Protokoll der Sitzung vom 18.04.2002

Im Jahr 2001, trotz Beitragssteigerung

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das zeigt, was für eine Baustelle Sie uns hinterlassen haben!)

Im Jahre 1998, Frau Haußmann merken Sie sich diese Baustelle , betrugen die Überschüsse 500 Millionen €.

(Abg. Wieser CDU: Erblast!)

Gleichzeitig gab es ein neues Reformgesetz, natürlich auch mit Eigenbeteiligung. Sie sprachen über Eigenbeteiligung. 25 Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger waren davon befreit.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ein Drittel aller Versi- cherten!)

Eben. Und im Jahre 2001 gab es trotz steigender Beitragssätze ein Defizit von 2,8 Milliarden DM. Wir marschieren auf 15 % zu. Das heißt für Baden-Württemberg, nur als Beispiel: Allein die Steigerung der Beitragssätze heißt für die Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs pro Jahr 900 Millionen € mehr. Hälftig zahlt der Patient, der Versicherte, und hälftig der Arbeitgeber.

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

Es ist schon wichtig, aufzuzeigen, worüber wir hier sprechen. Die Belastungen werden größer, und die Leistungen werden geringer. So etwas nennt man Gesundheitsreformpolitik. Vier Jahre hatten Sie Zeit. Zwei Jahre hat es Frau Fischer probiert.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Sie haben 16 Jahre Zeit gehabt!)

Frau Fischer hat ein Gesetz vorgelegt. Dieses Gesetz ist im Bundesrat mit 16 : 0 Stimmen abgelehnt worden.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Richtig! Abg. Kretschmann GRÜNE: Seitdem explodieren die Kosten!)

16 : 0! Das war das Gesetz von Frau Fischer.

(Zurufe)

Nein, nein. Herr Kretschmann, 16 : 0 heißt nicht nur CDU/CSU-regierte Länder, sondern das heißt auch Länder mit Regierungsbeteiligungen von SPD, FDP und den Grünen, wie auch immer.

(Abg. Wieser CDU: Da gibt es also auch vernünf- tige Leute! Zurufe der Abg. Dr. Salomon, Kretschmann und Brigitte Lösch GRÜNE Unru- he)

Dann konnte sie dieses Gesetz gerade noch retten, indem sie die Ostländer eingekauft hat. Sie hat gesagt: Wir machen den Risikostrukturausgleich, der bis dahin getrennt war in das Rechtsgebiet West und das Rechtsgebiet Ost, zusammen, obwohl die Zeit noch nicht reif war, das zusammenzuführen. Das führte dazu, dass sich die Ostländer gesagt haben: Wenn wir jetzt sehr viel Geld in unsere Krankenkassen bekommen, dann sind wir bereit, dies mitzutun.

Jetzt werden in den Risikostrukturausgleich über 13 Milliarden DM verteilt.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Über 20 Milliarden DM!)

Über 13 Milliarden €. Allein aus Baden-Württemberg werden über 1 Milliarde € netto ausbezahlt. Das heißt, wir zahlen 0,3 Prozentpunkte unserer Beiträge in diesen Risikostrukturausgleich. Frau Haußmann, das ist jetzt wichtig, weil Sie das vorhin angesprochen haben. Wir würden es ja noch für gerecht halten, dass man sagt, zum Einnahmenausgleich macht man einen Risikostrukturausgleich, damit die Kassen, die etwas leidend sind, die schlechtere Klientel und Risikoklientel haben, dadurch einen Ausgleich bekommen, weil sie aus diesem Grund größere Ausgaben und weniger Einnahmen haben.

Das hat aber jetzt dazu geführt, dass sich die Ostkassen in einer großen Breite entschulden konnten. Mir sagte der Kollege Geisler schon bei der Einführung: „Bei der AOK in Sachsen brauchen wir das Geld überhaupt nicht. Unsere Krankenkasse ist in Ordnung. Aber wir nehmen das mit.“

(Abg. Kurz CDU: Die senkt den Beitrag auf 12,9 %, und wir müssen erhöhen!)

Die AOK Sachsen hat in genau dieser Zeit seit dem letzten Jahr ihre Beiträge von 14,2 % auf 12,9 % senken können. Sie sehen: eine Senkung, prima.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Deshalb muss sich ja beim Risikostrukturausgleich etwas ändern! Wir haben Maßnahmen eingeleitet!)

(Minister Dr. Repnik)

Aber gleichzeitig hat die AOK Baden-Württemberg Die AOK Baden-Württemberg und die Gesundheitsstruktur in Baden-Württemberg gehören anerkanntermaßen zu den wirtschaftlich arbeitenden.

(Beifall bei der CDU Abg. Fleischer CDU: So ist es!)

Ich bringe das als Beispiel, weil ich die Beitragssätze anspreche. Das gilt natürlich auch für andere landesunmittelbare Kassen.

In der gleichen Zeit musste die AOK Baden-Württemberg ihren Beitragssatz von 13 % auf 14,2 % erhöhen, mit steigender Tendenz.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Das kann doch nicht gerecht sein. Und dann sagen Sie immer: „Es wird ja etwas gemacht.“ Ich mahne die Frau Schmidt so heißt sie in jeder Gesundheitsministerkonferenz an, wirklich einmal zu handeln. Aber die Frau Schmidt wurde doch vom Herrn Bundeskanzler Schröder

(Abg. Bebber SPD: Wenn Sie sich an den Namen nicht erinnern, wo waren Sie in der Sitzung?)

aus dem Hut gezaubert. Habe ich „Schmidt“ gesagt? Sie heißt doch Schmidt.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Lange muss man sich den Herrn Schröder nicht mehr merken! Im Oktober heißt er anders! Zuruf des Abg. Bebber SPD Abg. Alfred Haas CDU: Die heißt auch Ulla, da kommt auch nichts! Unruhe)

Ich habe das doch gesagt. Aber Frau Schmidt wurde doch von Herrn Bundeskanzler Schröder nur deshalb aus dem Hut gezaubert, um die Patienten, die Gesundheitsanbieter und den Markt zu beruhigen. Um sich über die Wahl zu retten, kam sie quasi als Tranquilizer, als „Happy Pills“ für die Gesundheitsreform. Das darf man so nicht tun, denn im Gesundheitsbereich ist es fünf nach zwölf und nicht fünf vor zwölf!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Zuruf von der SPD: Sagen Sie einmal, was Sie gern hätten!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen in der Tat über Konzepte reden, die wirklich neu sind.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Machen Sie doch mal! Sie gehen doch mit gutem Beispiel voran, Sie sind doch so qualifiziert!)

Was ich, gerade von der jetzigen Regierung in Berlin, immer höre, ist dies: Wir halten an der Leistung fest, Eigenbeteiligung wollen wir nicht, weil sie für den Patienten nicht zumutbar ist, im Gegenteil, wir zocken von den Kranken ab. Da soll ich aber im Gegenzug den Leuten immer erklären, dass mit der Gesundheitsreform alles besser wird. Ich meine, wir brauchen eine Gesundheitsreform, die den Namen Strukturreform auch verdient.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Was bedeutet das?)

Allein in Baden-Württemberg werden 560 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Gesundheitsbereich beschäftigt sein. Nebenbei ist festzustellen, dass der Gesundheitsbereich ein hervorragender Wachstums- und vor allem Arbeitsmarkt ist. Wir müssten den Bürgerinnen und Bürgern wirklich sagen, dass wir Eigenverantwortung und Solidarität in Einklang bringen müssen. Wir brauchen natürlich die Solidarität der Starken mit den Schwachen, der Gesunden mit den Kranken. Wir brauchen die Solidarität der Jungen, der Gesunden, mit den Rentnern. Das ist überhaupt keine Frage. Aber wir dürfen nicht vor lauter Solidarität die Eigenverantwortung außen vor lassen. Wenn heute jemand behauptet, man könne eine qualitative Gesundheitsreform ohne Kostensteigerung voranbringen, dann lügt er. Deshalb sage ich, die Bürgerinnen und Bürger müssen sich ein Stück weit selbst an den Gesundheitskosten beteiligen. Anders geht es nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Zuruf von der CDU: Sehr gut! Abg. Ursula Haußmann SPD: Schlichtweg überhaupt nicht!)

Deswegen müssen wir auch mehr Wettbewerbsmodelle einführen und weg kommen vom reinen Sachkostenprinzip, von der reinen Geldleistung, von der reinen Vollkaskomentalität hin zur Kostenerstattung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr gut! Abg. Ursula Haußmann SPD: Wie lässt sich das mit dem Solidarprinzip vereinbaren? Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Was hat das denn mit Solidarität zu tun? Weitere Zu- und Gegenrufe)

Deswegen gelten für uns medizinisch notwendige Maßnahmen im Bereich Arzt, Krankenhaus und Medikamente als Grundleistung. Dazu gibt es die eine oder andere Satzungsleistung der Krankenkassen, die über diese Grundleistung hinausgeht. Der Bürger soll wie bei Vollkasko, Teilkasko oder Kasko selber wählen können, welchen Beitrag er für Akupunktur, für chinesische Medizin oder andere Leistungen zusätzlich zu zahlen bereit ist.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Was ist da Vollkas- ko, und was ist Teilkasko?)

Diese Leistungen könnte die Krankenkasse anbieten, und der Bürger zahlt dafür eben einen entsprechend höheren Beitrag. Oder wir bieten dem Bürger die Möglichkeit, mit 1 600, mit 2 000 oder mit 3 000 DM in Vorleistung zu gehen. Dafür bekommt er von der Krankenkasse einen günstigeren Beitragssatz. Solche Modelle müssten schlichtweg eingeführt werden. Ohne diese geht es nicht.

Wir brauchen natürlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Verbesserung der Qualität. Wir brauchen eine effizientere medizinische Versorgung.

Frau Lösch hat es vorhin angesprochen: Es gibt Studien, die besagen, dass wir in Deutschland eine qualitativ gute Versorgung haben, die aber im Prinzip im Verhältnis noch zu teuer ist. Deswegen glaube ich schon, dass wir die Qualität überprüfen müssen, dass wir effizientere Kontrollmög

(Minister Dr. Repnik)

lichkeiten, dass wir mehr Controlling brauchen, dass wir Standards, dass wir Leitbilder definieren müssen und Doppeluntersuchungen verhindern sollten. Doppeluntersuchungen werden übrigens oft nur deswegen gemacht, weil sich die Ärzte aus Haftungsrechtsgründen drei- und viermal absichern müssen.