Protokoll der Sitzung vom 23.01.2003

möchte ich Ihnen schon noch den einen oder anderen Punkt etwas näher zu bringen versuchen, weil diese Diskussion in Pforzheim aus einer ganz bestimmten Situation heraus entstanden ist.

Meine Damen und Herren, in Pforzheim hatten wir im Jahre 1992 das traurige Ereignis, dass die Republikaner dort mit über 18 % das landesweit beste Wahlergebnis bei der Landtagswahl erzielt haben. Wir hatten 1996 das auch nicht viel weniger bedauerliche Ereignis, dass die Republikaner dort bei der Landtagswahl das zweitbeste Ergebnis in einem Wahlkreis in Baden-Württemberg erzielt haben.

Ich sage dies aus folgendem Grund: Unmittelbar nach Vorliegen des Ergebnisses der Landtagswahl 1992 gab es in Pforzheim einen Konsens aller demokratischen Parteien – Grüne, SPD, FDP/DVP und CDU –, der übrigens – so klein ist die Welt – auf eine Initiative des Leiters des Kulturhauses Osterfeld zurückging, wonach wir mit Radikalen – in diesem Fall mit den Republikanern – in Pforzheim nichts zu

tun haben wollen. Dies haben alle demokratischen Parteien mitgetragen, was dazu geführt hat, dass Republikaner ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu Podiumsdiskussionen eingeladen wurden. Obwohl sie damals im Parlament vertreten waren – demokratisch legitimiert –, haben alle Parteien dies mitgetragen. Dieser Konsens bestand übrigens bis einschließlich der Podiumsdiskussionen zur letzten Bundestagswahl, die ja noch nicht so lange zurückliegt.

Deshalb sage ich auch Folgendes, und zwar aus voller Überzeugung: Ich bin es leid, dass es politische Kräfte in diesem Land gibt, die aus einer ganz bestimmten politischen Interpretation der deutschen Geschichte heraus immer wieder versuchen, den Radikalismus in einen akzeptablen linken Bereich und in einen völlig inakzeptablen rechten Bereich zu unterteilen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Beifall bei Ab- geordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Reinhart CDU: So ist es!)

Ich bin der felsenfesten Überzeugung – deshalb bin ich die Angelegenheit in Pforzheim auch so angegangen, und ich stehe hundertprozentig dahinter, mehr denn je; es hätte in der letzten Woche Einfacheres gegeben, als dieses Thema anzugehen – und stehe voll und ganz dahinter: Demokraten haben mit Radikalen nichts am Hut. Demokraten dürfen mit Radikalen nicht zusammenarbeiten.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Deshalb sage ich auch, meine Damen und Herren: Mit Linksradikalen über Rechtsradikalismus aufzuklären ist pervers und nichts anderes.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Im Übrigen, meine Damen und Herren, wäre ich einmal gespannt gewesen – das wird nie eintreten, weil wir das auch nie mitmachen würden –, was in diesem hohen Haus los gewesen wäre, wenn das Ganze spiegelbildlich abgelaufen wäre.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Heinz: So ist es!)

Ich wäre wirklich gespannt gewesen, was passiert wäre, wenn die CDU gemeinsam mit einer vom Verfassungsschutz seit Jahrzehnten beobachteten rechtsradikalen Gruppierung eine Ausstellung zur Aufklärung über politischen Linksextremismus initiiert hätte.

(Abg. Drexler SPD, auf die Grünen zeigend: Das machen die doch gar nicht!)

Ich wäre wirklich einmal gespannt gewesen, was dann in diesem Haus los gewesen wäre.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Drexler: Weikersheim!)

Ja, das ertragen Sie nicht. Das ist das Thema.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt zum zweiten Punkt. Herr Kretschmann, ich bin der Erste bei Ihnen, der in der politi

schen Diskussion, wenn es um Sachfragen geht – um Sachfragen! –, die Meinungsfreiheit gegen alle Widerstände verteidigt.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Ja, das gefällt Ihnen nicht. Das ist ja in Ordnung.

Ich habe auch kein Problem damit, in der Sache hart zu diskutieren. Ich gebe zu, dass auch ich ordentlich austeilen kann.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Dann muss ich auch einstecken. Das ist alles in Ordnung. Wer das nicht kann, darf nicht Politiker werden, sondern sollte Bibliothekar oder etwas anderes werden.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Genau!)

Aber eines, meine Damen und Herren, Herr Kretschmann, hätte ich niemals gemacht: Ich hätte niemals die Grünen oder die SPD in die Grauzone zum Linksradikalismus gebracht.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

So etwas hätte ich niemals behauptet. Dass Sie das noch unterstützen, ist das, was mich enorm stört und was ich für verwerflich halte und deshalb nicht tolerieren kann.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Jetzt zum Thema Druck, meine Damen und Herren. Herr Birzele, ich muss schon sagen: Ich finde es erstaunlich – Sie sind Jurist und waren Innenminister in diesem Land –, dass inzwischen in diesem Staat der Beschuldigte seine Unschuld beweisen muss, während derjenige, der Gerüchte in die Welt setzt, noch nicht einmal gefragt wird, ob sie eigentlich stimmen.

Deshalb sage ich dies hier klar und deutlich: Ich habe weder direkt noch indirekt mündlich, fernmündlich, schriftlich oder in welcher Form auch immer auch nur ansatzweise materiellen Druck auf wen auch immer ausgeübt oder auszuüben versucht,

(Abg. Carla Bregenzer SPD: „Materiell“! Schön, wie Sie das abgrenzen!)

damit diese Ausstellung nicht stattfindet.

(Abg. Seimetz CDU: Die Bregenzer weiß es bes- ser! – Zurufe von der SPD)

Die Tatsache, dass Sie das gar nicht hören wollen, zeigt mir doch, um was es Ihnen wirklich geht. Das ist das Thema. Aber ich sage auch: Es kann in einer Demokratie auch nichts Verbotenes sein, dass man politischen Druck gegen etwas ausübt, wenn man es für falsch hält.

(Beifall bei der CDU – Abg. Fleischer CDU: So ist es! – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Dass wir politischen Druck ausgeübt haben, halte ich für legitim und für richtig.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren – damit wir einmal zum Kernpunkt der Diskussion vorstoßen –, nicht vorenthalten, was im Verfassungsschutzbericht des Bundes – ich denke, da sind wir relativ unverdächtig – über die VVN-BdA steht. Ich zitiere der Kürze halber die zwei entscheidenden Sätze.

(Abg. Stickelberger SPD: Aus welchem Jahr? – Abg. Birzele SPD: Welches Jahr?)

Auf Seite 162 des Verfassungsschutzberichts aus dem Jahr 2001 steht:

Der „antifaschistische Kampf“ der VVN-BdA orientiert sich nach wie vor hauptsächlich an der orthodox-kommunistischen „Agentur-Theorie“, der zufolge Faschismus bzw. Rechtsextremismus seine Wurzeln ausschließlich im Kapitalismus hat. Diese Doktrin dient weniger der Analyse des Rechtsextremismus als vielmehr der Bekämpfung der freiheitlichen Demokratie als einer angeblich latent für den Faschismus anfälligen politischen Ordnung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Kiefl CDU: So ist es! – Abg. Boris Palmer GRÜNE mel- det sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke des Prä- sidenten)

Herr Abg. Mappus, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Palmer?

Jetzt bitte nicht. Am Ende sehr gern.

Jetzt kommt aber das viel Interessantere und für mich schlussendlich auch Entscheidende. Ich zitiere weiter:

Die VVN-BdA setzte unverändert ihre Strategie einer „offenen Bündnispolitik“ fort. So bemühte sie sich einerseits um Akzeptanz bei demokratischen Organisationen, andererseits arbeitete sie mit linksextremistischen Zusammenschlüssen bis hin zu gewaltbereiten Antifa-Gruppen aus dem autonomen Spektrum zusammen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Noch mal vorlesen! „Ge- waltbereit“!)

Meine Damen und Herren, genau darum geht es. Es geht darum, dass Sie sich mit dieser Ausstellung und mit dem Unterstützen von solchen Organisationen und solchen Leuten zum Steigbügelhalter für Linksradikalismus machen. Das halte ich in einem Parlament für unerträglich. Das muss ich in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Die werden eingeladen durch den Landtag! Jetzt sind wir Steigbügelhalter! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Unruhe)