieser Warnung, wenn keine konkrete Gesundheitsgefährdung besteht, ist die Frage: Wann gehe ich mit Informationen hinaus?

(Zurufe der Abg. Teßmer und Zeller SPD)

Es geht dabei um § 15 dieses Gesetzes.

(Zurufe)

Moment! Wir wollen das schön sauber darlegen. Wir wollen jetzt einfach das, was Gesetzesgrundlage ist, miteinander abarbeiten. Denn wenn Sie hinterher in der Schadenersatzpflicht stehen, dann müssen Sie sich an die Rechtsgrundlagen gehalten haben. Die Gleichen, die sagen, man solle links und rechts davon abweichen, sind dann diejenigen, die sagen: „Wie konntest du bloß so unüberlegt und so rechtsmissbräuchlich handeln?“ Dann halten wir uns schon lieber an das Gesetz.

(Beifall bei der CDU – Abg. Fleischer CDU: Siehe Birkel! – Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Vielfach wird nämlich nicht beachtet oder ist nicht bekannt: Auch bei der Information – also auch ohne Gesundheitsgefährdung, wenn es keine Warnung ist – muss ich ganz konkret den Namen des Produzenten nennen. Deswegen ist eine grundsätzliche, sorgfältige Ermessensausübung zugrunde zu legen. Das heißt, ich muss auch den Verhält

nismäßigkeitsgrundsatz beachten. Ich muss die Lage der Betroffenen beachten, und zwar derer, die illegal gehandelt haben, genauso wie derer, die als Rechtschaffene mit betroffen sind.

Jetzt sind wir bei dem Punkt: Warum hat Frau Künast, obwohl im Januar angekündigt, jetzt mit Eckdaten benannt, ihr Verbraucherinformationsgesetz noch lange nicht verabschiedet? Das ist genau der Punkt: Es geht um die Frage, wie ich rechtsklar und dann vor allem auch rechtsbeständig und gerichtsbeständig unterhalb der Gesundheitsgefährdung mit Informationen hinausgehen darf, insbesondere um die Frage nach der Konkretheit.

(Abg. Birgit Kipfer SPD meldet sich zu einer Zwi- schenfrage. – Glocke des Präsidenten)

Selbstverständlich, Sie haben so sehnsüchtig auf meinen Beitrag gewartet. Bitte schön.

Bitte schön, Frau Abg. Kipfer.

Entschuldigung, Herr Präsident, ich habe Ihnen vorgegriffen.

Herr Minister, nach § 15 dieses Gesetzes, das Sie eben beschrieben haben, kann die Öffentlichkeit informiert werden, auch wenn Gesundheitsgefährdung nicht besteht.

(Abg. Fleischer CDU: Ja!)