Protokoll der Sitzung vom 06.03.2002

Andererseits würde ich aber auch in der Politik manchmal empfehlen, sich an ein altes Sprichwort zu halten: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

(Beifall bei der CDU)

Das gilt auch für Parteien. Vielleicht gilt es insbesondere für eine Partei, die einen namhaften Repräsentanten in ihren Reihen hat, der auch gern einmal mit dem Fallschirm auf eine Schlagzeile abspringt.

(Beifall bei der CDU Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist doch billig!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eben nicht korrekt dargestellt worden: Die Verzahnung von Forschung und Lehre ist schon heute bei organisatorischer und finanzieller Trennung nach wie vor gewährleistet. Übrigens haben auf Ihre Unterstützung hin die Allgemeinen Ortskrankenkassen, die gesetzlichen Krankenkassen sehr stark darauf gedrängt, dass aus ihren Etats nicht Forschung finanziert wird. Das würde so bleiben.

(Abg. Dr. Klunzinger CDU: Einer muss bezahlen!)

Jetzt einfach einmal zu der Frage: Sollen wir Entwicklungen, die aufgrund der Demographie und des medizinischtechnischen Fortschritts auf uns zukommen, nach dem Motto „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ einfach ignorieren?

(Abg. Pfisterer CDU: Die Kliniken sind doch heute schon vorbereitet!)

Wir Liberalen sind wirklich offen genug, über Konzepte für die Zukunft nachzudenken. Sie liegen ja teilweise schon vor. Das heißt, mit Ihrer Begründung, Herr Wissenschaftsminister, teilweise müssten wir Gesundheitsleistungen sei es der ambulanten Versorgung, oder sei es der Maximalversorgung aus öffentlichen Mitteln mit subventionieren, sind Sie nicht mehr auf dem Laufenden. Die Gesundheitspolitik fast aller Fraktionen lautet: Auch da muss die Zuordnung von Leistung und Kosten transparent, ursachengerecht stattfinden. Das muss also im GKV-System stattfinden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Nächster Punkt: Es geht nicht darum, billig Erlöse zu machen, und es geht nicht darum, betriebswirtschaftliche Dinge zu verbessern; das kann man in der Tat auch bei öffentlicher Trägerschaft mit einer Betriebsorganisation machen. Vielmehr geht es und dazu hat keiner und keine von Ihnen etwas gesagt um die notwendigen Investitionen.

(Abg. Pfisterer CDU: Die sind doch da! Abg. Dr. Klunzinger CDU: Der Minister hat es doch ausge- führt! Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Wo soll das Geld herkommen?)

Jetzt hatten wir durch die Privatisierung glücklicherweise die Möglichkeit, einiges zu tun. In den nächsten Jahren wird uns da aber nichts mehr zur Verfügung stehen, und deshalb müssen wir doch einmal überlegen, wie wir die 60 Millionen € jährlich aus einem immer enger werdenden Haushalt künftig finanzieren wollen.

Ich sage Ihnen eines: Da muss man in der Tat dicke Bretter bohren. Aber man muss erst einmal die dicken Bretter vor dem Kopf abnehmen, damit man die Realitäten sieht,

(Beifall bei der FDP/DVP Abg. Pfisterer CDU: Warum hat Ihr Parteitag nicht mitgemacht?)

und man muss die Entwicklung klar benennen und dann den Menschen sagen, wie wir das künftig finanzieren wollen.

(Abg. Capezzuto SPD: Meinen Sie die CDU? Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Ich meine alle, die so vehement dagegen diskutieren. Heute früh haben wir über 50 Jahre Baden-Württemberg gesprochen. Vieles ist gut gelaufen. Aber Herr Leicht hat gesagt, es reiche nicht, selbstgefällig zurückzublicken. Wir müssen in die Zukunft sehen.

(Abg. Dr. Klunzinger CDU: Aber richtig sehen!)

Da müssen wir möglicherweise eingefahrene Gleise nach dem Motto „Das haben wir immer so gemacht, anders werden wir es nie machen“ ein Stück weit verlassen.

(Abg. Dr. Klunzinger CDU: Das sagt doch keiner! Abg. Pfisterer CDU: Nicht einmal der Parteitag hat mitgemacht!)

Ich wusste, dass das Thema schwierig ist, weil da Ängste bei den Angestellten geschürt werden.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Die Angestellten haben aber aufgrund dessen, was Sie mit den DRGs machen, und nicht aufgrund der Privatisierungsdiskussionen Angst.

(Beifall bei der FDP/DVP Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Immer dasselbe Strickmuster!)

Sie versuchen, bei der Bevölkerung Ängste bezüglich der Versorgungssicherheit zu schüren. Nun weiß aber jeder, wie ein mehr wettbewerblich organisiertes Gesundheitswesen funktioniert, das übrigens hier alle wollen. Da sorgt der Wettbewerb für Qualität, und die Menschen können mit den Füßen abstimmen. Da wird auch nicht eine Sparte subventioniert, wie das derzeit der Fall ist und wodurch es natürlich zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Diesen Nebenaspekt sollte man auch einmal sehen. Inzwischen wird ja sehr vieles ambulant gemacht, auch mit Computertomographen usw. usf.

Der private Finanzier bekommt das aber nicht subventioniert, hat deswegen höhere Kosten und ist aus diesem Grund nicht konkurrenzfähig. Wenn Sie immer auf das Prinzip „ambulant vor stationär“ abheben, so muss ich sagen, dass alles, was ich heute hier gehört habe, absolut kontraproduktiv ist,

(Beifall bei der FDP/DVP)

weil Sie damit weiterhin an einer Wettbewerbsverzerrung festhalten.

Wenn ich das Gesundheitswesen nach Ihrem Motto mit Verlaub, Herr Wissenschaftsminister organisieren wollte, dürften Sie morgen meine Zahnarztpraxis und die darin vorgenommenen Investitionen zum Teil übernehmen.

(Abg. Dr. Klunzinger CDU: Das ist doch ein Brett vor dem Kopf! Abg. Pfisterer CDU: Warum ist der Parteitag dem nicht gefolgt?)

Das muss man einfach einmal im Gesamten sehen. Wir haben doch auch gesehen: Alle Gesundheitssysteme, die immer mehr auf staatliche Lenkung und Investition setzen ich nenne hier England als Stichwort , schrammen absolut am Bankrott entlang, weil unter anderem die öffentlichen Haushalte das Geld nicht bereitstellen und sich diejenigen, die mehr mit privatem Kapital finanziert sind, vergleichsweise gut und patientenkonform entwickelt haben. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem von der CDU, sollte man einmal vorurteilsfrei prüfen.

Das Thema der Verzahnung ist lösbar; es ist schon heute gelöst. Da muss getrennt abgerechnet werden. Der Krankenversorgungsbereich ist abzutrennen, und Forschung und Lehre werden natürlich Aufgabe des Landes bleiben. Da gibt es überhaupt keinen Dissens, und da sind auch keine Ängste zu schüren. Was soll denn das?

Es ist ja auch nicht so, dass wir uns da in ein Abenteuer begeben. Es gibt Beispiele, bei denen die Privatisierung funktioniert hat. Ich glaube auch, Denkverbote wären das Schlechteste. Wer heute über Stabilitätspakte, Nullverschuldung und so etwas spricht, wird es sich in Zukunft nicht leisten können, ordnungspolitisch und strukturpolitisch zu überlegen, was die Aufgabe des Landes ist dafür sind wir zuständig und was die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist, die natürlich nicht über das Budget gesteuert werden kann. Wenn Sie zusätzliche Investitionen erwirtschaften wollen, müssen natürlich die Gebühren ein Stück weit steigen. Das ist aber absolut Ihre Linie. Ich darf daran diejenigen, die ihre eigene Gesundheitspolitik nicht so genau kennen, nur erinnern.

Wenn wir das alle sehen, geht es, denke ich, nicht um Bretter vor dem Kopf. Vielmehr müssen wir über solche Themen offen diskutieren und einmal darüber nachdenken, ob wir an dieser Stelle als Land Aufgaben, die andere zu erledigen haben und die im GKV-System zu erledigen sind, möglicherweise besser oder zumindest gleich gut erledigt bekommen und dafür das Land an anderer Stelle seiner Pflicht zur Haushaltskonsolidierung nachkommen kann, wovon letztlich sowohl die Bevölkerung als auch wir, die wir für die Finanzen verantwortlich sind, profitieren können.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Denn das Horrorgemälde, bei einer Privatisierung würde alles schlechter, spricht allen aktuellen Erfahrungen Hohn. Gerade Sie von der CDU sollten nicht gemeinsam mit Rot-Grün in dieses Horn stoßen, sondern für Überlegungen offen sein.

Ich darf abschließend zitieren, was der Landesvorsitzende der FDP/DVP und Wirtschaftsminister an den Ministerpräsidenten geschrieben hat.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Noll, Sie haben Ihre Redezeit schon erheblich überschritten.

Darf ich den einen Satz noch zitieren?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP Zurufe von der CDU: Nein!)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

ich schlage vor, dass Sozial-, Wissenschafts-, Justiz-, Finanz- und Wirtschaftsministerium gemeinsam eine Vorlage für die Haushaltsstrukturkommission

genau das ist das Thema

und das Kabinett erstellen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Darin sollen die erforderlichen Gesetzesänderungen und ein Bieterverfahren vorbereitet werden. Vorstellbar wäre,