Protokoll der Sitzung vom 23.01.2003

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil vor allem Herr Mappus wieder einiges falsch dargestellt hat. Frau Vogt hat die Zensur kritisiert, aber sie hat überhaupt nicht die Ausstellung und ihren Inhalt in Schutz genommen.

(Abg. Mappus CDU: Das stimmt nicht!)

Das ist ein großer Unterschied, Herr Mappus. Und Sie sollten sich im Grunde genommen abgewöhnen, zuerst die große Zusammenarbeit der Demokraten zu loben und uns anschließend zu bezichtigen, wegen dieser Ausstellung ein Steigbügelhalter der Linksradikalen zu sein. Das geht nicht!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Im Übrigen: Ihr Angebot, eine Ausstellung zu machen, kam am vergangenen Dienstag um 13:25 Uhr bei der SPD in Pforzheim an. Heute ist Donnerstag.

(Abg. Alfred Haas CDU: Und?)

Was heißt denn „und“? Am Dienstag und Mittwoch, innerhalb dieser zwei Tage, können sich ja die Mitglieder der SPD dort überlegen, wie sie auf dieses Angebot reagieren wollen und was sie machen wollen, und am Mittwoch stand schon Ihr Ausstellungsentwurf in der Zeitung, in dem lauter CDU-Organisationen aufgeführt sind. So trickreich kann man das natürlich auch machen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Wenn Sie eine faire Zusammenarbeit wollen, dann muss sich die SPD in Pforzheim auch noch überlegen, ob sie zusammen mit demjenigen, der bei einer anderen Ausstellung Zensur ausübt, eine Ausstellung machen will.

(Beifall bei der SPD – Abg. Herrmann CDU: Jetzt aber! – Abg. Fleischer CDU: Aha!)

Ja, natürlich. Das muss man sich doch wohl überlegen. Man muss deutlich machen, dass man gegen Zensur ist. Und ob sie dann gemeinsam mit jemandem, der Zensur ausübt, eine Ausstellung machen will, darüber muss eine demokratische Partei – vor allem mit der Geschichte der SPD – nachdenken, und zwar länger als zwei Tage.

(Zurufe der Abg. Fleischer und Alfred Haas CDU)

Das sagt überhaupt nichts darüber aus, ob sie da mitmacht oder nicht.

Noch einmal, Herr Mappus: Herr Hildebrandt arbeitet hier im Landtag bei den gesamten Gedenkveranstaltungen mit – da wird überhaupt nicht kritisiert. Er ist Vorsitzender dieser Organisation.

(Zuruf des Abg. Mappus CDU)

Herr Alfred Hausser hat als langjähriger Ehrenvorsitzender der Vereinigung auf Antrag des Herrn Ministerpräsidenten Teufel das Bundesverdienstkreuz bekommen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist doch in Ordnung! Völlig unumstritten!)

Das ist nicht in Ordnung, wenn man auf der anderen Seite gerade diese Leute immer ins Zwielicht setzt.

(Beifall bei der SPD – Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist doch gar nicht wahr! – Weitere Zurufe)

Sie auch! – Was schreibt der Herr Ministerpräsident? Das wollen wir der Öffentlichkeit doch schon einmal sagen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ich habe Ihren Innenmi- nister zitiert, sonst gar nichts! Nehmen Sie das zur Kenntnis!)

Über Ihre demokratische und liberale Haltung, Herr Kollege Pfister, möchte ich mich jetzt wirklich nicht äußern. Sie haben heute den politischen Liberalismus zu Grabe getragen.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch des Abg. Pfis- ter FDP/DVP)

Ja, natürlich!

(Abg. Fleischer CDU: Das ist unter jeder Sau, was Sie hier abliefern! – Abg. Wieser CDU: Sie sind ein richtiger Toleranzbolzen!)

Der Herr Ministerpräsident schreibt:

Es ist mir eine große Freude und Ehre, Ihnen heute zu Ihrem 85. Geburtstag zu gratulieren. In hoher Wertschätzung Ihres lebenslangen Einsatzes für Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenwürde und Meinungsfreiheit übermittle ich Ihnen meine herzlichen Glück- und Segenswünsche.

Ich gedenke heute mit großem Respekt Ihres tapferen Einsatzes für Ihre Überzeugungen in den Zeiten des Nationalsozialismus. Sie mussten damals wie viele andere politische Gefangene Haft, Unrecht und Todesgefahr erleiden.

Viele Menschen haben aus der schrecklichen Geschichte der nationalsozialistischen Herrschaft die Lehre gezogen, sich gegen Unrecht und Unmenschlichkeit zu wehren. Sie selbst zählen zu jenem Personenkreis, der von Anfang an mit Entschiedenheit jedweder Verletzung von Menschenrechten entgegentrat. Dafür und für Ihr langjähriges Wirken als Vorsitzender und Ehrenvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten im Landesverband Baden-Württemberg danke ich Ihnen recht herzlich.

(Beifall bei der SPD – Abg. Fleischer CDU: Ja und? – Abg. Wieser CDU: Was kritisieren Sie jetzt eigentlich, Herr Drexler? – Zuruf des Abg. Seimetz CDU – Abg. Fleischer CDU: Der Ministerpräsident hat Ihnen ja auch schon geschrieben, und Sie ma- chen trotzdem viel verkehrt!)

Ich wollte das hier bloß deutlich zum Ausdruck bringen: Die Organisation, der Herr Hausser lange Jahre vorstand, ist diejenige, die diese Ausstellung zusammengestellt hat.

Nun sage ich noch einmal: Der Unterschied zwischen der CDU und der FDP/DVP einerseits – und das hat mich vorhin wirklich erschüttert – und den Grünen und der SPD andererseits ist im Landtag wohl folgender: dass wir selbst Kritik an Persönlichkeiten der SPD, die wir nicht teilen, in einer Ausstellung durchaus für eine Auseinandersetzung zeigen lassen wollen und keine Zensur ausüben, Herr Kollege Pfister.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sehr richtig!)

Wir Sozialdemokraten haben nämlich noch nie Zensur ausgeübt. Das ist der Unterschied: Man muss auch bereit sein, sich bei einer Ausstellung einer unabhängigen Organisation zur Verfügung zu stellen, selbst wenn man mit dem Inhalt der Ausstellung nicht einig ist. Das muss möglich sein.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ja! – Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Bisher habe ich immer gedacht, das sei gemeinsame Auffassung. Die richtige Antwort der FDP/DVP und der CDU wäre gewesen, die grüne Fraktion zu bitten, entweder zur Ausstellungseröffnung oder zwei Tage später ein Forum durchzuführen und dabei über die Ausstellung zu diskutieren. Dann hätten wir gesehen, was bei Herrn Oettinger dabei herauskommt. Das hat jedoch niemand gemacht. Das wäre etwas gewesen, Herr Oettinger; da hätte ich große Hochachtung gehabt. Eine Debatte darüber zu führen wäre okay gewesen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Fleischer CDU: Ihr Selbstwertgefühl geht gegen null! – Zuruf des Abg. Wieser CDU)

„Freiheit“, meine sehr verehrten Damen und Herren, „ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“, das ist der Grundsatz der Demokraten, auch in diesem Haus.

(Abg. Fleischer CDU: Aber nicht grenzenlos! – Abg. Seimetz CDU: Von Sozialdemokraten kommt der Ausspruch: „Wehret den Anfängen!“ – Unruhe)

Es geht nicht um „grenzenlos“, sondern darum – ich muss das ja nicht dauernd verteidigen –,

(Abg. Fleischer CDU: Sie tun es aber!)

keine Zensur auszuüben. Die eine Fraktion hat mit dieser Ausstellung dargestellt, dass sie gegen Zensur ist. Wir haben es mit einem parlamentarischen Antrag gemacht.

(Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Es gehört zu den parlamentarischen Mitteln, auch Ausstellungen ins Parlament zu holen – in diesem Fall in eine Fraktion.

Herr Kollege Oettinger, Sie haben angedroht, das sei die Aufkündigung eines Grundkonsenses. Herr Palmer hat gesagt, das werde auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der Regierung mit den Grünen haben. Wenn Sie das schon wieder androhen, dann müssen Sie es halt machen. Aber das zeigt doch, wes Geistes Kind Sie sind.

(Abg. Fleischer CDU: Vor allem, wessen Geistes Kind Sie sind!)

Setzen Sie sich doch inhaltlich damit auseinander, sagen Sie, was Sie auf den zwei Tafeln für falsch halten, führen Sie eine Diskussion. Das wäre die richtige Antwort von Demokraten auf eine Ausstellung, die Ihnen nicht passt, meine sehr verehrten Damen und Herren, und nicht die Drohung mit irgendwelchen Aufkündigungen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Flei- scher CDU: Ihnen fehlt der Anstand, Herr Drex- ler!)

Ich sage es noch einmal: Sie haben in der Zwischenzeit der Ausstellung eine Publizität verschafft, die grenzenlos ist. Sie wird viele Menschen zu dieser Ausstellung führen. Ich hoffe, dass sie dann auch pädagogisch gut vorbereitet ist.

Und zum Schluss, Herr Palmer: Ich halte es nun wirklich für das Falscheste, dass Sie hier vor dem Parlament als Regierungsmitglied und Minister im Staatsministerium an die Kirchen ein ermahnendes Wort richten