Protokoll der Sitzung vom 26.03.2003

möglicherweise zuerst betroffen. Aber wir arbeiten nachhaltig auch im Zuge unserer Tarifauseinandersetzung darauf hin, dass die Wochen- und Lebensarbeitszeit in Deutschland nicht weiter absinkt, sondern mittelfristig wieder steigt,

(Abg. Drexler SPD: Die Lebensarbeitszeit ist etwas anderes als die wöchentliche Arbeitszeit!)

damit dadurch – und nur dadurch – die guten Gehälter und die Haushalte in Deutschland und in Baden-Württemberg vereinbar sind.

(Beifall bei der CDU)

Wir bekennen uns dazu, dass die Verlängerung der Wochenarbeitszeit für Beamte von 40 auf 41 Stunden möglicherweise notwendig ist, weil nur dadurch für weiteren Stellenabbau und damit für strukturelle Verbesserungen des Haushalts der entsprechende Handlungsspielraum entsteht. Ausgenommen davon sind die Lehrer an den Grund- und Hauptschulen, an den Realschulen und den Sonderschulen, da hier die Vorgriffsstunde und das Modell ein Vertrag über 15 Jahre hinweg ist, der nach Treu und Glauben nicht einfach aufgekündigt und geändert werden kann. Aber an den Gymnasien, im beruflichen Schulwesen ohne die Lehrer der technischen Bereiche,

(Abg. Zeller SPD: Weil die alle sonst nicht ausge- lastet sind!)

an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen muten wir unseren Lehrenden eine Stunde mehr Unterricht und Lehrverpflichtung baldmöglichst, spätestens zum 1. Januar des nächsten Jahres zu. Das kann uns für den Haushalt 2004 einen deutlich gestiegenen Handlungsspielraum bei den Personalausgaben und den Stellen bringen.

Alles in allem: Der Nachtragshaushalt ist eine Umsteuerung in kleinerer Dimension. 275 Millionen € haben wir erreicht. Die Öffnungsklausel, die Verwaltungsreform und die Arbeitszeit sind Steuerungsinstrumente in größerer Dimension. Ich möchte hier, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den Grünen, Frau Kollegin Dederer, behaupten, und ich gehe gerne eine Wette ein: Baden-Württemberg liegt gemeinsam mit Sachsen und hinter Bayern vor den anderen Ländern Deutschlands in der Verschuldung und der Haushaltsstruktur auf dem zweit- oder drittbesten Platz.

(Abg. Drexler SPD: Das nützt ja uns nichts!)

Wir sind auf dem Treppchen; wir sind im Grunde genommen hier in einem sehr engagierten Wettbewerb vorne dabei. Ich möchte wetten:

(Abg. Drexler SPD: Nicht schon wieder! Jeder wet- tet hier! Wir sind doch kein Wettbüro!)

Durch diese Maßnahmen im Nachtragshaushalt und in der Struktur, die im nächsten Jahr umgesetzt werden kann, wird Baden-Württemberg auch in den nächsten Jahren mit dem Ziel einer sinkenden Neuverschuldung mit Sachsen und hinter Bayern vor allen anderen Ländern auf dem zweiten oder dritten Platz bleiben.

(Abg. Schmiedel SPD: Liechtenstein ist besser!)

Wir haben durchaus genügend Verantwortungsgefühl für die Haushaltspolitik unseres Landes. Diese Regierungskoalition ist in diesem Haus ohne jede Alternative. Diese Haushaltspolitik ist meines Erachtens weiterhin beachtenswert. CDU und FDP/DVP halten Kurs.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

Herr Oettinger, ob Sie mit dieser Rede Kurs gehalten haben, das werde ich noch versuchen Ihnen nahe zu bringen. Ich möchte noch etwas zu den Kürzungen sagen, die Sie bezüglich der Beamten gerade vorgeschlagen haben. Sie vergrößern natürlich den Unterschied zwischen Tarifangestellten und Beamten jetzt noch dramatisch in der Arbeitszeit, obwohl Sie ja lange darüber nachgedacht haben: Statt wie bisher eineinhalb Stunden arbeiten die Beamten in Baden-Württemberg zukünftig zweieinhalb Stunden mehr als die Angestellten. Wir sind der Auffassung: Wenn man den öffentlichen Dienst einheitlich sieht, dann kann man das nicht machen.

(Abg. Teßmer SPD: Das ist richtig!)

Darum sind wir dagegen. Sie hätten in Ihrer Analyse des Beispiels mit den zwei Schreibtischen und den zwei unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen dann konsequenterweise auch dagegen sein müssen. Das kann man nicht machen.

Noch viel schlimmer, Herr Oettinger, wird es aber – da verstehe ich Sie überhaupt nicht – in der Frage Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld. Jetzt wollen wir doch mal schauen, was das bei Beamten ausmacht. Nennen wir doch mal die Zahlen. Herr Oettinger, da stelle ich einfach fest, dass Sie und der Herr Ministerpräsident, die sich gerade hinter mir unterhalten

(Zurufe von der SPD)

das ist doch egal, er kann doch mit dem Ministerpräsidenten reden –, offensichtlich beide nicht wissen, was die Leute verdienen. Ich nehme einen Polizeibeamten, der Streife in Baden-Württemberg schiebt, 34 Jahre, verheiratet, Steuerklasse IV. Er hat ein Monatseinkommen von 1 920 €. 1 920 €! Der soll jetzt voll auf sein Urlaubsgeld und auf 25 % des Weihnachtsgeldes, mit dem er ja gerechnet hat, verzichten. Das sind genau 712 € weniger im Jahr.

(Abg. Schmiedel SPD: Skandal!)

Wo leben Sie eigentlich, wenn Sie sagen, dass er darauf verzichten kann? Wo leben Sie eigentlich?

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Seimetz CDU)

Bei den Pensionen der Minister blockieren Sie seit Monaten unser Gesetz, mit dem wir eine Senkung erreichen wollen, aber bei den armen Polizeibeamten gehen Sie rein wie bei den dicken Fischen. Das ist die Politik der CDU hier im Land.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Schef- fold CDU: Machen Sie doch einmal eine Jahres- berechnung!)

Es geht nicht um die Jahresberechnung. Der Mann rechnet doch nicht mit Jahren. Gehen Sie doch mal zu einem Polizeibeamten und erzählen Sie ihm, was Sie verdienen. Dann sagt er: „Bei Ihnen kann man das Weihnachtsgeld auch streichen.“ Sie kriegen ja keines. Solange Sie nicht be

reit sind, Ihre Diäten zu reduzieren, können Sie nicht mit Polizeibeamten so umgehen. Herr Scheffold, das ist doch klar. Wo ist denn da die Glaubwürdigkeit?

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Schef- fold CDU: Sie können nicht Äpfel mit Birnen ver- gleichen!)

Hören Sie auf, von sozialer Gerechtigkeit zu reden, wenn Sie solche Dinge machen.

(Lebhafte Zurufe von der CDU, u. a. der Abg. Pau- li, Dr. Scheffold und Seimetz – Weiterer Zuruf von der CDU: Das ist populistisch!)

Ach hören Sie doch auf! Immer, wenn wir die Wahrheit sagen, ist das populistisch. Ja, es trifft Sie halt; das ist der Punkt.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Und jetzt sage ich Ihnen, wir machen mit beim Weihnachtsgeld und beim Urlaubsgeld, aber wir wollen sozial ausgewogen kürzen. Das kann man sicherlich in der Hierarchie abgestuft machen, aber nicht bei den Polizeibeamten, beim einfachen, mittleren und gehobenen Dienst. Da geht es nicht.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Immer, wenn man mit Ihnen Tacheles redet, sind Sie nervös.

(Abg. Dr. Scheffold CDU: Der Einzige, der nervös ist, sind Sie!)

Ich sage Ihnen, wie es aussieht, was die Leute verdienen und welche Verluste sie aufgrund Ihrer Politik haben.

Jetzt kommen wir zu der Art und Weise, wie der Herr Ministerpräsident die Verwaltungsreform in die Öffentlichkeit, in die CDU-Fraktion, in die Regierungsfraktion eingeführt hat. Wenn man so mit einer Fraktion umgeht, muss man sich schon fragen: Warum macht das ein Ministerpräsident? Warum macht er das? Als Erstes könnte man sagen, er hat Angst, dass seine Fraktion mitdiskutiert. Das ist der erste Punkt. Wahrscheinlich hat er Angst gehabt, dass, wenn er mit einem Konzept kommt, worüber man wochenlang nachdenken kann, dann etwas anderes herauskommt. Ein komisches Verhältnis zwischen dem Ministerpräsidenten und seiner Fraktion!

Ich sage Ihnen einmal etwas ganz anderes: Er wollte der CDU-Fraktion sagen, wer hier Herr im Haus ist. Er kommt mit einem Vorschlag: Das habt ihr zu akzeptieren. Und ihr habt es akzeptiert – ohne jegliche Diskussion darüber, was zu verändern sein wird. Da muss ich sagen: Es ist doch klar, warum er das gemacht hat. Er wollte dieser CDU zeigen, wer Herr im Haus ist. Das hat er gestern Mittag gezeigt. Sie haben nicht den Mumm gehabt, weiter darüber zu diskutieren. Sie haben nicht den Mumm gehabt, zu sagen, dass davon einiges problematisch ist. Herr Oettinger, Sie haben das mit einem einzigen Federstrich abgezeichnet. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Verwaltungsreform zum

Schluss so herauskommt, wie sie jetzt eingebracht wurde. Das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen, weil diese Verwaltungsreform mit dünner Nadel gestrickt ist. Ich werde Ihnen das gleich auch noch einmal sagen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Oettinger CDU)

Ich muss mir ja keine Gedanken über den Umgang des Ministerpräsidenten mit der Regierungsfraktion machen.

(Abg. Seimetz CDU: Eben!)

Das muss ich nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Scheffold CDU)

Aber mir scheint es schon – –

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhart CDU)

Ja, es trifft Sie natürlich. Das ist mir schon klar. Hätten Sie den Mund in der Fraktionssitzung aufgemacht und nicht hier! Dort hätten Sie etwas sagen sollen!

(Lebhafter Beifall und Heiterkeit bei der SPD – Abg. Seimetz CDU: Er tut gerade so, als ob er da- bei gewesen wäre!)