Protokoll der Sitzung vom 18.07.2002

Deshalb kann ich nur sagen: Die CDU hat sehr schnell eine Offensive „Aufschwung für Arbeit“ auf den Weg gebracht, die auch dem Standort Baden-Württemberg gut tut. So wollen wir zum Beispiel durchaus eine Lockerung des Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer.

(Zuruf von der SPD)

Das bedeutet keinen Abbau des Kündigungsschutzes, sondern eine Lockerung für den Fall, dass auf freiwilliger Basis Abfindungen vereinbart werden. Wir wollen dafür sorgen, dass es nicht zu einem weiteren Rückstau von Prozessen bei den Arbeitsgerichten kommt und dass gerade auch der Mittelstand verstärkt ältere Arbeitnehmer ab 50, ab 52, ab 55 Jahren einstellen kann.

(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Ja, ja! Abg. Ruth Weckenmann SPD: Damit ihr sie loswerden könnt!)

Darüber hinaus wollen wir eine Abschaffung des generellen Anspruchs auf Teilzeitarbeit. Wir wollen ihn auf Zeiten der Kindererziehung und der Pflege begrenzen, in denen dies auch sinnvoll ist. Man darf nicht mit dem Rasenmäher darüber hinweggehen und dies zum Maßstab für alle erheben.

Wir wollen verbesserte Rahmenbedingungen für Zeitarbeit und für die vertragliche Befristung von Arbeitsverhältnissen. Zum Beispiel wollen wir, dass Zeitarbeitsverträge von 24 auf 36 Monate verlängert und für diese Zeit abgeschlossen werden können.

Und wir wollen einen Ausbau des Niedriglohnbereichs. Ich glaube, es ist unser gemeinsames Interesse, dass dort mehr Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden.

(Abg. Schmiedel SPD: Was haben Sie eigentlich gegen Hartz?)

Deshalb ist aus unserer Sicht auch klar, dass das von Ihnen verabschiedete 325-€-Gesetz zurückgenommen werden muss. Wir wollen Verdienste bis 400 € sozialversicherungsfrei stellen und dafür nur noch eine 20-prozentige Pauschalsteuer erheben und für Verdienste in der Größenordnung von 401 € bis 800 € linear gestaffelte Sozialversicherungsbeiträge erheben. Dies führt dem Ziel näher, gerade im Niedriglohnbereich neue und zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.

Wir sind auch aufgeschlossen gegenüber dem Vorschlag, die Arbeitslosen- und die Sozialhilfe zusammenzulegen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Der kommt schon gar nicht mehr!)

Dies begrüßen wir erstens aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, aber natürlich auch, um bessere Kontrollmechanismen beim Übergang von der Arbeitslosenhilfe zur Sozialhilfe zu haben.

Wir sind ich denke, das ist in den nächsten Jahren auch ein wichtiges Thema, das wir besetzen müssen für die Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln: Wir wollen mehr Flexibilität und mehr Mobilität von denjenigen, die auf Arbeitsuche sind, insbesondere von jungen Singles, denen man auch zumuten kann, dass sie ihren Arbeitsplatz nicht direkt am Wohnort bekommen, sondern etwas weitere Anreisewege und Pendlerwege in Kauf nehmen.

Ebenso wichtig ist eine Umkehr der Beweislast. Heute ist es so, dass die Arbeitsämter nachweisen müssen, dass ein Arbeitsplatz zumutbar ist. Dies muss geändert werden. Es muss umgekehrt sein: Künftig muss ein Arbeitsloser selbst darlegen, warum er eine angebotene Stelle nicht annimmt oder für diese nicht geeignet ist.

Deshalb ist das Fazit aus unserer Sicht: Wir brauchen eine neue Balance zwischen Flexibilität und Arbeitsplatzsicherheit. Wir müssen das Arbeitsrecht so ändern, dass sich neue Beschäftigungschancen eröffnen. Wachstum ist Voraussetzung dafür, dass neue Arbeitsplätze entstehen können. Deshalb wollen wir gerade auch die mittelständischen Unternehmen entlasten. Immerhin hat der Mittelstand in der Zeit von 1980 bis 2002 über 2,8 Millionen Arbeitsplätze geschaffen, während die Großindustrie eine Million Arbeitsplätze abgebaut hat. Das heißt, wir müssen auch dort die steuerlichen Rahmenbedingungen richtig setzen und müssen die Steuerreform für die Personengesellschaften, die Sie erst im Jahr 2005 einleiten wollen, um ein Jahr auf 2004 vorziehen. Ihre Steuerreform hat die Kapitalgesellschaften einseitig bevorteilt.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Das stimmt doch nicht!)

Ihre Steuerreform war eine Steuerreform für die Großunternehmen und nicht für die mittelständischen Unternehmen, nicht für das Handwerk. Deshalb ist sie falsch angelegt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man sich mit Ihren Vorschlägen zum Arbeitsmarkt und zu seiner Flexibilisierung beschäftigt,

(Abg. Schmiedel SPD: Was haben Sie eigentlich gegen Hartz?)

dann merkt man, dass Ihre Vorschläge auf diesem Gebiet sehr dünn sind. Sie haben auf diesem Gebiet wirklich erheblichen Nachholbedarf. Sie haben Ihre Zeit, Ihre vier Jahre, nicht genutzt, um auf dem Arbeitsmarkt etwas dafür zu tun, und immerhin war es das Schwerpunktthema Num

mer 1 der rot-grünen Bundesregierung, mehr Arbeit zu schaffen. Sie sind damit gescheitert, und es ist überfällig, dass Sie am 22. September abgewählt werden,

(Beifall bei der CDU)

damit am 22. September ein neuer Aufbruch in der Wirtschaft und beim Arbeitsmarkt möglich wird.

(Zurufe von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist Zeit für Taten. Sie haben bislang tatenlos zugesehen. Deshalb gehören Sie künftig auf die Oppositionsbank im Bund, und im Land bleiben Sie es.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hausmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Erste, was mir aufgefallen war und den gleichen Eindruck hatte ich bei Herrn Birk , ist: Herr Noll war heute früh gedopt. Man müsste ernsthaft überlegen, ob das Präsidium nicht einmal überprüfen sollte

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Aber eine Erkenntnis haben wir aus seiner Rede ja gewonnen: Doping führt nicht automatisch zu guten Leistungen, Herr Noll. Das haben Sie heute demonstriert.

(Beifall bei der SPD Unruhe)

Ich möchte ein paar Vorbemerkungen machen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ich glaube, das Thema Arbeitslosigkeit verlangt Engagement! Weitere Zurufe)

Herr Noll fragte in die Runde: „Haben Sie denn das HartzPapier gelesen?“

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja, ich habe es gelesen! Das hat mich gedopt!)

Also, ein paar in dieser Runde haben es wahrscheinlich schon gelesen. Aber, Herr Noll, spätestens seit gestern, seit der PISA-Debatte wissen wir, dass Lesen und Verstehen in Deutschland ein Problem sind offensichtlich auch in Ihrer Fraktion. Denn Ihr Beitrag hat nicht von großer Kenntnis dieses Papiers gezeugt.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ha, ha, ha!)

Denn sonst hätten Sie dazu anders geredet.

(Beifall bei der SPD Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Haben Sie keine besseren Argumente?)

Letzte Vorbemerkung, bevor ich mit meinem eigentlichen Beitrag beginnen möchte:

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja, das wäre gut!)

Wer dann noch den Wirtschaftsminister Baden-Württembergs als leuchtendes Beispiel dafür zitiert, dass sich im

Land ausgerechnet zum Thema Arbeitslosigkeit etwas bewegt der Wirtschaftsminister, der mit Ihrer Mehrheit die Verantwortung dafür hat, dass die zwei Programme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, nämlich das Programm gegen Langzeitarbeitslosigkeit und das Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit, dass die wenigen Programme, die wir in Baden-Württemberg hatten, in vier Jahren um 80 % gekürzt wurden , und behauptet, ein solcher Minister sei ein Vorbild, der hat wirklich andere Vorstellungen von Arbeitsmarktpolitik als wir.

(Beifall bei der SPD Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will zu drei Punkten etwas sagen:

Erstens noch einmal eine grundsätzliche Überlegung: Sie sprachen von Wahlkampfspektakel, aber Sie haben es heute wirklich produziert. Worum geht es in der Diskussion denn eigentlich? Ich lasse einmal die ökonomischen Nebeneffekte weg. Es geht doch darum, dass die Arbeitslosigkeit zu Perspektivlosigkeit für Menschen führt, die nicht wissen, was sie langfristig machen sollen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das sollte auch Sie do- pen!)

Wir wissen aber auch, dass Arbeitslosigkeit Ängste vermittelt, und zwar für die, die im Arbeitsprozess drin sind, aber Angst haben, herauszufliegen. Das bedeutet, dass wir uns ganz seriös und ernsthaft überlegen müssen, welche Maßnahmen wir ergreifen müssen, um den Menschen Mut zu machen, damit sie Vertrauen entwickeln können und wieder Perspektiven bekommen. Dazu sage ich Ihnen: Wir haben ja einen 16-jährigen Großversuch von Ihnen erlebt, von CDU und FDP,

(Zuruf des Abg. Dr. Birk CDU)

und da hatten wir das müssen Sie sich ins Stammbuch schreiben lassen 16 Jahre lang in einer Hochkonjunkturphase eine Steigerung der Arbeitslosigkeit wie bei einem Naturgesetz. In einer Hochkonjunkturphase! Das ist Ihre Verantwortung, meine Damen und Herren, und deshalb sehe ich überhaupt keinen Grund dafür, dass Sie mit einer unglaublichen Selbstgefälligkeit und Selbstzufriedenheit hier meinen, alles besser zu wissen und uns kritisieren zu können. Ich verstehe das nicht.