Protokoll der Sitzung vom 20.02.2003

Ich sage Ihnen: Nicht allein mit dem 4-Milliarden-€-Programm, sondern mit ihrem Gesamtpaket „Bildung und Betreuung“ verstößt die rot-grüne Bundesregierung gegen alle fünf Punkte, auf die wir uns gestern einhellig, quer durch alle vier Fraktionen, geeinigt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Bebber SPD: Dann zahlen Sie es doch allein!)

Konsequent wäre nach der gestrigen Diskussion gewesen, heute festzuhalten, dass dieses Programm – –

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

(Abg. Wintruff SPD: Was würden Sie denn sagen, wenn es kein Geld gäbe? – Abg. Bebber SPD: Dummes Zeug!)

Sie haben nur über Ganztagsschulen gesprochen, aber das, was Frau Bulmahn vorgestellt hat, geht ja über die 4 Milliarden hinaus und betrifft andere Punkte – übrigens Punkte, die das Parlament noch mehr als die Regierung zentral treffen. Ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, dass das, was in diesem Programm der Bundesregierung drinsteckt, bedeutet, dass künftig der Deutsche Bundestag über Evaluation von Schulen in Deutschland und über einen Bildungsbericht sprechen will. Ich bin, übrigens schon vor der gestrigen Debatte, immer davon ausgegangen, dass wir uns darüber einig sind, dass die Bildungspolitik das Herzstück der Landespolitik ist

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

und deshalb bildungspolitische Debatten in die Länderparlamente gehören und nicht in den Deutschen Bundestag. Der Deutsche Bundestag ist nicht der Arbeitgeber der Landesregierung, sondern Arbeitgeber von Landesregierungen sind die Länderparlamente. Deshalb ist das, was hier vorgesehen ist, auch eine Schwächung der Länderparlamente.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Bebber SPD: Nehmen Sie doch Ihre Aufgabe wahr! – Abg. Margot Queitsch SPD: Schaffen Sie doch Ganztagsschulen!)

Deshalb sage ich zu diesem ganzen Thema Föderalismus: Wenn wir es ernst meinen – und die Diskussion wird es auch in anderen Länderparlamenten geben –,

(Abg. Bebber SPD: Dann müssen Sie selber zah- len!)

kann, egal, wo man politisch steht, kein Landespolitiker auf die Idee kommen, dass dieser Ansatz der Bundesregierung geeignet sei, Länderkompetenzen zu stärken, Mischfinanzierungen abzubauen, Gemeinschaftsaufgaben abzubauen,

(Abg. Bebber SPD: Nehmen Sie Ihre Kompetenz wahr!)

ja das Herzstück der Landespolitik zu stärken.

(Zuruf der Abg. Margot Queitsch SPD)

Deshalb sage ich Ihnen: Es gibt mit uns keine Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen in der Bildungspolitik! So einfach ist das.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Fischer SPD: Das hat doch damit nichts zu tun! Blödsinn! – Abg. Zeller SPD: Was Sie erzählen, stimmt doch nicht!)

Herr Zeller, jetzt seien Sie doch ganz ruhig! Es ist noch früh am Morgen. Wenn Sie sich jetzt schon aufregen – –

(Abg. Zeller SPD: Nur sollten Sie bei der Wahrheit bleiben! – Abg. Bebber SPD: Tun Sie doch Ihre Pflicht!)

Ja, ich bleibe bei der Wahrheit.

Ihr Antrag, am 16. Oktober eingereicht und heute auf die Tagesordnung gesetzt, trägt die Überschrift: „Vor der Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen in der Bildungspolitik“. Das ist Ihr Vokabular.

(Abg. Zeller SPD: Ja!)

Ich zitiere Sie. Das ist die Debatte – –

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Der Ministerpräsident hat gestern auch darüber gesprochen!)

Ja, ja, nur in umgekehrter Hinsicht.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Sie stellen in diesem Antrag Fragen, die darauf hinauslaufen, dass wir uns einer Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen aktiv stellen sollen, nicht reagieren, sondern kooperieren sollen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Werden Sie doch ak- tiv! – Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Und dann folgt in diesem Antrag Punkt für Punkt eine weitere Mischfinanzierung, eine weitere Gemeinschaftsaufgabe, eine Schwächung der Länderparlamente usw.

(Abg. Zeller SPD: Sind Sie gegen Kooperationen?)

Deshalb: Wir sind in der Faschingszeit. Und da kann ich nur sagen: „Neuordnung von Bund-Länder-Beziehungen in der Bildungspolitik“ ist ein Faschingsscherz, aber keine ernsthafte Politik.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das war ein schlechter Faschingsscherz! – Zuruf des Abg. Zel- ler SPD)

Damit komme ich zum zweiten Kapitel. Das ist nicht nur CDU-Position, was ich jetzt sage. Der „Spiegel“ hat in dieser Woche in einem ausführlichen und, wie ich finde, sehr guten Beitrag über Ganztagsschulen die kürzeste und prägnanteste Bewertung dieses Projekts der Bundesregierung vorgenommen. Der Titel heißt ganz kurz: „Die große Illusion“. Das ist die kürzeste und prägnanteste Bewertung, die sich wie ein roter Faden durch diesen Artikel zieht.

Am 6. September – damit komme ich zum Verfahren –, also 14 Tage vor der Bundestagswahl, hat die Bundesregierung den ersten Entwurf der Verwaltungsvorschrift erarbeitet. Sie hat ihn den SPD-regierten Ländern zugespielt.

(Abg. Zeller SPD: Sie hatten ihn auch!)

Wir haben ihn überhaupt erst – nicht diesen Entwurf; der ist versenkt worden von den SPD-Kollegen; da brauchten wir uns überhaupt nicht zu beteiligen, das haben die im Vorfeld gemacht –, die Länder insgesamt haben eine Verwaltungsvereinbarung im Entwurf überhaupt erst am 12. Februar dieses Jahres bekommen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie hätten doch aktiv werden können!)

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Sie haben schon am 16. Oktober davon geredet, was wir denn täten und ob wir endlich unterschreiben würden. Am 12. Februar ist überhaupt erst eine Verwaltungsvereinbarung vorgestellt worden. Warum? Weil zwischen dem 6. September des vergangenen Jahres und dem 12. Februar dieses Jahres alle SPD-regierten Länder dem Bund klar gemacht haben – dafür haben sie ziemlich viele Monate gebraucht –, dass eine solche Verwaltungsvereinbarung, wie der Bund sie wollte, nicht abgeschlossen werden könne. Die SPD-regierten Länder haben versenkt, was ihnen vom Bund vorgelegt worden ist,

(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Seimetz CDU: Die sind halt klü- ger als Wintruff und Zeller!)

weil es, liebe Kolleginnen und Kollegen, Gott sei Dank auch in der SPD dort, wo sie regiert, noch Föderalisten gibt, die deutlich machen, dass sie diese Neuordnung nicht wollen.

Dann fragen Sie, wann wir denn endlich mit dem Bund verhandeln. Frau Bulmahn hat in mehreren Begegnungen mit den Kultusministern seit September nicht ein einziges Wort zur Ganztagsschule verloren. Das erste Gespräch zwischen dem Bund und den Ländern in Sachen Ganztagsschulen und 4-Milliarden-€-Programm findet überhaupt erst am 6. März statt,

(Abg. Wacker CDU: Hört, hört! – Abg. Dr. Rein- hart CDU: Das ist ja unglaublich! Ein halbes Jahr später!)

viele Monate nach der Bundestagswahl das erste Gespräch.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Erst mal das Geld nehmen!)

Jetzt sagt die Bundesbildungsministerin am 13. Februar in einer Aktuellen Debatte im Deutschen Bundestag: Mit dem 4-Milliarden-€-Programm kommen keine neuen Lasten auf die Länder zu, wie Vertreterinnen und Vertreter der Opposition in übertriebener Entrüstung glauben machen wollen. Meine Damen und Herren, eine Bundesbildungsministerin, die so redet,

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Hat keine Ah- nung!)

hat entweder keine Ahnung von Bildungsfinanzierung oder sie will es nicht wahrnehmen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Reinhart CDU: Wir unterstellen zu ihren Gunsten die zweite Vari- ante!)

Worüber reden wir denn, in Zahlen gesprochen? Wenn jede dritte Schule in Deutschland eine Ganztagsschule werden soll, dann rechnen wir das jetzt doch einmal um auf BadenWürttemberg. Wir haben in Baden-Württemberg an allgemein bildenden Schulen 51 000 Klassen. Ein Drittel davon sind rund 17 000. Pro Klasse gibt es in Baden-Württemberg, weil wir im Unterschied zu anderen Ländern keine Billigmodelle machen, mindestens fünf zusätzliche Lehrerwochenstunden. Fünf Lehrerwochenstunden auf 17 000 Klassen, das bedeutet rund 3 200 zusätzliche Deputate. Das

heißt 163 Millionen € pro Jahr, in fünf Jahren über 800 Millionen € allein für fünf zusätzliche Lehrerstunden. Für einen Zeitraum von zehn Jahren bedeutet das 1,6 Milliarden €, bei nur fünf Lehrerwochenstunden pro Klasse in Baden-Württemberg.