Es gibt keinen Bedarf für diesen Bypass, aber er verursacht hohe Kosten in der Größenordnung von 350 Millionen . Die Bahn argumentiert im Kern mit zwei Punkten, nämlich zum einen der Kapazität und zum andern der Nachfrage. Das sind die Argumente der Bahn für diesen Bypass, und beide sind unzutreffend.
Zum Punkt der Kapazität: Der Mannheimer Hauptbahnhof ist uneingeschränkt leistungsfähig. Er kann das komplette Betriebsprogramm, das die Bahn vorsieht, abwickeln. Gegenteilige Behauptungen, die Herr Mehdorn auch in der jetzt vorgelegten Broschüre wieder vorträgt, sind schlicht und ergreifend falsch. Das kann man leicht daran erkennen, dass es bahninterne Berechnungen gibt, Simulationen einer Unterbrechung des Bypasses. In der Situation, in der der Bypass gebaut wird, wird geprüft: Können die Züge über den Mannheimer Hauptbahnhof fahren, falls der Bypass unterbrochen ist, zum Beispiel aufgrund eines Personenschadens? Das Ergebnis dieser Simulation ist eindeutig: Alle Züge könnten durch den Mannheimer Hauptbahnhof fahren. Das Kapazitätsargument ist nicht zutreffend. Es ist einzig und allein vorgeschoben.
Beim zweiten Punkt, der Nachfrage, verhält es sich ganz ähnlich. Die Bahn argumentiert: Der Zeitgewinn von acht Minuten führt zu einer zusätzlichen Fahrgastnachfrage von etwa sechs Millionen jährlich, entsprechend 24 Zugpaaren täglich. Dieser Zuwachs wird eintreten. Wir machen Politik für mehr Bahnverkehr. Aber er hat nichts oder fast nichts mit dem Zeitgewinn durch den Bypass zu tun, sondern er entsteht durch den enormen Zeitgewinn von über einer Stunde: nur noch eine Stunde von Köln bis Frankfurt. Durch diesen Zeitgewinn entsteht die zusätzliche Nachfrage, die auf der Strecke nach Süden abgewickelt werden muss. Mit dem Bypass hat das nur ganz am Rande zu tun.
Man kann auch dies leicht durch einen Vergleich nachvollziehen. Die Neubaustrecke StuttgartMannheim, die einen Zeitgewinn in der Größenordnung von 40 Minuten gebracht hat, hat lediglich vier zusätzliche Zugpaare und 3,5 Millionen zusätzliche Fahrgäste im Jahr zur Folge gehabt. Es ist also völlig ausgeschlossen, dass ein Zeitgewinn von maximal zehn, eher sechs Minuten sechs Millionen Fahrgäste und 24 Zugpaare an zusätzlicher Nachfrage erzeugen wird.
Beide Argumente sind falsch. Dieser Bypass ist volkswirtschaftlich, betriebswirtschaftlich und für das System Bahn nur von Nachteil. Deswegen müssen wir ihn ablehnen.
Jetzt ist natürlich die Frage, Herr Scheuermann: Wie kommt die Bahn auf solche Gedanken? Ich glaube, es ist ganz ähnlich da sind wir uns nicht einig wie bei Stuttgart 21, nicht aus den Gründen, die Sie vorgetragen haben, sondern weil es hier um eine übergeordnete fixe Idee, um ein Prestigeprojekt geht, bei dem die konkreten wirtschaftlichen Sachverhalte völlig außer Acht gelassen werden. So, wie Stuttgart 21 ein Versenken von Millionen in Tunnelbahnhöfen ist, so ist dieser Bypass eine völlige Fehlinvestition.
Beides hat nur eine Ursache: Es gibt Herren, die damit ihr Prestige verknüpfen. Im einen Fall heißt er Teufel, im andern Fall heißt er Mehdorn.
Ich bin allerdings auch nicht ganz einverstanden damit, wie Herr Bodewig mit dem Thema umgeht. Denn Herr Bodewig schließt sich den Argumenten von Herrn Mehdorn viel zu häufig an. Zum Beispiel schließt sich Herr Bodewig in einem Interview mit dem Mannheimer Morgen der Argumentation an: Mannheim bleibt im bisherigen Maße ein bedeutender Verkehrsknoten im Bahnnetz. Das bestreitet niemand, bezogen auf die Zahl der Züge, die jetzt dort halten. Aber Mannheim wird abgekoppelt vom Zuwachs um mindestens diese 24 Züge, die für den Bypass prognostiziert sind. So viele werden dort auf jeden Fall vorbeifahren. Deswegen ist diese Aussage nur Augenwischerei. Wir wollen, dass jeder Zug, der durch diese Region fährt, auch Leute einsteigen und aussteigen lässt und nicht hindurchrauscht. Das sollte Herr Bodewig meiner Ansicht nach deutlicher sagen.
Ebenso finde ich es ärgerlich, dass Herr Bodewig sich der Argumentation anschließt, dass der Bypass aus Kapazitätsgründen gebraucht wird. Ich würde Sie von der SPD bitten, ihm zu überbringen, dass diese Argumentation der Bahn unzutreffend ist. Mich irritiert auch sehr, dass Herr Bodewig sich der Argumentation angeschlossen hat, dieser Bypass sei nötig, um Gefahrgüter auf einer Umgehungstrasse um Mannheim herum zu transportieren. Das ist technisch völliger Quatsch, weil der Bypass keinen Anschluss an den Güterbahnhof Mannheim haben wird. Es ist auch intuitiv völlig unsinnig. Denn wer kommt auf die Idee, eine Strecke für Tempo 300 auszulegen und dann dort Güterzüge fahren zu lassen? Das sind alles Vorstellungen, die man wirklich nicht teilen kann, die in der Broschüre von Herrn Mehdorn wieder vorgetragen werden und die letztlich nur dazu dienen, Verwirrung zu stiften. Das sollten wir nicht zulassen.
Meine herzliche Bitte an die SPD: Reden Sie noch einmal mit dem Verkehrsminister. Wir brauchen hier deutlichere und richtigere Stellungnahmen.
Das mag auch gut so sein. Richtig ist jedenfalls: Man darf die SPD bei der Bahnpolitik nicht ganz allein lassen. Man muss da schon noch den grünen Partner hinzunehmen, damit es gut wird.
Aber bei der CDU ist es ja noch viel schlimmer. Herr Scheuermann, Sie haben vorgetragen, dass das Land beim Straßenbau benachteiligt werde. Ich darf nur noch einmal Herrn Minister Müller zitieren. Der hat neulich gesagt, man fühle sich beim Antistauprogramm gut bedient.
Herr Hauk, darf ich das so interpretieren, dass Sie auch der Meinung sind, dass das Land Baden-Württemberg im Antistauprogramm gut bedient wird?
Das heißt, Sie sind auch dieser Auffassung; Sie schließen sich ausdrücklich der Auffassung von Herrn Müller an.
(Abg. Hauk CDU: Das ist doch alles in ein paar Jahren, nicht heute! Das Problem besteht doch heute!)
Meine Herren von der CDU, Sie schließen sich der Auffassung an, dass Sie im Antistauprogramm gut bedient werden? Herr Scheuermann nickt.
Herr Kollege Palmer, bitte hören Sie unsere Zurufe differenziert. Angesichts dessen, was in der momentanen Planungsphase punktuell angekündigt ist, fühlen wir uns durchgängig ordentlich bedient. Stimmen Sie mir aber zu, dass die Stau-Problematik auf den Bundesautobahnen unter der rot-grünen Bundesregierung exponentiell angestiegen ist?
Sehr geehrter Herr Kollege Reichardt, als Mathematiker darf ich eine Gegenfrage stellen: Sind Sie mit mir einig, dass Sie das zeigt Ihre Frage offenbar keine Ahnung von Exponentialrechnung haben?
Lassen Sie mich festhalten: Beim Antistauprogramm auch das konnte ich diesem differenzierten Beitrag entnehmen fühlen Sie sich gut bedient. Welchen Grund hat das? Beim Antistauprogramm werden auf Bundesebene 50 % der Mittel in Autobahnen und 50 % in die Schiene und in Wasserstraßen investiert. Nur für Baden-Württemberg haben wir, weil Sie immer nach Straßen schreien, die Regelung getroffen, dass 80 % der Mittel in den Straßenverkehr und 20 % in den Schienenverkehr fließen. Damit fühlen Sie sich gut bedient. Damit haben Sie offen gelegt, was Ihnen wirklich am Herzen liegt. Die Diskussion um Mannheim ist vielleicht gut, um zu punkten; wenn es dann aber zum Schwur kommt, sind Sie immer für die Straße und selten für die Schiene.
Nicht umsonst prügeln Sie uns immer dafür, dass wir verhindert haben, dass für die Bahn bereitgestellte Mittel in den Straßenbau umgeschichtet wurden.
Kurz gesagt: Die Diskussion über die Neubaustrecke vom Rhein-Main-Gebiet nach Mannheim hätten wir gar nicht, wenn nicht Rot-Grün Gelder für solche Bauten zur Verfügung stellen würde. Bei Ihnen gäbe es das Geld gar nicht, wie man an der Regierung Kohl in ihrer Endphase gesehen hat.
Herr Kollege Palmer, wie erklären Sie sich denn, dass wir in Baden-Württemberg im Landeshaushalt seit Jahr und Tag weitaus mehr Geld für den Schienenverkehr und für den Schienenpersonennahverkehr als für die Straße ausgeben?
Herr Kollege Hauk, ich hatte vermutet, dass Sie wieder eine Frage stellen, die auf Ihre mangelnde Sachkenntnis in Verkehrsfragen hindeutet. Ich kann Ihnen das selbstverständlich ganz einfach erklären: weil der Bund die Mittel für den Schienenverkehr stetig erhöht und Sie diese Regionalisierungsmittel nur weiterreichen. In Wahrheit haben Sie die eigenen Landesmittel für den öffentlichen Verkehr seit 1996 von 148 Millionen auf 90 Millionen zurückgefahren. 40 % Kürzungen beim öffentlichen Verkehr das ist Ihre Regierungsbilanz. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis.
Ich komme, was wegen des Mittagessens sicher gewünscht wird, zum Schluss. Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, einen Passus aus unserem Antrag Drucksache 13/974, den ich eingangs zitiert habe, jetzt nach interfraktioneller Abstimmung in den Änderungsantrag Drucksache 13/1092 aufzunehmen, nämlich:
Der Landtag lehnt einen neuen Fernverkehrshalt auf der grünen Wiese ab, da ein solcher Standort die Erreichbarkeit des Fernverkehrs mit Nahverkehrszügen, der S-Bahn und dem ÖPNV radikal verschlechtern würde und den raumordnerischen Interessen vollständig zuwiderläuft.
Ich danke Ihnen für die Übernahme dieses Passus aus unserem Antrag Drucksache 13/974 und erkläre hiermit auch für die Fraktion, dass dieser Antrag nach dieser Übernahme als erledigt betrachtet werden kann.