Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Nein, das machen Sie kaputt. Lesen Sie mal die betroffenen – –

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Sie leben hier doch in einer Welt, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat, Herr Haas.

(Beifall bei der SPD)

Allein, Herr Haas, wenn Sie die Gartenakademie nicht finanzieren würden,

(Abg. Alfred Haas CDU: Die ist nicht im Sozial- ministerium!)

wenn Sie den Elternverein der CDU-Politikerin Renate Heinisch nicht über die Landesstiftung finanzieren würden

(Abg. Alfred Haas CDU: Der ist auch nicht im So- zialministerium!)

und wenn Sie die Imagekampagne unter dem Motto „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ nicht mit 7 Millionen € finanzieren würden, könnten Sie für die Ärmsten der Armen, für die psychisch Kranken und die Langzeitarbeitslosen, die Programme aufrechterhalten.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Was ist an Ihrer Politik christlich? Was ist daran christlich, Herr Haas?

Leider ist Herr Palmer nicht da. Er ist ja seit neuestem der Vorsitzende des Präsidiums, des Aufsichtsgremiums des Diakonischen Werks Württemberg. Bei seiner Antrittsrede hat er darauf hingewiesen – ich zitiere den Informationsdienst der Diakonie –, wie viele Menschen im psychiatrischen Bereich in der Diakonie arbeiten. Dann sagt er wörtlich:

Das zeigt, wie wichtig diese Dienste sind. Das Christentum lebt von Wort und Tat.

Von Wort ja. Aber er hätte sich auch dafür einsetzen können, dass das, was die Liga auf den nächsten zwei Seiten kritisiert – ein Kahlschlag im sozialen Bereich –, nicht in die Tat umgesetzt wird. Sie reden immer nur über christliche Nächstenliebe, aber in der Politik setzen Sie sie nicht um, Herr Haas. In der Politik setzen Sie sie nicht um.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Wissen Sie, was mich bei Ihrem Parteitag betroffen gemacht hat? Nicht, dass Sie „Erwin, Erwin“ gerufen, dass Sie fünf Minuten lang geklatscht haben

(Abg. Alfred Haas CDU: Das ist nicht wahr!)

und dass sich die CDU überlegt, Herrn Teufel das nächste Mal noch einmal als Spitzenkandidaten aufzustellen. Machen Sie das! Das wäre gut. Machen Sie das! Aber mich hat betroffen gemacht, dass kein einziger Ihrer 600 Delegierten – kein einziger, weder einer derer, die in der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft sind, noch einer von denen, die in den Sozialausschüssen sind, kein einziger Ihrer Delegierten – hinaufgegangen ist und einmal die Frage gestellt hat, warum das im Verhältnis reiche Land BadenWürttemberg bei den Ärmsten der Armen Programme streicht. Das hat mich bei Ihrem Parteitag betroffen gemacht. Das hat mich betroffen gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich eine Zeitung zitieren. Der Herr Ministerpräsident ist gerade nicht da. Er liest immer aus Zeitungen vor, meistens aus der FAZ und aus der „Welt“. Er sollte einmal baden-württembergische Zeitungen lesen; dann sähe er die Realität im Lande.

(Heiterkeit bei der SPD)

Was schreibt die „Unabhängige Zeitung für christliche Kultur und Politik“?

(Zuruf des Abg. Röhm CDU)

Das ist nicht Ihre Mitgliederzeitung, bezüglich deren Abrechnung die Staatsanwaltschaft gerade ermittelt. Das ist sie nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Abg. Hoff- mann CDU: Billigste Polemik!)

Es ist nicht „Christ und Geld“, es ist die „Unabhängige Zeitung für christliche Kultur und Politik“. Was schreibt diese Zeitung zum Streichkonzert?

Sparen auf Teufel komm raus, lautet die Devise. Doch die Schwachen der Gesellschaft drohen dabei unter die Räder zu kommen.... Der Sturmlauf der Liga der freien Wohlfahrtsverbände in Baden-Württemberg gegen die geplanten Landeskürzungen von neun Millionen Euro ist wohl begründet:

(Abg. Alfred Haas CDU: „Sturmlauf“, da kann ich nur lachen!)

Auf breiter Front müssen soziale Dienste eingeschränkt oder ganz eingestellt werden, mit katastrophalen Folgen für Hilfesuchende. Auf sie und zahlreiche Beschäftigte der Einrichtungen warten triste Weihnachtsfeiertage.

Ich wünsche Ihnen als Christdemokraten schönere Weihnachtstage.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Alfred Haas CDU: Dass man bei diesem Quatsch noch klatschen kann!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oettinger.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Das, was Herr Kollege Drexler hier dargestellt hat, ist ein Zerrbild,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ja, klar!)

das mit der Wirklichkeit in Baden-Württemberg nur sehr eingeschränkt in Übereinstimmung steht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Ursula Haußmann SPD: „Eingeschränkt“ ist ja beinahe ein Zugeständnis!)

Lieber Kollege Drexler, damit das klar ist: Uns fällt keine Kürzung leicht. Wir gehen nicht mit dem Rotstift wollüstig in den Haushalt hinein. Aber wir haben wie andere Länder auch ein brutales Haushaltsproblem, das Problem, dass die Einnahmen nicht nur nicht mehr steigen, sondern abgesunken sind. Aber Vorschläge, wie das Land darauf reagieren sollte, haben Sie ja heute überhaupt keine gemacht.

(Abg. Drexler SPD: Natürlich! Drei Stück!)

Sie haben im Grunde genommen kritisiert, dass es im Sozialetat zu Kürzungen kommt. Wir bieten gerne unsere Bereitschaft an, darüber im Februar im Rahmen der Haushaltsberatungen zu diskutieren.

Für heute halte ich Folgendes fest: Der Sozialetat enthält im Wesentlichen Sachmittel, die sich auf 1,35 Milliarden € belaufen. 1,35 Milliarden € geben wir für soziale Investitionen, Subventionen, Maßnahmen und Zuschüsse aus. Demgegenüber machen die von der Haushaltsstrukturkommission vorgeschlagenen Kürzungen 10,2 Millionen € aus. Das heißt, die 1,35 Milliarden €, die wir im Haushaltsplan stehen hatten, werden um 10,2 Millionen € gekürzt. Das ist die Dimension.

Jetzt kann man darüber streiten, wo die Kürzungen ansetzen sollen. Aber Ihr Zerrbild, in Baden-Württemberg würde ein Kahlschlag im sozialen Bereich stattfinden, wird durch diese Zahlen eindeutig und eindrucksvoll widerlegt.

(Beifall bei der CDU)

Ein zweiter Punkt: In einer Gesamtbetrachtung wird deutlich: Der Erfolg der Sozialpolitik entscheidet sich auf dem Arbeitsmarkt. Ich glaube, dass Baden-Württemberg mit seinem hohen Anteil an Beschäftigung, mit seiner Zuwanderung, weil es hier Arbeitsplätze gibt, mit der Chance, dass fast jeder hier einen Arbeitsplatz erhalten kann, aufgrund der Tatsache, dass Ausbildung, Weiterbildung und Arbeitsmarkt in Ordnung sind, in Wahrheit den wichtigsten Beitrag zu einer richtigen Sozialpolitik leistet. Dazu haben Sie aber keinen Ton gesagt.

(Beifall bei der CDU)

Zur Steuerpolitik auf Bundesebene: Wenn es, Kollege Drexler, eine wirkliche sozialpolitische Schieflage gibt, dann ist es die, dass die Finanzierung der Steuern in Deutschland derzeit ohne die Körperschaften stattfindet, dass Arbeitnehmer und Selbstständige alles, was der Staat derzeit an Steuereinnahmen bekommt, bezahlen. Daran ist Ihre Steuerreform schuld.

(Abg. Drexler SPD: Überhaupt nicht! Das ist nicht unser Thema!)

Sie lenken bewusst davon ab, Kollege Drexler: Die Konzerne zahlen nichts mehr, die Arbeitnehmer, die Arbeiter und die Selbstständigen zahlen, und im Grunde gibt es derzeit auf Bundesebene in diesem Bereich Kakophonie und geschieht nicht das, was wirklich Not tut.

(Beifall bei der CDU)

Nochmals: Uns fallen die Kürzungen nicht leicht. Aber auch das Sozialministerium muss einen Beitrag erbringen, damit die Haushaltsverschuldung keine astronomischen Höhen erreicht. Deswegen bieten wir Ihnen gerne einen Ideenwettbewerb an. Wenn Sie bessere Vorschläge haben, bringen Sie sie ein! Aber die Aktuelle Debatte heute ist dafür nicht der richtige Platz. Im Februar wird der Haushalt beraten, und dann sind wir auf Ihre Umschichtungs- und Einsparvorschläge gespannt.