Protokoll der Sitzung vom 18.07.2002

Es gibt immerhin eine Million Arbeitslose, die auf Arbeitsuche sind, aber in der Statistik nicht erfasst werden. Es gibt 800 000, die arbeitsfähig sind, aber mittlerweile von der Sozialhilfe leben. Es kommt hinzu, dass jährlich 200 000 ältere Arbeitnehmer mehr den Arbeitsmarkt verlassen, als jüngere nachkommen. Auch insofern gibt es also ein deutliches Problem bei der Arbeitslosigkeit. Frau Weckenmann, Sie müssen sich diese Zahlen vorhalten lassen.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Ich kann sie lesen, Herr Birk, Sie aber nicht!)

Diese Zahlen können Sie nicht beschönigen. Sie von der SPD sind verantwortlich für über 4 Millionen Arbeitslose. Das müssen Sie sich vorhalten lassen.

(Beifall bei der CDU Abg. Drexler SPD: Sie müssen einmal sagen, wie die Ausgangslage war! Weitere Zurufe von der SPD)

Das muss deshalb so deutlich angesprochen werden, weil der Bundeskanzler ja 1998 mit dem Ziel angetreten ist, die Zahl der Arbeitslosen unter 3,5 Millionen abzusenken,

(Abg. Schmiedel SPD: Weil er 4,5 Millionen über- nommen hat!)

und weil er mit diesem Ziel komplett gescheitert ist. Jetzt kommt doch die Frage: Woran liegt das denn?

(Abg. Schmiedel SPD: An Kohl!)

Zum Teil liegt das sicherlich auch an der Weltkonjunktur.

(Abg. Schmiedel SPD: Und Kohl! Abg. Dr. Wit- zel GRÜNE: Sagen Sie das einmal deutlich!)

Aber die Probleme sind in erster Linie hausgemacht.

(Abg. Schmiedel SPD: Von der CDU hausge- macht!)

Sie sind hausgemacht durch eine falsche Richtung Ihrer Politik. Das müssen Sie sich vorhalten lassen.

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP)

Wir hatten ja unlängst im Wirtschaftsausschuss Gelegenheit, über verschiedene Themen zu sprechen. Wir halten Ihnen nach wie vor vor, dass das 325-€-Gesetz falsch angelegt ist.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: 20 000 Arbeits- plätze mehr in Baden-Württemberg!)

Es hat dazu geführt, dass erst einmal 1,4 Millionen Jobs im Niedriglohnbereich abgebaut und daraufhin 700 000 mühsam wieder aufgebaut wurden.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Quatsch! Es gibt keinen Verlust, Herr Birk! Lesen Sie doch mal!)

Es bleibt also ein Nettoverlust von 700 000 Arbeitsplätzen.

Ein Weiteres ist die Einschränkung von Zeitarbeitsverträgen und befristeten Arbeitsverhältnissen. All dies hat dazu beigetragen, dass die derzeitige Bundesregierung nicht zum Jobschaffer, sondern zum Jobkiller wurde.

(Zuruf von der CDU: Nummer 1!)

Auch das Gesetz mit dem Anspruch auf Teilzeitarbeit lässt sich anführen. Es gibt eine ganze Reihe von Gesetzen, die das Gegenteil bewirkt haben: Sie haben nicht geholfen, den Arbeitsmarkt zu liberalisieren und etwas für mehr Beschäftigung zu tun, sondern sie haben eine weitere Gängelung des Arbeitsmarkts bewirkt. Sie haben eine Politik gegen Beschäftigung und gegen den Abbau von Arbeitslosigkeit gemacht. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass jetzt, nachdem alles gescheitert ist, sozusagen die letzte Wunderwaffe, nämlich die Hartz-Kommission, ins Spiel kommen soll.

Wenn man sich die Vorschläge der Hartz-Kommission einmal anschaut, dann wird man feststellen, dass vieles von dem, was Hartz vorschlägt, bereits in dieser Legislaturperiode von CDU/CSU und FDP im Deutschen Bundestag gefordert wurde.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Ach, auf einmal! Ach was! Abg. Ruth Weckenmann SPD: Stoiber hat es doch abgelehnt! Stoiber sagt doch Nein! Stoiber hat sich nie dafür eingesetzt! Der sagt Nein!)

Sie waren aufgrund einer fehlgeleiteten Ideologie nicht bereit, diese Vorschläge aufzugreifen.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Ach, Herr Birk! 17 Jahre Zeit gehabt!)

Sie sind nicht dafür eingetreten und haben diese Vorschläge nicht aufgegriffen.

Worum geht es? Organisatorische Veränderungen in der Bundesanstalt für Arbeit, Verbesserungen bei der Vermittlung von Arbeitsuchenden, Versuche, Arbeitslose stärker in die Pflicht zu nehmen, Einschnitte in die Leistungen der Arbeitslosenversicherung, eine Neugestaltung des Arbeitslosengelds und der Arbeitslosenhilfe, Maßnahmen, die Statistik massiv zu bereinigen. Das Ziel von Hartz ist eine Halbierung der Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2005. Diese Vorschläge von Hartz stoßen auf ein sehr geteiltes Echo.

(Abg. Schmiedel SPD: Bei Stoiber!)

Wir dürfen einmal gespannt sein, ob Schröder es nur bei der Ankündigung belässt, diese Ergebnisse bis zur Bundestagswahl kraftvoll umzusetzen,

(Abg. Schmiedel SPD: Was ist mit Seehofer?)

oder ob er nach der Bundestagswahl überhaupt noch in der Lage sein wird, dies zu tun. Aus heutiger Sicht ist er der

Kanzler der Arbeitslosigkeit, und am 22. September muss dies beendet werden.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Theurer FDP/ DVP Unruhe)

Diese Initiative der Bundesregierung kommt viel zu spät. Sie hätten diese Notwendigkeiten schon viel früher erkennen können und entsprechende Reformen einleiten müssen. Aber Sie haben dies über Jahre hinweg nicht gemacht. Dafür bekommen Sie heute die Quittung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Abg. Ruth Weckenmann SPD: Von Ihnen?)

Meine Damen und Herren, wenn man sich mit diesen Vorschlägen im Einzelnen auseinander setzt, dann wird man natürlich auch feststellen, dass eine ganze Reihe von Vorschlägen ins Leere laufen. Zum Beispiel ist die Einrichtung von Personalserviceagenturen das heißt, dass das Arbeitsamt in Zukunft auch als Leiharbeitsfirma auftritt doch der offensichtliche Versuch, Arbeitslose als Beschäftigte zu deklarieren, damit sie aus der Arbeitslosenstatistik herausfallen.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Oh Mann! Oh Mann, habt ihr ein Verständnis! Das ist ja fürchter- lich! Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD)

So kann man Arbeitslosigkeit natürlich auch senken: Man macht das auf dem Papier, aber nicht für diejenigen, die davon betroffen sind.

Dies gilt genauso für die Einführung der „Ich-AG“. Das ist schon eine seltsame Wortschöpfung. Aber wenn man etwas dafür tun muss, dann hätten Sie seinerzeit nicht das Gesetz gegen die Scheinselbstständigkeit verabschieden dürfen,

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: So ein Unsinn! Nichts verstanden!)

sondern dann hätten Sie wirklich alles dafür tun müssen, dass sich Selbstständigkeit in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin entwickeln kann.

(Zurufe von der SPD)

Das Thema „Begrenzung des Arbeitslosengelds“ hört sich auch sehr gut an: Zunächst gibt es ein Arbeitslosengeld sechs Monate pauschaliert, dann sechs Monate auf der Basis des letzten Nettolohns, danach zwölf Monate Arbeitslosenhilfe und sodann Sozialhilfe. Was dies für ältere Arbeitslose bedeutet, muss man natürlich auch deutlich erwähnen. Man muss sehen, dass sie dadurch sehr viel schneller in eine Sozialhilfesituation kommen,

(Abg. Schmiedel SPD: Ich denke, das war ein Vor- schlag der CDU!)

aber dass dies natürlich auch wiederum ein Beitrag ist, um die Arbeitslosenstatistik zu frisieren und zu verschönern und die Arbeitslosigkeit auf dem Papier möglichst schnell zu halbieren.

(Zuruf des Abg. Wieser CDU Zurufe von der SPD)

Im Übrigen ist es sehr fraglich, ob in diesem Fall nicht das Äquivalenzprinzip, nämlich die Orientierung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung an den Beiträgen, verletzt würde, was ein Bruch der Verfassung wäre.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist schon verletzt! Zuruf des Abg. Dr. Witzel GRÜNE)

Die Befristung der Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre ist ebenso eine massive Bereinigung der Arbeitslosenstatistik. Arbeitslose würden nach drei Jahren auf Sozialgeld oder Sozialhilfe angewiesen sein. Das heißt, hier wird auch nur an den Symptomen herumgedoktert, werden aber nicht die Ursachen für die Arbeitslosigkeit beseitigt.

Deshalb kann ich nur sagen: Die CDU hat sehr schnell eine Offensive „Aufschwung für Arbeit“ auf den Weg gebracht, die auch dem Standort Baden-Württemberg gut tut. So wollen wir zum Beispiel durchaus eine Lockerung des Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer.