Protokoll der Sitzung vom 20.02.2003

Ich habe es gemerkt, vielen Dank.

Immerhin, wir haben niedrigere Steuereinnahmen als vier Jahre zuvor. Man muss einmal bedenken, was in der Zwischenzeit vor allem im Tarifbereich, in der Beamtenbesoldung an Steigerungen enthalten war. Daran ersehen Sie unsere Probleme.

(Minister Stratthaus)

Wir haben auf der Ausgabenseite im Jahr 2002 eine Entlastung vornehmen können. Zinsausgaben und Personalausgaben sind, weil wir seriös geschätzt hatten, um 234 Millionen € geringer gewesen, und wir haben am 4. Juni eine Ausgabensperre beschlossen, die uns weitere 100 Millionen € gebracht hat, sodass wir im Vollzug des Haushalts 2002 zusammen 334 Millionen € einsparen konnten.

Allerdings – das muss auch gesagt werden – hatten wir bei zwangsläufigen Ausgaben und bei Einnahmeschätzungen Nachteile zu verkraften. Zum Beispiel sind Justizgebühren wesentlich geringer als veranschlagt eingegangen, und bei den zwangsläufigen Ausgaben war es vor allen Dingen das Wohngeld – das ja eine gesetzliche, zwangsläufige Ausgabe ist –, das in wesentlich höherem Maße geleistet werden musste.

Wir werden einen Fehlbetrag von mindestens 700 Millionen € im Jahr 2002 haben. Ich sage: mindestens. Endgültig weiß man das noch nicht. Das weiß man erst, wenn der Abschluss ungefähr Mitte des Jahres vorliegt. Aber ich gehe davon aus, dass die Zahl 700 Millionen € in etwa stimmt.

Ich darf an dieser Stelle auch noch einmal eine ganz wichtige Erläuterung geben. Meine Damen und Herren, wir haben einen Haushalt aufgestellt, der in allen Punkten der Haushaltswahrheit entspricht. Wir hätten nämlich ganz leicht, rechtlich einwandfrei, eine wesentlich geringere Nettoneuverschuldung ausweisen können. Diesen Fehlbetrag von 700 Millionen € hätten wir genauso gut im Jahr 2004 veranschlagen können. Übrigens machen das nach meiner Einschätzung fast alle anderen Bundesländer. Andere Bundesländer haben die Steuereinnahmen des Steuererhöhungsgesetzes bereits veranschlagt. Auch der Bund hat das gemacht.

(Abg. Drexler SPD: Auch die Hessen!)

Ich habe ja gesagt: einige, die allermeisten Länder. Baden-Württemberg hat es nicht getan. Sie haben mich auf dem falschen Fuß erwischt. Baden-Württemberg hat es nicht gemacht. Der Bund hat es gemacht und eine Reihe weiterer Länder. Wenn wir das auch gemacht hätten, hätten wir 150 Millionen € Einnahmen mehr. Wir hätten also keine Mehrverschuldung von 1,15 Milliarden €, sondern von ungefähr 300 Millionen €, was immer noch genug wäre. Wir sind uns darüber einig. Eines ist auch klar: Wenn wir die 700 Millionen € im Jahr 2003 nicht veranschlagt hätten, wäre es im nächsten Jahr auf uns zugekommen, und das nächste Jahr wird eher noch schlimmer.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

Aber Sie sehen natürlich, wie sich Länder verhalten, die eben an der Grenze der Verfassungswidrigkeit stehen. Sie denken einfach an den nächsten Tag und nicht an den übernächsten Haushalt. Unser Haushalt entspricht in der Tat der Haushaltswahrheit, so wie wir sie heute sehen.

Im Jahr 2003 haben wir Steuermindereinnahmen von 1 Milliarde 68 Millionen € zu erwarten. Das ergibt zumindest die Steuerschätzung vom November letzten Jahres. Es wird nun gemutmaßt – und das ist sicher sehr realistisch –, dass die Mai-Steuerschätzung eher noch schlechter sein wird, denn die Steuerschätzungen gehen ja immer von einem bestimm

ten, vorgegebenen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Novemberschätzung ist noch von 1,5 % ausgegangen. Inzwischen hat die Bundesregierung die Annahme auf 1 % heruntergesetzt, und ich lese gerade heute in der Zeitung, dass viele Wissenschaftler sogar meinen, dass nicht einmal dieses 1 % erreicht wird, sodass die Mai-Steuerschätzung eventuell noch schlechter wird.

Allerdings muss ich sagen: Die völlige Parallelität – ich werde nachher noch etwas dazu sagen – von Steuern und Wirtschaftswachstum ist nicht immer gegeben, wie Sie insbesondere bei der Körperschaftsteuer gesehen haben. Denn die Körperschaftsteuereinnahmen sind völlig zusammengebrochen, obwohl es in der Wirtschaft zwar schlecht lief, wir aber in den letzten Jahren immerhin noch – wenn auch ganz winzige – Zuwachsraten hatten.

Wir nehmen über diesen Nachtrag auch Mehrausgaben vor. Ihr Volumen beträgt 80 Millionen €; zum Großteil handelt es sich um zwangsläufige Mehrausgaben. Ich möchte diese Mehrausgaben einmal aufzählen: BAföG, Meister-BAföG, Wohngeld, Arbeitgeberanteil an der Renten- und Krankenversicherung, Stärkung der Atomaufsicht, Erhöhung der Investitionen für den Hochwasserschutz, Modernisierung der Informationstechnik der Polizei, Fortsetzung des Antiterrorprogramms und Anschaffung von Impfstoff als Vorsorge für Pockenschutzimpfungen.

Ich darf drei Ausgaben herausgreifen, weil ich damit deutlich machen will, dass wir die Schwerpunktbildung in unserer Landespolitik trotz der außergewöhnlich angespannten Finanzlage beibehalten haben. Schwerpunktbildung heißt auf der einen Seite Sicherheit und auf der anderen Seite Bildung, Forschung und Entwicklung und damit Sicherung der Zukunft.

Wir haben für den Hochwasserschutz 17 Millionen € mehr ausgegeben. Das ist uns sehr schwer gefallen. Aber nach den Erfahrungen, die wir im Osten unseres Landes und auch bei uns im letzten Dezember, zum Beispiel in Wertheim, machen mussten, waren wir der Meinung, dass dies zum Schutz unserer Bürger, ihres Vermögens, aber auch ihres Lebens absolut notwendig ist.

Wir haben für die Informationstechnik der Polizei und auch für das Antiterrorprogramm 11,5 Millionen € mehr ausgegeben.

Sicherungsmaßnahmen beim Hochwasserschutz und bei der Polizei haben für uns eine besondere Qualität und Priorität.

Wir haben auch zur langfristigen Verstärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zusätzliche Investitionen vorgenommen. Wir haben das Spitzenlastprogramm der Berufsakademien, das Überlastprogramm für die Pädagogischen Hochschulen und die Offensive Biotechnologie gefahren.

Aufgrund der hohen Nachfrage nach Studienplätzen an den Berufsakademien hat die Landesregierung die zeitlich befristete Einrichtung von 28 zusätzlichen Spitzenlastkursen beschlossen. Die Finanzierung erfolgt zum großen Teil aus Haushaltsresten der Zukunftsoffensive II, zum Teil auch aus dem Haushalt.

(Minister Stratthaus)

Wir haben ein Überlastprogramm im Umfang von insgesamt 2,8 Millionen € für die Pädagogischen Hochschulen aufgelegt, um Spitzen abzufedern.

Was wir für ganz wichtig halten: Wir haben eine Offensive Biotechnologie gestartet, die uns 29 Millionen € kosten wird. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass die Biotechnologie eines der Felder ist, auf dem sich die Zukunft ganz entscheidend gestalten wird.

Wie konnten wir das Ganze decken? Insgesamt bestand ein Deckungsbedarf von 1,9 Milliarden €. Ich darf noch einmal zusammenfassen, wie sich dieser Betrag zusammensetzt: Es handelt sich um ein Defizit von 700 Millionen € aus dem letzten Jahr, um Steuermindereinnahmen von rund 1,1 Milliarden € und um 80 Millionen € Mehrausgaben. Insgesamt ergeben sich 1,9 Milliarden €, die wir zu decken haben.

Dies ging leider nicht ohne eine gewaltige Erhöhung der Nettoneuverschuldung um 1,154 Milliarden €, sodass wir jetzt eine geplante Nettoneuverschuldung von über 2 Milliarden € haben werden. Dies ist die höchste geplante Nettoneuverschuldung, die das Land Baden-Württemberg je hatte. Sie ist ausschließlich auf den dramatischen Einbruch der Steuereinnahmen zurückzuführen. Wenn hier nicht schnell etwas geschieht, werden wir in der ganzen Bundesrepublik wieder große Probleme mit den Maastricht-Kriterien bekommen.

Auch dazu möchte ich Ihnen eine Information geben, die gestern einmal angeklungen ist. Es gibt eine Möglichkeit, wie man den Beitrag zu dem 3-%-Kriterium auf Länder und Gemeinden herunterrechnen kann. Das hat der Finanzplanungsrat beschlossen. Baden-Württemberg liegt noch unter den 3 %, die ihm an „Verschuldungsrechten“ zustehen. Besonders günstig stehen unsere Gemeinden; aber auch das Land liegt noch unter den 3 %. Die sehr starke Überschreitung des 3-%-Kriteriums geht in erster Linie auf den Bund und die Sozialversicherungsträger zurück.

Insgesamt werden wir Einsparungen in Höhe von 770 Millionen € realisieren müssen, davon 300 Millionen € durch Einsparungen in den Ressorthaushalten. Diese Einsparungen kennen Sie in der Zwischenzeit. Dass sie auch bei der Bevölkerung angekommen sind, sehe ich an der Anzahl der Briefe, die jeden Tag bei uns eingehen.

(Heiterkeit des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Die Zinsausgaben können aufgrund der Ist-Entwicklung im Jahr 2002 um 135 Millionen € reduziert werden. Die Zinsen haben sich unter anderem wegen der schlechten Konjunktur so entwickelt, dass die Zinssätze auf dem historisch niedrigsten Stand der letzten 50 Jahre sind, glaube ich. Wenn allerdings die Verschuldung von Jahr zu Jahr steigt, werden wir letzten Endes trotz niedriger Zinssätze das, was wir in der mittelfristigen Finanzplanung veranschlagt haben, brauchen, weil wir eben mehr Schulden zu verzinsen haben, als wir ursprünglich angenommen hatten.

Darüber hinaus haben wir 275 Millionen € an Einsparungen im Personalbereich angesetzt. Wie kommen wir auf die 275 Millionen €? Wir hatten für die Steigerungen im Personalbereich im Haushalt 200 Millionen € stehen. Wir sind davon ausgegangen, dass in der heutigen Lage bei den Tarifen

im öffentlichen Dienst eine Nullrunde hinzubekommen ist und später auch bei der Beamtenbesoldung und -versorgung. Sie wissen, dass dies nicht gelungen ist, sondern im Gegenteil: Wenn diese Erhöhung, wie sie für den Tarifbereich beschlossen worden ist, sinngemäß auf die Beamten übertragen werden würde, hätten wir Mehrausgaben von 75 Millionen €, und die 200 Millionen €, die bereits veranschlagt sind, wollten wir im Sinne des Nullabschlusses sparen, sodass wir heute ein Defizit von 275 Millionen € gegenüber unseren früheren Absichten haben. Wir werden diese 275 Millionen € einsparen müssen, und weil wir bei der Besoldung und Versorgung kaum eigene Zuständigkeiten haben, sind wir hier sehr stark auf eine bundesgesetzliche Regelung angewiesen. Allerdings wird diese bundesgesetzliche Regelung sehr stark von uns, von Baden-Württemberg mitgestaltet. Der Bundesrat, in dem wir und auch ich ganz persönlich gerade in diesem Punkt sehr aktiv sind, wird hoffentlich unsere Vorstellungen mittragen, sodass wir in der Lage sind, diese 275 Millionen € im Laufe des Haushaltsjahres einzusparen.

Der Tarifabschluss – da sind sich in der Zwischenzeit alle einig – war viel zu hoch. Bedenken Sie, dass wir ein Wachstum von nicht einmal einem halben Prozent haben und einen Abschluss in der genannten Höhe. Der war also einfach volkswirtschaftlich nicht zu vertreten. Das ist keine Frage. Es ist sehr bedauerlich, dass nicht härter verhandelt worden ist. Bedauerlich bei der ganzen Sache – wir hoffen, dass sich dieses ändert – ist natürlich, dass die Handlungsführerschaft beim Bund liegt.

(Abg. Kübler CDU: So ist es!)

Der Bund profitiert auch noch von solchen Abschlüssen, weil er im Verhältnis zu den Ländern und Gemeinden kaum Beamte, Angestellte und Arbeiter hat, aber natürlich mit 42,5 % an der Einkommensteuersteigerung beteiligt ist.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Wir hoffen, dass in Zukunft die Verhandlungsführung bei den Ländern oder bei einer großen Stadt liegen kann.

Wir legen Ihnen auch das Haushaltsstrukturgesetz vor. Darin geht es um den Abbau rechtlicher Verpflichtungen, die Kürzung freiwilliger Leistungen des Landes und die Verbesserung der Einnahmen. Wir können durch diese Gesetzesänderung insgesamt ungefähr 54 Millionen € einsparen.

Meine Damen und Herren, im Nachtrag wird auch der Stellenabbau für das Jahr 2002 realisiert. Ich möchte einmal kurz zusammenfassen: Wir haben in den letzten zehn Jahren durch drei Stellenabbauprogramme immerhin 10 000 Stellen eingespart. Wenn Sie bedenken, dass diese 10 000 Stellen in einem Segment von ungefähr 20 % der Gesamtstellen eingespart worden sind, weil nämlich die Schulen, die Hochschulen, die Justiz und zum großen Teil die Polizei ausgenommen worden sind, können Sie feststellen, dass dies schon eine Leistung ist und dass dies schon gespürt wird.

Wir haben auf der anderen Seite – auch das muss der Vollständigkeit halber gesagt werden – 10 000 neue Stellen geschaffen,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Natürlich!)

(Minister Stratthaus)

die allermeisten im Bildungsbereich – und das ist gut so, muss man einfach sagen – und zum Teil auch bei der Polizei. Aber eines ist auch klar: Wir werden in Zukunft wieder Stellenabbauprogramme fahren müssen.

Ich habe gelesen, dass die Grünen in einer Veröffentlichung davon gesprochen haben, wir hätten ein strukturelles Defizit. Das ist völlig richtig. Unser Defizit ist nicht nur, aber auch konjunkturell bedingt. Die Hälfte davon ist konjunkturell bedingt. Deswegen gebe ich Ihnen völlig Recht: Die Vorstellung, dass sich allein mit Wirtschaftswachstum alles wieder zum Guten wenden würde, ist einfach falsch. Das wird nicht kommen. Es ist keine Frage, dass mit einer wachsenden Wirtschaft zumindest die Personalkosten im gleichen Rhythmus steigen. Wir hoffen, dass auch die Steuereinnahmen im gleichen Rhythmus steigen. Das tun sie bisher nicht.

Den Grund dafür habe ich vorhin genannt: Das ist zum einen die Körperschaftsteuer, und zum anderen hat die extreme Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten zum Einbruch der Umsatzsteuereinnahmen geführt. Das ist übrigens gar nicht so bekannt. Der Einbruch erfolgte natürlich nicht in demselben Maß wie bei der Körperschaftsteuer, aber auch die Umsatzsteuereinnahmen sind eingebrochen.

Deswegen bin ich der Ansicht, dass wir auf Dauer wirklich strukturell sparen müssen. Wir werden vor allem auch im Personalbereich einiges machen müssen. Dazu kommt noch die demographische Entwicklung. Wir werden in zehn Jahren einen härteren Wettbewerb um die Absolventen von Schulen und Hochschulen haben. Deswegen bin ich der Meinung – ich hoffe, Sie teilen diese Meinung –: Wir werden in zehn Jahren deutlich weniger Beamte haben müssen, aber dafür gut bezahlte, damit wir wettbewerbsfähig sind. So, wie wir es in der Vergangenheit auch gemacht haben – dass man immer nur bei den Beamten etwas abknapst –, kann es nicht weitergehen. Ich finde das, was wir zurzeit zu tun gezwungen sind, nicht gut. Ich sage das ganz offen. Aber wir müssen unseren Haushalt kurzfristig in Ordnung bringen. Langfristig müssen wir hier strukturell etwas tun. Wir müssen eine wettbewerbsfähige Bezahlung bieten können, damit unsere Verwaltung auch, wie bisher, guten Nachwuchs bekommt.

Mit dem Haushalt legen wir auch den mittelfristigen Finanzplan vor. Er umfasst die Zeit von 2002 bis 2006. Wir haben uns das Ziel eines ohne Schulden ausgeglichenen Haushalts für das Jahr 2006 gesetzt. Wir halten an diesem Ziel fest, wenngleich wir natürlich wissen: Wenn sich nichts Entscheidendes ändert, wird dieses Ziel im Jahr 2006 nicht zu erreichen sein.

Wir haben dieses Ziel schon immer – darauf lege ich jetzt doch ganz großen Wert – unter ganz bestimmten Bedingungen genannt. Dazu gehört zunächst ein ausreichendes Wirtschaftswachstum. Jetzt werden Sie sagen, wir hätten da ein Fantasiewirtschaftswachstum angegeben. Nein, wir haben das Wirtschaftswachstum angenommen, das uns die Bundesregierung im Jahr 2001, als wir das Ziel formuliert haben, vorgegeben hat.

(Zuruf des Abg. Wieser CDU)

Wir haben das nicht einfach gegriffen. Damals hat man behauptet, in den Jahren bis 2006 würde die Wirtschaft jedes Jahr um 2,5 % wachsen. Das ist also keine Annahme von uns gewesen, sondern schlicht und einfach die Erfüllung des Veranschlagungsauftrags der Bundesregierung. Dass es ganz anders gekommen ist, wissen wir alle. Wir wissen, dass die Wirtschaft wesentlich schlechter gewachsen ist.