Kritikpunkt Nummer 1: Einschränkung der Autonomie. Meine Damen und Herren, Autonomie ist recht schön und gut, aber Autonomie hört dort auf, wo der Rechtsstaat anfängt. Mit anderen Worten: Das Ob und das Wie können nicht völlig in die Hochschulautonomie gegeben werden, weil dies zu einem Beschäftigungsprogramm für die Verwaltungsgerichtsbarkeit führen würde.
Konkret: Die Entscheidungen im Auswahlverfahren müssen gerichtsfest sein, weil es sich um Entscheidungen handelt, die in die Berufsfreiheit eingreifen und damit grundrechtliche Relevanz haben. Wer wie die Grünen, Frau Bauer, das Auswahlverfahren völlig in das Belieben der Hochschulen stellen will, der braucht sich nicht zu wundern, wenn von einem solchen Verfahren entweder gar nicht oder nur sehr spärlich Gebrauch gemacht wird.
Kritikpunkt Nummer 2: Mehrbelastung. Dieser Gesetzentwurf führe zu einer Mehrbelastung des Hochschulpersonals, haben Sie gesagt. Dem stimme ich uneingeschränkt zu, und ob die Gewinnung besserer Studenten über eine Verringerung der Abbrecherquoten zu Einsparungen führen wird, die den Mehraufwand wettmachen, darf bezweifelt werden. Mehraufwand ist aber kein Argument gegen eine gebotene Maßnahme.
Einer berechtigten Forderung der Landesrektorenkonferenz haben wir durch einen in der Ausschussberatung eingebrachten Antrag Rechnung getragen. Damit ist es den Hochschulen möglich, sowohl bei Eignungstests wie auch bei Auswahlgesprächen aufgrund der Papierform eine Vorauswahl vorzunehmen, und dies wird zu einer merklichen Verringerung des Mehraufwands führen. Im Übrigen gilt: Wer Wettbewerb will – und die Landesrektorenkonferenz will dies –, der muss sich dem Wettbewerb stellen. Jede Veränderung muss Widerstände überwinden. Dies kann uns als Parlament nicht davon abhalten, das Erforderliche zu tun. Auch hier gilt das bekannte Wort, dass allem Neuen ein Zauber innewohnt.
Deshalb glaube ich nicht, dass wir eine Abwanderung von Studenten in andere Bundesländer befürchten müssen. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass andere Länder auf einen Zug aufspringen, der von Baden-Württemberg aus abfährt. Schließlich wird die nicht aufzuhaltende Internationalität auch in diesem Punkt ein Umdenken bringen.
Zusammenfassend – meine Redezeit ist zu Ende –: Nach der Abwägung von allem Für und Wider sind wir für diesen Gesetzentwurf und stimmen ihm zu.
Ich rufe für die Aussprache noch den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 13/1604, den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 13/1598, und den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 13/1599, auf.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zum dritten Mal beraten wir diesen Gesetzentwurf, von dem wir überzeugt sind – und nicht nur wir als Parlamentarier der SPD und der Grünen, sondern auch diejenigen, die in der Hochschulpolitik bei der Umsetzung später damit zu tun haben –, dass dieses Gesetz die damit verfolgten Ziele nicht erreichen wird. Ich brauche das wohl nicht zu wiederholen.
Herr Klunzinger, wenn Sie jetzt versucht haben, unsere Argumente auszuhebeln, muss ich Ihnen sagen: Das ist Ihnen nicht gelungen.
Es ist der erste Gesetzentwurf, den Minister Dr. Frankenberg in den Landtag einbringt, der erste Gesetzentwurf des neuen Ministers, über den wir beraten. Dieser Gesetzentwurf verheißt eigentlich nichts Gutes für die Hochschulautonomiebestrebungen, die wir in der Zukunft in diesem Land noch umsetzen wollen.
Bei einer Materie, über deren Ziel in der politischen Landschaft über Parteigrenzen hinweg und in der hochschulpolitischen Landschaft über Hochschulgrenzen hinweg große Übereinstimmung besteht, einen Gesetzentwurf einzubringen, der zum Zankapfel wird angesichts der Art, wie der Minister glaubt diesem Ziel näher zu kommen, das ist ein sehr trauriges Kapitel.
Der Gesetzentwurf hat das Ziel: mehr Wettbewerb und weniger Studienabbrecher durch bessere Betreuung. Er wird diesem Ziel nicht gerecht, das sage ich noch einmal. Ich will die Argumente nicht wiederholen.
Wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier, vor allem die Hochschulrektoren haben geglaubt, wenn der neue Minister, der vor noch nicht allzu langer Zeit ja selbst einer der ihren war, aus eigener Erkenntnis und leidvoller Erfahrung von Einengungen und Einschränkungen nun als Minister die Möglichkeit hat, Politik und Hochschullandschaft zu gestalten, dann würde er den Hochschulen Handlungs- und Bewährungsräume bieten.
Stattdessen führt er die Hochschullandschaft wie die Mannheimer Universität: freundlich-verbindlich im Ton, aber mit harter Hand und unerbittlich, wenn es um das konkrete Handeln geht. So hängt der Haussegen schief, und zwar gründlich.
Erlauben Sie mir einen Exkurs: Der Haussegen hängt auch aus anderen Gründen schief: wegen der Aussage des Ministers im Wissenschaftsausschuss über die Nichtübernahme von Verantwortung durch die Hochschulen, der Vorwürfe über Konkurse zweier Universitäten, wegen des peinlichen Eingreifens bei der Rektorwahl in Karlsruhe,
der Androhung neuer Immatrikulations- und Rückmeldegebühren, der eingeräumten Erfolglosigkeit gegenüber dem Finanzminister in Bezug auf die optimale Vergaberahmenaufstockung bei der Dienstrechtsreform, wegen des hartnäckigen Leugnens des Auftrags zur Prüfung von Studiengebühren, als es der stellvertretende Ministerpräsident und die Spatzen schon von den Dächern pfiffen.
So haben Sie, Herr Minister Frankenberg, geschafft, was vor Ihnen noch keinem gelungen ist: mit der geschaffenen Situation, die ich gerade beschrieben habe, und mit dem Gesetzentwurf, über dessen Ziele Übereinstimmung herrscht, die meisten gegen sich aufzubringen.
Sogar den gutwilligsten Hochschulrektoren ist der Kragen geplatzt, und sie haben händeringend an den Wissenschaftsausschuss geschrieben, den Bürokratismus, der sich in Win
deseile über die Hochschulen ergießen soll, von ihnen abzuwenden. Leider wissen sie genau, dass sie von den die Regierung tragenden Fraktionen außer Kosmetik nicht viel zu erwarten haben.
Folgerichtig und in vorauseilendem Gehorsam hat deshalb die Universität Konstanz bereits Mitte November dieses Jahres eine Verwaltungsangestelltenstelle ausgeschrieben. Diese Stellenbeschreibung ist in der Geschichte der Universität sicher selten, wenn nicht gar einmalig. Sie nimmt nämlich bereits die Gerichtsfestigkeit des Handelns mit in die Ausschreibung auf und macht deutlich, welch ein schwieriges und kompliziertes Projekt das sein wird.
Ich prophezeie Ihnen: Die eine Stelle, die die Universität Konstanz ausschreibt, wird nicht ausreichen. Wenn Sie das auf alle Hochschulen hochrechnen, werden Sie erkennen, dass Sie mindestens 50 Verwaltungsstellen schaffen müssten – den Aufwand für die Professorinnen und Professoren noch gar nicht eingerechnet –, und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem der Ministerpräsident in einem Eilappell an alle seine Kabinettskollegen schreibt, sie sollten die Bürokratie abbauen.
Weder Ministerpräsident Teufel noch der Wissenschaftsminister bekommt einen roten Kopf angesichts dessen,
Herr Minister Frankenberg, wir würden Sie gern beim Wort nehmen. In der letzten Woche war im „Staatsanzeiger“ im Zusammenhang mit dem geplanten Ausstieg aus dem Vergabeverfahren über die ZVS zu lesen, Sie wollten im Hochschulrahmengesetz eine Experimentierklausel einbringen. Sie wollen eine Experimentierklausel für die Länder, um in den nächsten acht Jahren Spielraum für die Gestaltung von eigenständigen Auswahlverfahren zu haben. Wir möchten diesen Gestaltungsraum auch für unsere Hochschulen. Deshalb stellen wir heute den Antrag, eine Experimentierklausel in das Gesetz aufzunehmen, damit die Hochschulen vor Ort tatsächlich die Möglichkeit zu einer Verwendung in ihrem Sinne haben. Wir appellieren an die Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP/DVP: Stimmen Sie dieser Experimentierklausel zu! Dann hätten wir ein Auswahlrechtsgesetz, das auch die Hochschulen akzeptieren und das sie auch umsetzen werden. Dann werden wir dieses Gesetz in großer Übereinstimmung im Landtag verabschieden.
(Heiterkeit – Zurufe von der SPD: Bregenzer! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Frau Solinger ist leider nicht mehr im Landtag!)
hat soeben das Zerrbild einer Hochschullandschaft gezeichnet, das vielleicht auf jedes andere Bundesland zutreffen kann, aber mit Sicherheit nicht auf Baden-Württemberg.
Ich empfehle Ihnen, die Studie des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft vom August dieses Jahres nachzulesen, eine Studie, in der alle Hochschulgesetze der Länder auch unter dem Gesichtspunkt untersucht worden sind: Wo besteht für unsere Hochschulen ein besonders hohes Maß an Autonomie? Das Ergebnis dieser Studie ist, dass hinsichtlich der Verwirklichung von Autonomie Baden-Württemberg in 18 Fällen unter 28 Regelungsbereichen unter den ersten drei Ländern liegt und in 7 Fällen sogar Platz 1 belegt.
Daran muss doch etwas sein. Sie sollten dies einfach zur Kenntnis nehmen, bevor Sie solche Zerrbilder malen.