Protokoll der Sitzung vom 20.02.2003

Der erste Punkt: Wenn man sich den Etat des Landes anschaut, dann stellt man unschwer fest, dass über 40 % Personalausgaben den Löwenanteil bei den Ausgaben des Landes ausmachen. Hinzu kommen – das sind ja durchaus Beschlüsse, die der Landtag gefasst hat – die Personalkosten in nicht mittelbaren bzw. in mittelbaren Einrichtungen des Landes wie zum Beispiel den Universitätskliniken, sodass wir insgesamt sicherlich mit einem Personalkostenaufwand von ca. 50 % rechnen müssen.

(Abg. Blenke CDU: Bis jetzt hat er Recht!)

Ein weiterer Punkt kommt hinzu, an dem wir schon sehen, dass die bisherigen Reformvorhaben der Landesregierung nicht gegriffen haben: Wir haben im Jahr 2002 den höchsten Personalstand, wenn man die mittelbaren Einrichtungen des Landes wie eben die Universitätskliniken dazurechnet. Da kommen wir laut Statistischem Landesamt auf einen Personalstand von 291 000 Beschäftigten. Das ist die höchste Zahl, die es im Land je gab. Und das in Zeiten, in denen man – der CDU-Fraktionsvorsitzende hat das ausdrücklich noch einmal betont – offensichtlich dringend notwendige strukturelle Sparmaßnahmen durchführen muss. Das kann natürlich am Personalstand unseres Erachtens nicht vorbeigehen. Trotzdem hat die Landesregierung bisher mit ihren Stellenabbauprogrammen – zwei, glaube ich, gibt es an der Zahl –

(Abg. Scheuermann CDU: Drei!)

drei; Entschuldigung, Herr Finanzminister – wenig, in der Summe vielleicht auch gar nichts erreicht.

(Abg. Blenke CDU: Das stimmt nicht!)

Ein weiterer Punkt, der unseres Erachtens den Reformbedarf offenkundig macht, sind die Versorgungsausgaben. Der Kollege Kretschmann hat es heute Morgen in der Debatte schon ausführlich beschrieben.

Ich will im Hinblick auf die Aufgabenstellungen, die auf uns zukommen, ein paar zentrale Punkte dieses Kommissionsberichts nennen, der jetzt in Nordrhein-Westfalen von einer aus 23 Mitgliedern bestehenden Kommission vorgelegt worden ist. Die Kommission bestand aus Vertretern von Wirtschaft und Verwaltung,

(Abg. Scheuermann CDU: Nichts Verwaltung!)

von Hochschulen, auch politisch tätigen Menschen. Ich möchte ein paar Punkte benennen, die dort als zentrale Forderungen genannt werden:

Erstens: Wir brauchen eine umfassende Reform des Dienstrechts. Herr Innenminister, weil Sie schon so kritisch oder auch aufmerksam schauen,

(Abg. Blenke CDU: Der Minister ist immer auf- merksam!)

werden Sie natürlich einwenden, dass wir das im Land nicht allein werden schaffen können.

(Abg. Scheuermann CDU: Nein, wir wollen eine Begründung für Ihre Behauptung!)

Recht haben Sie. Aber eines ist auch klar: Den Löwenanteil der Personalkosten tragen im Vergleich zu den anderen Personalträgern die Länder. Deswegen sind wir von der Grünenfraktion der Auffassung, dass die Landesregierung alles tun muss – gegebenenfalls über Bundesratsinitiativen, aber auch durch die aktive Begleitung des Prozesses, der jetzt in Nordrhein-Westfalen durch die Vorlage des Kommissionsberichts angeleiert worden ist –, um eine grundsätzliche Reform des Dienstrechts hinzubekommen. Dazu gehört in allererster Linie – daran führt kein Weg vorbei –, die althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums aus der Verfassung, aus dem Grundgesetz zu streichen.

(Beifall bei den Grünen)

Wir fordern die Landesregierung auf, entsprechend tätig zu werden.

Ein weiterer Punkt, den ich in dieser ersten Runde ansprechen möchte: Beamte dürfen unseres Erachtens in Zukunft nur noch im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung tätig sein. Dazu zählen die Polizei, die Justiz und die Finanzverwaltung. Das sind die Kernbereiche, in denen wir die Zukunft des öffentlichen Dienstes und des Beamtenrechts sehen.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU – Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit angezeigt.)

Ich komme sofort zum Schluss, Frau Präsidentin.

Ein weiterer Punkt, den ich zu guter Letzt benennen möchte, betrifft die Vergütungs- und Besoldungsstruktur. Es liegt auf der Hand, dass es hier Reformbedarf gibt. Die Vergütungsstruktur, die sich zum Beispiel daran anlehnt, dass

man umso mehr verdient, je älter man wird, gehört, denke ich, quasi der Vergangenheit an und hat mit einem modernen öffentlichen Dienstrecht überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deswegen brauchen wir auch in diesem Bereich grundsätzliche Reformen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Oelmayer, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ich komme zum Schluss.

Weil wir als Grünenfraktion der Auffassung sind, dass die Landesregierung hier dringend in den aktiven Prozess der Reform des öffentlichen Dienstrechts mit einsteigen muss – auch auf der Basis dieses Diskussionsberichts; ich nenne ihn einmal so –, haben wir die Aktuelle Debatte beantragt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Oelmayer, Sie haben lautstark die Forderung nach einer grundsätzlichen Reform des öffentlichen Dienstrechts, nach der Abschaffung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums erhoben. Zur Begründung habe ich von Ihnen aber keinen Satz gehört.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Doch!)

Die Personalkosten ermäßige ich durch eine Reduzierung der Anzahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten, aber nicht dadurch, dass ich am Gehalt des einzelnen Beschäftigten um zwischen 10 und 20 € im Monat herumfuchtle.

Der Gegenstand heißt ja: „Bull-Gutachten, öffentlicher Dienst in Baden-Württemberg“. Ich habe mir zur Vorbereitung wenigstens die Kurzfassung dieses Gutachtens besorgt. Bei einem kursorischen Überblick fielen mir bei diesem Gutachten drei Dinge auf:

Erstens einmal der Titel: „Zukunft des öffentlichen Dienstes – öffentlicher Dienst der Zukunft“. Das ist ein bisschen ein „Schickimickititel“,

(Heiterkeit – Abg. Wieser CDU: Ungewöhnlich, Herr Kollege!)

aber zunächst erschließt er über den Inhalt gar nichts.

(Unruhe)

Dann denkst du ein bisschen nach, und dann kommst du dahinter: Zukunft des öffentlichen Dienstes könnte so etwas wie eine Analyse des gegenwärtigen Zustands bedeuten. In der Kurzfassung findet die überhaupt nicht statt. Und unter „öffentlicher Dienst der Zukunft“ wird man sich wohl mit Zielen beschäftigen. Die stehen allerdings drin.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Zweitens: Die Kurzfassung beginnt mit folgendem Satz:

Die deutsche öffentliche Verwaltung wird den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht.

(Abg. Wieser CDU: Das ist ein Misstrauensvotum gegen alle Beamte!)

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass sich der öffentliche Dienst, seit es die Bundesrepublik gibt, bei allen Problemen außerordentlich bewährt hat,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

das letzte Mal bei der Wiedervereinigung Deutschlands, als es darum ging, eine ausschließlich auf ein autoritäres System ausgerichtete Verwaltung auf die Grundsätze von Demokratie und Rechtsstaat zurückzuführen.

(Beifall der Abg. Wieser CDU und Pfister FDP/ DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Dann wird in dem Gutachten versucht, eine Verbindung herzustellen: Je moderner im Sinne des Gutachtens der öffentliche Dienst, desto besser die Verwaltung. Das ist ein ganz gewaltiger Trugschluss. Denn das Erscheinungsbild der Verwaltung hängt nicht nur von der Qualität der darin Beschäftigten ab, sondern das hängt mindestens ebenso davon ab, wie wir als Gesetzgeber mit unserer Verwaltung umgehen,

(Beifall des Abg. Wieser CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

und es hängt zum Dritten davon ab, welche Anforderungen die Gesellschaft an Staat, Gesetzgeber und Verwaltung stellt.

Letzter Hinweis: In dem Gutachten fehlt völlig ein Hinweis auf die Rolle des Gesetzgebers für die Verwaltung, und nicht mit einem einzigen Satz wird erwähnt, dass die Hauptaufgabe der Verwaltung die Anwendung von Recht und Gesetz ist.