Protokoll der Sitzung vom 19.12.2001

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Aha!)

Ich möchte, dass am Ende dieses Prozesses zu mehr Autonomie der Schulen noch einmal die Frage gestellt wird, ob wir in diesem Land wirklich 30 Staatliche Schulämter und vier Oberschulämter brauchen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der Grünen)

Viertens beklage ich ein übermäßiges Ausmaß von Mischfinanzierungen zwischen Land und Kommunen, zum Beispiel im sozialen Bereich. Ich meine, wir sollten diese Mischfinanzierungen in der Zukunft abbauen, weil wir dadurch Effizienzreserven erschließen können

(Abg. Fischer SPD: Zu wessen Lasten?)

und weil es sinnvoll ist, die kommunale Finanzmasse durch Landesmittel entsprechend zu erhöhen, dann aber im Gegenzug den Kommunen die Möglichkeit zu geben, in alleiniger Verantwortung eine ganze Reihe von Leistungen selbst zu übernehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Fischer SPD: Aber dann muss das Verhältnis stimmen! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Ihr seid doch für die Ab- schaffung der Gewerbesteuer!)

Fünfter Punkt: Krankenhäuser, nicht nur das „Olgäle“, wie heute in der Zeitung zu lesen war, sondern auch Landeskrankenhäuser. Hier steht insgesamt ein erheblicher Investitionsbedarf an, der von der öffentlichen Hand kaum mehr zu bewältigen sein wird. Ich will jedenfalls, dass privaten Initiativen auch im Krankenhausbau mehr Raum gegeben wird. Ich plädiere mit Nachdruck dafür, Privatisierungen und private Beteiligungen auch im Bereich des Krankenhausbaus in der Zukunft entschlossen voranzutreiben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Sechster Punkt – er betrifft wieder die Einnahmeseite –: Ich will erreichen, dass Einsätze der Polizei in privaten Angelegenheiten, insbesondere bei kommerziellen Veranstaltungen, in der Zukunft vernünftig entgolten werden, meine Damen und Herren.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Alte Forderung!)

Das sind nur sechs von hundert Möglichkeiten, die ich aufzeigen möchte, um einfach deutlich zu machen, dass der Haushaltsstrukturkommission eine wichtige Aufgabe zukommt. Sie wissen, dass wir diese Haushaltsstrukturkommission ins Leben gerufen haben. Ich will noch einmal sagen: Es geht nicht nur um das klassische Sparen, darum, die Zitrone zum dritten Mal auszupressen, es geht natürlich auch um die konjunkturelle Erholung. Aber wir müssen zudem den Mut haben, in die Strukturen dieses Haushalts einzugreifen, weil das die Voraussetzung für eine Haushaltskonsolidierung ist.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Da wünsche ich gute Reise!)

Meine Damen und Herren, der Haushaltsentwurf für die nächsten beiden Jahre ist ein Beleg dafür, dass wir in wichtigen landespolitischen Fragen Kurs gehalten haben. Wir haben auch in unserem Bemühen um eine konsequente

Haushaltskonsolidierung auch in schwierigen Zeiten Kurs gehalten. Wir wollen alles tun, damit die Konjunkturdelle, die wir jetzt, wenn auch nicht durch unser Verschulden, haben, so schnell wie möglich ausgeglichen werden kann.

Die drei Dinge, die ich genannt habe – klassisches Sparen, konjunkturelle Belebung und Strukturverbesserung –, werden uns die Möglichkeit geben, dass das Ziel – dazu stehen wir – „Nettoneuverschuldung 2006 auf null“ auf der Tagesordnung ist und bleibt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich will es mit einem Zitat von Ludwig Erhard aus dem Jahr 1957 noch einmal auf den Punkt bringen. Er sagte damals – ich zitiere –:

Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge du, Staat, dafür, dass ich dazu in der Lage bin.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Genau!)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Entwurf des Doppelhaushalts ist eine gute Grundlage dafür, dass wir genau dieses Ziel erreichen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Salomon.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man Ihnen, Herr Finanzminister, in der letzten Woche zugehört hat, konnte man mit Fug und Recht sagen: Der Wahlkampf ist eröffnet. Der Finanzminister sieht die Bundesrepublik am Abgrund, beklagt einen Reformstau der Bundesregierung – man beachte das Wort „Reformstau“ –, sieht uns von der Steuerund Abgabenlast erdrückt. Demgegenüber zeichnet er ein Bild von Baden-Württemberg: Wir haben hier blühende Landschaften aufgrund des segensreichen Wirkens der Landesregierung. Herr Stratthaus, so haben wir nicht gewettet! Genauso wenig, wie es Ihnen nutzt, nur auf Berlin zu schimpfen, nutzt es uns, Berlin nur zu loben. Aber festzuhalten bleibt Folgendes:

Baden-Württemberg profitiert von vielem, was die Bundesregierung in drei Jahren getan hat, um den Kohl’schen Reformstau aufzulösen. Baden-Württemberg kriegt aber seine eigenen strukturellen Probleme nicht in den Griff. Während es nämlich der Bundesregierung gelungen ist, endlich – endlich, muss man sagen – eine Steuerreform, die diesen Namen auch verdient, mit einem Entlastungsvolumen bis 2005 von knapp 100 Milliarden umzusetzen und gleichzeitig – das ist der entscheidende Witz – den Haushalt zu konsolidieren, die Nettoneuverschuldung des Bundes, die unter Kohl bei über 80 Milliarden DM lag, auf die Hälfte zu drücken und auch glaubhaft angeben zu können, im Jahr 2006 auf eine Nettoneuverschuldung von null zu kommen, ist Baden-Württemberg, was dieses Ziel angeht, davon weiter entfernt denn je. Darauf haben Sie mit keinem Wort Bezug genommen. Sie haben gesagt, Verschuldung an den Kin

dern und Enkeln sei ein moralisches Vergehen. Aber Sie haben mit keinem Wort gesagt, wie Sie 2006 auf die schwarze Null kommen wollen.

(Beifall bei den Grünen)

Wie man es dreht und wendet, meine sehr verehrten Damen und Herren, egal, ob die Steuern mehr oder weniger gesprudelt oder gar zurückgegangen sind, betrachtet man die letzten zehn, zwölf Jahre, so stellt man fest: Wir haben in Baden-Württemberg ein durchgehendes strukturelles Defizit von 2 Milliarden DM pro Jahr im Haushalt, für die man keine Deckung hat, was zu einer zusätzlichen Verschuldung führt.

Ein Satz hat mir letzte Woche besonders gefallen, Herr Minister:

Vor dem Hintergrund versäumter Reformen

so sagten Sie –

treffen konjunkturbedingte Steuerausfälle die öffentliche Haushalte besonders hart.

„Sehr richtig“ möchte man da sagen. Nur meinen Sie mit den versäumten Reformen natürlich den Bund und nicht Ihre eigenen versäumten Reformen. Sie wollen nämlich nur von Ihrem eigenen Versagen ablenken. Sie schieben alles auf die Konjunktur und damit auf die Bundesregierung. Sie beklagen, dass Deutschland das Schlusslicht im europäischen Vergleich ist. Sie sagen, das liege an der mangelnden Flexibilität des deutschen Arbeitsmarkts.

Ich will Ihnen klar sagen: Auch ich bin nicht der Ansicht, dass der deutsche Arbeitsmarkt flexibel genug ist. Wenn man sich im europäischen Ausland umschaut, kann man da durchaus noch das eine oder andere abschauen. Aber ich glaube, dass Sie dieses Argument bei weitem überhöhen.

Ich will auch deutlich sagen: Ich bin davon überzeugt, dass die Bundesregierung Anfang nächsten Jahres zur Flexibilisierung des Arbeitsmarkts noch etwas machen wird, weil dazu etwas getan werden muss. Ich will nur die Stichworte Lohnsubvention im Niedriglohnbereich und Kombilohn nennen. Wie das im Einzelnen aussehen wird, ist noch unklar, aber geschehen wird da etwas. Das ist keine Frage.

Wir müssen uns allerdings – dazu rate ich dringend – die Struktur der Arbeitslosen und insbesondere der Langzeitarbeitslosen genauer anschauen. Den Übergang vom zweiten Arbeitsmarkt in den ersten Arbeitsmarkt müssen wir deutlich erleichtern. Ich gehe davon aus – da bin ich sicher –, dass das neue Job-AQTIV-Gesetz, das jetzt in Kraft tritt, mit der Überschrift „Fördern und fordern“ sicher hilfreich sein wird. Arbeitslosigkeit – das zeigen alle Statistiken – ist in allererster Linie ein Problem mangelnder Qualifikation, mangelnder Fortbildung usw. Das ist der Punkt, an dem konkret angesetzt werden muss.

(Beifall bei den Grünen)

Klar muss aber auch sein, Herr Finanzminister – wenn dieses Argument ernst gemeint ist und richtig ist –, dass man dann nicht, wie Sie das jetzt in dem vorgelegten Haushaltsentwurf getan haben, die Mittel für arbeitslose Jugendliche

und für Langzeitarbeitslose drastisch zusammenstreichen kann, wahrscheinlich noch in der Hoffnung, dass das der Bund mit eigenen Programmen schon auffangen wird. So geht es nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie unterschlagen zudem, was die Konjunktureinschätzung angeht, bewusst, dass alle Experten davon ausgehen, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr 2002 wieder anziehen wird. Der sinkende Ölpreis – Sie sprachen von einem steigenden –, die niedrigeren Zinsen und das gegenüber dem Vorjahr verbesserte Konsumklima werden dazu beitragen.

Kurzum – zum Thema Konjunktur will ich jetzt einen Schlussstrich ziehen –: Wir sollten uns, was das Verhältnis zum Bund angeht, nicht an Ihre Schwarzweißmalerei halten, sondern wir sollten, Bundestagswahl hin oder her, uns schon mit den Problemen hier im Lande befassen. Da ist es tatsächlich so – jetzt komme ich wieder zu Ihrem Satz –, dass die von Ihnen unterlassenen Reformen und die jetzt konjunkturbedingten Steuereinbrüche das Ziel, bis zum Jahr 2006 einen Haushalt ohne neue Schuldenaufnahme zu erreichen, in weite Ferne rücken lassen.

Herr Kauder, Ihr Generalsekretär, hat ja – sicher nicht ohne Rückendeckung von oben; jetzt schaue ich den Herrn Ministerpräsidenten an – schon einmal mit Lockerungsübungen angefangen, sich von diesem Ziel zu verabschieden, und ist dann nur ganz halbherzig zurückgerudert. Da kann man nur sagen: Jetzt rächt es sich – das muss man so drastisch sagen –, dass in all den Jahren, in denen ein Sparhaushalt nach dem anderen gefahren wurde, nie ernsthaft mit strukturellen Reformen begonnen wurde. „Sparen und investieren“ ist Ihre Devise, so sagen Sie immer. Doch was heißt das eigentlich für Sie?

Investieren reduziert sich auf das Schaffen neuer Lehrerstellen und einiger Stellen für die Polizei.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Na, na, na!)

Die sind wohl richtig und wichtig. Das stellt ja niemand infrage. Aber sonst sieht es total mau aus. Gespart dagegen wird immer nur kurzfristig: mit der globalen Minderausgabe, mit Stellenstreichungen, mit Streckungen und dem Verschieben von Investitionen sowie mit dem Zusammenstreichen von freiwilligen Leistungen. So macht man das Land auf jeden Fall nicht fit für die Zukunft; das ist sicher.

(Beifall bei den Grünen)

Im Bund, Herr Finanzminister, fordern Sie tief greifende Reformen ein. Hier im Land drücken Sie sich um genau diese tief greifenden Reformen herum, und zwar seit Jahren. Hier, wo Sie die Möglichkeit hätten, sie umzusetzen, haben Sie keine Vision von der Neustrukturierung Ihrer Aufgaben. Das ist umso dramatischer, als ich davon überzeugt bin, dass wir jetzt an einem Punkt angekommen sind, meine Damen und Herren, an dem man so einfach nicht mehr weiterkommt. Das Ende der Fahnenstange ist erreicht. Der Haushalt ist, wie man so schön sagt, ausgemostet. Da wir auf der Einnahmeseite nur sehr begrenzten Ein

fluss darauf haben, dass sich die Einnahmeseite verbessert, müssen wir uns strukturell schon mit der Ausgabenseite befassen. Wir brauchen also – das ist klar – strukturelle Änderungen.