Protokoll der Sitzung vom 17.07.2002

Deshalb sage ich: Wer wirklich glaubwürdig für die Sicherheit der Menschen am Bodensee und am Hochrhein eintreten will, der muss sich entscheiden: Entweder fliegen oder Leibstadt abschalten. Bei dieser Alternative liegt es ja wohl auf der Hand, dass man Leibstadt, das direkt in der Einflugschneise liegt, endlich abschalten muss.

(Beifall bei der SPD)

Nun stellt sich die Frage: Welche Lösung bietet sich für die Skyguide-Problematik an? Meines Erachtens muss als Allererstes Schluss sein mit der Zerstückelung des Himmels durch nationale Zuständigkeiten und Egoismen. Man muss vielmehr einen einheitlichen europäischen Luftraum schaffen.

Damit komme ich in diesem Zusammenhang zur Fluglärmdebatte. Im Schlepptau des örtlichen Landrats Dr. Wütz fordert die Landesregierung, dass die deutsche Flugsicherung von Skyguide die Zuständigkeit für die Flugsicherung ab der Schweizer Grenze übernehmen soll. Auch wenn dies unter bestimmten Bedingungen eintreten könnte, so ist das öffentliche Erheben dieser Forderung dennoch falsch. Denn diese Übernahme wäre betrieblich und außenpolitisch ein Rückschritt.

Aber weit schwerer wiegt die Tatsache, dass es überaus gefährlich wäre, wenn die Übergabe von der deutschen Flugsicherung auf die Schweizer Flugsicherung unmittelbar im Landeanflugbereich stattfinden würde. Das heißt, man kann die Verantwortlichkeit für die Luftüberwachung nicht mitten im Landeanflug wechseln. Dies würde im Übrigen auch zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen führen. Es käme auch zu zusätzlichen Gefahren im Überflugverkehr sowie zu Verspätungen beispielsweise im Bereich des Stuttgarter Flughafens.

Deshalb ist aus meiner Sicht die einzig sinnvolle Maßnahme: Skyguide und DFS müssen eine gemeinsame Luftverkehrskontrollgruppe einrichten.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir nun beim Thema Fluglärm sind, möchte ich als örtlich Betroffener auch ausführen, dass es im Gegensatz zu dem, was viele vermuten, nicht um eine Konfrontation zwischen Deutschland und der Schweiz geht, sondern um eine Auseinandersetzung zwischen den Bewohnern der so genannten Züricher Goldküste mit dem Rest der Bevölkerung, und zwar sowohl auf deutscher als auch auf Schweizer Seite.

Deshalb sagen wir: Es kann nicht angehen, dass 90 % des Anflugverkehrs von Norden her über deutsches Gebiet, aber auch über viele Schweizer Gemeinden erfolgen. Wir sind dafür, dass die Lasten auch von uns getragen werden, aber die Lasten müssen gerecht verteilt werden.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Deshalb möchte ich um der historischen Wahrheit willen auch noch einmal kurz auf die Entwicklung hinweisen: Die SPD-geführte Bundesregierung hat das Luftverkehrsabkommen mit der Schweiz gekündigt. Obwohl die Schweiz seit 1984 systematisch, gezielt und bewusst vertragswidrig das Luftverkehrsaufkommen permanent erhöht hatte, geschah von 1984 bis 1998 überhaupt nichts.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Man hat dies stillschweigend hingenommen, und erst und ich finde, es ist wichtig, dass ihr Name hier auch genannt wird die örtliche SPD-Abgeordnete Karin Rehbock-Zu

reich hat durch ein ganz beharrliches und hartnäckiges Bohren beim damaligen Bundesverkehrsminister, dem Vorgänger von Bodewig, diese Maßnahme erreicht.

(Abg. Fleischer CDU: Wie hieß der?)

Das war der Saarländer. Der Saarländer war das, Herr Kollege.

(Zurufe, u. a. Abg. Scheuermann CDU: Klimmt hieß der!)

Wie gesagt, wegen der Beharrlichkeit von Frau Rehbock wurde dieses Verkehrsabkommen von der Bundesregierung gekündigt.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Nun zeigt doch die Tatsache, dass das Schweizer Parlament den neuen Vorschlag der Bundesregierung abgelehnt hat, dass die Bundesregierung bis an das Äußerste ging, was der Schweiz aus ihrer Sicht überhaupt noch zumutbar war. Jeder, der schon einmal Verträge geschlossen hat, weiß doch, dass es gute Verträge sind, von denen beide Seiten sagen: Der Vertrag taugt nichts. Wenn solche Verträge geschlossen werden, dann weiß man, dass hier letztlich die Kompromisse bis zum bitteren Ende ausgereizt sind.

Deshalb ist die Forderung der Landesregierung, mit der Schweiz nachzuverhandeln, aus meiner Sicht falsch. Denn wozu nachverhandeln, wenn der Schweiz bereits die jetzigen Regelungen zu weit gehen?

Die einzig mögliche Maßnahme ist der Erlass einer einseitigen Rechtsverordnung, und dies muss in den nächsten Wochen meiner Meinung nach noch vor der Bundestagswahl; das sage ich ausdrücklich auf den Tisch.

Ich selbst sage sogar und ich habe diesbezüglich Bundesverkehrsminister Bodewig einen Brief geschrieben , dass noch vor der Ständeratsentscheidung in der Schweiz

(Unruhe Zuruf des Abg. Wieser CDU)

Lieber Kollege Wieser, da Sie als Lehrer des Lesens mächtig sind, gebe ich Ihnen den Brief nachher.

(Heiterkeit des Abg. Drexler SPD)

Dem Schweizer Ständerat muss klar sein, was unweigerlich kommen wird, falls auch er im September diese Vereinbarung ablehnt. Wir erwarten, dass in dieser Verordnung der Bundesregierung die Flugbewegungen auf maximal 80 000 begrenzt werden, dass die Flughöhe im Warteraum RILAX auf über 3 050 Meter über Normalnull angehoben wird, dass eine Nachtflugbeschränkung zwischen 21 Uhr und 7 Uhr und eine Flugbeschränkung an Wochenenden und an Feiertagen zwischen 7 Uhr und 21 Uhr erfolgt.

(Beifall bei der SPD)

Nur, eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss klar sein: Die Regelung, die wir jetzt der Schweiz oktroyieren wollen, haben wir natürlich mitnichten bei einem einzigen

deutschen Flughafen, auch nicht in Stuttgart. Deshalb ist klar: Wir müssen der Schweiz verständlich machen, dass wir für gutnachbarliche Beziehungen stehen. Wir wollen sie weiter pflegen, aber wenn der jetzige Vertrag sowohl vom Parlament als auch vom Ständerat abgelehnt wird, dann müssen wir diese einseitige Verordnung in Kraft setzen.

Zum Schluss: In unserem Antrag hatten wir ja das Kontrollsystem am Flughafen Stuttgart angesprochen. Da spreche ich nun die Landesregierung in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin des Flughafens an. Sicherlich sind einige von Ihnen in letzter Zeit auch geflogen. Ich finde es schon seltsam, dass jetzt dieser Flaschenhals vor der Personenkontrolle oben am Flughafen existiert. Ich habe das noch nirgendwo sonst gesehen. Bevor man zur Personenkontrolle kommt, muss man sich also durch einen furchtbar engen Flaschenhals drängen.

Noch etwas anderes an den Gesellschafter. Das habe ich wirklich noch an keinem internationalen Flughafen gesehen: Wenn man als Fluggast in Stuttgart ankommt, muss man entweder eine Euromünze oder eine Dollar-CentMünze haben, um sich mit einem Kofferkuli bedienen zu können. Ich habe neulich am Flughafen beispielsweise einen Asiaten gesehen

(Abg. Scheuermann CDU: Das ist in jedem Ein- kaufszentrum so!)

Ja, richtig, bei jedem Einkaufszentrum. Herr Scheuermann, haben Sie aber immer ausländisches Geld, und zwar Münzgeld, in der Tasche, wenn Sie irgendwo international landen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Das ist doch der wesentliche Unterschied. Deshalb sage ich Ihnen zur Illustration:

(Unruhe)

Ich habe neulich einen Asiaten gesehen, der hatte gedacht, als er Cent und Dollar-Cent gelesen hat, er bräuchte jetzt beides, und ist im Flughafen herumgeirrt und hat ganz dringend Cent und Dollar-Cent gesucht. Ich denke, da könnte man einmal Abhilfe schaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies war jetzt vermutlich meine letzte Rede im Landtag. Übrigens ein Novum: Zum ersten Mal stehe ich bei einer Rede höher als die Präsidentin bzw. der Präsident.

(Große Unruhe und Zurufe Abg. Fischer SPD: Frau Vossschulte!)

Ich möchte zum Abschied sagen, dass ich sehr gerne Parlamentarier bin und war und dass ich deshalb auch durchaus sehr traurig aus diesem Hause gehe. Aber ich habe ganz gezielt und bewusst zu diesem Thema gesprochen, weil dieses bezeichnend für das ist, was mir in den letzten Monaten und Jahren immer mehr Mühe gemacht hat. Ich habe nämlich immer stärker den Eindruck: Je größer eigentlich die Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Parteien

sind, desto lautstärker und intensiver ist der politische Streit. In den allermeisten oder in vielen Fragen sind wir doch viel, viel enger zusammen, als wir in der täglichen Praxis zugeben, vor allem vor dem Hintergrund, dass unsere Politik ja sehr stark und immer intensiver von weltwirtschaftlichen Zusammenhängen dominiert wird. Auch beim heutigen Thema wollen CDU, SPD und auch die Grünen im Prinzip alle dasselbe. Wir wollen Entlastung und Sicherheit für die Bevölkerung am Hochrhein und am Bodensee und unterscheiden uns hierbei wirklich nur durch Nuancen. Herr Kleinmann signalisiert mir, dass das auch für die FDP/DVP zutrifft.

Vielen Dank und alles Gute für Ihre Zukunft und die des Landes.

(Lebhafter Beifall bei allen Fraktionen)

Herzlichen Dank, Herr Abg. Dr. Puchta. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Professor Puchta, weil es Ihre Abschiedsrede war, sehen wir es Ihnen nach, dass Sie zu dem Tagesordnungspunkt außer Ihren Ausführungen bezüglich der Münze für den Kofferkuli nichts gesagt haben, aber Ihre ganze Redezeit praktisch auf einen Sachverhalt verwendet haben, der in dem Tagesordnungspunkt überhaupt nicht vorkommt. Wenn ich es richtig gelesen und verinnerlicht habe, geht es um einen alten Antrag der SPD,

(Abg. Schmiedel SPD: Der eine neue Bedeutung bekommen hat!)

der unmittelbar nach den tragischen Umständen des 11. September des vergangenen Jahres gestellt worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 11. September des vergangenen Jahres ist in Amerika ein Unglück passiert, das sich vorher kaum jemand vorstellen konnte. Ich will aber auch dazusagen: Nach diesem Unglück sind Möglichkeiten bekannt geworden, wie man ohne die geringsten Sicherheitsanforderungen auf amerikanische Flugplätze und in amerikanische Flugzeuge gelangen konnte, die wir uns in Europa, wenn man nicht selbst einmal dort gewesen ist, so auch nicht vorstellen konnten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir uns nach einem solchen Unglück über alle Parteigrenzen hinweg das gilt auch für heute überlegen, wie wir unseren Flugbetrieb so sicher wie technisch möglich machen können, ist Allgemeingut und versteht sich von selbst, zumal Kosten der öffentlichen Hand so gut wie keine Rolle spielen, weil die dadurch entstehenden Kosten auf jeden einzelnen Fluggast und Flughafenbenutzer umgelegt werden.