Protokoll der Sitzung vom 01.02.2002

Wir hatten in den letzten sechs Jahren um das auch noch einmal deutlich zu machen in der EU einen Zuwachs im Agrarbereich von 22,8 %, in Deutschland sogar von 28,8 %. Jetzt addieren Sie das. Dann können Sie wenigstens eines nicht leugnen, Herr Kollege Traub: Davon sind mindestens 60 % unter einer Regierung von SPD und Grünen entstanden und nur 40 % unter einer Regierung von CDU und FDP.

(Beifall bei der SPD und den Grünen Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut! Das muss festgehalten werden!)

Ich sage das deswegen so bewusst, weil es auch sechs Länder gibt, die in diesen Jahren ein Minus zu verzeichnen haben: Irland, Großbritannien, Holland, Luxemburg und Österreich, an die wir uns ab und zu gerne erinnern und anhängen, und Griechenland. Wir sollten es einfach fertig bringen, zu sagen: Dieser Erfolg ist der Erfolg der Politik und nicht von irgendjemandem allein. Dann hätten wir wenigstens einen kleinen gemeinsamen Nenner.

Wichtig ist, dass wir uns allmählich daran erinnern, dass wir umdenken müssen. Wir alle haben es im vorigen Jahr einmal für etwa vier oder fünf Monate fertig gebracht, dass der Verbraucher und der Erzeuger sich aufeinander zu bewegten. Wir sind leider wieder davon weggekommen. Die Koalition zwischen Verbraucher und Landwirt, zwischen Erzeuger und Käufer ist ganz wichtig. Wir sollten uns jetzt auch nicht streiten, ob 20 % der Landwirte ökologisch und 80 % konventionell wirtschaften übrigens arbeiten die auch biologisch , sondern wir sollten uns deutlich machen: Wer sich umstellen will, der weiß, was er tut, und den sollten wir auch fördern, ohne dass wir die anderen damit bloßstellen wollen. Das hat übrigens der Bauernverband sehr gut begriffen. Die Bauern selber haben es auch

verstanden. Nur das Ministerium weigert sich, das zur Kenntnis zu nehmen oder offen zuzugeben.

(Abg. Schmiedel SPD: Und einzelne Bauernfunk- tionäre!)

Ich darf Ihnen gleich noch ein paar Zitate dazu liefern. Der Präsident der DLG für die Nichtagrarier: Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft hat gesagt:

Wir brauchen als Botschaft an die Landwirtschaft und als wahre Neuausrichtung

das ist nur ein anderes Wort für „Wende“, das Sie ja nicht in den Mund nehmen wollen, Herr Minister

die konsequente Integration der Landwirtschaft in die Ernährungswirtschaft wechselseitig.

Das war Herr von dem Bussche. Ich glaube, das formulierte Ziel der neuen Strategie heißt: Im Verbund mit der Ernährungswirtschaft brauchen die Landwirte auch ein neues Selbstverständnis und das ist ganz wichtig ein neues Selbstbewusstsein.

(Abg. Traub CDU: Das wird in Berlin hergestellt!)

Das kommt in Berlin und in Stuttgart, oder es kommt in Berlin und in Stuttgart nicht, Herr Kollege. Ihr Kopfschütteln ist sicher nur ein Zeichen von Unsicherheit oder Ungläubigkeit.

Herr Professor Golter vom Landesbauernverband hat ich habe die Zeitung dreimal gelesen, weil ich mich wahnsinnig gefreut habe verstanden, worum es geht. Herr Golter hat vor kurzem gesagt ich zitiere :

Wir brauchen endlich nicht mehr und nicht weniger als ein gutes Stück Marktwirtschaft in der Agrarproduktion.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das sagt er schon immer!)

Das hat er früher nicht gesagt, liebe Frau Kollegin GurrHirsch.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie sind lern- fähig! Abg. Capezzuto SPD: Gut ausgesprochen, deutlich!)

Herr Golter sagt auch:

Geld muss den Strukturwandel zu größeren Höfen absichern.

Richtig! Es geht nicht mehr anders. Und er sagt: Wir brauchen „Marktwirtschaft pur“ außer in einigen Bereichen, und da gehen wir auch mit ihm mit. Vielleicht beantragt er demnächst die Aufnahme in die SPD. Wir nehmen ihn auf, wenn er bei dem bleibt, was er sagt.

(Abg. Capezzuto SPD: Wen, den Herrn Minister?)

Nein, Herrn Golter. Den Herrn Minister nicht. Er hat nämlich gesagt: Außer in dem Bereich, in dem es Vertrags

landwirtschaft und zusätzlich die Honorierung von Leistungen und einen Ausgleich für Vorgaben und Beschränkungen gibt, muss die Landwirtschaft marktwirtschaftlich produzieren; Angebot und Nachfrage müssen den Markt regeln.

Nur muss man eines lernen. Wenn im Autobereich Materialien teurer werden oder Löhne steigen, wird das Auto teurer, und dann bekommt der Erzeuger mehr. Wenn das Produkt in der Landwirtschaft teurer wird, bekommt nicht der Landwirt mehr. Da müssen wir auch etwas tun, lieber Herr Minister. Denn es kann wohl nicht sein, dass bei allen Umstellungen immer derjenige den Schaden hat, der sich umstellt und der das Risiko trägt.

Was vermissen wir bei Ihnen? Impulse! Welche Botschaft kommt aus dem Haushalt? Keine!

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Darüber können wir gerne einmal sprechen. Das machen wir aber im Ausschuss. Da können Sie nämlich in Ruhe zuhören.

Was der Haushalt nicht vermittelt, ist eine Botschaft für die Zukunft. Ich kann nur sagen: Schweigen im Walde oder Schweigen der Lämmer. Das ist egal; Sie sind ja für beides zuständig.

Was vermissen wir? Ich will es Ihnen aufzählen. Wir vermissen Infrastrukturimpulse für den agrarischen Bereich im ländlichen Raum. Vom grünen Zentrum Boxberg wird uns vor jeder Wahl etwas gesagt. So war es im vorigen Jahr auch. Im Haushalt steht davon aber überhaupt nichts.

(Abg. Schmiedel SPD: Leere Versprechungen!)

Nichts außer leeren Versprechungen. Der Landwirt als Energiewirt. Herr Sonnleitner sagt: Landwirte müssen Energiewirte werden. Das wäre sinnvoll. Warum soll die Landwirtschaft nicht Rohstoffe für die Industrie und das Gewerbe liefern? Was hören wir davon? Nichts. Wir stellen dazu einen Antrag.

(Beifall bei der SPD)

Der Landwirt als Marktwirtschaftler. Was hören wir von Ihnen? Nichts. Koalition zwischen Landwirtschaft, Erzeuger und Verbraucher. Was hören wir von Ihnen? Nichts. Das Einzige, was wir hören, ist: Ein Türschildchen wird geändert. Jetzt gibt es ein Zimmer, an dem steht: Verbrauchersicherheit. Prost! Wenn das reicht, muss ich mich fragen, ob Sie nicht verstanden haben, dass wir die Landwirte nicht nur an die Verbraucher heranführen müssen, sondern auch umgekehrt. Da aber reicht es nicht, nur einmal im Jahr die Aktion „Gläserne Produktion“ durchzuführen, obwohl das nichts Schlechtes ist nicht dass Sie sagen, ich hätte das kritisiert.

Weiter: Sie machen ein paar Freiwilligkeitsleistungen. Mir hat das mit der sozialen Beratung niemand erklären können. Der Landesrechnungshof sagt: Die Schmerzgrenze liegt, wenn überhaupt, bei 5 DM, also 2,5 €, pro Betrieb. Sie aber hauen da 8 DM oder 4 € drauf, obwohl ganz klar und deutlich geworden ist, dass das Geld bei den Bauern gar nicht ankommt. Da hätten Sie sparen können. Geben

Sie das Geld nach Boxberg; dann hätten wir etwas gesehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Fairness halber muss man sagen: Manchmal tut der Minister auch etwas. Aber da hat er ein paarmal daneben gelangt. Erstes Beispiel: die Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz. Da lesen wir in der Zeitung: zu viel Bürokratie und zu wenig Praxis, Umkehrung der rechtsstaatlichen Prinzipien, kontraproduktiv. Solche Verordnungsentwürfe legen Sie vor.

(Abg. Schmid SPD: Und das als Jurist!)

Übrigens kam die Kritik, die ich eben genannt habe, vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU, von Herrn Hauk, den Sie jetzt zum Leiter eines Forstamts machen wollen. Er muss also wohl wissen, wovon er spricht. Ich würde sagen: eine schallende Ohrfeige.

Ein zweiter Punkt: Obstbau. Dass da gemogelt worden ist, wussten Sie. Aber mit Ihrem Schweigen haben Sie den Obstbauern geschadet, und zwar nicht nur den ehrlichen, sondern allen. Deswegen wäre es, muss ich sagen, besser gewesen, Sie hätten, statt die Wahrheit scheibchenweise offen zu legen, klar gesagt: Wir kontrollieren. Es ist übrigens bezeichnend: Auf einmal nimmt die Kontrolle zu. Also gab es vorher keine oder keine ausreichende Kontrolle. Damit sind Sie Totengräber für das HQZ; das muss ich Ihnen einmal sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ein dritter Punkt. Die „Stuttgarter Zeitung“ ist ja nun nicht gerade ein SPD-Blatt. Sie hat bei der Änderung des Weingesetzes sogar das Wort „dilettantisch“ gebraucht. Ich habe gehört, Sie seien auf dem Berliner Parkett perfekt. Bleiben Sie auf dem Parkett, und gehen Sie in diesem Bereich nicht in die Landwirtschaft!

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Beim Weingesetz sagen alle: Das war nichts. Ich zitiere in diesem Fall, Frau Hirsch.

(Zurufe: Gurr-Hirsch! Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU: Das habe ich nicht gesagt!)

Moment! Sie weiß, warum. Der Württembergische Weinbauverband hat nämlich durch ihren Mann gesagt: „Das war diplomatisch ungeschickt.“ Wir haben Herrn Drautz zitieren hören: „Einsamer Schnellschuss“.

(Abg. Traub CDU: Es gibt keine Kollektivhaftung! Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Nein, das habe ich doch nur gesagt, damit Sie sehen, dass ich Ihrem Mann zuhöre. Wir haben dann gehört, dass der Badische Weinbauverband sagt: „Nicht genug vorbereitet.“

(Abg. Dr. Birk CDU: Es würde Ihnen insgesamt gut anstehen, besser zuzuhören!)