Monika Stolz

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn den Altoberbürgermeister von Stuttgart, Manfred Rommel, zitiere, der vielleicht manchem männlichen Kollegen – die haben ja zum größten Teil die Flucht ergriffen – mit einem Stoßseufzer aus dem Herzen spricht:
Schiffsuntergang: Ab in die Boote! Doch halt: Es stört die Frauenquote. Besser allesamt ersoffen, als die Frauenfrag’ bleibt offen.
Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können Herrn Rommel und alle noch existierenden Zweifler beruhigen. Trotz des Einforderns der Frauenfrage und trotz eines Gesetzes, das die Frauenquote praktisch vorschreibt, ist die Landesverwaltung nicht untergegangen, nicht ersoffen. Im Gegenteil, sie hat durch einen gestiegenen Frauenanteil nicht an Qualität eingebüßt, sondern gewonnen. Sie wird durch die Frauen auch weiter an Qualität gewinnen. An dieser Stelle würde ich eigentlich Applaus von der Opposition erwarten.
Der Bilanzbericht zur Frauenförderung zeigt, dass sich der Frauenanteil erhöht hat – das wurde ausgeführt – und dass das Landesgleichberechtigungsgesetz zusammen mit der hervorragenden Qualität unserer Frauen also Wirkung zeigt.
Aber im Gesamtergebnis sind wir in Baden-Württemberg noch nicht Spitze. Diese beliebte Position, die wir in vielen Bereichen durchaus bereits einnehmen, sollten wir auch im Bereich der Frauenförderung anstreben. Das Landesgleichberechtigungsgesetz, in der neuen Formulierung das Chancengleichheitsgesetz, wird also weiter gebraucht.
Wir begrüßen die Novellierung und die darin enthaltenen Weiterentwicklungen. Wir begrüßen insbesondere die Vereinfachungen, zum Beispiel bei der Wahl der Chancengleichheitsbeauftragten. Dies macht das Gesetz für alle Beteiligten ohne Effizienzeinbußen für die Frauen anwendungsfreundlicher. Wir begrüßen, dass die Verantwortung für Chancengleichheit bei allen Vorgesetzten liegt. Kein Vorgesetzter kann also das Thema als Gedöns – ich nehme an, die SPD weiß, wen ich meine – abtun, für das allein die Chancengleichheitsbeauftragte zuständig wäre. Wir begrüßen auch, dass die Aufgaben der Kommunen zur Frauenförderung aufgenommen und weiter präzisiert worden sind.
Ich nehme an, zu bestimmten Themen wird es unterschiedliche Auffassungen geben. Man kann darüber streiten, ob es zielführender ist, im Chancengleichheitsplan genaue Zielund vor allem genaue Zeitvorgaben festzuschreiben, als dies nicht zu tun. Man kann sich auch darüber streiten, ob den Kommunen das Erstellen von Chancengleichheitsplänen verbindlich vorgeschrieben werden muss, ob im Gesetz also statt „soll“ „muss“ stehen soll. Darüber kann man sich sicher streiten und unterschiedlicher Meinung sein. Wichtig ist uns die Festlegung auf das Ziel, den Anteil der Frauen in den Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, deutlich zu erhöhen. Der Bilanzbericht zeigt ja auch, dass diese Zielfestlegung in wenigen Jahren zu deutlich verbesserten Ergebnissen geführt hat.
Was den Streitpunkt Kommunen betrifft, wird diesen mit § 23 die Aufgabe, Chancengleichheit zu fördern, klar zugewiesen. § 23 belässt den Kommunen einen Gestaltungsspielraum, wer die Aufgabe wahrnimmt und wie dies zu geschehen hat. Bei einem Gesamtanteil der Frauen in den kommunalen Verwaltungen von 68 % wird es durchaus Verwaltungen geben, die nicht so weit sind wie andere. Es wird auch das eine oder andere schwarze Schaf geben, aber wir wollen den Kommunen dennoch nicht das Wie der Förderung aus der Hand nehmen, sondern ihnen hier ihren eigenen Gestaltungsspielraum lassen.
Meine Damen und Herren, wir unterstellen allen Vorgesetzten den guten Willen, tüchtige Frauen vorbildhaft zu fördern. Aber immer wieder taucht das Argument auf, dass die Frauen letztlich, wenn man sie braucht, nicht zu finden seien oder irgendwo auf dem Weg nach oben verloren gegangen seien. Wichtig ist uns daher ein Aspekt der Frauenförderung, der auch weit über dieses Gesetz hinausgeht, nämlich die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
So begrüßen wir speziell die im Gesetzentwurf zu diesem Bereich getroffenen Verbindlichkeiten, weil wir wissen, dass den Frauen gerade durch dieses Thema Schwierigkeiten in ihrem Weiterkommen erwachsen. Sowohl die Aufnahme der Teleheimarbeit als auch die Vorgabe, dass Teil
zeitkräfte nicht benachteiligt werden dürfen, begrüßen wir ausdrücklich. Die Regelungen, die eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf beinhalten, machen dieses Gesetz auch sinnvoll für die Bereiche der Verwaltung, in denen Frauen nicht unterrepräsentiert sind, also die Quoten schon erfüllt sind.
Um zum Anfang zurückzukommen: Bei aller Wertschätzung für meinen anfangs zitierten Parteikollegen Manfred Rommel ist sein Stöhnen über die Frauenquote sicher unberechtigt. Die CDU-Landtagsfraktion ist der Überzeugung, dass wir über die Beachtung der Frauenfragen nicht gemeinsam untergehen, sondern alle an Qualität gewinnen werden. Wir werden das Gesetz konstruktiv begleiten.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die „Kindergarten-PISA“-Studie der OECD bescheinigt unseren Kindergärten ein solides Fundament. Dabei wurden Kinderbetreuungseinrichtungen in Baden-Württemberg, in Brandenburg, in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz und in Thüringen untersucht. Den Kindertageseinrichtungen wurden als positive Merkmale gehaltvolle Konzepte, zufriedenstellende materielle Ressourcen, ein engagiertes, für neue Ideen offenes Personal und Offenheit für Veränderungen bescheinigt.
Bei den gehaltvollen Konzepten nimmt man Bezug auf den ganzheitlichen Ansatz, dass Bildung, Betreuung und Erziehung untrennbar miteinander verbunden sind. Das ist in anderen Ländern oft nicht so der Fall, was die Kindergartenbetreuung qualitativ durchaus nicht verbessert.
Weiter wird positiv vermerkt, dass Kinder bei uns in gleicher Weise gefördert werden, und zwar unabhängig vom Familieneinkommen.
Lobend hervorgehoben wird die dezentrale Verantwortung. Das heißt, die Kreativität und die Innovation vor Ort werden bei der Kinderbetreuung genutzt.
Die Offenheit für Veränderungen wird gelobt, das heißt die Bereitschaft, auszubauen und aufzubauen, was sich insbesondere in der Rahmenvereinbarung, die die zuständigen Länderminister unterzeichnet haben – die Rahmenvereinbarung, Bildungspläne und Erziehungspläne aufzustellen –, niedergeschlagen hat.
Im Übrigen – das wurde schon erwähnt – ist der Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen schon lange im Jugendhilfegesetz verankert. Wegen seiner Wichtigkeit ist er auch im Kindergartengesetz des Landes verankert.
Ich glaube also, Frau Lösch, wir können – auch aufgrund dieser Studie – nicht sagen, dass der Bildungsauftrag in den Kindergärten sträflich vernachlässigt würde. Ich glaube, bisher wurde in den Kindergärten eine gute Arbeit geleistet.
Es besteht allerdings Konsens darüber – da brauchen wir uns auch über die Parteien hinweg nicht zu streiten –, dass die frühkindliche Bildung, auch aufgrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, verstärkt werden muss. Wir brauchen uns nicht darüber zu streiten, dass Handlungsbedarf besteht. Kleine Kinder sind besonders lernfähig und lernwillig. Das weiß man. Im frühen Alter werden praktisch schon die Grundlagen für die Bildungskarriere erarbeitet. Wir alle müssen uns anstrengen: das Land, die Kommunen, die Kindergartenträger und natürlich auch die Eltern, denn Erziehung und Bildung erfährt das Kind zuerst im Elternhaus.
In allen Bundesländern werden zurzeit Orientierungspläne für die Bildung erarbeitet. Über die Vereinbarung des Landes mit den Kommunen und den kommunalen Landesverbänden wurde an dieser Stelle auch schon berichtet. Diese Vereinbarung wurde im letzten Jahr unterzeichnet. Wir von
der CDU-Landtagsfraktion gehen davon aus, dass der dort vereinbarte Zeitplan eingehalten wird. Das heißt, dass in diesem Jahr mit einer Pilotphase begonnen werden kann und der Orientierungsplan sukzessive eingeführt werden kann.
Eine tragende Rolle muss in den Kindergärten die Stärkung der sprachlichen Kompetenz einnehmen. Das wurde schon erwähnt. Auch hier sind Defizite bekannt. Sie werden gar nicht bestritten. Man war bisher auch nicht untätig. Auch das wurde an dieser Stelle schon öfter gesagt. Durch die Hausaufgaben-, Sprach- und Lernhilfen hat das Land schon bisher Sprachförderung im vorschulischen Raum betrieben, und auch die Förderung der Landesstiftung für Kinder wurde in einer zweiten Tranche wieder erhöht. Ich denke, das zeigt, dass diese Sprachförderung nicht neu ist, dass sie intensiviert wird und einen Stellenwert besitzt.
Für den weiteren Ausbau der Sprachförderung steht die Ausarbeitung der interministeriellen Arbeitsgruppe im Raum. Das Konzept ist so angelegt – Sie haben das erwähnt, Frau Lösch –, dass der einzelnen Kindertageseinrichtung und dem jeweiligen Träger genügend Spielraum zur Eigengestaltung verbleibt, sodass bestehende Entwicklungen vor Ort berücksichtigt werden können. Ich glaube, darüber braucht man auch keine großen Worte mehr zu verlieren.
Wir von der CDU-Landtagsfraktion gehen davon aus, dass dieses Sprachförderkonzept, nachdem es erstellt ist, auch schnellstmöglich umgesetzt wird. An uns wird es nicht scheitern.
Natürlich spielt hinsichtlich der Bildungsqualität des Kindergartens auch die Qualifikation der Erzieherinnen eine Rolle. Darauf will ich, falls notwendig, in der zweiten Runde noch eingehen.
Sie haben die Forderung nach Einführung eines Kindergartenpflichtjahrs angesprochen. Diese Forderung steht im Raum. Ich gebe Ihnen Recht, dass darüber diskutiert werden muss. Das ist zunächst eine Formsache.
Wenn man es will, wird es wichtig sein, darüber nachzudenken, wie man es gestaltet und vor allem welche Alternativen es hierzu gibt.
Meine Damen und Herren, es gibt beim Thema „Frühkindliche Bildung“ sicher kein Patentrezept. Angesichts der Brisanz des Themas ist auch die CDU-Fraktion durchaus ungeduldig.
Aber, meine Damen und Herren, ein unüberlegter Aktionismus wird uns nicht weiterführen. Wir werden schrittweise auf dem aufbauen müssen, was bereits an Sinnvollem da ist, und wir müssen Möglichkeiten zum Erproben geben. Mit der Erarbeitung des Orientierungsplans und ersten Umset
zungsschritten in diesem Jahr, von denen wir ausgehen, sind wir, denke ich, auf einem guten Weg.
Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Brennstoffzelle steht für eine Schlüsseltechnologie. Sie passt in die Industrie- und Forschungsstruktur Baden-Württembergs, und sie ist ein wichtiger Beitrag für eine nachhaltige Energiepolitik. Deshalb ist sie zu Recht schon seit Jahren ein Schwerpunktthema für das Land. Nicht umsonst wird Baden-Württemberg nicht von der Landesregierung – das kommt sicher später –, sondern von der Fachzeitschrift der Energiewirtschaft als „Musterländle“ für die Brennstoffzellenforschung bezeichnet. Auch die SPD in Person des Kollegen Rivoir hat heute die Spitzenstellung von Baden-Württemberg in diesem Bereich nicht abgestritten.
Immerhin sind mehr als 70 % der aktuellen Brennstoffzellenprojekte der EU in Deutschland aufgelegt, und von allen Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die in der Bundesrepublik an der Brennstoffzellenentwicklung arbeiten, befinden sich rund 20 % in Baden-Württemberg. Der Anteil der Beschäftigten in diesem Sektor liegt sogar bei fast 40 %. Da kann man nicht behaupten, dass wir ins Abseits rutschen, sondern wir haben, wie gesagt, eine Spitzenstellung.
Wir begrüßen in diesem Zusammenhang auch, dass Kommissionspräsident Romano Prodi die europäische Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologieplattform gestartet hat und die EU im nächsten Jahrzehnt mehr Mittel als bisher für diese Technologie zur Verfügung stellen will. Wir gehen davon aus, dass Baden-Württemberg mit seinen guten Voraussetzungen auch davon profitieren kann.
Kollege Rivoir hat schon erwähnt: Wir waren gemeinsam mit dem Wirtschaftsausschuss in den USA. Dort wird die Wasserstofftechnologie einschließlich der Brennstoffzelle in der Tat als Schlüsseltechnologie gesehen, mit der die nationale Unabhängigkeit in der Energiepolitik gestärkt werden soll. Dafür ist ein nationales Programm aufgelegt. Deutschland und Baden-Württemberg werden mit DaimlerChrysler durchaus als Kerngruppe für eine Wasserstoffwirtschaft gesehen, die international vernetzt sein muss. Denn die Chance dieser Technik erfordert Synergien und vor allem die Entwicklung von einheitlichen Standards.
Uns wurde berichtet, dass auch in den USA noch viele Hürden für diese Technik überwunden werden müssen – technologische und ökonomisch-institutionelle Hürden – und dass bei allen technischen und ökonomischen Zielwerten, die formuliert worden sind, diese Zielwerte in den USA noch immer weit verfehlt werden. Wir müssen auch für uns feststellen, dass auch wir bei aller Spitzenstellung, die wir in dieser Technologie haben, noch nicht so weit sind, wie wir alle es uns wünschen würden.
Wir waren uns bei dieser Reise einig, dass wir auch weiterhin einen engen Kontakt zwischen Baden-Württemberg und den USA – insbesondere Michigan – halten wollen. Die Wirtschaftsregion Stuttgart mit ihrem Kompetenzzentrum leistet hier wertvolle begleitende Arbeit.
Wir hoffen natürlich, dass auch die Bundesregierung ihre Hausaufgaben macht. Joschka Fischer hat ja vor der UNVollversammlung im Jahr 2000 vollmundig erklärt: „Es muss im Interesse aller Staaten liegen, den Übergang vom Öl- zum Wasserstoffzeitalter schnellstmöglich zu vollziehen.“ Wir stellen fest – wir können auch anerkennen –, dass die Bundesregierung bei aller traurigen Kürzung der Forschungsetats in diesem Bereich derzeit nicht gekürzt hat. Wir hoffen natürlich, dass das auch weiterhin so bleiben wird. Denn wir müssen feststellen, dass die politische und technologische Führerschaft beim Thema Wasserstoff und Brennstoffzelle mittlerweile auf die USA und auf Japan übergegangen ist. Das gilt es aufzuhalten.
An Aktivitäten Baden-Württembergs fehlt es sicher nicht. Es ist festzustellen – die ausführliche Stellungnahme zu dem Antrag zeigt das –, dass die Brennstoffzellentechnologie und -forschung hier in Baden-Württemberg wirklich sehr breit vorhanden ist. Es besteht ein dichtes Forschungsnetz, und es gibt viele Förderungen der Anwendungen und Demonstrationsprojekte. Ich will darauf nicht näher eingehen.
Wichtig ist sicher, dass eine Bündelung dieser Aktivitäten stattfindet. Mit der Forschungsallianz Brennstoffzellen werden die Forschungsaktivitäten des Landes koordiniert. Die Tatsache, dass solche Forschungsallianzen mittlerweile in weiteren Bundesländern wie Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen installiert sind, zeigt, dass sie offensichtlich wertvolle Arbeit leisten. Sie zeigt aber auch, dass wir uns auch innerhalb der Bundesrepublik in einem intensiven Wettbewerb befinden.
Eine zukunftsträchtige und sehr aktuelle Maßnahme ist sicher die Einrichtung des Weiterbildungszentrums Brennstoffzelle in Ulm. Es ist auch schon erwähnt worden. Seine vorrangige Aufgabe liegt in der umfassenden Information für die Wirtschaft. Die betroffenen Berufsgruppen sollen mit dieser Technologie bekannt gemacht werden, und die Verbreiterung dieser Technologie soll gefördert werden. Dieses Zentrum wird immerhin mit 3,3 Millionen € aus der Landesstiftung gefördert. Es ist zwar noch im Bau, hat aber den Betrieb schon aufgenommen.
Die Akzeptanz des Angebots zeigt, wo die Anwendung der Brennstoffzelle hier derzeit angekommen ist. Von den Handwerkern werden die Weiterbildungsangebote sehr schleppend angenommen, weil die Industrie noch nicht in der Lage ist, die nötige Hardware zu liefern. Stark angenommen wird das Angebot dagegen von der Industrie, vor allem von der Fahrzeugindustrie, die hier federführend ist.
Eine weitere wichtige Aufgabe würden wir auch darin sehen, dass dieser Bereich auch in die Schulen und in die Ausbildung der Lehrer aufgenommen wird. Wir denken, dass hier auch das Land und das Kultusministerium einen wertvollen Beitrag leisten können.
Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg ist nach Aussagen von Fachleuten in der Tat Spitze.
Dennoch wissen wir – das hat auch die Diskussion gestern gezeigt –, dass wir bei aller Spitzenforschung in der Tat ein
Problem mit der Umsetzung haben. Wir haben Handlungsbedarf, wenn es um die Schnittstelle zwischen Forschung und mittelständischer Industrie und wenn es um die Markteinführung geht. Wichtig ist sicher – da sind wir uns einig; Herr Kollege Rivoir hat es schon angesprochen –, dass der Dialog zwischen Forschung und Mittelstand angeregt und intensiviert und eine gemeinsame Markteinführungsstrategie entwickelt wird. Bei aller Begrenztheit, der landespolitische Maßnahmen letztlich unterliegen, kann und sollte das Land für diesen Dialog eine anschiebende Hilfe leisten, natürlich mit dem Ziel, sich zurückzuziehen, sobald diese Hilfe nicht mehr nötig ist.
Meine Damen und Herren, über die Wichtigkeit dieses Themas für unseren Standort Baden-Württemberg besteht kein Dissens. Wir werden über die weiteren Maßnahmen im Ausschuss, wie vorgeschlagen, weiter beraten.
Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gesundheitspolitik ist im Moment ein Dauerbrenner in der politischen Diskussion. Lösungen stehen seit Jahren aus. Es geht dabei vor allem um das Problem, wie wir in Deutschland Gesundheit noch für alle finanzierbar gestalten. In der aktuellen Diskussion geht es um eine Kostendämpfung und darum, welche Standards wir uns leisten können.
Ich habe bei dieser Diskussion zwei Hoffnungen. Die eine besteht darin, dass im Interesse aller, die das Gesundheitssystem in Anspruch nehmen müssen, in Berlin eine Einigung zustande kommt, damit dieses Land wenigstens beim Thema „Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems“ weiterkommt und wir vor größerem Murks bewahrt bleiben.
Ich habe eine zweite Hoffnung zum Gesundheitsmodernisierungsgesetz, das im Moment zur Diskussion steht. Ich hoffe nämlich, dass es so ausgestaltet wird, dass die Frauen nicht auf der Verliererseite stehen, wie wir es ja bei der Rentendiskussion erlebt haben. Die Frauen müssen ja ihre Einbußen bei der Rente mit höheren Beiträgen bezahlen als die Männer, weil sie nach der Berechnung eine höhere Lebenserwartung haben.
Meine Damen und Herren, heute geht es nicht direkt um eine Kostendämpfungsdiskussion, sondern um eine Quali
tätsdiskussion. Wir brauchen eine Gesundheitspolitik mit zielgerichtetem Handeln; denn nur zielgerichtetes Handeln verspricht auch Effizienz. Dazu brauchen wir Wissen. Mittlerweile ist es wissenschaftlich unumstritten, dass Ursache, Gestaltung, Ausprägung und Therapie von Krankheiten geschlechtsspezifisch unterschiedlich sind. Nicht nur die andere biologische Konstitution der Frauen, die unbestritten ist, sondern auch ihre unterschiedlichen Lebenssituationen machen eine unterschiedliche Betrachtung von Krankheitsursachen und -verläufen notwendig. Die Untersuchungen zeigen, dass das medizinische Leitbild immer noch männlich ist. Das ist nicht falsch, hat aber eine gravierende Schlagseite.
Allmählich setzt sich die Einsicht durch, dass wir eine geschlechtsspezifische Gesundheitsforschung brauchen. Wir brauchen nur in die heutigen „Stuttgarter Nachrichten“ hineinzuschauen. Darin findet sich ein großer Artikel, der die Notwendigkeit dieser Gesundheitsforschung unterstreicht. Denn es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass zum Beispiel die Versorgung der Frauen, die einen akuten Herzinfarkt erlitten haben, deswegen nicht so schnell und auch nicht richtig erfolgt, weil sich die Symptome beispielsweise einer koronaren Herzerkrankung bei Frauen zum größten Teil anders gestalten als bei Männern. Auch Medikamente werden zum größten Teil bei Männern ausprobiert, was zur Folge hat, dass die Frauen, die in überwiegendem Maß Medikamente einnehmen, über die Nebenwirkungen dieser Medikamente klagen.
Wie die Bundesregierung im Jahr 2000 hat Baden-Württemberg schon frühzeitig einen Gesundheitsbericht für Frauen erstellt, und das macht Sinn. Dieser Bericht und auch die Antwort auf unsere Große Anfrage, die ja nur auf einige Aspekte der Frauengesundheit eingehen kann, zeigen eine wesentliche Notwendigkeit auf. Daten und Wissen über geschlechtsspezifische Unterschiede sind sehr unvollständig. Viele Fragen können heute noch nicht beantwortet werden. Das heißt, geschlechtsspezifische Forschung muss weiterentwickelt werden, und vorhandene Daten müssen entsprechend aufgearbeitet werden.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass wir natürlich auch Informationen zum Auftreten von Krebserkrankungen brauchen. Brustkrebserkrankungen und Gebärmutterhalskrebserkrankungen sind immerhin die zweithäufigsten Todesursachen bei Frauen.
Natürlich brauchen wir in diesem Zusammenhang, wenn es um Daten geht, ein Krebsregister. Dieses sollte aber aussagekräftig sein. Auch wir bedauern, dass das Register, das aufgebaut werden sollte, so, wie es angedacht war, nicht zum erwünschten Erfolg in der Sache geführt hat. Wir hoffen aber, dass die klinische Tumordokumentation eine bessere Basis abgibt, eine breitere Datengrundlage liefert und vor allen Dingen, was ja dann auch wichtig ist, wissenschaftlich aussagekräftiger ausgestaltet werden kann als das derzeitige Krebsregister, das sich eben nicht bewährt hat.
Das Problem der Daten, gerade im Gesundheitsbereich, ist ein allgemeines Problem. Auf der einen Seite müssen wir uns durch das Problem des Datenschutzes durchlavieren,
und auf der anderen Seite reden wir in vielen Bereichen von Abbau von Statistik, von Abbau von Bürokratie. Wir reden davon, dass Ärzte und Pflegekräfte zu sehr mit der Erstellung von Statistiken und dem Ausfüllen von Formularen beschäftigt sind. Wir werden diese Quadratur des Kreises nicht auflösen können. Wir werden immer die eine gegen die andere Seite abwägen müssen. Aber fest steht: Für eine sinnvolle Gesundheitspolitik brauchen wir weiter gut fundierte Daten.
Insofern begrüßen wir die Beobachtungsgesundheitsämter, die in diesem Land über einen längeren Zeitraum Kinder beobachten. Wir hoffen, dass daraus entsprechende Daten gewonnen werden können.
Was war uns wichtig bei dieser Anfrage? Welche Ergebnisse gilt es zu erwähnen? Zunächst einmal wird festgestellt, dass Frauen und Männer in Baden-Württemberg eine höhere Lebenserwartung als im übrigen Deutschland haben. Ich verkneife mir jetzt, zu sagen, das sei das Verdienst der Landesregierung,
weil ich auch weiß, dass zu viel Lob die Demut nicht fördert. Aber es ist schön festzustellen. Allerdings schneidet die Bundesrepublik insgesamt im OECD-Vergleich, was die Lebenserwartung betrifft, nicht so gut ab. Wir stehen an sechster bzw. siebter Stelle, obwohl wir bei den Ausgaben für das Gesundheitswesen an dritter Stelle der OECD-Länder stehen.
Die Antwort auf die Große Anfrage gibt uns weiterhin Auskunft darüber, dass die Bereitschaft bei den Frauen, an Vorsorgeuntersuchungen, insbesondere an der Schwangerenvorsorgeuntersuchung, teilzunehmen, in den letzten Jahren gestiegen ist. Das heißt, Frauen sind gesundheitsbewusster als Männer. Sie gehen zu Vorsorgeuntersuchungen, achten auf Signale ihres Körpers, sie sind der Prävention gegenüber aufgeschlossen.
Gesundheitspolitik der Zukunft muss schwerpunktmäßig Prävention beinhalten. Darüber sind wir uns einig. Zumindest bei den Frauen kann hier viel Effizienz erreicht werden. Sie können ja auch den Männern ein Beispiel geben, die dann dem guten Weg folgen können.
Allerdings sollte dieser Bereich auch nicht einer Zentralität des Bundes unterworfen werden – ich spreche hier vom geplanten Präventionsfonds –, sondern sollte Prävention vor Ort gestaltet, das heißt den Ländern überlassen werden. Vor Ort kennt man die Leute immer besser und weiß, wie man sie ansprechen kann.
Der dritte Punkt, der uns bei dieser Anfrage wichtig war: dass Schwangerenvorsorgeuntersuchungen zwar häufiger wahrgenommen werden und die Kinder in Baden-Württemberg relativ gesund auf die Welt kommen, dass aber die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zunimmt und diese vor
allem bei Frauen durchgeführt werden, die schon mehrere Kinder haben und sich ein weiteres Kind nicht zutrauen.
Wir werden auch darüber informiert, dass Einweisungsindikationen bei Einrichtungen des Müttergenesungswerks zu 74 % als Erschöpfungssyndrome dargestellt werden. Wir sollten ein besonderes Augenmerk unserer Politik hierauf richten. Denn die Lebensumstände bestimmen im Wesentlichen, wie die Frauen Familie, Kindererziehung und Beruf leisten können und ob sie sich in diesen Lebensumständen Kinder zutrauen.
Die Ergebnisse einer Studie über die Lebenserwartung erwerbstätiger Frauen bestätigen, dass der Erwerbsstatus der Frauen, die damit verbundenen Lebensumstände und die Gesundheit eng zusammenhängen. In diesem Zusammenhang ist die Politik gefordert. Wir müssen Rahmenbedingungen für Frauen, die Kinder haben wollen und haben, schaffen mit dem Konzept „Kinderfreundliches Ulm“
„Kinderfreundliches Baden-Württemberg“. Ulm ist halt die Perle Baden-Württembergs. Entschuldigen Sie bitte diesen Lapsus.
Was die Krebserkrankungen betrifft, sinkt die Sterblichkeit. Die Sterblichkeitsquote aufgrund von Brustkrebs liegt in Baden-Württemberg unterhalb der anderer westdeutscher Länder. Hier war Baden-Württemberg wegweisend mit einer Bundesratsinitiative und sind wir auf einem guten Weg, den Frauen auch die Mammographie flächendeckend anzubieten.
Besonders aufhorchen lässt uns die neue Meldung von heute, dass der Suchtmittelgebrauch besonders bei jungen Frauen steigt. Wir haben auch eine erschreckende Zunahme von Essstörungen festzustellen. Die betreffenden Personen müssen dann in die Drogenberatung aufgenommen werden. Als Hinweis auch für die Politik: Wir müssen uns um die jungen Frauen besonders kümmern.
Meine Damen und Herren, es steht fest, dass in vielen Bereichen eine geschlechtsspezifische Forschung fehlt, dass wir Daten brauchen. Es steht aber auch fest, dass es Ansätze einer zunehmenden geschlechtsdifferenzierten Betrachtung von Vorsorge und Krankheit gibt und diese zunehmend Beachtung findet. Die Maßstäbe einer guten Versorgung sind zwar nicht an das Geschlecht gebunden, aber die Effizienz der Versorgung kann durch geschlechtsspezifische Betrachtungsweisen gesteigert werden.
Diese Ansätze gilt es fortzuführen. Wir sind hier zwar nicht am Anfang, stehen aber doch vor einem langen Lernprozess, der von der Politik gefördert werden muss. Dies wird umso einfacher gelingen, je schneller die Fragen der Finanzierung unseres Gesundheitssystems tragfähig beantwortet werden, und es wird umso schneller durch eine vernünftige Politik des Wachstums und der Beschäftigung in Berlin gelingen, eine Politik, die uns wieder finanzielle Grundlagen bieten sollte, die manches Sinnvolle und Wünschenswerte wieder finanzierbar und durchsetzbar macht und uns auch
in diesem wichtigen Bereich der Gesundheit Handlungsspielräume eröffnet.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Zahl ausländischer Studierender in Deutschland hat sich in den letzten 25 Jahren vervierfacht. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland hinter den USA und Großbritannien an dritter Stelle der beliebtesten Studienländer. An den baden-württembergischen Hochschulen studieren so viele Ausländer wie noch nie zuvor.
Im Wintersemester 2001/2002 stammten 14,2 % der Studenten nicht aus Deutschland. Dieser Anteil liegt weit über dem Bundesdurchschnitt, der bei 11 % liegt.
Die SPD hat ihre Anfrage wie folgt begründet – ich zitiere –:
Die baden-württembergischen Hochschulen müssen noch attraktiver werden für ausländische Studieninteressierte.
Ich denke, wir sollten zunächst einmal feststellen, dass sie attraktiv sind.
In den Top 20 der für Bildungsausländer interessantesten Hochschulen steht Berlin an erster Stelle – gut –, gefolgt
von baden-württembergischen Universitäten wie Stuttgart, Heidelberg und Freiburg, die die nächsten Plätze belegen. Bei ausländischen Forschern liegen die baden-württembergischen Unis im Ranking der Beliebtheit auf den ersten Plätzen; das haben wir in der letzten Plenarwoche ausführlich diskutiert. Meine Damen und Herren, das darf man feststellen.
Gleichzeitig besteht natürlich die Verpflichtung, dass dieser Standort Baden-Württemberg attraktiv bleibt und man an weiteren Verbesserungen arbeitet. Wir wollen in BadenWürttemberg die besten Köpfe haben. Dies beinhaltet natürlich auch eine gute Betreuung der Studenten, ein gutes Auswahl- und Zulassungsverfahren. Wir wollen die Zahl der Studenten durchaus erhöhen, aber nicht als Selbstzweck quantitativ, sondern qualitativ in einem weltweiten Wettbewerb um begabte Nachwuchskräfte.
Die Große Anfrage der SPD-Fraktion ist ausführlich beantwortet worden. Die Antwort zeigt vor allem das Bemühen, die bestehenden Problemfelder und Reibungspunkte aus dem Weg zu räumen. Die Probleme mit den ausländer- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen können offensichtlich zum größten Teil im Sinne der Studenten gelöst werden. Gewisse Notwendigkeiten, zum Beispiel die einer Aufenthaltsgenehmigung, oder auch Restriktionen, die einen gewissen Zwang ausüben, den Studienaufenthalt zielgerichtet anzugehen, stellen wir nicht infrage, zumal wir auch der Meinung sind, dass diese Bestimmungen interessierte Studenten sicher nicht abhalten, zu uns zu kommen.
Allerdings steht das Zuwanderungsgesetz noch aus. Sie haben die CDU – das galt schon immer – an Ihrer Seite, wenn Sie in diesem Zuwanderungsgesetz Rahmenbedingungen schaffen, die hoch qualifizierten Menschen den Aufenthalt hier in unserer Bundesrepublik erleichtern.
Das ist Bundessache; das können wir hier nicht verändern.
Zum Zweiten: Zum Nulltarif werden wir – und dies gilt in der Zukunft auch für ausländische Studenten – die Leistungen der Hochschulen nicht anbieten können. Wir teilen die Meinung des Ministeriums und der Hochschulen, dass zum Beispiel vorbereitende Deutschkurse mit einer entsprechenden Kostenbeteiligung der Studenten angeboten werden müssen. Was nichts kostet, ist nichts wert.
Eine Kostenbeteiligung spornt die Motivation und die Leistungsbereitschaft an. Der Ausbildung in Baden-Württemberg einen Wert zu verschaffen, berührt, wie es auch in den meisten anderen Ländern der Fall ist, das Thema der allgemeinen Studiengebühren. Das haben wir heute Morgen diskutiert. Wir sind der Meinung: Auch das schreckt nicht ab – im Gegenteil.
Zum Dritten: Einladende Bedingungen zu schaffen liegt zum größten Teil innerhalb der Möglichkeiten der Hochschulen selbst.
Im Rahmen des Selbstauswahlrechts haben die Hochschulen die Möglichkeit, auch auf ausländische Studenten Rücksicht zu nehmen, aber auch gewisse Ansprüche zu formulieren.
Meine Damen und Herren, die Attraktivität der Hochschulen für ausländische Studenten ist ein Zusammenspiel von Bund, Land, Kommunen, Wirtschaft und Wissenschaft. Wir sollten hier im Sinne einer konzertierten Aktion handeln. Es wurden ja auch gemeinsame Initiativen gestartet. Zum Beispiel hat die Bund-Länder-Konferenz entsprechende Aktionslinien zur Steigerung der Attraktivität unserer Hochschullandschaft vereinbart. An diesen Linien orientiert sich auch die Hochschulpolitik des Landes Baden-Württemberg.
Auch für den Städtetag ist dies eine wichtige Aufgabe. Auch er hat eine eigene Studie zur Attraktivität der Hochschulstandorte erarbeitet. Hochschulen, Studentenwerke und Stadtverwaltungen müssen örtliche Projektnetzwerke gründen und gemeinsam Ideen für eine gastfreundliche Hochschulstadt entwickeln. Dabei spielt die Wohnungsversorgung sicher eine sehr wichtige Rolle. Baden-Württemberg liegt hier allerdings mit einer Versorgungsquote von 15,84 % der Studierenden an der Spitze der alten Bundesländer.
Die Studentenwerke haben in den vergangenen eineinhalb Jahren zusätzliche Wohnplätze bereitgestellt. Wir begrüßen alle Aktionen, die auch seitens des Wissenschaftsministeriums unternommen werden, um zur Linderung der Engpässe in der Wohnraumversorgung beizutragen,
insbesondere den Garantiefonds. Dieser Garantiefonds soll Vermieter dazu motivieren, frei werdende Zimmer auch an häufig nur kurzfristig anwesende ausländische Studierende zu vermieten. Das ist eine gute Sache.
Meine Damen und Herren, eine gute Betreuung der Studenten ist sehr wichtig, die Qualität des Studienangebots ist sicher noch wichtiger. Mit den beiden Schwerpunkten der baden-württembergischen Hochschulpolitik, der konsequenten Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen und der Tatsache, dass die Universitäten immer mehr dazu übergehen, sich, wie international üblich, akkreditieren zu lassen, wird ein attraktives Angebot geschaffen, das hellen Köpfen aus dem Ausland signalisieren soll, dass Internationalität, sowohl was die „Kunden“ betrifft als auch das „Produkt“, bei uns erwünscht ist und weiterhin gefördert wird – auch mit unserer Unterstützung.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der SPD,
Sie haben die vorliegende Anfrage gut ein halbes Jahr vor der letzten Bundestagswahl gestellt. Das ist lange her. Denn das Problem, das Sie bei der Anfrage umtreibt, ist der Facharbeitermangel als eine gravierende Wachstumsbremse in Baden-Württemberg. Sie haben damals möglicherweise die Hoffnung gehabt, dass nach der Wahl eine andere Regierung als die Ihrige Politik in Deutschland macht,
oder Sie haben die Augen zugemacht und mit Ihrem Finanzminister an völlig unrealistischen Wachstumserwartungen festgehalten.
Es steht fest, dass die gravierendste Wachstumsbremse auch für Baden-Württemberg zunächst und vor allem die amtierende Bundesregierung ist.
Dieser bescheinigen alle, die etwas von der Sache verstehen – dazu bedarf es keiner parteipolitisch gefärbten Stellungnahme –, eine wachstums- und beschäftigungsfeindliche Politik.
Sie fragen nach den Perspektiven für den Arbeitsmarkt. Fakt ist, dass wir mittlerweile eine Arbeitslosenzahl von 4,6 Millionen haben – ein absoluter Höchststand nach der Wiedervereinigung. In Baden-Württemberg waren Ende März 345 000 Menschen arbeitslos gemeldet. Das sind 19 % mehr als im vergangenen Jahr. Wir haben einen Rekord an Firmeninsolvenzen. Das betrifft immer Arbeitsplätze.
Nach einer IHK-Umfrage wollen vier von zehn Unternehmen ihre Investitionen einschränken und Arbeitsplätze abbauen. Zusätzliches Personal benötigen nur noch 7 % der Betriebe.
Das Problem heute ist, dass viele qualifizierte Menschen auf der Straße stehen und, was beunruhigend ist, junge Menschen, die ausgebildet werden, nicht mehr übernommen oder nach kurzer Zeit entlassen werden.
In der letzten Plenarwoche haben wir hier die drohende Lehrstellenkatastrophe angesprochen. Die Betriebe reduzieren ihre Ausbildungsanstrengungen drastisch.
Meine Damen und Herren von der SPD, das sind die Probleme, die uns heute umtreiben, wenn wir über den Arbeitsmarkt reden.
Sie müssen nur Ihren Leitantrag für den Sonderparteitag der SPD lesen:
Darin ist die derzeitige Situation klar und ehrlich beschrieben.
Die Wirtschaft stagniert. Alle Prognosen, auch die der Bundesregierung, müssen von Monat zu Monat nach unten korrigiert werden.
Die neue Prognose von 0,75 % Wachstum in diesem Jahr ist weit optimistischer als die der meisten in- und ausländischen Forschungsinstitutionen.
Aber wir sind bei den Fakten der Politik, Herr Schmiedel. Darum kommen Sie nicht herum.
Die OECD traut uns sogar nur noch 0,3 % Wachstum zu. In der Liga der Großen schneidet Deutschland am schlechtesten ab.
Das ist die ganz aktuelle Antwort auf den ersten Teil Ihrer Anfrage. Denn dort haben Sie nach dem Wachstum gefragt.
Jetzt können Sie sich beruhigen. Bei all den schlechten Zahlen könnten wir uns ja in Baden-Württemberg damit trösten, dass die Daten des Arbeitsmarkts und der wirtschaftlichen Stärke im Bundesvergleich immer noch relativ gut sind.
Klar ist, dass die Leistungskraft – da sind wir uns ja einig – und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg natürlich von den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig sind, aber zusätzlich in hohem Maße von der Qualifikation der Menschen.
Wir wissen, dass angesichts der demographischen – –
Ach, Herr Schmiedel soll erst einmal zuhören.
Wir wissen, dass angesichts der demographischen Entwicklung
ein enorm hoher Produktivitätszuwachs erforderlich ist, um die Defizite der Bevölkerungsentwicklung teilweise zu kompensieren. Bildung, Ausbildung und Weiterbildung sind daher zentrale Aufgabenfelder in unserem Land, die bisher gut erledigt wurden –
PISA und andere Studien zeigen dies – und in der eingeschlagenen Richtung weiterentwickelt werden müssen. – Herr Drexler, Sie werden immer so nervös, wenn Sie mir zuhören. Hören Sie doch erst einmal zu, und dann können Sie schimpfen.
Fähigkeit zu vernetztem Denken, fächerübergreifende Kompetenz, Vermittlung von fachlichen und sozialen Qualifikationen, die eine schnelle Anpassung an neue Anforderungen erlauben, und die Vermittlung von Technikverständnis und Technikakzeptanz
sind die Erfordernisse, die generell an alle Ausbildungsbereiche gestellt sind und auch ihren Niederschlag in der Schulpolitik finden.
Ich glaube, wir sind uns einig darüber, dass wir heute an dieser Stelle keine Bildungsdebatte führen. Da würden Sie sowieso schlecht abschneiden.
Bezeichnend für die vorliegenden Rahmenbedingungen in unserem Hochtechnologieland ist:
Erstens: Die Universitäten in Baden-Württemberg genießen bei ausländischen Spitzenforschern höchstes Ansehen. Bei der von der Humboldt-Stiftung vorgelegten Hitliste der fünf Topadressen der Forschung belegen Universitäten aus dem Südwesten vier der ersten fünf Plätze. Die Südwest-Universitäten verdanken diese Position vor allem den Naturwissenschaften.
Zweitens: Im Vergleich der Studierenden in den europäischen Ländern hat Baden-Württemberg nach Schweden und Finnland mit 17,8 % einen Spitzenplatz im Hinblick auf den Anteil derer, die Ingenieurwissenschaften studieren.
Drittens: Wichtig ist, das jetzige und zukünftige Arbeitskräftepotenzial der Frauen zu nutzen. Zentrales Ziel ist, das Berufswahlspektrum von Mädchen zu erweitern
und sie für technische und naturwissenschaftliche Ausbildungen zu interessieren. Darüber haben wir ja ausführlich in einer der letzten Plenardebatten diskutiert.
Viertens: Ein weiteres Problem – das ist zu Recht angesprochen worden – für den Arbeitsmarkt stellen Kinder mit Migrationshintergrund dar, weil sie generell geringere Leistungen zeigen als die gleichaltrigen Kinder ohne Migrationshintergrund. Sie zeigen in Bayern und Baden-Württemberg – das zeigt die PISA-E-Studie – allerdings die relativ besten Ergebnisse. Das ist das Ergebnis intensiver Integrationspolitik und Sprachförderung, die weitergeführt werden.
Fünftens: Wir haben ein hervorragendes und vor allen Dingen hoch differenziertes berufliches Bildungssystem, das kontinuierlich an die Erfordernisse der Wirtschaftsstruktur angepasst wird. Ein wichtiger Punkt für die Zukunft muss für uns sein, uns verstärkt um die Beschäftigung und Weiterqualifizierung Älterer zu kümmern. Wir unterstützen alle Aktivitäten der Ministerien, dies zu erreichen.
Meine Damen und Herren, das Wichtigste ist aber, der Wirtschaft wieder Perspektiven zu geben, eine Planungssicherheit. Arbeiten Sie daran mit, die derzeitigen Bremsklötze bei Ihrer SPD-Regierung zu beseitigen.
Umgekehrt ist das Land bei den Qualifizierungsanstrengungen für den Arbeitsmarkt auf einem guten Weg. Den werden wir weitergehen.
Ich danke Ihnen, Herr Drexler, für das Zuhören.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Berufsausbildung und damit das Lehrstellenangebot ist ein zentrales Zukunftsthema. Es schließt sich logisch an die Diskussion von heute Morgen an. Es geht um die Zukunft unserer jungen Leute, und es geht um die sozialpolitische Verantwortung der Betriebe und der öffentlichen Hand. Berufsausbildung ist eine Investition in die Zukunft und entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.
Wir hatten bisher ja das Hauptproblem – es ist immer noch ein großes Problem –, dass auf der einen Seite die Unternehmer für ihre Stellen nicht jene Bewerber finden, die sie eigentlich wollen – das hat verschiedene Gründe –, und dass auf der anderen Seite die jungen Leute oft nicht jene Berufe wählen, die ihnen zur Verfügung stehen, dass sie das bestehende Angebot nicht wahrnehmen. Vor allem für das Handwerk ist dies ein Problem, dem es jetzt mit einer Imagekampagne entgegentreten will. Die Disparität zwischen Angebot und Nachfrage nach Lehrstellen und die Unterbringung leistungsschwächerer Jugendlicher war und ist ein Hauptproblem.
Betrachten wir die vergangenen Jahre, stellen wir fest, dass die Schaffung von Ausbildungsplätzen der Anstrengung aller bedarf. Wir begrüßen auch das gemeinsame Spitzengespräch von Politik und Wirtschaft vom April letzten Jahres. In diesem Gespräch haben Wirtschaftsministerium, Kultusministerium, Kammern, Verbände und das Landesarbeitsamt Perspektiven entwickelt, wie man mit dieser gemeinsamen Verantwortung umgeht. Jeder muss seinen Beitrag leisten. Einiges ist in die Wege geleitet worden; ich will darauf im Moment nicht näher eingehen. Wir dürfen in den Bemühungen, die mit den Programmen eingeleitet wurden, nicht nachlassen und müssen die begonnenen Projekte auf den Prüfstand stellen.
Wichtiger – deswegen wurde diese Debatte ja initiiert – ist die aktuelle Situation; Herr Hofer hat schon darauf hingewiesen. Als Herr Clement sein Amt angetreten hat, hatten wir eine Jugendarbeitslosigkeit von 470 000 jungen Menschen; heute, ein halbes Jahr später, sind es 580 000. Das ist eine Steigerung um 25 %. Hinzu kommt – Herr Hofer hat es schon angedeutet –, dass uns im Herbst dieses Jahres eine Ausbildungskatastrophe – so nennt es das „Handelsblatt“ – mit 100 000 fehlenden Lehrstellen droht; eine Situation, wie wir sie in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte nicht mehr hatten. Die Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft geht massiv zurück. Erstmals seit 1998 haben wir mehr Bewerber als freie Stellen. Jede zehnte Ausbildungsstelle wurde nicht mehr gemeldet. Bundesweit hat sich die Zahl der Ausbildungsstellen um 13,6 % reduziert. Aufgrund der demographischen Entwicklung erhöhen jetzt die geburtenstarken Jahrgänge die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen. Wir haben also eine Steigerung der Nachfrage in den Jahren 2004 und 2005, die erst ab 2009 zurückgehen wird.
In Baden-Württemberg sind wir immer noch – wie es eben so ist, auch wenn es manche nicht gerne hören – in einer ganz guten Situation. Das liegt sicher an den Rahmenbedingungen, die die baden-württembergische Politik bietet:
gute Bildungspolitik, gute Sicherheitspolitik, zukunftsorientierte Forschungspolitik. Dennoch: Auch wir müssen uns wappnen, dass die Ausbildungsbereitschaft der Firmen zurückgeht. Rechnerisch haben wir zwar noch einen Ausgleich zwischen dem Stellenangebot und der Stellennachfrage, aber die nächsten Monate werden für die Bewertung der Situation entscheidend sein. Wir haben mittlerweile also nicht nur ein Problem der Disparität von Angebot und Nachfrage, sondern auch das Problem einer sinkenden Zahl an Plätzen bei steigender Nachfrage.
Da sind Appelle sicher angebracht. Unser Wirtschaftsminister hat ja schon entsprechende Appelle an die Wirtschaft gerichtet. Die Wirtschaft darf in ihrer Ausbildungsbereitschaft nicht nachlassen. Nur 30 % der Betriebe bilden aus; 10 bis 20 % mehr wären dazu in der Lage. Es besteht also noch Potenzial, und wir müssen die Unternehmen an ihre sozialpolitische Verantwortung erinnern.
Aber zunächst einmal sind Arbeitgeber und Gewerkschaften gefordert. Da liegt einiges im Argen und ist einiges zu tun. Wir brauchen Tarifverträge mit vernünftigen Regelungen zur Ausbildungsvergütung. Übernahmeverpflichtungen schrecken eher davon ab, über den Bedarf hinaus auszubilden. Wir brauchen ferner neue und flexible Berufsbilder und vor allem auch Kurzzeitausbildungen, die Jugendlichen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen. Die Gewerkschaften sind in dieser Hinsicht bisher nicht sonderlich kooperativ.
Wir unterstützen auch die Arbeit der Verbände, die hier sehr viel leisten. Wir unterstützen ein weiteres Spitzengespräch zwischen Politik und Wirtschaft, das ja wohl auch ansteht. Daraus werden auch Handlungen erwachsen, die uns weiterhelfen.
Wir sollten uns allerdings vor Augen halten: Erstens: Die Arbeitsplatzabgabe ist ein Unsinn.
Das kann nur ein Vorschlag von Leuten sein, die das Zusammenspiel von Wirtschaft und Politik nicht verstanden haben.
Wirtschaft funktioniert nicht durch Bürokratie und Gängelung. Dabei kommt am Ende nichts heraus.
Zweitens: Betriebe, die in Konkurs gehen, können keine Ausbildungsplätze schaffen. Die Zahl der Konkurse ist um 18 % gestiegen. Davon sind rund 25 000 der Beschäftigten betroffen. Und das Wichtigste: Unternehmer bilden aus,
wenn sie planen können und nicht belastet werden. Die derzeitigen Diskussionen in der Politik zur Unternehmensbesteuerung, zu Sozialabgaben, zum Betriebsverfassungsgesetz belasten die Firmen, und daher können sie nicht ausbilden.
Wir brauchen eine Liberalisierung der Arbeitsmärkte, wir brauchen eine wachstumsorientierte Steuer- und Finanzpolitik. Das würde uns manche Aktionismen und manche gut gemeinten Programme ersparen und sie überflüssig machen.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Jetzt muss ich doch noch ans Rednerpult, Herr Kollege Walter, zumindest um den Grünen dafür zu danken, dass meine Kolleginnen und ich es offensichtlich ihnen zu verdanken haben, hier stehen zu dürfen.
Ich darf mich bedanken. Solange Sie das Wahlergebnis einfahren, das Sie eingefahren haben, werden wir auch weiterhin eine Chance haben.
Meine Damen und Herren, wir haben heute viel Grundsätzliches gehört, und wir hatten in der Tat auch gestern eine interessante Anhörung zu diesem Thema. Aber, Herr Kollege Walter, ich habe bei allem Engagement der Grünen für dieses Thema die Herren der Grünen bei der Anhörung vermisst.
Wir haben viel Grundsätzliches darüber gehört, was Gleichstellung bedeutet. Gleichstellung bedeutet, ein Leben ohne geschlechterspezifische Diskriminierung führen zu können. Rollenverteilungen dürfen nicht Maßstab politischer Vorgaben sein. Der Grundgedanke, so wurde uns gesagt, des Bundesverfassungsgerichts ist: Wir müssen Individualität ermöglichen. Das bedeutet: keine Politik für Frauen oder Männer, keine Politik für Gruppen. Vielmehr müssen Chancen gesichert und muss Individualität ermöglicht werden.
Wir haben gestern auch festgestellt – und ich glaube, das ist auch der Tenor der heutigen Debatte und aller Beiträge zu dieser Debatte –: Es gibt kein rotes, grünes oder schwarzes Gender Mainstreaming, sondern es handelt sich um ein gemeinsames Ziel, einen gemeinsamen Prozess, wo wir uns auf den Weg gemacht haben und wo wir auch bald ans Ziel kommen wollen.
Meine Damen und Herren, Einigkeit auf intellektuellem Niveau ist oft einfacher, als zu den schlichten Realitäten der Politik zu kommen. Wir haben gestern gehört, dass Gender Mainstreaming heißt, dass beim politischen Handeln die Erkenntnisse einzubeziehen sind, ob und wie sich die Maßnahmen auf Frauen und Männer unterschiedlich auswirken.
Das ist manchmal sehr schwer, bedarf wissenschaftlicher Grundlagen und sollte keine Anekdotenpolitik sein.
Meine Damen und Herren, das ist intellektuell richtig, aber gestatten Sie mir zu diesem Thema schlichte Wahrheiten. Wenn ich mir die Rentenpolitik der Bundesregierung anschaue, brauche ich keinen intellektuellen Gender-Mainstreaming-Ansatz, um zu erkennen:
Das ist eine unverfrorene Benachteiligung von Frauen, die ihren Lebensentwurf eben nicht in der außerhäuslichen Wertschöpfung gesehen haben, sondern Kinder erzogen haben und, als die Kinder aus dem Haus waren, die Eltern gepflegt haben, und das sind gerade solche Frauen, die im Ehrenamt viele Leistungen für die Gesellschaft erbracht haben.
Zum Zweiten: Was hat die gestrige Anhörung auch deutlich gemacht? Beim Umsetzen des Gender-MainstreamingGedankens sind wir hier in Baden-Württemberg nicht die Allerersten.
Nein, ich möchte gern, dass mir die Kollegen zunächst zuhören.
Wir haben gehört, dass wir nicht die Allerersten sind. Es wurde aber doch deutlich – und ich glaube, Frau UngerSoyka ist hier Zeugin –, dass wir offensichtlich in keiner schlechten Position sind. Denn wenn eigentlich nur die Länder Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt als beispielhafte Vorreiter genannt werden, dann dürfen wir daraus schließen, dass offensichtlich in den anderen Ländern nichts oder noch nicht viel oder noch nicht viel mehr geschehen ist, was für Baden-Württemberg Vorbild sein könnte.
Erstaunt hat mich auch eine Äußerung aus einem fraktionsinternen Hearing zu diesem Thema. Nachdem Gewerkschafterinnen berechtigte Forderungen nach Gleichstellung in der öffentlichen Verwaltung geäußert hatten und danach darüber informiert wurden, wie der Prozess hier in der Landesverwaltung gehandhabt wird und welche Erfolge erzielt wurden, zollte eine Gewerkschafterin offensichtlich Respekt und sagte: Ich wusste gar nicht, dass schon so viel geschehen ist.
Meine Damen und Herren, das heißt: Nicht stereotype Forderungen formulieren, sondern zunächst schauen, wie die Realität aussieht!
In diesem Fall war die Realität auf jeden Fall besser als das, was man sich doch, sicher mit gewissen Vorurteilen beladen, vorgestellt hatte.
Meine Damen und Herren, ich will damit sagen: Wir sind auf einem guten Weg. Wir sollten dort weitermachen, um das Ziel zu erreichen.
Zum Dritten: Das Landesgleichberechtigungsgesetz befindet sich im Prozess der Novellierung. Erfahrungen werden eingebaut werden. Wir haben größtes Interesse daran, dass dieses Landesgleichberechtigungsgesetz auch wirkungsvoll zur Anwendung kommt. Ob nun die Verankerung einer Pflicht zur Bestellung von Frauenbeauftragten in den Kommunen über Sein oder Nichtsein von Frauenförderung entscheidet, darüber kann man durchaus diskutieren. Aber die, die das vehement fordern, sollten doch erst einmal die eigenen Leute von der Notwendigkeit überzeugen.
Der Ulmer SPD-Oberbürgermeister – immerhin wird er ja Präsident des Städtetags werden –
hat diese Stelle per Handstreich unter den Tisch fallen lassen,
weil er und seine Verwaltung eh schon gute Frauenpolitik machten.
Zum Vierten: Wir haben gestern bei der Anhörung gehört, dass Gender Mainstreaming Kompetenz, Führung und Ressourcen braucht.
Frau Professor Baer sagte: „Für nichts ist auch Gender Mainstreaming nicht zu haben.“ Sie werden jetzt vielleicht höhnen, wenn ich mit einer ganz schlichten Wahrheit komme: Ich kann mir vorstellen, dass noch viel mehr Fördermaßnahmen angestoßen werden könnten als die, die die Landesregierung angestoßen hat, wenn wir nicht heute eine dramatische Steuerschätzung ins Haus bekommen würden,
sodass manches, was wir alle gern hätten und als notwendig erachten und über das es eigentlich keinen politischen Streit gibt,
im Orkus der Nichtfinanzierbarkeit verschwindet.
Meine Damen und Herren, Frauenförderung spielt sich nicht im Glashaus ab. Wir müssen auch dort, wo sie in den Gesamtzusammenhang eingebettet ist, schlichte Wahrheiten benennen. Die beste Sozialpolitik, die beste Frauenförderung, die beste Familienförderung ist und bleibt eine gute
Wirtschaftspolitik. Davon sind wir ja nun in dramatischer Art und Weise weit entfernt.
Meine Damen und Herren, 50 Jahre Baden-Württemberg, und ich frage: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Gleichstellung, Gleichberechtigung, Frauenförderung dort, wo Defizite sind, das ist ein Thema, das uns wichtig ist, bei dem wir insgesamt auf dem Weg sind, und dies durchaus auch erfolgreich. Es geht um Teilhabe am Arbeitsprozess, Teilhabe an den sozialen Sicherungssystemen, Teilhabe an Bildungschancen.
In der Tat sind, gerade was die Teilhabe an Bildungschancen betrifft, große Erfolge erzielt worden. Die Zahlen sind hier schon genannt worden. Es hat sich sehr viel getan. Gerade akademische Ausbildungsberufe haben erheblich an Bedeutung gewonnen. Der langfristige Trend zu höheren Bildungsabschlüssen wird sich auch in Zukunft in einem weiter steigendem Anteil an Erwerbstätigen mit akademischem Abschluss widerspiegeln. Insgesamt zeigen die eindeutigen Zahlen, dass die Bildungsabschlüsse und die beruflichen Qualifikationen von Frauen heute das gleiche Niveau wie die der Männer erreichen.
Unter dem Aspekt der Chancengleichheit führt allerdings diese Qualifikation nicht zu einer entsprechenden beruflichen Weiterentwicklung und schon gar nicht zu einem entsprechenden Gehaltsniveau. Ein Blick nach Frankreich, wo wir die höchste Erwerbsbeteiligung von Frauen vorfinden, zeigt, dass eine steigende Erwerbsbeteiligung nicht automatisch zu mehr Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen führt,
und zwar so lange nicht, wie die geschlechtspezifischen Erträge aus der Erwerbsarbeit für Männer und Frauen unterschiedlich ausfallen. Frau Kollegin Gräßle hat zu Recht darauf hingewiesen, dass hier noch ein breites Feld für gewerkschaftliche Aktivitäten brachliegt.
Mit zunehmender Qualifikation vergrößert sich der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen. Der Anteil der weiblichen Führungskräfte bleibt in der freien Wirtschaft wie auch in der Verwaltung hinter dem Frauenanteil an allen Erwerbstätigen zurück. Frauen sind in der Tat in Führungspositionen stark unterrepräsentiert. Allerdings müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass eine Änderung erst nach einem langwierigen, schwierigen Prozess erfolgen kann und dass die Situation in Baden-Württemberg ähnlich ist wie in den anderen Flächenstaaten. Sie entspricht genau dem Durchschnitt der alten Flächenländer. Es also auf die CDU-Landespolitik zu schieben, dass wir in Baden-Württemberg einen geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen haben, ist zu einfach und nicht über den Tellerrand Baden-Württembergs hinausgeschaut.
Trotz der guten Ausbildung und relativ guter Einstiegschancen verschlechtern sich jedoch die Chancen der Frau
en ab einem Alter von 30 Jahren im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Die Erwerbsquoten der Frauen liegen durchweg fast 20 Prozentpunkte unter jenen der Männer, weil jede vierte bis fünfte Frau wegen der Kinder dauerhaft oder vorübergehend keine Arbeit sucht.
Warum wiederhole ich das, meine Damen und Herren? Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird zu einer wichtigen Determinante für die berufliche Entwicklung und die Teilhabe von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt. Realität ist – und die nehmen wir zur Kenntnis –, dass viele Frauen berufstätig sein wollen, und Realität ist, dass besonders Frauen in ihrer beruflichen Perspektive von der Schwierigkeit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf betroffen sind. So bedeutet für uns Frauenförderung zuallererst, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern.
Die mangelnde Bereitschaft von Frauen, auch in eher technische oder naturwissenschaftliche Fächer einzusteigen, wird vielseits beklagt, und es läuft zu Recht eine Fülle von Programmen auf Schul- und Hochschulebene, um hier eine Bewusstseinsänderung herbeizuführen. Die mangelnde Bereitschaft, solche Themen oder solche Berufswege aufzunehmen, erklärt sich – natürlich nicht nur, aber auch – oft aus der geringeren Chance, die die Frauen in diesen Berufen sehen, den Familienwunsch mit dem Beruf in Einklang zu bringen.
Natürlich ist hier auch die Wirtschaft gefragt. In dem Maß, wie sie auf qualifizierte Frauen angewiesen ist, wird sich auch hier etwas bewegen. Wir begrüßen ausdrücklich auch die guten Ansätze, die darin zum Ausdruck kommen, dass das Wirtschaftsministerium Betriebe prämiert, die vorbildstiftend auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Frauenförderung in der praktischen Betriebsarbeit auf ihre Fahne geschrieben haben. Nur, meine Damen und Herren, umso mehr wird sich bewegen, wenn unsere Wirtschaft Arbeitskräfte einstellen kann, anstatt sich Gedanken über den Abbau von Arbeitsplätzen machen zu müssen, wie sich die Situation jetzt darstellt, in der auch jede weitere gut gemeinte Vorgabe im Sinne der Frauenförderung eine zusätzliche Knebelung einer eh schon bis zur Halskrause verbürokratisierten Wirtschaft darstellt.
Eine kollaptische Wirtschaft ist die schlechteste Förderung von Frauen und Familien. Auch das ist eine schlichte Wahrheit, die hier nicht unausgesprochen bleiben sollte.
Meine Damen und Herren, 85 % der jungen Leute, nach ihren Zukunftsperspektiven befragt, geben als oberstes Ziel ihres Lebenswunsches an, eine Familie zu gründen bzw. eine Familie zu haben. Das betrifft Jungen genauso wie Mädchen. Dass dieses Ziel, an dem wir alle Interesse haben, letztlich oft überhaupt nicht oder nur sehr abgeschwächt zum Tragen kommt, liegt an den Rahmenbedingungen, die die Bildung einer Familie erschweren. Viele Frauen reagieren zunehmend auf diese erschwerten Rahmenbedingungen mit gewollter Kinderlosigkeit. Je besser ausgebildet, desto eher bleiben sie kinderlos. Über 40 % der Hochschulabsolventinnen bleiben kinderlos. Das ist eine Lösung, die ich im Moment nicht bewerten will. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in unserem Interesse liegt.
Andere Frauen – und das ist der überwiegende Teil – vereinbaren Familie und Beruf mit Teilzeitarbeit, teils freiwillig, teils notgedrungen. Andere Frauen verzichten auf den Beruf und widmen sich ganz der Familie. Ich finde es eigentlich sehr diskriminierend, wo wir ja hier über Diskriminierungen reden, Herr Kollege Walter, dass Sie diese Frauen als vom Leben ausgeschlossen bezeichnen.
Meine Damen und Herren, sprechen wir über Baden-Württemberg. Die Frau Präsidentin hat gestern zu Recht gesagt: Wir wollen heute keine Beweihräucherung. Wir sind stolz auf Baden-Württemberg, wissen aber auch – das kann auch nicht sein –, dass wir nicht in allen Bereichen Spitzenpositionen einnehmen. Aber – auch das darf heute genannt werden – wir leben immerhin in einem Land, das im gesamtdeutschen Vergleich bei der Zufriedenheit der Bewohner mit dem Leben am Wohnort im Spitzenfeld liegt. Wir haben die höchste Geburtenrate, die höchste Rate an Eheschließungen und vor allem die zweithöchste Frauenerwerbsquote aller deutschen Länder. Dies ist Realität.
Es ist Realität, aber auch das Ergebnis der McKinsey-Studie, dass es eine relative Unzufriedenheit beim Thema Kinderbetreuung gibt.
Wir sind davon überzeugt, dass mit dem Konzept „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“ ein richtiger Schritt in die richtige Richtung getan wird.
Aber hüten wir uns vor einseitigen Lösungen. Eine Familienstudie hat ergeben, dass die Paare am zufriedensten sind, die sich die Kindererziehung teilen und sich auch beruflich entfalten können.
Die letzte Zeitbudgeterhebung hat ergeben, dass selbst dann, wenn beide Ehepartner berufstätig sind, die Frau knapp 17 % ihrer Zeit für den Haushalt, der Mann aber nur 6 % dafür aufwendet. Hieran hat sich auch in den Neunzigerjahren wenig verändert.
Auch die Elternzeit wird von Vätern nur ausnahmsweise in Anspruch genommen.
Weniger die Erziehungsbeteiligung der Männer nimmt zu, sondern die Berufstätigkeit der Frauen. Hier liegen Defizite, die Handeln und vor allem Bewusstseinsbildung erfordern. Auch dies ist uns – in Eintracht mit Ihnen allen – ein wichtiges Anliegen.
Aber, meine Damen und Herren, die Freiheit der Lebensentwürfe ist uns auch wichtig. Das Bundesverfassungsgericht hat erst – und ich wiederhole das –
klargestellt, dass Gleichberechtigung heißt, ein Leben ohne geschlechterspezifische Diskriminierung zu ermöglichen. Individualität muss möglich sein. In der Familienpolitik heißt
das, nicht eine Rolle zu fördern, sondern beiden Partnern die Wahl zu ermöglichen, welche Rollen sie wahrnehmen wollen. Hausarbeit und Erwerbstätigkeit müssen gleichberechtigt nebeneinander stehen.