Damit sind natürlich auch die Steuereinnahmen zurückgegangen. Das war die zweite Bedingung: neben ausreichendem Wachstum entsprechend wachsende Steuereinnahmen.
Dies alles ist bisher leider nicht eingetroffen. Deswegen wird es immer schwerer werden, dieses Nullverschuldungsziel einzuhalten. Ich halte das Ziel nach wie vor nicht nur für richtig, sondern sogar für absolut notwendig.
Selbst wenn wir es im Jahr 2006 nicht erreichen sollten, bleibt das dennoch unser Ziel. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, wir sollten es erreichen. Wir müssen es erreichen. Wenn Sie die demographischen Entwicklungen bei uns sehen und bedenken, wie stark wir die zukünftigen Generationen durch die ganzen Umlagesysteme, zum Beispiel bei der Rentenversicherung, bereits belasten, und wenn Sie an unsere Versorgungskosten denken, die explosionsartig steigen, dann stellen Sie fest, dass wir uns eine Verschuldung in einigen Jahren nicht mehr leisten können.
Einiges zur aktuellen Steuerpolitik. Meine Damen und Herren, jetzt könnte man sagen: Wenn die Steuereinnahmen zu gering sind, erhöhen wir doch einfach die Steuern! Das ist die Lösung, die die Bundesregierung uns vorgeschlagen hat. So einfach ist das aber nicht. Meines Erachtens ist das der Blick auf eine Steinzeitökonomie, in der man sagt: „Es bleibt alles, wie es ist. Ich nehme höhere Steuern heraus. Alles andere bleibt so.“ Das ist natürlich nicht richtig. Eine Steuererhöhung hat nachdrückliche Auswirkungen auf die Investitionen. Sie hat nachdrückliche Auswirkungen auf den Konsum und damit nachdrückliche Auswirkungen auf die Konjunktur.
Deswegen bin ich der Ansicht, dass es falsch ist, Steuern zu erhöhen. Wir werden deswegen im Bundesrat mit Ausnahme einer Korrektur bei der Körperschaftsteuer nichts von dem mittragen, was echte Steuererhöhungen sind.
Damit auch hier keine falsche Vorstellung entsteht: Diese Korrektur bei der Körperschaftsteuer kann nicht die Mindeststeuer sein, sondern da geht es – um es offen zu sagen – um den gleichmäßigeren Abfluss der Steuerguthaben, die noch in den Bilanzen stehen. Das ist etwas, was die Wirt
schaft natürlich nicht mit Begeisterung mitmacht, aber, wie ich in Gesprächen mit Finanzvorständen gemerkt habe, doch in gewisser Weise versteht.
Meine Damen und Herren – das zum Ende –, wir tun in Baden-Württemberg, was wir tun können. Die Frage ist: Was können wir für die Wirtschaft tun? Es ist ja immer eine große Diskussion: Was kann der Bund, was kann das Land? Wir können – und das tun wir in Baden-Württemberg – die Wirtschaftssubjekte – ich will sie einmal so nennen –, wir können unsere Wirtschaft langfristig wettbewerbsfähig machen durch Bildung, durch Forschung, durch Wissenschaftspolitik, durch Mittelstandspolitik. Das alles versetzt uns in die Lage, im Wettbewerb mitzuhalten. Den kurzfristig wirkenden Rahmen allerdings, die Arbeitsmarktpolitik, die Sozialversicherungssysteme, die Gesundheitspolitik, hat in erster Linie die Bundespolitik zu schaffen. Ich hoffe, dass da bald etwas geschieht. Allerdings sieht man im Moment noch relativ wenig Anzeichen dafür, dass sich diese Hoffnung erfüllt.
Wir halten an unseren Prioritäten fest: Bildung, Sicherheit und Vorsorge. Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen einen Nachtragshaushalt aufgestellt. Das Gebot der Haushaltswahrheit ist darin eingehalten.
Erfreulicherweise hat auch die Opposition hier im Landtag schon in einigen Fällen Unzufriedenheit mit der Berliner Bundesregierung zum Ausdruck gebracht. Vielen Dank. Gut so, weiter so!
Die Krise, in der wir uns im Augenblick befinden, meine Damen und Herren – das zum Ende –, sollten wir auch als eine Chance begreifen.
Denn wir wollen ganz offen sagen: Auch unsere Bevölkerung war nicht immer sehr reformwillig. Ich habe aber den Eindruck, dass die Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen ganz beträchtlich gestiegen ist.
Ich hoffe, dass wir diese Stimmung ausnutzen können, um unsere Wirtschaft langfristig zu reformieren, um langfristig wieder dafür zu sorgen, dass Deutschland dort steht, wo es immer stand,
Ich bitte Sie im Namen der Landesregierung, diesen Nachtrag einbringen zu dürfen und dem Nachtrag nach eingehender Beratung zuzustimmen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Mit diesem Nachtragshaushalt beweist die Regierungskoalition in schwieriger Zeit ihre Handlungsfähigkeit bei eingeschränktem Handlungsspielraum.
Wir danken dem Finanzminister, wir danken seinem neuen Amtschef, wir danken der Haushaltsabteilung und unserem Koalitionspartner – nicht in dieser Reihenfolge, sondern in gleichem Umfang – für eine gute, sachbezogene Zusammenarbeit, die zur Vorbereitung der Einbringung dieses Haushalts notwendig war. Wir kündigen an, dass sich diese Zusammenarbeit in den nächsten Wochen verstärkt bewähren muss und bewähren wird.
Der Nachtragshaushalt genügt allen Vorgaben der Haushaltsklarheit und der Haushaltswahrheit. Er ist solide, aktuell und zeitgemäß.
Wenn man das Umfeld sieht, wenn man die wegbrechenden Steuereinnahmen sieht, wenn man die ökonomische Lage Deutschlands sieht, könnte man, auch wenn man nicht schwermütig ist, depressiv werden. Ich neige nicht zu Depressionen und auch nicht zur Resignation, aber klar ist: Mit unseren Stellschrauben im Land sind wir nur eingeschränkt in der Lage, dem gegenzusteuern, was auf Bundesebene nicht oder ideologisch falsch geschieht.
Ich lenke nicht ab. Aber in den 18 Jahren, in denen ich hier als Abgeordneter mit tätig bin, habe ich eine derartige Entwicklung noch nicht erlebt. Kollegen, die noch länger hier parlamentarisch tätig sind, bestätigen dies: Wir hatten in den Jahren der Nachkriegszeit vermutlich nie eine derartige ökonomische und haushaltspolitische Situation.
Früher hat man unter „Steuermindereinnahmen“ folgende Entwicklung ausgemacht: Im Haushaltsplan wurde gegenüber dem jeweiligen Vorjahr von einem Wachstum der Steuereinnahmen um 4 % ausgegangen. Das Ergebnis der Steuerschätzung lautete dann: nicht 4 %, sondern nur 2 %. Das heißt: Unter „Steuermindereinnahmen“ verstand man weniger Zuwachs, als eigentlich geplant gewesen war.
Jetzt haben wir erstmals und nicht nur für wenige Wochen die anhaltende Entwicklung, dass die Steuereinnahmen Jahr für Jahr unter denen des Vorjahres liegen. 2001 lagen sie über denen des Jahres 2002; 2002 werden sie möglicherweise über denen des Jahres 2003 gelegen haben.
Unsere Ausgaben, zumal diejenigen, die auf gesetzlichen Verpflichtungen beruhen, werden alle planmäßig geleistet. Die Gehälter werden gezahlt, wir nehmen alle Abschreibungen vor, die sächlichen Ausgaben laufen weiter, die Gesetze im Sozialbereich und in anderen Bereichen werden erfüllt. Die Ausgaben steigen Jahr für Jahr um 2 bis 3 %. Doch die Einnahmen brechen weg: Minus 3 %, minus 4 %, und eine Trendumkehr ist nicht absehbar.
Heute lesen wir im „Handelsblatt“: „Starker Rückgang des Steueraufkommens im Januar – Eichel brechen die Einnahmen weg“. Eichel, der heute im Untersuchungsausschuss in Berlin verhört wird – egal, was Sie davon halten mögen –, hat längst keinen Glanz, keine Kompetenz und kein Konzept mehr. Der Bund hat im Januar dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 22 % an Steuereinnahmen gehabt. Die Steuereinnahmen der Länder blieben um 6,2 % hinter denen des Vorjahres zurück. Unsere Einnahmen im Januar: minus 6,2 %.
Das heißt: Wir haben eine gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die so nicht mehr durch die Haushalte von Ländern und Kommunen aufgefangen und abgefedert werden kann.
575 Millionen € wollen und werden wir mit diesem Haushalt strukturell einsparen. Wenn aber die Steuereinnahmen um mehr als 1 Milliarde € weggebrochen sind, kommt man um eine Erhöhung der Nettoneuverschuldung, so schwer dies fallen mag, nicht herum. Dabei liegen wir mit zwei entscheidenden Vorgaben noch im Rahmen dessen, was verfassungsmäßig ist.
Erstens: Unser Haushalt entspricht, auch mit dem Nachtrag, für das Jahr 2003 der Verfassung. Wir halten den Artikel 84 der Landesverfassung ein. Noch immer ist bei uns die Höhe der neuen Kredite geringer als die der Gesamtinvestitionen. Dies ist längst nicht mehr bei allen Ländern der Fall. Der Haushalt Baden-Württembergs genügt der Landesverfassung.
Zweitens: Wir sind auch eurotauglich. Allein Baden-Württemberg hält die Stabilitätskriterien für die gemeinsame Währung ein. Wir unterschreiten die Höhe der neuen Schulden, die uns rechtlich zustünde – übrigens: die Länder allgemein weitgehend auch –, während der Bund elementar ausbricht. Ich komme darauf nachher zurück.
Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in Deutschland lagen noch im November 2002 bei 1,5 %. Sie gingen im Januar 2003 auf 1,0 % zurück. Mit dem RWI hat gestern das letzte Forschungsinstitut der Wirtschaftssachverständigen seine Prognose von 1,1 % auf 0,5 % korrigiert. Alle Prognosen liegen jetzt bei 0,5 %, und meine Wette gilt: Am Ende des Jahres 2003 werden wir das gleiche beschämende Ergebnis hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung wie im letzten und im vorletzten Jahr haben. Mit 0,2 %
sind wir das Schlusslicht Europas und das Schlusslicht aller Industriestaaten weltweit. Und wenn die Ausgaben um 3 % wachsen, kommen wir mit einem Wirtschaftswachstum von 0,2 % und wegbrechenden Steuereinnahmen im Haushalt nicht mehr hin.