Protokoll der Sitzung vom 18.04.2002

Herr Minister, kann ich Ihren Ausführungen entnehmen, dass die Landesregierung

Entschuldigung. Herr Kollege, würden Sie freundlicherweise zum Mikrofon gehen, damit es auch für das Protokoll auf dem Tonband aufgezeichnet ist.

Herr Minister, kann ich Ihren Ausführungen entnehmen, dass die Landesregierung vehement an der raschen Umsetzung der Einrichtung des Grünen Zentrums in Boxberg festhält? Und kann ich darüber hinaus Ihren Ausführungen entnehmen, wenn ich sie richtig verstehe, dass eine Verlagerung von Forchheim nach Boxberg durch einen Neubau erst innovative Gestaltungen auf dem modernsten Stand der Forschung und Entwicklung möglich macht?

(Abg. Bebber SPD: Das habt ihr abgesprochen! Abg. Teßmer SPD: Mehr wollte er auch nicht hö- ren!)

Lieber Herr Kollege Dr. Reinhart, das kann ich mit einem eindeutigen Ja beantworten. Ich kann diese Frage nur bejahen.

Ich möchte aber eine Ergänzung machen: Ich möchte Sie bitten, mitzuhelfen, dass die Leidenschaft, mit der der Agrarminister für Boxberg kämpft, auf die Finanzpolitiker dieses Hauses überschlägt, damit wir das, was wir jetzt vorhaben, nämlich den ersten Bauschritt im Jahr 2003 einzuleiten, tatsächlich verwirklichen können. Da können Sie alle über die Fraktionen hinweg mithelfen, dass wir dann, wenn wir in den nächsten Haushaltsjahren gewichten, dieses wichtige Element für den ländlichen Raum nicht unberücksichtigt lassen.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Vielen Dank! Abg. Bebber SPD: Zusatzfrage: Verbirgt der Minister immer so seine Leidenschaft?)

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.

Damit ist Tagesordnungspunkt 4 erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses zu der Mitteilung der Landesregierung vom 12. Februar 2002 Gesetz zu dem Staatsvertrag über

den Rundfunk im vereinten Deutschland und zu dem Vertrag zum Europäischen Fernsehkulturkanal vom 19. November 1991 (GBl. S. 745); hier: Berichte des Südwestrundfunks, des Zweiten Deutschen Fernsehens und des Deutschlandradios über die Finanz-, Haushalts- und Personalkostenentwicklung in den Jahren 2000 bis 2003 Drucksachen 13/736, 13/898

Berichterstatter: Abg. Wichmann

Es ist vereinbart worden, dass hierzu keine Aussprache stattfindet. Der Ständige Ausschuss schlägt Ihnen vor, von der Mitteilung der Landesregierung Kenntnis zu nehmen. Sie stimmen diesem Vorschlag zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 3 erledigt.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums Zukunft des sozialen Mietwohnungsbaus in Baden-Württemberg Drucksache 13/132

Wem darf ich das Wort erteilen? Herr Abg. Dr. Witzel, Sie erhalten das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Jeder Mensch braucht ein Dach über dem Kopf,

(Abg. Mack CDU: Stimmt!)

aber viele Menschen, insbesondere in den Ballungsräumen, können die Miete für eine angemessene Wohnung schlicht und einfach nicht bezahlen. Es ist daher gut und richtig, dass der Staat den Wohnungsmarkt nicht dem Gesetz von Angebot und Nachfrage überlässt, sondern dass sich der Staat einmischt, ein Marktsegment besetzt und diese Wohnungen denjenigen Menschen anbietet, die auf dem freien Markt keine Chance haben.

In diesem Sinne hat auch das Land in den vergangenen Jahren Sozialwohnungen finanziert und mit entsprechenden Bindungen belegt. Das heißt: Die Wohnungen dürfen nur an solche Menschen vergeben werden, die einen Wohnberechtigungsschein besitzen. So ist über die Jahre ein solider Bestand an Sozialwohnungen herangewachsen, und dieser Bestand an Sozialwohnungen ist sehr wichtig für eine sozial ausgewogene Wohnungspolitik.

In den kommenden Jahren werden nun aber in großem Umfang Sozialwohnungen aus den bestehenden Bindungen fallen und damit als preiswerte Mietwohnungen verloren gehen. Die Zahlen dazu sind in der Stellungnahme der Landesregierung zu dem vorliegenden Antrag enthalten, und diese Zahlen sind dramatisch.

Derzeit haben wir etwa 170 000 Sozialmietwohnungen, und dieser Bestand wird bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf etwa 46 000 Wohnungen sinken. Das heißt, etwa drei Viertel des heutigen Sozialwohnungsbestands im Bereich der Mietwohnungen werden vom Markt verschwinden, und das trifft insbesondere die Ballungsräume des Landes. Hier drohen gravierende Engpässe bei bezahlbaren Wohnungen, und das trifft dann insbesondere gerade wegen der jetzt anziehenden Mieten die sozial schwachen Familien.

Das kann generelle Folgen für die Städte haben. Familien mit Kindern werden in billigere Wohnungen im Umland verdrängt, gewachsene Nachbarschaften werden möglicherweise zerstört, und weitere Folgen für die Städte sind absehbar. Eine Folge ist zum Beispiel, dass die Innenstädte stärker veröden und die Lebensqualität in den Städten sinkt.

Wir Grünen wollen das nicht. Wir wollen, dass die Städte als Wohnort für Familien und auch ältere Menschen attraktiv bleiben. Deshalb treten wir dafür ein, dass die Kommunen die Möglichkeit erhalten, durch Neubau von Sozialwohnungen oder über die Verlängerung von Belegungsrechten mehr für sozial schwache und einkommensschwache Bevölkerungsgruppen zu tun.

Hier ist das Land gefordert. Denn das Problem, welches ich eben schilderte, wird gerade dadurch verschärft, dass sich die Landesregierung fast vollständig aus der Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus zurückgezogen hat. Unter Herrn Spöri gingen in den Jahren 1992 bis 1996 noch über 50 % der Mittel für den sozialen Wohnungsbau in den Bereich der Mietwohnungen. Unter Herrn Döring wurde dieser Anteil seit 1996 abgesenkt: zunächst auf ein Drittel, dann auf 20 %, und im Jahr 2000 waren es nicht einmal mehr 5 %. Das bedeutete damals lediglich 200 Sozialmietwohnungen für das gesamte Land Baden-Württemberg mit weit über 1 000 Gemeinden.

(Abg. Dr. Caroli SPD: 1 111 genau!)

Es gab also für jeweils 5 Gemeinden nicht einmal eine Sozialmietwohnung. In diesem Jahr sind es zwar 700 Wohnungen geworden das ist eine erfreuliche Steigerung , aber die Ursache und das auslösende Moment für die Steigerung war ja die Tatsache, dass der Bund seine Mittel aufgestockt hatte. Egal aber, ob es nun 500, 700 oder 200 Wohnungen sind, es ist völlig klar, dass bei einer solchen Förderpolitik der absehbare Verlust von etwa 130 000 Sozialmietwohnungen nicht annähernd kompensiert werden kann.

Unser Antrag lautet daher: Das Land muss mehr für den sozialen Mietwohnungsbau tun. Wir können nicht einfach sagen: Im Bereich der Eigentumswohnungsmaßnahmen geschieht das Gleiche wie bisher, und im Bereich des sozialen Mietwohnungsbaus wird etwas daraufgepackt. Denn das geht angesichts knapper Kassen nicht. Deshalb wollen wir eine Umschichtung im vorhandenen Rahmen.

Die Landesregierung setzt auf das Wohngeld. Sie sagt: Wir fördern die Subjekte, und das soll ausreichen. Das ist aus unserer Sicht aber keine Lösung. Denn durch Wohngeld werden keine zusätzlichen Wohnungen gebaut. Auch ziehen Menschen, die am Wohnungsmarkt Schwierigkeiten haben behinderte Menschen, kinderreiche Familien und ausländische Mitbürger , auf dem freien Markt den Kürzeren. Auch ihnen muss man eine Wohnung anbieten können und darf nicht nur sagen: Wenn ihr eine Wohnung habt, geben wir euch Wohngeld.

Deswegen sind wir Grünen dafür, Möglichkeiten zu schaffen, dass Belegungsbindungen verlängert werden. Auf Bundesebene hat man ja dafür gesorgt, dass da neue Möglichkeiten geschaffen werden. Das Land sollte diese Mög

lichkeiten so ausschöpfen, dass sie tatsächlich beansprucht werden. Zweitens wollen wir Mittel umschichten: nicht mehr so viel in die Eigentumsförderung hinein, sondern mehr für den sozialen Mietwohnungsbau. Dafür bitte ich um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Mack.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen wieder mehr Wohnungsbau, und insbesondere brauchen wir mehr Aktivitäten im Geschosswohnungsbau. Ich glaube, darin sind sich alle Fraktionen hier im Haus einig. 2001 wurden in Baden-Württemberg weniger als 12 000 Wohnungen im Geschosswohnungsbau genehmigt. Auch bei den Ein- und Zweifamilienhäusern sind die Zahlen zuletzt zurückgegangen, wenngleich sie im Zeitraum der letzten zehn Jahre vergleichsweise stabil geblieben sind.

Aber wir sehen es jetzt in allen Zeitungen: Die Spalte „Mietgesuche“ wächst, die Anzeigen mit Angeboten aber werden weniger. Insbesondere in Ballungsräumen und in Universitätstädten ist dies so. Die Trendwende am Wohnungsmarkt hatten wir etwa Ende des Jahres 2000.

Der Bedarf an Wohnraum wird in Baden-Württemberg weiter zunehmen. Unser Land verzeichnet nach wie vor ein Bevölkerungswachstum. Vor allem nimmt die Zahl der Einpersonenhaushalte weiter zu. Diese beanspruchen im Durchschnitt 67 Quadratmeter Wohnfläche, während der allgemeine Durchschnitt bei 40 Quadratmetern pro Person liegt.

Der Bedarf an Wohnraum müsste eigentlich und jetzt kommt der entscheidende Punkt weiteren Wohnungsbau herausfordern. Die Zinsen für Baugeld sind im Moment historisch niedrig. Die Baukosten stagnieren. Das spräche eigentlich für einen Bauboom, aber den haben wir nicht.

Woran krankt der Wohnungsbau? Der Wohnungsbau macht schlapp, weil durch die Steuer- und Mietrechtsreform die Investition in die Immobilie gegenüber anderen Anlageformen weniger attraktiv gemacht wurde.

(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP)

Dafür ist einzig und allein Rot-Grün verantwortlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Hofer FDP/DVP Widerspruch des Abg. Dr. Ca- roli SPD)

Es zeigt sich wieder das alte Dilemma sozialdemokratischer Wohnungsbaupolitik.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Das ist ja der Gipfel der Heuchelei!)

Wir erinnern uns noch an den Anfang der Achtzigerjahre; das war am Ende der letzten Regierungszeit der SPD. Jetzt sind wir wieder in diesem Stadium.

(Abg. Kübler CDU: Jawohl, Herr Mack, sehr gut!)

Die SPD betrachtet denjenigen, der eine Eigentumswohnung kauft, um sie anschließend zu vermieten, als Immobilienhai und wundert sich dann, wenn keiner mehr baut und das Mietniveau steigt.

(Abg. Blenke CDU: Es sei denn, es ist in der Tos- kana!)

Das ist das Problem sozialdemokratischer Wohnungsbaupolitik.