Carla Bregenzer

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Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Pfisterer, dass Sie, der in Heidelberg mit Vehemenz verhindert, dass von den Universitätsbeschäftigten 80 € Parkgebühren verlangt werden,
hier den Studierenden in unverfrorener Weise das Geld aus der Tasche ziehen wollen und sich in Heidelberg, obwohl dort die Personalvertretung schon alles mit der Hochschule
und dem Ministerium abgestimmt hatte, hinstellen und sagen: „Mit mir nicht“, das ist eine Unverschämtheit sondergleichen.
Schöne Arbeit, die Sie da gegen die eigenen Beschäftigten leisten.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir verabschieden heute ein Projekt zur Verschwendung von Bildungsreserven, zur Verschlechterung von Bildungschancen, zur weiteren Privilegierung von Akademikern und zur Vertreibung von Frauen aus Hochschulen.
Sie verstoßen mit diesem Gesetz außerdem gegen Völkerrecht, gegen einen Völkerrechtspakt, den Bund und Länder gemeinsam unterschrieben haben.
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie machen sich mit der Art, wie Sie diesen Gesetzentwurf durch das Parlament peitschen, freiwillig parlamentarischen Eunuchen ähnlich.
Zum Völkerrecht komme ich noch.
Gern, wenn die Uhr für meine Redezeit so lange angehalten wird.
Lieber Kollege Fraktionsvorsitzender von der CDU, Sie kennen unser deutsches Steuersystem. Sie wissen, dass Bildungsausgaben durch Steuern zu finanzieren sind, weil es sich um gesellschaftspolitische Ausgaben handelt. Schließen Sie mit uns die Steuerschlupflöcher. Dann haben wir das, was Sie wollen und was auch Vertreter der SPD wollen.
Dann geben die, die vom Staat etwas erhalten haben, dem Staat auch etwas zurück. Wir Sozialdemokraten sagen klar und eindeutig Nein zu diesem Gesetzentwurf.
Das habe ich Ihnen gerade beantwortet. Sie müssten vielleicht zuhören.
Ich habe relativ laut gesprochen.
Wenn sie genauso qualifiziert ist wie die von Herrn Mappus.
Ich werde zu diesem Punkt im Rahmen meiner Rede noch etwas sagen. Können Sie sich so lange gedulden?
Mit den Sozialdemokraten im Landtag von Baden-Württemberg wird dieser Gesetzentwurf jedenfalls nicht verabschiedet. Wir sagen ganz eindeutig: Nein, nicht mit uns, und zwar weder so noch anders.
Da unterscheiden wir uns auch klar von den Grünen.
Einige von den Grünen sagen: Ja, aber so nicht. Andere sagen: Ein bisschen Studiengebühren. Wir sagen: Ein bisschen schwanger gibt es nicht.
Studiengebühren wird es mit der SPD in Baden-Württemberg nicht geben.
Sie verschwenden Bildungsreserven, weil die Hochschule für Menschen mit kleinem Geldbeutel schon heute sehr schwer zu erreichen ist, weil die Hälfte der jungen Menschen, die eine Hochschulzugangsberechtigung erworben haben, diese schon heute nicht wahrnehmen, weil sie es sich finanziell nicht leisten können. Gerade die Studierenden aus finanziell schwachen Familien brechen ihr Studium häufiger ab. Gerade diese unterbrechen ihr Studium häufiger als andere, um zu arbeiten – und das schon ohne Gebühren, weil das Studium nämlich teuer ist. Ihr Argument, andere Berufsgruppen zahlten auch für ihre Ausbildung, trifft nicht zu. Es sticht nicht. Denn das Studium kostet schon heute Geld.
Auch ohne Studiengebühren müssen Eltern und Studierende mindestens 7 000 € im Jahr berappen, damit das Studium überhaupt möglich ist. Deshalb sticht dieser Vergleich mit anderen Berufsgruppen nicht.
Das sind Untersuchungen des Deutschen Studentenwerks, lieber Kollege Haas. Dass Sie diese nicht lesen, verstehe ich gut.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie verschlechtern die Bildungschancen.
Schon heute hat der Sohn oder die Tochter eines Chefarztes oder eines Daimler-Managers viermal höhere Chancen, eine Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben,
als der Sohn oder die Tochter einer Krankenschwester, eines Facharbeiters oder eines Polizisten. Das sind keine SPD-Untersuchungen, sondern es ist die OECD, die uns das bescheinigt.
Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, bestrafen Sie die auch noch dafür, dass sie alle diese Hürden geschafft und eine Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. Jetzt schicken Sie denen auch noch Studiengebühren ins Haus.
Ein Chefarzt oder ein Manager zahlt seinem Sohn oder seiner Tochter die Studiengebühren frei Haus und auch noch das Auto und den Urlaub dazu.
Aber der Sohn oder die Tochter einer Krankenschwester oder eines Polizisten muss einen Kredit aufnehmen und jede Menge Zinsen zahlen, zumal Sie auch noch schlecht mit der L-Bank verhandelt haben.
Die müssen noch mehr arbeiten, als sie es schon heute tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie doch einfach einmal zur Kenntnis, dass über 60 % der Studierenden schon heute arbeiten,
und die allermeisten davon tun das, um ihr Studium finanzieren zu können. Nehmen Sie doch einfach einmal die Realität zur Kenntnis.
Irgendwie hat es Sie doch schwer getroffen, dass Sie sich so aufregen, oder?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, von dem herrlichen Studentenleben, von dem uns der Grünen-Kollege Palmer in der letzten Sitzung so viel vorgeschwärmt hat,
wird bei diesen jungen Leuten nichts übrig bleiben, weil sie nämlich schauen müssen, wie sie Beruf und Studium unter einen Hut bringen.
Ihr Argument, das auch Herr Pfisterer jetzt wieder gebracht hat – dass in anderen Ländern mit Studiengebühren mehr junge Leute aus finanzschwachen Verhältnissen studieren als bei uns ohne Studiengebühren –, sticht nicht; denn unser Schulsystem ist extrem sozial selektiv. In anderen Ländern der Welt, in den Studiengebührenländern der Welt, erreichen viel mehr junge Leute eine Hochschulzugangsberechtigung als bei uns. Trotzdem studieren dort nicht sehr viel mehr als bei uns, weil sie nämlich von den Studiengebühren abgeschreckt werden. Das ist die Realität.
Außerdem vertreiben Sie Frauen aus unseren Hochschulen.
Dabei liegt Baden-Württemberg im Ländervergleich – –
Wenn Sie in der letzten Woche Zeitung gelesen haben, dann haben Sie das ja wahrgenommen. Schon heute liegt Baden-Württemberg, ohne dass es Studiengebühren gibt, auf einem beschämenden zwölften Platz. Im Vergleich der Hochschulregionen – so die Aussage des CEWS – ist Baden-Württemberg die Region mit den frauenfeindlichsten Hochschulen.
Aber selbst dieser schlechte Platz scheint Ihnen noch zu gut zu sein. Es scheinen Ihnen immer noch zu viele Frauen an unseren Hochschulen zu sein. Warum sonst strafen Sie sie mit Krediten und mit langjährigen Rückzahlungen?
Genau zu den Siebzigerjahren komme ich nachher noch.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen von CDU und FDP/ DVP, für keines dieser sozialen Probleme – nicht für ein einziges! – haben Sie Lösungsgebühren, Lösungen angeboten.
Entschuldigung! Ich nehme diesen Freud’schen Versprecher zurück.
Im Gegensatz zu den Studiengebührenländern haben Sie kein Stipendiensystem. Sie haben null Komma null Bemühungen unternommen, um Stipendien einzuführen. Gar nichts ist da von Ihnen gekommen, aber auch überhaupt nichts außer Sonntagsreden. Sie tun nichts zur sozialen Abfederung. Es ist Ihnen wurst, ob kluge junge Menschen aus Haushalten mit mittleren und kleinen Einkommen studieren können oder nicht. Das ist soziale Gerechtigkeit à la CDU und FDP/DVP.
Sie sind ja nicht einmal bereit, unseren Anträgen, die Auswirkungen des Gesetzes zu beobachten, zu folgen. Sie über
ziehen das ganze Land mit Evaluationen aller Art, auf und ab. Selbst Kultusminister Rau spricht von der Kultur der Selbstüberprüfung.
Nur für das eigene Handeln gilt das nicht.
Was für eine Feigheit!
Jetzt noch zum Verfahren im Einzelnen: Sie jagen dieses Gesetz innerhalb von 15 Tagen durch das Parlament.
Sie sagen, Sie diskutierten seit Jahren. Das Ministerium hat sich immerhin acht Monate Zeit gelassen, um einen Referentenentwurf zu entwickeln. Diesen hat es dann innerhalb von zwei Monaten während der Semesterferien den Hochschulen zur Anhörung übergeben.
Der Landtag, das eigentliche gesetzgebende Organ, hat gerade einmal 15 Tage Zeit, um sich mit diesem Gesetz auseinander zu setzen. Sie machen Anhörungen im schriftlichen Verfahren und nehmen nur marginale Änderungen vor. Sie machen auf Druck der SPD und der Grünen eine mündliche Anhörung und interessieren sich überhaupt nicht dafür, was dort gesprochen wird. Nicht ein einziger Gedanke von dem, was in der mündlichen Anhörung gekommen ist, ist aufgenommen worden. Gar nichts!
Mit der Arroganz der Macht haben Sie alle Anträge und Anregungen abgeschmettert.
Der Minister lobt die Studierenden für ihre Mühe und ihre Sorgfalt, mit der sie Anträge und Änderungsvorschläge erarbeiten,
um sie dann einfach kommentarlos abzuschmettern. Kein Wunder, dass die Studierenden das Lob des Ministers als Zynismus auffassen.
Die Arroganz der Macht der CDU- und der FDP/DVP-Abgeordneten, die sich darin zeigt, wie sie mit Anregungen,
Bitten und Aufforderungen in der mündlichen Anhörung umgehen, macht deutlich, dass sie nichts anderes gemacht haben, als die kostbare Zeit dieser Menschen zu verschwenden.
Es ist Ihnen gleichgültig, dass BAföG-Empfänger belastet werden. Es ist Ihnen wurst, dass die Hochschulen das Bürokratiemonster fürchten.
Es rührt Sie nicht, dass die Hochschulen den Banken das Risiko nicht abnehmen wollen.
Es lässt Sie kalt, dass Studis mit ihren Studiengebühren unnötige Verwaltungskosten und „notleidende“ Kredite bezahlen müssen.
Weil sie mit den Studiengebühren finanziert werden müssen; weil die Mittel nicht aus dem Landeshaushalt kommen, sondern weil mit den Studiengebühren auch Verwaltungskosten gedeckt werden und auch noch ausfallende Kredite ausgeglichen werden.
Frau Fauser hat das dann noch sehr fein auf die Spitze getrieben und gesagt: Nur die Dummen werden Studiengebühren zahlen. Die werden auch noch für den Hochschulfonds – für die, die den Hochschulfonds austricksen – zur Kasse gebeten. Das ist soziale Gerechtigkeit à la CDU und FDP/DVP.
Wir haben versucht, die Folgen des Gesetzes mit Anträgen wenigstens zu lindern und es wenigstens etwas zu verbessern.
Sie haben das nicht für nötig erachtet. Sie haben sich nicht einmal mit unseren Argumenten auseinander gesetzt.
Sie haben das einfach kollektiv abgelehnt. Was ist das denn für ein verheerendes parlamentarisches Bewusstsein!
Sie haben sich nicht einmal mit den Plattitüden auseinander gesetzt.
Sie haben überhaupt keine Silbe dazu verloren. Aber so ist das halt mit Eunuchen. Die können’s halt nicht.
Herr Präsident – –
Das habe ich nicht zu Ihnen gesagt.
Aber wenn Sie sich davon angesprochen fühlen.
Jetzt möchte ich noch etwas zu dem Thema „Völker- und Menschenrechtsbeschlüsse“ sagen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie verstoßen nicht nur gegen das parlamentarische Selbstbewusstsein. Sie verstoßen auch gegen Völker- und Menschenrechtsbeschlüsse.
Sie verstoßen – wenn Sie mir zuhören, kann ich Ihnen das auch erklären – gegen den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der im Jahr 1974 von Bundestag und Bundesrat ratifiziert wurde. Dieser Pakt wurde – –
Nein, es haben ihn nicht alle Länder ratifiziert, aber die Bundesrepublik Deutschland hat dies getan. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich in Artikel 13 Abs. 2 Buchst. c dieses Pakts zur Gebührenfreiheit im Bildungsbereich verpflichtet.
Jetzt komme ich zu Ihnen, lieber Kollege. In dieser Zeit haben dann auch der Bund innerhalb seiner Rahmenkompetenz und die Länder
hören Sie mir einmal zu! – Schulgeld und Studiengebühren abgeschafft. Bis in die Siebzigerjahre gab es in unserem Land Schulgeld und Studiengebühren.
Im Rahmen der Ratifizierung dieses Völker- und Menschenrechtspakts hat man die Studiengebühren abgeschafft.
Es gibt nämlich ein Kontrollorgan mit Sitz in Genf. Dieses Kontrollorgan prüft die Durchsetzung dieses Paktes. Dieses Kontrollorgan hat im Jahre 2001 die Bundesregierung gerügt und zur Verfassungstreue ermahnt. Der Ausfluss dieser Rüge und dieser Mahnung war das Hochschulrahmengesetz mit dem Hochschulgebührenverbot, das die Bundesministerin Edelgard Bulmahn darin festgelegt hat.
Das Mindeste, was Sie tun müssten, wenn Sie heute dieses Gesetz beschließen, ist, dass Sie prüfen, ob Ihr Gesetz überhaupt völkerrechtlich und menschenrechtlich mit diesem Pakt vereinbar ist, der in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland mit ihren Ländern diesen Pakt unterschrieben hat.
Stattdessen jagen Sie dieses Gesetz aus panischer Angst vor dem Wahltermin durch das Parlament.
Ihre Hoffnung, bis zum 26. März hätten die Studierenden und deren Eltern vergessen, dass Sie an ihr Geld wollen, erfüllt sich nicht. Sie hätten noch viel Zeit bis zur Wahl. Sie könnten noch eine ausgiebige Anhörung machen. Sie hätten die Landtagsdebatte auch noch im Januar und im Februar machen können. Sie wollten das nicht. Sie wollten es nicht aus Angst, sie zu nahe an den Wahltag kommen zu lassen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die vielen Studierenden, die vielen tausend Studierenden, die auch in Stuttgart gerade auf der Straße sind, werden das Thema nicht vergessen. Auch wir werden Ihnen dieses Thema nicht schenken.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die SPD-Landtagsfraktion lehnt das Studiengebührengesetz ab. Aber wir werden das Thema damit nicht abhaken.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister und Herr Pfisterer, ich habe Ihnen 40 Minuten lang zugehört,
und in diesen 40 Minuten hat sich mir die Frage aufgedrängt: Wenn dieser Gesetzentwurf ein solcher Segen für die Hochschulen und für die Studierenden ist, warum um Himmels willen peitschen Sie ihn dann in 15 Tagen durch den Landtag?
Warum nutzen Sie nicht die Zeit, diese Wohltaten breitzutreten?
Sie könnten in aller Gemütsruhe diesen Gesetzentwurf in der Öffentlichkeit diskutieren. Stattdessen tun Sie nichts anderes, als die Öffentlichkeit zu fürchten wie der Teufel das Weihwasser.
Ich sage Ihnen, warum Sie das tun.
Ich sage Ihnen, warum der Gesetzentwurf, der am heutigen Vormittag gerade erst in diesem Landtag eingegangen ist, bereits am 15. Dezember verabschiedet wird.
Ich sage Ihnen, warum die Anhörung, die Sie machen, eine Farce ist. Ich sage Ihnen: Sie wollen an den Geldbeutel der Studierenden und ihrer Eltern, und Sie wollen verhindern, dass die Öffentlichkeit das rechtzeitig merkt.
Dass Ihnen das nicht gelungen ist, hat ja allein schon die große Demonstration, die gestern in Stuttgart stattgefunden hat, dargestellt.
Ja. – Das wird Ihnen auch nicht gelingen, weil wir dazu beitragen werden, dass es Ihnen nicht gelingen wird, diesen Gesetzentwurf unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu beraten.
Ihr Studiengebührengesetz ist ein schlecht bemänteltes Projekt zur Vertreibung junger, kluger Menschen aus Mittelstand, Handwerk und Arbeiterfamilien aus unseren Hochschulen.
Es wird Sie nicht überraschen: Die SPD-Fraktion lehnt den Gesetzentwurf ab.
Aber vielleicht wird Sie Folgendes überraschen: Die SPDLandtagsfraktion lehnt den Gesetzentwurf einstimmig ab.
Wir haben ja freie Redezeit; ich habe alle Zeit der Welt.
Dieser Gesetzentwurf ist ein Bürokratiemonster und verfehlt sein Ziel. Er ist mittelstands- und arbeitnehmerfeindlich, familien- und frauenfeindlich und zukunftsfeindlich und ist darüber hinaus auch noch schlecht gemacht.
Ein Beispiel hat ja gestern die Presse öffentlich gemacht: Es geht um die Bevorzugung der L-Bank, obwohl es ein Angebot von der KfW gibt, das besser ist als das, was die L-Bank anbietet.
Die KfW ist im Übrigen auch eine öffentliche Bank. Sie kann das genauso und zu den gleichen Bedingungen anbieten wie die L-Bank.
Entweder haben Sie schlecht verhandelt, oder Sie wollten das bei einer baden-württembergischen Bank halten, damit auch das Land an dieser Stelle noch einmal von den Gebühren profitiert.
Wir werden noch Gelegenheit haben, über diese Thematik zu beraten, denn wir werden einen Antrag einbringen, in dem wir zum einen fordern, die Informationen auf den Tisch zu legen, und zum anderen beantragen, ein Rechtsgutachten einzuholen, das sicherstellt, dass die Bevorzugung der L-Bank auch rechtens ist.
Nächster Punkt: Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, leugnen – das haben Sie ja gerade auch lautstark gemacht –, dass dieser Gesetzentwurf arbeitnehmerfeindlich ist, dann wissen Sie nichts, aber auch gar nichts über die finanzielle Situation von Durchschnittsfamilien.
500 € sind es ja jetzt. Wer weiß, wie lange – allen Beteuerungen zum Trotz!
Vielleicht sind es einmal 1 000 € oder auch mehr. Das ist eine zu vernachlässigende Größe für Oberbürgermeister, für Vizepräsidentinnen des Landtags, für Zahnärzte, für Landtagsabgeordnete mit einem Nebenverdienst,
für Manager oder Berufsgruppen gleicher Art.
500 € oder irgendwann dann auch mehr – das ist wahrscheinlich bald der Fall – sind keine zu vernachlässigende Größe für Arbeiter, die ein Durchschnittseinkommen von 2 600 € haben,
oder für Angestellte mit einem Durchschnittseinkommen von 3 500 € – diese Zahlen nennt das Statistische Bundesamt.
Für Tontechniker, Kameraleute, für Polizisten, für Handwerker sind schon die 700 € Studienkosten monatlich, die im Augenblick schon ohne Studiengebühren anfallen, kaum zu stemmen.
Die 83 €, die Sie von denen jetzt zusätzlich pro Monat verlangen – später werden es noch mehr werden –, bringen für viele das Fass zum Überlaufen, und das in einem Land wie Baden-Württemberg, wo das Studieren sowieso sehr viel teurer ist als in anderen Bundesländern. Sie belasten genau unsere Bürgerinnen und Bürger massiv weiter.
Wer das Geld heute nicht aufbringen kann, den bestrafen Sie mit einem Kredit und der muss noch mehr bezahlen. Heute haben wir vielleicht einen Zinssatz von 5,7 % – Herr Pfisterer sprach von 6 %. Wer weiß aber, wie lange dieser Zinssatz tatsächlich gültig ist? Keiner weiß es. Wer sichert denn die Höhe?
Sie bestrafen die Menschen mit niedrigem Einkommen, indem sie mehr für ein Studium zahlen müssen als die, die ein großes Einkommen haben.
Schon heute haben Akademikerkinder eine drei- bis viermal so große Chance, einen Hochschulzugang zu erwerben. Das verantworten Sie mit Ihrem Schulsystem. Jetzt setzen Sie noch eine weitere Hürde. Schon heute haben wir zurückgehende Zahlen bei Studieninteressenten aus dem Mittelstand. Das wird überall beklagt, und dazu gibt es auch entsprechende Studien.
Die Gründe sind die ohnehin steigenden Kosten des Studiums und die Tatsache, dass Studenten aus Mittelstandsfamilien häufig kein BAföG erhalten. Jetzt bekommen diese kein BAföG und müssen auch noch zusätzlich zahlen. Die HIS-Studie vom Oktober 2005, Herr Minister, hat gezeigt, dass nur 56 % der studienberechtigten jungen Menschen
aus Familien mit mittlerem Einkommen ein Studium begonnen haben.
Warum haben die restlichen 44 % es nicht begonnen? Zu 58 % waren finanzielle Gründe ausschlaggebend.
Da setzen Sie jetzt noch ein Pfund obendrauf. Das ist mittelstandsfeindlich!
Und die Benachteiligung geht noch weiter. Akademikerkinder haben in der Regel ein Netzwerk, auf das sie sich berufen können und auf das sie sich verlassen können, wenn sie nach dem Studium einen Arbeitsplatz suchen. Kinder aus dem Mittelstand und dem Handwerk, aus Arbeitnehmerfamilien haben dieses Netzwerk nicht. Wissen Sie, wo die sich mehrheitlich wiederfinden? Trotz hervorragender Abschlüsse finden sie sich dann in der Generation Praktikum. Es kann nicht sein, dass sie sich trotz hervorragender Abschlüsse von Praktikum zu Praktikum hangeln und dann immer noch einen Kredit mitschleppen müssen, den Sie ihnen aufhalsen. Unverschuldet kommen sie in diese Situation, und sie werden von Ihnen bestraft. Deshalb sage ich Ihnen: Ihr Gesetzentwurf ist arbeitnehmerfeindlich!
Wenn Sie den Gesetzentwurf mit der Begründung einbringen, die Krankenschwester
und der Arbeiter zahlten derzeit das Studium des Chefarztkindes oder des Managerkindes, dann ändert dieses Gesetz null Komma null null daran. Was etwas an dieser Situation ändern könnte – das hätten Sie letztes Jahr schon machen können –, wäre mehr Steuergerechtigkeit. Sie hätten letztes Jahr schon die Steuerschlupflöcher schließen können. Dann hätten Sie in diesem Haushalt 500 Millionen € mehr. Das haben Sie aber gar nicht gewollt.
Sie haben das entsprechende Gesetz im Bundesrat zu Fall gebracht. Jetzt kommen Sie in der großen Koalition zum Glück zur Vernunft. Sie sind diejenigen, die verhindern, dass mehr Finanzbeamte eingestellt werden, damit in Baden-Württemberg mehr Steuergerechtigkeit herrscht und mehr Geld eingenommen wird.
Stattdessen belasten Sie die Kleinen. Von den Kleinen können Sie es holen, denken Sie – aber nicht mit uns.
Baden-Württembergs Lebensstandard und Beschäftigungslage beruhen unter anderem auf der starken Säule des Automobil- und Maschinenbaus. Dort kommen überdurchschnittlich viele Studierende aus Familien aus Mittelstand und Handwerk und aus Arbeitnehmerhaushalten.
Schon heute klagen die Firmen über einen Mangel an Ingenieuren.
Dieser Mangel wird noch gravierender werden, weil Sie jetzt genau diese Gruppen zusätzlich belasten. Das heißt, genau diese Gruppen werden sich sehr gut überlegen, ob sie ein Studium aufnehmen. Wir brauchen jedoch mehr von diesen Fachkräften. Wir brauchen viel mehr von denen, weil wir im internationalen Vergleich weit zurückliegen.
Und wir brauchen viel mehr von denen, weil wir im internationalen Vergleich viel geringere Kinderzahlen haben als andere Länder. Das heißt, wir müssen das Potenzial viel besser ausschöpfen; es geht um das Ausschöpfen von Potenzial und nicht um ein Abschrecken dieses Potenzials. Wir brauchen eine gute, aber auch erschwingliche Ausbildung.
Es ist ein geradezu an Frechheit grenzender Mut, zu behaupten, Ihre so genannten nachlaufenden Studiengebühren würden niemanden vom Studium abhalten. Sie haben doch unter der Kohl-Regierung den Großversuch gewagt:
Sie haben das BAföG auf Volldarlehen umgestellt.
In Baden-Württemberg sind die Einbrüche dramatisch gewesen. Viel stärker als in jedem anderen Bundesland ist der Rückgang der BAföG-Empfänger in Baden-Württemberg gewesen. Da können Sie sich doch heute nicht hinstellen und sagen: Das interessiert uns alles nicht. Die Studierwilligen werden schon studieren, die werden schon irgendwie gucken, wie sie das Geld aufbringen. – Das ist eine Unverschämtheit.
Jetzt holen Sie das Geld auch noch von den BAföG-Empfängern: In die eine Tasche steckt der Staat den Studis das Geld hinein, und aus der anderen Tasche holt er es wieder heraus. Am Ende haben sie die eineinhalbfache Verschuldung zu verkraften. Und da sagen Sie, das sei überhaupt kein Problem!
Ich sage Ihnen voraus: Es wird einen Rückgang der Studierendenzahlen geben. Wir haben ein erstes Ergebnis ja schon
in diesem Semester. Allein an den Universitäten BadenWürttembergs haben sich über 4 % weniger Studienanfänger eingeschrieben als im letzten Semester. Wenn das kein Signal ist, dann weiß ich nicht, welche Signale Sie noch brauchen.
Das wird auch nicht dadurch besser, dass Sie jetzt sagen: Die Studierenden werden mit einbezogen und können entscheiden, was mit den Studiengebühren passiert. Der Begriff „im Benehmen“ heißt so viel wie: „Vielen Dank für das Gespräch!“ – ohne Konsequenzen.
Das ist so ähnlich wie Ihr Vorgehen beim Anhörungsverfahren: Sie haben das Anhörungsverfahren in den Semesterferien gestartet – in dem Wissen, dass die Gremien zu dieser Zeit gar nicht agieren können – und haben den Rückmeldeschluss für die Anhörung eine Woche nach Semesterbeginn gesetzt.
Was die Studierenden, die Hochschulen und die Verbände an Anregungen und Kritik eingebracht haben, haben Sie überhaupt nicht wahrgenommen. Sie haben nur Marginalien verändert, aber das, was substanziell an Kritik gekommen ist, hat Sie überhaupt nicht interessiert. Warum sollte dann das „Benehmen“, das Sie mit den Studierenden herstellen wollen, für die Hochschulen zu einer Verbesserung führen? Das frage ich mich.
Ihr Gesetzentwurf ist eine unverantwortliche Belastung für Familien und Frauen.
Es ist einfach scheinheilig, auf der einen Seite zu beklagen, dass junge Leute heute keine Kinder mehr kriegen wollen, auf der anderen Seite aber Familien einseitig zu belasten.
Denn wer Single ist, zahlt keine Studiengebühren für seine Kinder. Aber wer eine Familie gründen will und das Studium nicht direkt finanzieren konnte, weil seine Eltern das Geld nicht hatten, der geht in die Familiengründungsphase mit Schulden, und er weiß, dass auch seine eigenen Kinder später noch einmal tiefer in die Tasche greifen müssen als frühere Generationen.
Ganz Deutschland sinniert darüber, wie junge Menschen dazu ermutigt werden können, Kinder zu kriegen, und Sie bestrafen die Familien.
Jetzt haben wir die Frauen bildungspolitisch endlich so weit wie die Männer. Wir haben es jetzt endlich geschafft, dass genauso viele Frauen Abitur machen wie Männer.
Es sind sogar ein bisschen mehr, und sie sind besser. Aber erstaunlicherweise verdienen Frauen bis zu einem Viertel weniger als Männer in vergleichbaren oder sogar in den gleichen Berufen. Sie haben Einkommensausfälle durch die Familienphase hinzunehmen, und sie arbeiten überdurchschnittlich häufig in Teilzeit. Das heißt also, Frauen, die studieren und für die Studiengebühren einen Kredit aufnehmen müssen, werden von Ihnen bestraft, denn sie müssen länger zahlen und werden viel höher belastet als jeder Mann, der ein Studium aufnimmt.
Deshalb ist Ihr Gesetzentwurf familien- und frauenfeindlich.
Ich nehme Sie jetzt einfach einmal beim Wort. Sie sagen, nachlaufende Studiengebühren seien sozial gerecht und sozialverträglich.
Dann wissen Sie zum einen nicht, dass Gebühren grundsätzlich sozial blind sind,
es sei denn, sie sind sozial gestaffelt. Aber gut, das kann man ja noch hinnehmen. Aber warum in aller Welt brauchen Sie dann einen Gesetzentwurf mit Ausnahmen und mit Befreiungen?
Dann müssen Sie doch niemanden in besonderen Lagen befreien, denn Sie gehen davon aus: Egal, in welcher Lage jemand heute ist, wenn er nach dem Studium sehr viel Geld verdient, dann kann er das doch zurückzahlen! Warum wollen Sie ihn vorher befreien?
Sie sagen, Sie befreien die Promovierenden von Studiengebühren im Sinne der Nachwuchsförderung. Also gefährden Sie die Nachwuchsförderung, wenn Sie von den Studierenden nachlaufende Studiengebühren verlangen! Wo ist denn da der Sinn?
Sie entlarven sich mit diesen Ausnahmeregelungen selbst, und sie zeigen, dass Ihre Argumente Schönfärberei sind – angesichts eines schlechten Gewissens, das Sie irgendwo im Hinterstübchen doch plagt.
Genauso entlarvend sind Ihre Beteuerungen, dass die Studiengebührenhöhe gleich bleibt. Wenn Sie das Marktargument nehmen – Sie sagen, man brauche mehr Markt, dann steige auch der Wert und das Bewusstsein für den Wert –, dann verstehe ich überhaupt nicht, warum Sie dann einfach Pi mal Daumen 500 € festsetzen. Bayern zum Beispiel hat Bandbreiten.
Andere Länder überlegen sich andere Regelungen.
Warum werden für alle Hochschularten Gebühren in gleicher Höhe festgesetzt,
egal, ob Fachhochschule, Berufsakademie oder Universität? Letztere sind ja ungleich teurer, aber alle bekommen den gleichen Gebührensatz. Wo ist denn da der Markt? Das macht doch gar keinen Sinn.
Herr Haas, die Quantität Ihrer Zurufe macht die Qualität nicht besser.
Das kann man aber alles auf die Seite stellen; denn BadenWürttemberg wäre das erste Land dieser Welt – Sie wären damit Weltmeister –, das die Gebührenhöhe tatsächlich beibehält. Es gibt kein Land auf der Welt, in dem Gebühren, nachdem sie einmal eingeführt waren, der Höhe nach beibehalten worden wären. Selbst der Minister redete ja früher, als die Diskussion anfing, von unterschiedlichen Gebührenhöhen. Alle die, die den Minister und die CDU-Fraktion beraten – sie alle! –, sagen: 500 € sind viel zu wenig; das muss viel mehr werden. Und es wird auch mehr werden!
Ihr Koalitionspartner, vertreten durch die Landesvorsitzende, hat ja auf eine sehr naiv freundliche und offene Art und Weise das Gebührenvisier heruntergelassen und einmal den Betrag von 1 000 € in die Welt gesetzt.
Bitte schön! Mehr hat man gar nicht gebraucht als diese Aussage. Ich sage Ihnen eines: Wenn der Damm einmal gebrochen ist, gibt es kein Halten mehr. So ist es überall auf der Welt.
Kindlich naiv ist auch der, der glaubt und behauptet, die Erträge aus den Studiengebühren blieben in den Hochschulen. Baden-Württemberg wäre das erste Land auf der Welt, in dem das so wäre. Selbst der Minister jongliert ja mit unterschiedlichen Zahlen. Da sind einmal 200 Millionen € im Gespräch, einmal 150 Millionen €, einmal 180 Millionen €, die bei den Hochschulen bleiben. In einem Chat sagte er, von 1 000 € blieben 900 € an den Hochschulen, also 90 %, während, wenn man alle Gründe zusammenzählt, die in der Stellungnahme zu unserem Antrag in Bezug auf die Frage aufgeführt sind, weswegen das Geld nicht an der Hochschule bleibt, 27 % von den Gesamteinnahmen aus den Hochschulgebühren abgezogen werden. Was gilt denn jetzt? Keiner weiß es. Alle werden überrascht sein, was dann tatsächlich bei den Hochschulen bleibt.
Neben dieser Unsicherheit tragen die Hochschulen dann auch noch das volle Risiko: das volle Risiko beim Verwaltungsaufwand, das volle Risiko des Ausfalls und das Risiko der jetzt erfolgten Öffnung der Kapazitätsverordnung. Ich verstehe die Hochschulen gut. Nach der Enttäuschung über das erste Schreiben aus dem Ministerium im Sommer, wonach sie mit den Mitteln kein wissenschaftliches Personal einstellen können, hat das Ministerium jetzt eine kleine Kehrtwendung vollzogen und sagt nun: Okay, man kann auch wissenschaftliche Stellen einrichten, ohne dass sie als kapazitätserweiternd gelten. Sie führen also nicht zu einer Zulassungszunahme. Aber jetzt sollen die Hochschulen mit dem Geld, das sie bekommen, den Bibliotheken ermöglichen, Bücher zu kaufen und Öffnungszeiten zu verlängern, jetzt sollen sie Tutoren einstellen, wissenschaftliche Hilfskräfte einstellen, die Studienberatung verbessern und auch noch Professorinnen und Professoren einstellen. Ja bitte, was denn noch alles? So viel Hoffnung mit dem bisschen Geld! Was ist denn davon real?
Real ist eines, und das ist sicher: Das ist ein tolles Programm zur Beschäftigung von Rechtsanwälten bei der Einklagung von Studienplätzen. Davon haben wir ja schon einige in Baden-Württemberg. Die freuen sich über diesen Gesetzentwurf am meisten.
Ebenso naiv ist der Glaube, der Staatszuschuss ginge nicht zurück. Ich will ja gar nicht darüber reden, was Sie den Hochschulen in den letzten beiden Jahren schon weggenommen haben; das war schon mehr als das, was Sie ihnen jetzt aufgrund der Studiengebühr wieder zurückgeben.
Allein die Aussage, die Sie heute hier getroffen haben, der Staatszuschuss bleibe gleich, heißt bei um 40 % steigenden Studierendenzahlen – was die Kultusministerkonferenz ja
offiziell festgestellt hat – und gleich bleibendem Staatshaushalt, dass die Hochschulen einen dramatischen Rückgang des staatlichen Zuschusses erleben. Also, was jetzt?
Kein Wort dazu, dass Sie dafür ein zusätzliches Programm brauchen.
Die einzigen wirklichen Gewinner dieses Gesetzes sind die L-Bank und das Land. Es ist überhaupt nicht verständlich, warum die L-Bank Studiendarlehen bei gleicher Bonität zu schlechteren Konditionen anbietet als die KfW. Eine gesetzlich gesicherte Kundenbeschaffung kann doch wohl nicht die Aufgabe des Landes Baden-Württemberg sein.
Weil Sie wissen, dass die Ziele Ihres Gesetzes verfehlt sind, versuchen Sie wider besseres Wissen, das Gesetz durch das Parlament zu peitschen, und lassen die Anhörungen zu einer Farce verkommen. Auch wenn sich die Hochschulen aus verständlichen Gründen über mehr Geld freuen, ist das für die Studierenden, für Studierwillige und Eltern heute ein schwarzer Tag.
Ich fordere Sie auf: Ziehen Sie das Damoklesschwert zurück! Bildung ist ein gesellschaftliches Gut und muss auch in Zukunft von der Gesellschaft bezahlt werden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich will mich heute nicht mit dem Referentenentwurf auseinander setzen, weil ich eine vielleicht unverbesserliche Optimistin bin und die Hoffnung habe, dass aus dem Anhörungsverfahren, in dem sehr viele Anregungen und Widersprüche gekommen sind, einiges in den tatsächlichen Gesetzentwurf einfließt, der uns hoffentlich bald zugehen wird.
Ich will mich mit einigen Dingen auseinander setzen, die eher genereller Natur sind.
Zum Ersten will ich mit der Schimäre aufräumen, Studenten würden zu Kunden, wenn sie Studiengebühren bezahlen. Das gilt übrigens auch für das Studienkredit- und Guthabenmodell der Grünen.
Dies suggeriert, es gäbe eine Beziehung zwischen Studenten und Hochschulen, die nach dem Prinzip „Geld folgt Studierenden“, Herr Kretschmann, wie die Beziehung zwischen Kunde und Kaufhaus oder Dienstleister funktioniert. Aber sagen Sie mir, welcher Kunde muss als Eintrittsvoraussetzung bei Karstadt, bei Lidl oder bei Aldi ein Abitur oder eine Fachhochschulreife vorweisen? Welcher Kunde braucht einen Notenschnitt von 1,2, um den Maler zu bestellen, damit er ihm die Wohnung renoviert?
Welcher Kunde braucht einen Eignungstest, um ein Auto zu kaufen?
Ich würde mir zwar öfter mal wünschen, dass es so wäre, aber die Realität ist eine andere.
Welcher Kunde – Sie sagen, Studenten würden zu Kunden – muss in einem Geschäft bestimmte Waren kaufen, weil das die Verkaufsordnung so vorschreibt?
Ich sage Ihnen: Das Bild vom Studenten als Kunden ist eine Schimäre, denn 60 % der Studenten wählen ihren Studienort nach Heimatnähe und aus Kostengründen aus. 90 % der Studenten werden den Hochschulen zugewiesen oder gehen an eine bestimmte Hochschule, weil sie durch den Numerus clausus oder durch das Ergebnis von Auswahlverfahren gebunden sind. 80 % der Vorlesungen, der Seminare, der Laboraufgaben sind in der Prüfungsordnung festgelegt. Der Student kann da gar nicht entscheiden, was er will.
Für die Hochschulen machen die Einnahmen durch Studiengebühren einen relativ geringen Anteil ihres Haushalts aus, der maximal 8 % entspricht. Natürlich nehmen sie das Geld in ihrer Not. Es ist keine Frage, dass sie das nicht zurückweisen.
Für den Studenten ist es aber viel Geld. Ich frage Sie, Herr Minister Frankenberg: Auf welche Forderung von Studierenden wären Sie denn, als Sie noch Professor waren, eingegangen, wenn die Studierenden Studiengebühren gezahlt hätten? Hätten Sie eine Vorlesung mehr gehalten? Hätten Sie ein Seminar mehr gehalten? Hätten Sie eine Sprechstunde mehr gehalten, um die Betreuung zu verbessern? Sie können nachher ja darauf antworten.
Nicht einmal jetzt erhalten die Studierenden mehr Rechte. Es gibt keinen Studenten im Vorstand des Hochschulfonds. Es gibt nach wie vor das Verbot der verfassten Studierendenschaft.
Sie haben mit dem Landeshochschulgesetz den Hochschulrat und das Rektorat zu entscheidenden Gremien gemacht. Dort drin sitzt nirgendwo ein Student. Verabschieden Sie sich von dieser Schimäre, der Student würde Kunde. Stehen Sie dazu: Sie wollen das Geld der Studis und ihrer Eltern. An dieses Geld wollen Sie heran. Ich kann für die SPD nur sagen: Mit uns nicht!
Ich will aufräumen mit der Schimäre, nachlaufende Studiengebühren seien sozialverträglich. Was ist denn daran sozialverträglich, wenn ein Abgeordnetensohn unbelastet studiert, weil der Vater zahlt, während sich die Polizistentochter verschulden muss, weil der Vater nicht zahlen kann?
Was ist daran sozialverträglich, dass die Zahnarzttochter so lange studieren kann, wie sie will, dass sie studieren kann, was sie will, und den Studiengang wechseln kann, so oft sie will, weil der Vater das bezahlt, während die Kinder von Facharbeitern nur für die Regelstudienzeit ein Darlehen erhalten und mit Schulden in die Existenz- und Familiengründungsphase gehen?
Herr Pfisterer, an Ihrer Stelle wäre ich ganz still. Wenn jemand wie Sie als Beschäftigter der Universität Heidelberg sagt: „Mit mir nicht!“, wenn es um 80 € Parkraumbewirtschaftung für die Beschäftigten geht, sollten Sie sich hier nicht hinstellen und sagen: „Aber die Studiengebühren, die können wir von den Leuten holen!“
Und Sie lamentieren jetzt über 80 € für die Parkraumbewirtschaftung. Es ist nicht sozial gerecht, wenn gerade die, die wir an unseren Hochschulen in Zukunft dringend brauchen, junge Menschen aus der Mittelschicht und aus Arbeiterfamilien, unter Umständen über 1 000 € mehr für ihr Studium bezahlen müssen als Kinder aus betuchten Familien und aus Akademikerfamilien.
Was ist daran bitte gerecht? Sie verantworten ein Schulsystem, das eine hohe soziale Selektion hat. „Wer reiche Eltern hat, kommt in der Schule weit.“ Sie wollen diesen Satz ergänzen: „Und der soll auch möglichst leicht studieren.“ Wir sagen: Wer reiche Eltern hat, darf studieren, und wer arme Eltern hat, muss noch leichter studieren können als die anderen. Denn wichtig ist, was die Leute im Kopf haben, und nicht, was die Leute im Geldbeutel haben.
Sie bauen Hürden und versuchen, die Leute aus der Mittelschicht und aus den Arbeiterfamilien aus den Hochschulen herauszuhalten.
Die SPD will das nicht. Wir brauchen eine Verbesserung des BAföG. Wir brauchen einen Ausbau der Stipendien. Wir brauchen keine Studiengebühren. Das ist Hochschulpolitik mit Zukunft!
Sie haben den Großversuch ja selbst gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, in der Bundesregierung Kohl. Die hat das BAföG praktisch abgeschafft, umgestellt in ein Darlehenssystem.
Das hat – nachdem nach der Einführung des BAföG durch die von Willy Brandt geführte Bundesregierung 21 % aller Studierenden BAföG-Empfänger gewesen waren – dazu führt, dass der Anteil der Studierenden aus einkommensschwächeren Familien in den Hochschulen dramatisch zurückgegangen ist.
Als Rot-Grün dieses Darlehenssystem wieder auf hälftige Förderung umgestellt hatte, gab es aus diesen Familien wieder einen Anstieg. Trotzdem haben wir den ursprünglichen Stand nicht wieder erreicht. Mittelschicht- und Arbeiterfamilien reagieren auf veränderte finanzielle Bedingungen sehr viel sensibler. Für sie ist das Studium wirklich eine Hürde. Studieren ist nicht kostenlos. Studieren kostet eine ganze Menge Geld. Wenn Sie da jetzt noch einmal etwas draufpacken, dann tun Sie das nur, um noch mehr Leute aus dieser Schicht aus den Hochschulen herauszuhalten. Mit der SPD geht das nicht.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Betrachten wir die Frauenanteile in Forschung und Lehre, dann ist unübersehbar, dass wir auf sehr viel innovatives, kreatives Potenzial an unseren Hochschulen verzichten. Seit einigen Jahren machen deutlich mehr junge Frauen als Männer das Abitur. Auch bei den Studienanfängern haben Frauen die Nase vorn. Mit aufsteigender Qualifikations- und Karrierestufe aber sinkt der Anteil der in Wissenschaft und Forschung beschäftigten Frauen dramatisch. Im Ländle rühmen wir uns, wissenschaftspolitisch an der Spitze zu sein. In diesem Bereich ist Baden-Württemberg aber maximal Mittelmaß. Das hat leider auch den Teufelskreis zur Folge, dass sich junge Frauen mehrheitlich für frauentypische Studiengänge entscheiden, weil weibliche Vorbilder für erfolgreiches Bestehen in landläufigen Männerdomänen bisher fehlen.
Einer der Gründe dafür ist der bisherige Weg zur Professur über die Habilitation. Dieser war für Frauen aufgrund der Dauer und der Abhängigkeit bisher meist unattraktiv. Zwar hat es in allen Hochschularten in den letzten Jahren durch die Anstrengungen der Frauenbeauftragten und die von Rot-Grün aufgelegten, vom Land mitfinanzierten speziellen Frauenförderprogramme Steigerungsraten gegeben. Aber wir sind von Geschlechtergerechtigkeit in Forschung und Lehre noch meilenweit entfernt.
Der entscheidende Durchbruch ist nur durch strukturelle Veränderungen möglich. Diese hat die Einführung der Juniorprofessur erbracht. Trotz schwarzer Störfeuer durch Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht und der damit einhergehenden Verunsicherung hat sich die Juniorprofessur in vielen Bereichen etabliert. Sich nach der Promotion auf einer eigenen Stelle, mit selbstständigem Titel, eigenen Mitteln, selbstständig forschend und lehrend auf den Weg zur Lebenszeitprofessur zu machen erscheint Frauen offensichtlich attraktiver als der herkömmliche lange Weg in der Abhängigkeit. Daher sind 30 % der rund 800 Juniorprofessuren von Frauen besetzt. Wenn diese den eingeschlagenen Weg fortsetzen, dann ist die Juniorprofessur das erfolgreichste Instrument zur Nutzung weiblicher Innovationskraft für den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg.
90 % der Juniorprofessorinnen und -professoren sind mit ihrer Situation sehr zufrieden, nur 31 % erwarten allerdings tatsächliche Karrierechancen. Was zu tun ist, um sie wirklich zum Erfolg zu bringen, haben Betroffene aus der Universität Konstanz, die in Baden-Württemberg die Vorreiterrolle übernommen hat, jüngst der Politik ins Stammbuch geschrieben. Sie begrüßen die gewonnene Unabhängigkeit
und Beschleunigung der Aufstiegsmöglichkeiten, gleichzeitig fordern sie einen echten Tenure Track, eine langfristige Perspektive im Stellenplan, die die direkte Überleitung in eine Professur ermöglicht. Sie verlangen von der Gesetzgebung klar formulierte Bedingungen: eine herausragende Promotion, eine zweijährige Postdoc-Phase an einer anderen Hochschule oder einen Hochschulwechsel bei der Berufung, ein Listenberufungsverfahren mit externer Begutachtung und eine positive Evaluation nach drei Jahren.
Positiv bewerten sie die speziellen Mittel für die Einrichtung der Juniorprofessur, weil sie eine eigenständige Infrastruktur ohne Bittstellertum gewährleistet. Das ist für den Erfolg dieses Modells unabdingbar. Unverständlich ist deshalb, dass die Landesregierung im Sommer den Vertrag zwischen der Bundesregierung und den Ländern zur weiteren finanziellen Förderung aus Bundesmitteln nicht unterzeichnet hat und damit scheitern ließ – unverständlich besonders auf dem Hintergrund des Nachholbedarfs und der angespannten Finanzsituation an unseren Hochschulen.
Ich will noch einen Aspekt hinzufügen, der wichtig ist, damit die Juniorprofessur auf Dauer ein zentraler Weg zur Gewinnung von Frauen für Forschung und Lehre wird. Die Bereitstellung von hoch qualifizierten, den besonderen Erfordernissen angepassten Kinderbetreuungsmöglichkeiten muss zur Aufgabe unserer Hochschulen werden. Es reicht nicht, dies in Sonntagsreden von Sozialpolitikern zu beschwören, Hochschul- und Finanzpolitiker müssen für klare Fronten sorgen. Entstehen kann da viel, in unseren Hochschulen ist auch schon manches auf dem Weg, aber es fehlt die Klarheit und Verlässlichkeit.
Die Stichworte „Klarheit“ und „Verlässlichkeit“ im Zusammenhang mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs zwingen mich zu einem Exkurs ins Aktuelle. Es geht um die jungen Ärztinnen und Ärzte an unseren Unikliniken. Der Minister hat selbstkritisch eingeräumt, dass deren Arbeitsbedingungen nicht in Ordnung sind. Ich stelle die Frage nach der politischen Verantwortung für diesen Befund und stelle fest: Wer die Unikliniken aus dem akademischen Verbund der Universitäten löst, wer sie unter die Fuchtel von Betriebswirten stellt, wer ihnen die große unternehmerische Freiheit außerhalb der TdL ermöglicht, der ist für diese Zustände verantwortlich. Über den Kinderverzicht bei Akademikerinnen sollten Sie unter diesen Vorzeichen auch nicht mehr lamentieren.
Zurück zur Juniorprofessur: Trotz aller Kritik – aus unterschiedlichster Motivation heraus geäußert – wird keiner mehr hinter die Strukturveränderung zurückwollen. Wenn wir die Juniorprofessur mit entsprechenden Rahmenbedingungen stabilisieren, dann wird in den nächsten Jahren, wenn die Hälfte der Professorenschaft in den wohlverdienten Ruhestand gehen wird, in unseren Hochschulen Lehre und Forschung deutlich jünger und weiblicher sein. Und das ist gut so.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine Damen und Herren! Zwischen der Einigung der Bund-Länder-Kommission im März 2004 und der Besiegelung des Exzellenzprogramms im Juli
dieses Jahres lagen 16 Monate machtpolitischer Spiele der CDU-regierten Länder um Details. Denn in den Grundzügen war die Einigung im März bereits erfolgt. Auf das, worüber Sie heute gesprochen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, hatten sich die Länder mit dem zuständigen Bundesministerium bereits im März 2004 geeinigt. Dazwischen lagen Machtspiele – Föderalismusproblematik. Endlich beendet wurde diese Diskussion vor allem durch die vorgezogene Neuwahl.
Zu Recht hat deshalb der Sprecher der Rektorenkonferenz, der Rektor der Universität Tübingen, Professor Schaich, diese Zeit als entbehrungs- und enttäuschungsreich bezeichnet. Er sieht zu Recht die Interessen unserer Universitäten schwer beschädigt. Sie selbst haben ja gerade ausgeführt, dass unsere Universitäten von dem Programm besonders profitieren werden. Während der langen Zeit dieser Verhandlungen haben sie ihre Konzepte aus den Schubladen herausgeholt, wieder in die Schubladen hineingetan, wieder herausgeholt, wieder hineingetan. Jetzt endlich können sie sie tatsächlich auch einreichen. Die Einreichungsfrist beginnt am 1. August.
Zu Recht hat der Rektor der Universität Heidelberg, Herr Professor Hommelhoff, den Wissenschaftsminister kritisiert, er lasse mit den Hochschulen seine Kronjuwelen für Parteipolitik missbrauchen. Wir teilen diese Kritik ausdrücklich und freuen uns für unsere Universitäten umso mehr, dass sie nun ihre seit einem Jahr erarbeiteten und inzwischen sicher noch verfeinerten Konzepte vorlegen werden und dass sie sich selbstbewusst diesem Wettbewerb stellen können.
Die Geschichte dieses Exzellenzprogramms wirft ein Schlaglicht auf das fast feindschaftliche Verhältnis zwischen den CDU-Ministern und Ministerin Bulmahn. Dabei ist dies gerade bei den Wissenschaftsministern völlig unverständlich; denn das Wissenschaftsministerium des Bundes hat es unter Rot-Grün geschafft, mehr Geld für Forschung und Wissenschaft zur Verfügung zu stellen.
Ministerin Bulmahn war es, die für den Hochschulbau mehr Geld zur Verfügung gestellt hat. Selbst nach den Kürzungen im letzten Jahr war es immer noch mehr Geld als unter der Kohl-Regierung. Sie war es, die für die Forschung mehr Geld eingestellt hat. Auch mit den Kürzungen ist es immer noch mehr Geld gewesen als unter der Kohl-Regierung.
Die rot-grüne Bundesregierung hat das BAföG verändert und damit die dramatische Aushöhlung, die unter einem CDU-Wissenschaftsminister stattgefunden hat, beendet.