Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich streng an das Thema halten und versuchen, meinen Beitrag nicht zu sehr auszudehnen. Allerdings werde ich nicht nur Überschriften nennen können. Das Thema heißt: Kranke Kassen statt Krankenkassen. Der Kollege Hoffmann hat schon gesagt: Wenn man seitens der gesetzlichen Krankenversicherung 5,5 Milliarden DM Defizite im Jahr 2001 schreibt, dann kann man in der Tat von kranken Kassen reden.
Zweiter Punkt: Auswirkungen, Benachteiligungen für unsere Bürgerinnen und Bürger. Ich glaube, da brauche ich überhaupt nicht groß die Experten zu fragen, sondern da muss ich nur die Menschen draußen im Land fragen. Die
sagen uns alle: Wir zahlen immer höhere Beiträge und kriegen immer weniger Leistung. So ist es eben.
Jetzt müssen wir uns doch mal nicht immer Begriffe um die Ohren schlagen, sondern überlegen, wie die Grunddiagnose lautet. Die Grunddiagnose ist: Demographische Entwicklung, medizinisch-technischer Fortschritt erfordern immer mehr Leistungen, weil die Menschen Gott sei dank immer älter werden, aber dadurch wir haben es gestern beim Thema Altenhilfe diskutiert selbstverständlich mehr Leistungen brauchen. Das ist übrigens auch ein Thema der Generationengerechtigkeit Professor Raffelhüschen hat das ja einmal für die GKV wunderschön aufbereitet , genauso wie zum Beispiel bei der Rente oder der Pflegeversicherung.
Nun, liebe Kollegin Haußmann, haben Sie von der SPD, wenn auch unter Schmerzen, im Bereich der umlagefinanzierten Rente den Weg angetreten, zu sagen: Jawohl, angesichts der demographischen Probleme nehmen wir den solidarisch finanzierten Anteil in diesem System ein Stück weit zurück, begrenzen ihn auf den Kern denn Absenkung des Niveaus heißt nichts anderes, als den Kern etwas schlanker zu machen und versuchen dafür, mehr Eigeninitiative, Eigenverantwortung mit reinzubringen.
(Abg. Drexler SPD: Natürlich, im Bundestag! Abg. Ursula Haußmann SPD: Sie haben doch im Bundestag alles blockiert!)
Genau dahin wird es auch in der Gesundheitspolitik wieder gehen müssen, dass wir die Grenze zwischen Solidarität was soll weiterhin solidarisch abgesichert werden? und dem, was man mehr der individuellen Freiheit der Gestaltung des Einzelnen überlassen will Darum wird die Debatte jetzt auch im bevorstehenden Bundestagswahlkampf gehen. Darum dürfen Sie sich nicht drücken. Es darf nicht genauso passieren wie bei der Rente,
dass Schröder vor der Wahl den Leuten sagt: Wir bleiben bei dem Niveau 70 und sich anschließend unter Tränen bei jedem einzelnen Rentner entschuldigen will.
Sie sollten vielmehr den Bürgerinnen und Bürgern auch vor der Wahl sagen, dass kein Weg daran vorbei führt, dass aufgrund der Mehrleistungen mehr Kosten entstehen werden und dass wir diese nicht allein über den Beitrag finanzieren können.
Sie spült es allerdings ein bisschen weich, weil man von dem Reizbegriff Grund- und Wahlleistungen wegkommen will.
Frau Haußmann, Sie sollten schon zur Kenntnis nehmen, dass diese Papiere aus dem Bundeskanzleramt natürlich auch vorliegen,
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ich nehme zur Kenntnis, dass von Ihnen überhaupt keine Vor- schläge kommen!)
dass man auch darüber nachdenkt, den Leuten ehrlicherweise zu sagen, was noch solidarisch finanzierbar ist.
Wie sieht unsere Lösung aus? Wir wollen dieses planwirtschaftlich gesteuerte System Deckel drauf und immer mehr Schräubchen, an denen zu drehen versucht wird, die das System aber immer teurer machen und die den Einzelnen immer mehr entmündigen , aufbrechen.
(Abg. Drexler SPD, auf die Zuhörertribüne deu- tend: Sagen Sie doch den Menschen dort oben, was Sie wollen!)
Wir müssen mehr Wahlfreiheit für individuelle Gestaltungen möglich machen. Das heißt aufseiten der Krankenkassen, dass man die Pflicht zu einheitlichen Vertragsabschlüssen im Leistungsgeschehen auf jeden Fall aufbrechen muss. Es muss mehr Möglichkeiten geben. Das hat auch Kollege Hoffmann in seinem Privatberuf bei einer Krankenkasse tätig gesagt: Wir wollen mehr Freiheit in der Vertragsgestaltung. Damit stelle ich das System dann ein Stück weit vom Kopf vom Plankopf, der sich im Bundesgesundheitsministerium befindet auf die Füße der Versicherten vor Ort, der Krankenkassen vor Ort. Die Leute wollen keine Zweiklassenmedizin,
die da lautet, Frau Haußmann: Entweder du hältst dich an das, was wir im Bundesgesundheitsministerium für richtig für dich halten dann bekommst du alles zum Nulltarif ,
oder du willst etwas anderes, dann zahlst du alles selber. Das ist die wahre Zweiklassenmedizin, dass Sie den Leuten vorgaukeln, es wäre alles finanzierbar, ihnen hintenherum über die Budgets aber Leistungen vorenthalten,
die sich dann derjenige, der nicht im GKV-System ist, natürlich privat beschaffen kann. Das ist eine echte Zweiklassenmedizin.
Die Alternative, mehr Wahlfreiheit, wonach sich der Einzelne entscheiden kann, sich bei seiner Versicherung eine Grund-/Basisversorgung zu beschaffen, und auch der Stufenplan, den Kassen mehr Freiheit zu geben, ist ja nichts anderes. Denn wenn man den Kassen Freiheiten gibt, unterschiedliche Module anzubieten, muss man als Gesetzgeber natürlich auch ein Stück weit definieren, was jede Kasse nach wie vor zwingend anbieten muss. Das ist dann das Basismodul, welches sich jeder besorgen kann.
(Abg. Alfred Haas CDU: Er ist doch gerade dabei! Abg. Dr. Lasotta CDU: Sie unterbrechen ihn doch gerade!)
nein, nein, da ist er nicht dabei , ganz konkret erzählen, was der Bürger nach Ihrem Modell zukünftig a) selbst entscheiden und b) selbst zahlen soll?
Ich will es ja gerade den Versicherten und den Krankenkassen, die ja Versichertenvertreter sind, überlassen, Module zu entwickeln, bei denen man sagt: Das halten wir für unverzichtbar.
Natürlich könnte ich Ihnen jetzt einzelne Beispiele nennen. Ich sage auch: Ein Teil des Zahnersatzes ist nicht zwingend solidarisch zu finanzieren. Das wissen Sie schon lange, und das haben auch Sie durch Ihre Gesundheitspolitik nicht geändert. Auch Sie stehen ja dazu.
Also, es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, das alles im Detail zu diskutieren. Wir müssen bloß endlich einmal wegkommen davon, an irgendwelchen Detailschräubchen zu drehen und damit das System immer teurer zu machen. Vielmehr brauchen wir einen grundlegenden Richtungswechsel hin zu mehr Freiheit für die Verantwortlichen vor Ort. Dann wird sich auch das Interesse des Versicherten ein Stück weit erhöhen, auf Kostenkontrolle zu achten; denn dann hat er selbst ein vitales Interesse daran. Denn der Glaube, man könnte Wirtschaftlichkeitsreserven durch immer mehr Bürokratie, die ja auch Geld kostet, nutzen, war ein Irrglaube, und das haben die vergangenen drei Jahre ganz klar gezeigt.