Denn Sie können doch nicht gewollt haben, dass der Mittelstand massenweise Steuern zahlt und die Großunternehmen nicht.
Wir haben ganz eindeutig einen anderen Entwurf gehabt; das war das Erste. Wir waren nicht dafür, dass in der Form die Sätze gesenkt werden. Die Sätze zu senken war in Ordnung; aber die Herstellung von Organschaften, die dazu geführt haben, dass in vielen Fällen Verluste und Gewinne verrechnet werden können, weiterhin die Tatsache, dass man angesparte Körperschaftsteuerguthaben innerhalb kürzester Zeit ausräumen kann, das hat die Bundesregierung offensichtlich entweder gewollt und dann bewusst verursacht, was entstanden ist , oder sie hat es nicht gesehen. Tatsache ist, dass die Bundesregierung mit einer ganz anderen Steuereinnahme gerechnet hat als der, die anschließend eingetreten ist.
Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, weil ich versprochen habe, mit Ihnen vernünftig zu reden, und ich glaube, man kann mit vielen vernünftig reden: Es wäre vernünftiger, in einer Finanzplanung einen Korridor steigender Ausgaben festzulegen, indem man sagt, in jedem Jahr dürfen die Ausgaben nur um 1 % oder 2 % steigen, und daran sollte man sich stur halten. Denn stellen Sie sich einmal vor, was passieren würde, wenn man in jedem Jahr ganz präzise das Verschuldungsziel erreichen wollte. Wenn dann die Steuern um 26 Milliarden einbrechen, dann müsste man die Investitionen um 26 Milliarden zurücknehmen. Das wäre geradezu die prozyklische Finanzpolitik,
die wir nun alle nicht wollen. Ich habe ja gesagt, wir wollten einmal vernünftig diskutieren. Deswegen sollten wir uns vielleicht in Zukunft etwas mehr Gedanken machen, ob es nicht vernünftig wäre, einen Ausgabenpfad festzulegen, und diesen dann aber auch einzuhalten.
Wenn die Steuereinnahmen höher wären, würde das zu Überschüssen führen. Wenn sie niedriger wären, würden wir eine größere Verschuldung hinnehmen.
Aber die Vorstellung, in jedem Jahr punktgenau die geplante Verschuldung zu erreichen, führt zu einem wirtschaftlichen Desaster.
Herr Minister, Sie haben jetzt dargelegt, dass es für die nächsten vier Jahre nicht möglich sei, präzise Aussagen über die Höhe der Nettoneuverschuldung zu machen. Warum können Sie es dann ausgerechnet im Jahre 2006 für die Nettonullverschuldung? Sie können es für kein einziges Jahr sagen. Da klaffen Lücken von 700 Millionen , und ausgerechnet im Jahr 2006 können Sie es, denn da sagen Sie null.
Vielleicht erreichen wir es auch schon vorher. Das hängt nämlich von den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ab, auf die ich auch noch kommen werde.
Frau Dederer, jetzt überlegen Sie mal: 1 % Wirtschaftswachstum macht in Baden-Württemberg ungefähr 320 Millionen DM Steuereinnahmen aus.
Das ist eine Prognose für das erste Vierteljahr. Tatsache ist, dass Baden-Württemberg im Jahr 2001 ich werde es Ihnen nachher noch zeigen immer noch mit das höchste Wirtschaftswachstum in der ganzen Bundesrepublik Deutschland hatte.
Lassen Sie mich ausreden! Tatsache ist auch, dass wir im ersten Vierteljahr des letzten Jahres ein sensationelles Wachstum von 3,5 % hatten. Es ist ganz klar, dass auf die hohe Basis von 3,5 % im letzten Jahr nunmehr nicht noch 3 % kommen können. Auch da müsste man das ganze Jahr sehen. Es hat doch keinen Sinn, immer nur kurze Zeiträume zu vergleichen. Aber dazu komme ich nachher noch.
Im Übrigen handelt es sich um eine Prognose. Diese Prognose kann ungefähr so falsch sein wie die Prognosen von Herrn Eichel, aber in die andere Richtung.
Denn Herr Eichel hatte laufend hohe Prognosen, und dann ist es niedriger gekommen. Es kann ja jetzt auch einmal das Umgekehrte passieren.
(Abg. Schmiedel SPD: Es ist doch Ihr Statistisches Landesamt! Abg. Birzele SPD: Herr Dr. Leibing war doch Präsident!)
Das ist nicht unser Statistisches Landesamt, sondern das des Landes Baden-Württemberg, das objektiv und sachgerecht rechnet.
Dieses Landesamt hat gesagt, dass die Ergebnisse möglicherweise im ersten Vierteljahr des nächsten Jahres schlechter werden. Ich werde dazu nachher noch einiges sagen.
Wir haben im Haushalt Schwerpunkte gesetzt: die Bildung, das Betreuungskonzept Kinderfreundliches Baden-Württemberg, die Verkehrsinfrastruktur, die innere Sicherheit und die Mittelstandsförderung. Das ist alles schon besprochen worden.
Ausgeglichene Haushalte ab dem Jahr 2006: Ich hoffe doch, dass wir uns alle darin einig sind, dass dieses Ziel richtig ist; das haben Sie ja alle gesagt. Wir werden es auch nicht nur erreichen können oder werden nicht nur wünschen, es zu erreichen, sondern ich behaupte: In einigen Jahren wird es eine Selbstverständlichkeit sein, dass die öffentlichen Haushalte, zumindest über mehrere Jahre gesehen ich habe dazu vorhin etwas gesagt , ausgeglichen sein müssen. Denn Sie müssen bedenken, dass BadenWürttemberg immer noch das Land ist, das die zweitniedrigste Verschuldung der alten Bundesländer hat die anderen Länder haben ja drei-, vier-, fünfmal mehr und trotz der niedrigen Zinsen, die wir zurzeit haben, doppelt so viel Zinsen zahlt, wie es neues Fremdkapital aufnimmt. Da kann sich jeder ausrechnen, dass es so nicht weitergehen kann.
Richtig! Betrachten Sie aber einmal die Ergebnisse in anderen Ländern. Sie sind mit Ausnahme von Bayern viel, viel schlechter. Zum Teil sind sie drei-, vier- bis fünffach schlechter.
Wir werden uns bemühen, eine Nettoneuverschuldung von null zu erreichen, und ich bin da nach wie vor zuversichtlich. Allerdings müssen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen stimmen.
Ich habe mich sehr intensiv damit befasst, wie es den Vereinigten Staaten und neun europäischen Ländern gelungen ist, inzwischen Haushaltsüberschüsse zu haben. In keinem Land ist das dadurch gelungen, dass man die Ausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ernsthaft zurückgeführt hätte, sondern es ist dadurch gelungen, dass das Bruttoinlandsprodukt infolge einer guten Wirtschaftspolitik gewachsen ist und dass man die Ausgaben langsamer wachsen ließ. So war es ganz eindeutig in Amerika, und so war es auch ganz eindeutig in vielen anderen Ländern.
Wir argumentieren hier ja politisch, und ich sage Ihnen: Politisch werden wir eine Nullnettoneuverschuldung nur erreichen und wir müssen sie erreichen , wenn wir wieder mehr Wirtschaftswachstum haben. Anders ist dieses Ziel politisch nicht zu erreichen. Wir werden aber nur dann mehr Wirtschaftswachstum haben, wenn, vor allem im Bund, eine andere Politik betrieben wird.
Sie haben vorhin einige Male wieder vom Schlusslicht Baden-Württemberg usw. gesprochen. Wir werden auch im nächsten Jahr nicht Schlusslicht sein; da dürfen Sie sicher sein. Dazu möchte ich aber nach vielem, was in den letzten Tagen gesagt worden ist, auch einige relativierende Worte sagen, wenn sie auch nicht brausenden Beifall von allen Seiten finden werden.
Man darf sich doch einmal die Frage stellen: Was kann eigentlich die Landespolitik für die Wirtschaft eines Landes tun? Sie kann sehr viel tun das ist überhaupt keine Frage ,
und wir haben viel getan. Wir können in erster Linie Folgendes tun: Wir können zum Beispiel durch unsere Bildungspolitik die Angebotsseite stärken. Wir können unsere Bevölkerung entsprechend ausbilden. Wir können durch unsere Bildungspolitik dafür sorgen, dass wir genau die Arbeitskräfte haben, die wir brauchen. Vieles können wir durch Messen erreichen. Wir können durch Technologietransfer vieles erreichen. Wir können durch eine vernünftige Wirtschaftsstrukturpolitik viel erreichen. Aber all das wirkt nicht kurzfristig, sondern nur langfristig. Den Ordnungsrahmen hat die Bundespolitik herzustellen. Wir können die Produktionsfaktoren so herstellen, dass sie in der Lage sind, einen großen Nutzen zu stiften. Aber dafür zu sorgen, dass sie wirklich arbeiten können, dass sie entfesselt arbeiten können, das ist Aufgabe der Bundespolitik.