Protokoll der Sitzung vom 19.12.2001

Es wird lediglich der Status quo gehalten.

Jetzt lobe ich Herrn Oettinger. Es ist nämlich zu begrüßen, dass die CDU in den letzten Jahren ihren ideologischen Widerstand gegen Ganztagsschulen aufgegeben hat. Flächendeckend eingeführt sind sie deshalb aber noch längst nicht.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Bedarfsgerecht machen wir das!)

Sie gehen nach wie vor viel zu zögerlich vor. Wir setzen deshalb auf Angebote der Schulen für einen offenen Nachmittag, das heißt, auf Hausaufgabenbetreuung, auf Arbeitskreise, auf Integration des Nachmittagsunterrichts oder auf Angebote von Vereinen. Das klappt aber nur, wenn es vor Ort eine viel bessere Zusammenarbeit gibt. Die Mitwirkung der Kommunen und des Landes muss gesichert sein; das Land muss Lehrerstellen zur Verfügung stellen, und innovative Projekte müssen gefördert werden. Das ist auch klar.

Wenn die PISA-Studie eines belegt hat, meine Damen und Herren, dann das, dass in Deutschland der Anteil der Schüler, deren Leistungen unterhalb der untersten Kompetenzstufe liegen, ganz besonders groß ist. Offensichtlich gelingt es uns nicht ausreichend, Schüler mit schlechten sozialen Voraussetzungen gut zu fördern. Das unterscheidet uns übrigens von klassischen Einwanderungsländern wie zum Beispiel Kanada oder Australien oder auch von neueren Einwanderungsländern wie Frankreich oder Großbritannien.

Zustimmung unsererseits, wenn jetzt auch die Damen und Herren Kollegen von der rechten Seite erkannt haben, dass wir ein Integrationsproblem haben. Glückwunsch! Das fängt aber nicht erst in der Schule an – da ist es oft schon zu spät –, sondern das fängt im Kindergarten und oft noch früher an.

(Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Unser Augenmerk muss daher – davon bin ich fest überzeugt – darauf liegen, viel mehr als bisher Sprachförderung und Integration schon im Vorschulalter zu ermöglichen, und zwar Sprachförderung für Kinder und für Mütter.

(Beifall bei den Grünen)

Das ist ein wesentlicher Baustein für die Integration der Familien und der Kinder in die Gesellschaft und für eine erfolgreiche schulische Laufbahn.

Gleichzeitig müssen wir aus den altbekannten Gründen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Ermöglichung von Wahlfreiheit für die Eltern die Ganztagsangebote dringend ausbauen. Das heißt, wir brauchen eine weitere Förderung altersgemischter Gruppen, noch mehr Ganztagsgruppen und deren Öffnung, auch für Kinder unter drei Jahren, und wir brauchen mehr Kinderkrippen für die unter Dreijährigen, und wir brauchen die Förderung der Tagesbetreuung. Das, meine Damen und Herren, muss das Land finanzieren!

(Beifall bei den Grünen)

Was Sie, Herr Ministerpräsident, sich im Umgang mit den kommunalen Landesverbänden geleistet haben, als es um die Ausweitung der Kinderbetreuung und um die dringend benötigte Ausstattung der Schulen mit neuen Computern ging, war von der Sache her falsch und vom Vorgehen her – das will ich deutlich sagen – unwürdig. Sie haben die Kommunen nicht wie Verhandlungspartner behandelt, sondern von oben herab entschieden.

(Abg. Zeller SPD: So ist es! Ja!)

Der größte Affront war, dass Sie am Tag vor dem entscheidenden Gespräch das Ergebnis presseöffentlich verkündet und den Kommunen die Finanzierung überlassen haben. Das Kinderbetreuungskonzept der Landesregierung wird im Wesentlichen – das verschweigen Sie aber bei Ihrer Pressekonferenz – von den Kommunen finanziert. Zusätzlich zu den 7 Millionen Euro, die Sie in die Kinderbetreuung stecken wollen, müssen die Kommunen kofinanzieren, nämlich über 30 Millionen Euro. Wenn das der Stil ist, kann ich Ihnen, Herr Ministerpräsident und liebe CDUFraktion, nur sagen: So kann man sich nur benehmen,

wenn man nicht mehr gewählt werden will wie der Herr Ministerpräsident und sagt: Das ist mir doch egal; nach mir die Sintflut!

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Da ist man unabhängig! Stark!)

Kurzum: Wenn man das, was dieser Haushalt hätte bringen können, wenn man die Chancen wahrgenommen hätte – man hat sie nicht wahrgenommen –, zusammenfasst, dann muss man sagen: Das ist ein Haushalt der verpassten Chancen. Wir kommen wirklich – und das hat nicht nur die Polizeigewerkschaft gesagt – auf dem Zahnfleisch daher. Wir haben seit 10 Jahren mehr oder weniger planlos gestrichen, gekürzt, verlängert, verschoben. Wir haben keine strukturellen Maßnahmen ergriffen. Wir sind jetzt am Ende der Fahnenstange angelangt.

Die Haushaltsberatungen, die im Januar erfolgen werden, werden unter dieser Überschrift stehen. Wir werden unsere Vorschläge einbringen, und ich hoffe, dass wir damit auch erfolgreich sein werden. Aber dieser Haushalt wird, egal wie es ausgeht, kein guter Haushalt für das Land BadenWürttemberg werden.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren! Da ich anschließend die Sitzungsleitung abgebe, möchte ich schon an dieser Stelle Ihnen und Ihren Angehörigen, aber auch den Besucherinnen und Besuchern auf der Zuhörertribüne und den Damen und Herren der Landespresse und der Medien frohe Weihnachten, einige geruhsame Tage zwischen den Jahren und alles Gute, Glück und Gottes Segen im neuen Jahr wünschen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort erteile ich Herrn Finanzminister Stratthaus.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Reden der beiden Oppositionsführer haben sich durchaus unterschieden. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen hat einige Dinge gebracht, über die man nachdenken und diskutieren kann, während Herr Drexler nur gedrechselt, Opposition gemacht und polemisiert hat.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Polemisiert! – Weitere Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Wintruff)

Ich möchte noch einige wenige Dinge zu Herrn Salomon sagen. Herr Salomon, Sie haben uns erzählt, dass Standard & Poor’s auch FlowTex geratet habe. Sie haben auch uns geratet, und Moody’s hat uns geratet: mit AAA. FlowTex haben sie mit BBB– geratet. Das ist Ihnen wohl entgangen. FlowTex ist nämlich mit einem deutlich schlechteren Rating bei Standard & Poor’s herausgekommen, während wir das beste haben. Darauf sollte man bei dieser Gelegenheit doch einmal hingewiesen haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Reinhart CDU: Das hat er unter- schlagen! Das hat er nicht gewusst!)

(Minister Stratthaus)

Lieber Herr Salomon, Sie haben einen steuerrechtlichen Vorschlag gemacht. Ich hoffe, dass Ihre Informationen auf diesem Gebiet besser sind als bezüglich des Ratings von Unternehmen.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Er muss in die Fortbil- dung!)

Sie haben vorhin – auch dazu möchte ich noch ein Wort sagen – die kommunalen Landesverbände angesprochen. Es gibt kein Land in der Bundesrepublik Deutschland, das seine Kommunen so gut behandelt wie das Land BadenWürttemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Oh-Rufe von der SPD)

In den letzten Tagen ist wieder eine Statistik veröffentlicht worden, die die Verschuldung der Kommunen und der Länder zeigt. Was die alten Bundesländer betrifft, liegt Baden-Württemberg an zweiter Stelle hinter Bayern. In der Tat, Bayern steht wesentlich besser da als wir.

Bei den Kommunen ist es so, dass die baden-württembergischen Gemeinden mit großem Abstand die geringste Verschuldung haben, die Gemeinden aller anderen Länder aber eine wesentliche höhere.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Darüber hinaus haben wir ein ganz liberales System des kommunalen Finanzausgleichs, wodurch wir die Kommunen in die Lage versetzen, in ihrer kommunalen Selbstständigkeit das zu tun, was sie für richtig halten. Das Land versucht nicht, die Kommunen mit dem goldenen Zügel zu führen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Zeller SPD: Das sehen die Kommunen etwas anders! – Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Das ist die richtige Art und Weise, selbstbewusste Kommunen und selbstbewusste Bürgermeister zu behandeln.

Lieber Herr Drexler, wenn man Ihre Rede gehört hat, könnte man meinen, sie sei Ihnen von der SPD im Ollenhauer-Haus in Berlin geschrieben worden

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Drex- ler SPD: Das gibt es doch gar nicht! – Abg. Schmid SPD: Sie sind von gestern!)

und sie handelte nicht von Baden-Württemberg, sondern von Sachsen-Anhalt.

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

Sie haben unser Land so beschrieben, als ob es voller Slums wäre. Sie haben eine miese Stimmung gemacht.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Das ist ein ganz anderes Land.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Sie, lieber Herr Drexler, und Ihre SPD haben keine Ahnung, wie unsere Bürger denken und fühlen, was unsere Bürger von diesem Land halten.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Das müssen gerade Sie sagen! – Abg. Nagel SPD: Die- se Rede hat Ihnen die Adenauer-Stiftung geschrie- ben!)

In der letzten Woche erfuhren wir das Ergebnis einer Umfrage, bei der die Bürger aller 16 Bundesländer befragt wurden, ob sie sich in ihrem Land wohl fühlen.