Das hat auch mit der gesellschaftlichen Realität zu tun. Männer, die Erziehungsurlaub genommen haben, haben mir davon erzählt. Sie haben ihren Erziehungsurlaub beispielsweise bei einer Kommune genommen. Was hat das letztendlich bedeutet? Als sie zurückgekommen sind, hat man ihnen in der Regel nicht einmal annähernd wieder einen adäquaten Posten gegeben.
Das heißt doch, da wird ein Zeichen gesetzt: Wenn du so blöd bist, so etwas zu tun, dann werden die anderen wenigstens abgeschreckt.
Genau darum geht es. Das gilt es zu ändern. Genauso gilt es, die gesellschaftliche Akzeptanz der Männer, die zu Hause sind, zu verbessern.
Es ist auch Aufgabe der Männer, die Rahmenbedingungen zu verändern. Das betrifft beispielsweise die Kinderbetreuung. Wenn ich mir die Realität in den Kommunen und in den Gemeinderäten anschaue, dann sehe ich, dass diejenigen, die abends – –
Meine Damen und Herren, ich wollte sagen: Gerade diejenigen, die die geringste Sensibilität dafür haben, dass die Frauen bessere Rahmenbedingungen bekommen, dass die Kinderbetreuung ausgebaut wird, tragen Verantwortung in den Kommunen oder sitzen in Gemeinderäten. Das sind in der Regel diejenigen – das kann man immer wieder beobachten –, die bei der Nachsitzung am längsten sitzen und am wenigsten zu Hause sind. Meine Damen und Herren, das zeigt schon: Gender Mainstreaming hat wirklich etwas damit zu tun, Bewusstsein zu schaffen. Daran müssen wir gehen.
Wir müssen bei Frauen und Männern Bewusstsein schaffen. Ich finde, das ist bei Gender Mainstreaming der positive Ansatz. Darin unterscheidet es sich von der traditionellen und konventionellen Frauenpolitik, die aber weiterhin sein muss. Frauenförderung – da gebe ich dem Kollegen
Noll durchaus Recht – kann nicht plötzlich heruntergestrichen werden, weil wir uns hinter Gender Mainstreaming verstecken. Das kann wirklich nicht sein.
Wir wollen aber wissen, Kollege Oettinger: Was werden diese Landesregierung und die beiden Regierungsfraktionen tun, damit der derzeit miserable Anteil von Frauen in Führungspositionen in den Ministerien in den nächsten Jahren erhöht wird? Welche Pläne gibt es dafür? Der neue Ansatz in der Frauenpolitik sollte zum Anlass genommen werden, das zu überdenken.
Meine Damen und Herren, es gibt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende. Wenn ich mir dieses Urteil anschaue, frage ich mich, in welcher Realität diese Herren – ich nehme an, es war wohl eine überwiegende Mehrheit von Männern, die dieses Urteil gesprochen haben – eigentlich leben. Haben sie noch nicht mitbekommen, dass allein erziehende Frauen in der Einkommensskala mittlerweile ganz unten stehen und dass man gerade deren Interessen berücksichtigen muss? Da frage ich mich wirklich: Wo lebt das Bundesverfassungsgericht?
Meine Damen und Herren, die Gleichstellung der Geschlechter auf allen politischen und sonstigen Ebenen ist ein zentrales Reformvorhaben dieser Republik. Das muss uns gelingen. Bei allen Diskussionen über Ökonomie und über Arbeitsplätze dürfen wir nicht vergessen, dass sich auch diese Gesellschaft verändern muss und dass diese Gesellschaft weiterhin reformiert werden muss. Da ist die Gleichberechtigung von Frau und Mann ein ganz wichtiger Punkt.
Es ist doch absurd – die Kollegin von der SPD hat darauf hingewiesen –, dass ein Großteil der Kreativität – –
Es ist doch absurd, dass ein Großteil der Kreativität in unserer Gesellschaft brachliegen soll. 50 % der Kreativität wollen uns mehr oder weniger nicht interessieren. Das kann doch nicht wahr sein. Ich frage mich: Wie sieht echte Demokratie aus, wenn 50 % von einem Teil des Lebens ausgeschlossen werden sollen? So kann es doch nicht sein. Deswegen ist mein Appell an die Männer: Freuen wir uns über 50 % der Macht! Wie hat Mao Tse-tung gesagt? Mein Kollege Reinhard Bütikofer hat Mao-Zitate in der Regel immer Ludwig Erhard zugedichtet, damit Sie von der CDU auch klatschen.
Ich will das jetzt nicht machen. – Ja, das war so. Er hat sich immer riesig darüber gefreut, wenn die CDU geklatscht hat.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Jetzt muss ich doch noch ans Rednerpult, Herr Kollege Walter, zumindest um den Grünen dafür zu danken, dass meine Kolleginnen und ich es offensichtlich ihnen zu verdanken haben, hier stehen zu dürfen.
Ich darf mich bedanken. Solange Sie das Wahlergebnis einfahren, das Sie eingefahren haben, werden wir auch weiterhin eine Chance haben.
Meine Damen und Herren, wir haben heute viel Grundsätzliches gehört, und wir hatten in der Tat auch gestern eine interessante Anhörung zu diesem Thema. Aber, Herr Kollege Walter, ich habe bei allem Engagement der Grünen für dieses Thema die Herren der Grünen bei der Anhörung vermisst.
Wir haben viel Grundsätzliches darüber gehört, was Gleichstellung bedeutet. Gleichstellung bedeutet, ein Leben ohne geschlechterspezifische Diskriminierung führen zu können. Rollenverteilungen dürfen nicht Maßstab politischer Vorgaben sein. Der Grundgedanke, so wurde uns gesagt, des Bundesverfassungsgerichts ist: Wir müssen Individualität ermöglichen. Das bedeutet: keine Politik für Frauen oder Männer, keine Politik für Gruppen. Vielmehr müssen Chancen gesichert und muss Individualität ermöglicht werden.
Wir haben gestern auch festgestellt – und ich glaube, das ist auch der Tenor der heutigen Debatte und aller Beiträge zu dieser Debatte –: Es gibt kein rotes, grünes oder schwarzes Gender Mainstreaming, sondern es handelt sich um ein gemeinsames Ziel, einen gemeinsamen Prozess, wo wir uns auf den Weg gemacht haben und wo wir auch bald ans Ziel kommen wollen.
Meine Damen und Herren, Einigkeit auf intellektuellem Niveau ist oft einfacher, als zu den schlichten Realitäten der Politik zu kommen. Wir haben gestern gehört, dass Gender Mainstreaming heißt, dass beim politischen Handeln die Erkenntnisse einzubeziehen sind, ob und wie sich die Maßnahmen auf Frauen und Männer unterschiedlich auswirken.
Das ist manchmal sehr schwer, bedarf wissenschaftlicher Grundlagen und sollte keine Anekdotenpolitik sein.
Meine Damen und Herren, das ist intellektuell richtig, aber gestatten Sie mir zu diesem Thema schlichte Wahrheiten. Wenn ich mir die Rentenpolitik der Bundesregierung anschaue, brauche ich keinen intellektuellen Gender-Mainstreaming-Ansatz, um zu erkennen:
Das ist eine unverfrorene Benachteiligung von Frauen, die ihren Lebensentwurf eben nicht in der außerhäuslichen Wertschöpfung gesehen haben, sondern Kinder erzogen haben und, als die Kinder aus dem Haus waren, die Eltern gepflegt haben, und das sind gerade solche Frauen, die im Ehrenamt viele Leistungen für die Gesellschaft erbracht haben.
Zum Zweiten: Was hat die gestrige Anhörung auch deutlich gemacht? Beim Umsetzen des Gender-MainstreamingGedankens sind wir hier in Baden-Württemberg nicht die Allerersten.
Wir haben gehört, dass wir nicht die Allerersten sind. Es wurde aber doch deutlich – und ich glaube, Frau UngerSoyka ist hier Zeugin –, dass wir offensichtlich in keiner schlechten Position sind. Denn wenn eigentlich nur die Länder Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt als beispielhafte Vorreiter genannt werden, dann dürfen wir daraus schließen, dass offensichtlich in den anderen Ländern nichts oder noch nicht viel oder noch nicht viel mehr geschehen ist, was für Baden-Württemberg Vorbild sein könnte.