Protokoll der Sitzung vom 17.07.2002

Zweiter Punkt: Migration und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Diese nationale Studie stellt fest: Der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der Kompetenzstufe V ist in Baden-Württemberg am höchsten. Die Risikogruppe ist hier besonders klein. Das heißt, generell gilt: Dort, wo die Risikogruppe im Vergleich geringer ist, ist die Spitzengruppe größer.

(Abg. Schmiedel SPD: Alles Regionalliga!)

Die Kernaussage im Blick auf Jugendliche mit Migrationshintergrund ist die Aussage, dass der Jugendliche mit Migrationshintergrund in den südlichen Ländern im Grundbildungsstandard auf das Niveau des deutschen Schülers in Bremen kommt. Das sind die Unterschiede in Deutschland, meine Damen und Herren, zwischen Nord und Süd.

(Beifall bei der CDU)

In den Naturwissenschaften und in der Mathematik im Bereich der Gymnasien hat Baden-Württemberg international mit den höchsten Anteil in der Spitzengruppe.

(Abg. Wintruff SPD: Schleswig-Holstein vor Ba- den-Württemberg!)

Das ist doch gar nicht wahr.

(Abg. Wintruff SPD: Schleswig-Holstein vor Ba- den-Württemberg! Abg. Drexler SPD: Die ganze Rede bringt doch nichts!)

Entschuldigung, Herr Wintruff, Sie reden über etwas völlig anderes. Sie reden über die Naturwissenschaften, über fünf Kompetenzstufen in den Ländern. Ich rede gerade über den Anteil in den Naturwissenschaften und in Mathematik in der Spitzengruppe.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Da liegen wir weit vor Schweden. Wir liegen dabei auf der Höhe von Finnland. Das halte ich als differenzierten Tatbestand für wichtig, weil wir bestimmte Bereiche in unserem Bildungswesen haben, in denen wir erwiesenermaßen zur internationalen Spitzengruppe gehören.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP Abg. Schmiedel SPD: Die Botschaft heißt: „Weiter so!“)

Die nationale PISA-Studie hat ein großes Problem der Fairness in Deutschland gezeigt. Jugendliche in Niedersachsen, in Bremen, in Mecklenburg-Vorpommern und in Nordrhein-Westfalen, die mit den gleichen Talenten

(Abg. Schmiedel SPD: Wir leben doch nicht an der Küste! Mein Gott!)

davon kann man einmal ausgehen, Herr Schmiedel und mit den gleichen Möglichkeiten ausgestattet sind,

(Abg. Drexler SPD: Wir sind nicht im Landtag von Bremen!)

gehen in ein Bildungswesen, das ihnen weniger Chancen gibt: weniger Zukunftschancen, weniger berufliche Chancen, weniger Chancen, zu qualifizierter Bildung zu kommen.

(Abg. Drexler SPD: Sind wir im Landtag von Bre- men?)

Deshalb ist die Quintessenz ob es Ihnen passt oder nicht : Je länger die SPD in einem Land regiert, desto schlechter sind dort die Ergebnisse in allen Kompetenzbereichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP Abg. Drexler SPD: Wir sind doch nicht in Bremen!)

Deshalb kann ich übrigens verstehen, dass manche die Idee plausibel finden, Bildungspolitik nicht von der eigenen Landesregierung machen zu lassen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/DVP)

Es ist, meine Damen und Herren, eine der ernsthaftesten Geschichten in dieser PISA-Studie überhaupt, dass es eine große Unfairness gegenüber Jugendlichen ist, es zu Unterschieden von bis zu zwei Schuljahren kommen zu lassen. Die Unterschiede in den Bildungsleistungen und in den Kompetenzen entsprechen bis zu zwei Schuljahren. Es ist ein Gebot der Fairness, dass wir uns in Deutschland darum bemühen, eine solche Kluft nicht weiter zuzulassen.

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Meine Damen und Herren, Bildungspolitik war in den letzten 30 Jahren mit viel Auseinandersetzung verbunden. Deshalb ist das, was auf diesen 250 Seiten steht, auch eine Bilanz, ein Resümee über Weichenstellungen in diesen 30 Jahren. Es ist für eine Reihe von Ländern eine Bankrotterklärung, und es wird Zeit, dass wir in der Kultusministerkonferenz die vorhandenen Instrumente nutzen, um uns nicht mehr an denen orientieren zu müssen, die nicht vorankommen und uns dauernd gute Ratschläge geben,

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es! Sehr gut!)

und dass diese Kultusministerkonferenz modernisiert wird. Das Einstimmigkeitsprinzip darf kein Tabu sein. Orientierung in Deutschland heißt Orientierung an denen, die die Weichen schon richtig gestellt haben, und nicht an denjenigen, die noch immer darüber diskutieren, ob sie irgendeine Weiche stellen wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Stichwort Finanzen. Jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen erstens, Baden-Württemberg gebe gar nicht so viel Geld für Bildung aus. Sie nennen dann auch noch Länder wie Bremen, wo man ganz salopp fragen muss: Und was ist das Ergebnis?

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Bei den Klassen- stärken zum Beispiel!)

Sie wissen, dass es unterschiedliche Rubriken gibt. Man kann das am Bruttoinlandsprodukt festmachen, oder man kann das an den Ausgaben pro Schüler festmachen. Man kann es am Anteil am Haushalt festmachen. Sie wissen: In keinem der 16 Bundesländer ist der Anteil der Mittel für die Schulen am Landeshaushalt so hoch wie bei uns. Das ist keine Mitteilung aus CDU-Pressestellen, sondern das steht im Bundesfinanzbericht.

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Zweitens wissen Sie, dass Bayern und Baden-Württemberg im gesamten Bildungsbereich das meiste Geld pro Schüler ausgeben.

Drittens wissen Sie aber auch das hat groß im „Handelsblatt“ gestanden , dass zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen exakt die gleiche Summe pro Schüler ausgeben, nämlich 3 900 € pro Jahr für Schüler an allgemein bildenden Schulen. Dennoch sind die Ergebnisse in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen völlig verschieden. Sachsen gehört in die Spitzengruppe der 16 Länder. Mecklenburg-Vorpommern steht auf den letzten Plätzen.

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Das mag zwar ein schönes Spiel sein, aber Sie wissen: Wichtig ist die strategische Ausrichtung des Landeshaushalts auf Bildung. Diese Ausrichtung haben wir vorgenommen.

Zweitens ist wichtig, das Geld, das zur Verfügung steht, für vernünftige Bildungspolitik auszugeben, für Bildungspolitik, die die Zukunftschancen der jungen Generation sichert, und es nicht, wie in Mecklenburg-Vorpommern, in ein Bildungswesen zu investieren, das heute auf dem Ni

veau des Bildungswesens in Mexiko ist. Das ist keine Zukunftsinvestition.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Es gibt viele Einzelergebnisse. Sie sind genannt worden. Sie sagen schon auch etwas über den Stellenwert der Bildungspolitik in einem Land aus. Der deutlich über 50 % liegende Anteil der Eltern, die mit der Schule und nicht nur mit dem Schulklima zufrieden sind es gibt übrigens kein zweites Land, das auch nur auf 50 % kommt , ist ein Zeichen dafür, dass in der Öffentlichkeit gespürt wird: Wir haben in unserem Land viele ausgezeichnete Schulen. Deshalb ist diese PISA-Studie übrigens auch ein gutes Signal an unsere Schulen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Abg. Hofer FDP/DVP: Jawohl!)

Es ist nicht allein und auch nicht in erster Linie ein Signal an die Bildungspolitik, sondern ein Signal an die Schulen, an unsere Lehrerinnen und Lehrer,

(Abg. Hofer FDP/DVP: Jawohl!)

denen wir unentwegt neue Aufträge geben. Wenn ich all das zusammenzähle, was ich heute hier gehört habe, dann sieht es doch so aus, als würden wir auch in den nächsten Jahren unentwegt neue Aufgaben an die Schulen geben.

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Das wird nicht funktionieren. Deshalb muss der erste Schritt der Veränderung und der Weiterentwicklung sein, Schule Raum und Luft für ihr Kerngeschäft zu lassen,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Richtig!)

nämlich für Unterricht und Erziehung.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP Abg. Schmiedel SPD: Für was denn sonst? Abg. Drex- ler SPD: Was denn sonst? Abg. Pfister FDP/ DVP: Wir haben das! Wir machen es jetzt schon!)

Da überlegen wir nicht erst, ob wir Bildungspläne verändern. Wir sind längst auf dem Weg, Bildungsstandards zu formulieren und ein Kerncurriculum zu formulieren, das nur noch zwei Drittel der Inhalte festschreibt und ein Drittel in die Verfügung des Pädagogen gibt. Das ist Schule der Zukunft: die schöpferische Kraft pädagogischer Arbeit zu akzeptieren, die vor Ort stattfindet und nicht auf irgendwelchen anderen Ebenen angesiedelt ist.

(Abg. Zeller SPD: Das war ein Antrag von Herrn Zöllner! Wissen Sie das noch?)