Protokoll der Sitzung vom 30.01.2002

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Familienpolitik hat für uns Priorität. Das ist heute Morgen ja schon oft betont worden.

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Das sieht man an der Ökosteuer!)

Das hat auch die Landesregierung letzte Woche in ihrer Pressekonferenz festgestellt. Familienpolitik hat für uns Priorität. Das sagen die Grünen nicht erst seit heute oder seit gestern, sondern das sagen die Grünen schon seit 20 Jahren. Das Leben mit Kindern hat bei uns schon immer einen hohen Stellenwert gehabt. Es war schon immer ein

wichtiges Standbein unserer Politik. Dabei haben wir uns aber immer an den Lebensrealitäten orientiert und nicht ideologische Familienpolitik gemacht.

(Beifall bei den Grünen Abg. Hauk CDU: Das waren nur die Vorredner!)

Für uns bedeutet nämlich Familie jegliche Lebensform,

(Abg. Hauk CDU: Aha!)

die Verantwortung für Kinder übernimmt, und nicht ein konservatives, traditionelles Familienbild „Papa, Mama, verheiratet, zwei Kinder“, wie es noch bei den Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP/DVP zu finden ist.

(Abg. Reichardt CDU: Das ist aber sehr gut! Da lebt es sich sehr gut! Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Habe ich das gesagt? Ich habe gesagt: Familie ist da, wo Kinder sind! Abg. Dr. Lasotta CDU: Das ist für uns das Normale! Zuruf des Abg. Kretsch- mann GRÜNE)

„Familienpolitik hat für uns Priorität“, das sagte die Landesregierung letzte Woche auf ihrer Pressekonferenz. „Wir wollen einen Beitrag leisten, dass die Familie eine Lebensform bleibt, die für jeden möglich ist“, sagte Herr Ministerpräsident Teufel zum Abschluss dieser Pressekonferenz und auch heute Morgen hier im Plenum.

Ihre Taten strafen Ihre Worte Lügen. Mit dem, was Sie in den letzten Wochen bei den Haushaltsplanberatungen beschlossen haben, erreichen Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie immer verkünden.

(Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Margot Queitsch und Gustav-Adolf Haas SPD Abg. Hei- ke Dederer GRÜNE: Genau!)

Sie sparen auf dem Rücken der sozial Schwachen. Sie sparen auf dem Rücken derjenigen, die keine Lobby haben. Sie sparen auf dem Rücken der allein erziehenden Mütter. Sie sparen auf dem Rücken der ausländischen Familien. Sie sparen auf dem Rücken der Arbeitslosen. Man darf nämlich nicht nur sagen, wie viel Geld im Haushalt zur Verfügung steht, sondern man muss auch wegen der Haushaltswahrheit sagen, dass Sie für diese Menschen allein 18 Millionen € weniger in den Doppelhaushalt einstellen. Da kann man wahrlich nicht von einem familienfreundlichen Klima sprechen, sondern da muss man schon eher von einem familienfeindlichen Klima für Familien hier in Baden-Württemberg sprechen.

(Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Margot Queitsch und Sakellariou SPD Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Reden Sie es doch nicht herbei!)

Sie pflegen Ihr familienfreundliches Image mit der Lobpreisung der Familien doch bloß in Sonntagsreden oder hier im Plenum, ohne aber in der Praxis tatsächlich familienfreundliche Politik zu machen, die sich für Familien dann auch im wahrsten Sinne des Wortes auszahlt.

(Abg. Döpper CDU: Beispiele!)

Das sieht man ganz deutlich bei den Haushaltsberatungen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das sind doch allein 15 Millionen beim Landeserziehungsgeld! Wie kommen Sie auf diese fantastische Zahl? Gegen- ruf der Abg. Marianne Wonnay SPD: Das haben Sie vom Gericht aufgedrückt bekommen!)

Ich rechne Ihnen einmal vor, Herr Haas, wie ich auf diese 18 Millionen € komme: Rücknahme der 20-prozentigen Kürzung beim Landesprogramm „Mutter und Kind“. Vorhin ist darüber schon viel gesagt worden.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das sind 1,2 Millionen!)

Genau. Jetzt haben wir schon 2,4 Millionen €. Merken Sie sich das, dann können wir es zum Schluss zusammenrechnen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist aber nicht sehr konstruktiv!)

Sie haben doch heute Vormittag zugehört und mitbekommen, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden muss,

(Abg. Döpper CDU: Aber doch nicht schlechter stellen!)

also nicht weil wir an der Regierung sind, sondern weil es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gab.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das gilt auch andershe- rum!)

Andersherum umsetzen ging nicht, weil wir keinen Geldesel haben.

(Abg. Marianne Wonnay SPD zur CDU: Das hät- ten Sie als Regierung auch nicht finanziert!)

Das Zweite ist, dass wir uns sehr wohl bewusst sind, dass die Situation der Alleinerziehenden verbessert werden muss, und deshalb arbeiten wir in Berlin daran, dass künftig die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten ab dem ersten Euro absetzbar sind.

(Beifall bei den Grünen Abg. Dr. Noll FDP/ DVP: Machen, machen, machen!)

Das zur Bundespolitik.

Aber wir sind hier in Baden-Württemberg. Zwar sind wir hier, wie wir heute gehört haben, ganz arg Spitze, aber in der Kinderpolitik, beim Leben mit Kindern, sind wir nicht Spitze.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Stimmt doch nicht!)

Das Mutter-Kind-Programm ist vor 25 Jahren eingeführt worden. Ministerpräsident Teufel hat es immer zur Chefsache erklärt, und er hat auch in seiner Regierungserklärung noch sehr stolz darauf verwiesen, dass es dieses Landesprogramm „Mutter und Kind“ gibt und dass es gut ist.

Das Mutter-Kind-Programm ist ein Unterstützungsprogramm für Alleinerziehende. Es gewährt Hilfe zur Selbsthilfe, und Hilfe zur Selbsthilfe ist vom Prinzip her ja etwas, was wir alle sehr unterstützen. Die Alleinerziehenden wer

den durch die Teilnahme am Programm nicht sozialhilfeabhängig gemacht, sondern darin unterstützt, zum Beispiel ihren Schulabschluss zu machen, eine Ausbildung anzufangen, eine Weiterbildung anzufangen oder zu Ende zu führen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das geht auch außer- halb dieses Programms!)

Das Wichtige am Mutter-Kind-Programm sind nicht die 200 DM Erziehungszuschlag, die die Frauen bekommen, sondern das Herzstück des Programms ist die sozialpädagogische Gruppenarbeit.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Die ist sehr beliebt!)

Wenn das Land jetzt aus dieser sozialpädagogischen Gruppenarbeit aussteigt, dann ist das faktisch ein Ausstieg des Landes aus dem Mutter-Kind-Programm.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Dann muss man das auch so formulieren und das vorher den Kommunen mitteilen, die jetzt nämlich dastehen und sagen: Wir haben diese Beratungsangebote und wissen nicht mehr, wie wir sie finanzieren sollen. Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass die Kommunen die Melkkühe des Landes sind. Ich finde, so kann man mit den Kommunen nicht umgehen,

(Abg. Rückert CDU: Ach, Mädle!)

wenn man will, dass die Kommunen Partner der Landespolitik sein sollen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deshalb beantragen wir, die anvisierten Kürzungen von 2,5 Millionen € im Doppelhaushalt zurückzunehmen.

Zweitens zum Kinderbetreuungskonzept „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“, das die Landesregierung vorgelegt hat. Das ist weiterhin ein Konzept, das zum Großteil von den Kommunen getragen werden soll.

Ich sage eine dritte Zahl: Von den verkündeten 15 Millionen € sind genau 7,05 Millionen € originäre Landesmittel für die Förderung von Kindergärten, Krippen und Tagespflege.

(Abg. Alfred Haas CDU: Nein!)

Doch. Es sind keine 4 Millionen, keine 15 Millionen, sondern es sind genau 7,05 Millionen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Nein, es sind genau 15 Millionen für Schule und Kindergärten! Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Euro!)