Protokoll der Sitzung vom 27.03.2003

Weil Sie keine Vision und nicht einmal ein richtiges Konzept haben, wirkt diese Medienpolitik schlichtweg beliebig, und deswegen ist es auch möglich, dass man sich um einen Reisesender streiten muss, und deswegen ist es auch möglich, dass ein Herr Hornauer kommt, bevor Sie etwas dagegen unternommen haben.

Heute habe ich gelesen, dass gestern der IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter auf die Frage, wer die Aufträge bekommt, vor Journalisten wörtlich gesagt hat: Hier muss endlich etwas getan werden. Das ist genau der Punkt. Deswegen hat unser Medienstandort keine Ausstrahlung, und darin liegt auch Ihr Versagen.

Aber selbst dann, wenn man kein Konzept hat, von einer Vision ganz zu schweigen, hätte die Debatte um Hornauer schlichtweg aufschrecken müssen. Sie hätte dazu führen müssen, dass ernsthafte Gespräche mit anderen Investoren geführt werden. Aber was erleben wir? Herr Palmer taucht ab, und der Ministerpräsident fühlt sich nicht zuständig. Vielleicht ist es ihm schlichtweg unangenehm, dass sein ehemaliger Haussender – man hat ja immer etwas spöttisch von „Erwin-TV“ gesprochen – mit der eingebetteten Staatsministeriumsberichterstattung so negativ in die Schlagzeilen kommt. Ich glaube wirklich, es ist ihm peinlich.

Trotzdem kann man es sich nicht so einfach machen, sich nur hinzustellen und zu sagen, es gebe einen engen gesetzlichen Rahmen. Dem widerspricht ja keiner. Es gibt ein Bundesverfassungsgerichtsurteil. Aber man kann sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen. Wenn die ganze Welt – zumindest die baden-württembergische – darüber diskutiert, was das eigentlich für ein Mensch ist, der sich hier um eine Lizenz bemüht, dann kann man nicht sagen: Das macht die LfK; das geht uns nichts an. Ein Ministerpräsident mit so hohen moralischen Ansprüchen – zumindest trägt er sie immer vor sich her – muss in einer solchen Frage, die die Menschen in diesem Land wirklich bewegt, Stellung beziehen, so wie es auch Herr Palmer hätte machen müssen. Da geht es nicht darum, auf die LfK Einfluss zu nehmen, sondern es geht einfach darum, zu sagen, wie wir dieses Problem sehen, das in der Öffentlichkeit diskutiert wird. So verlieren Sie Ihre Glaubwürdigkeit.

Lassen Sie mich, Herr Präsident, noch einen letzten Punkt anfügen: Herr Hornauer hat seine Glaubwürdigkeit – falls er jemals eine hatte – längst verloren. Die Wahrheit kommt stets scheibchenweise auf den Tisch: Zunächst erfährt man etwas, was die Beziehung zu der umstrittenen WankmillerSekte anbelangt, dann stellt sich heraus, dass er die LfK in einem Schreiben belogen hat, und schließlich stellt sich auch noch heraus, dass er diese Pornoclips nicht nur – in seinem eigenen Haus; was er in diesem Brief bestritten hat – machen ließ, sondern dass er auch noch irgendwie selbst daran teilgenommen hat. Ich finde, da hat er mehrfach die Unwahrheit gesagt. Deswegen fehlen ihm die Glaubwürdigkeit und die Zuverlässigkeit, einen solchen Sender zu führen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Pauli CDU: Das haben doch nicht wir zu entscheiden!)

Deswegen, meine Damen und Herren, kann ich nur hoffen, dass die LfK im Sinne unseres Medienstandorts entscheidet, damit wir nicht zum Gespött der ganzen Republik werden. Ich hoffe, dass das, was Herr Hornauer über sich selbst gesagt hat – ich zitiere, Herr Präsident –,...

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Ende kommen.

... dass er „die rosarote 0190er-Laterne am Arsch hängen“ habe, auch weiterhin so sein wird und wir ihm diese Laterne nicht abnehmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält Herr Minister Dr. Palmer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Im Gegensatz zu dem Zerrbild, das der Kollege Walter hier entwickelt hat, kommt unser Medienstandort gut voran. Ich möchte Sie einmal bitten, in der überregionalen Presse von den Schwierigkeiten in Nordrhein-Westfalen zu lesen, wo der neue Ministerpräsident Steinbrück den Medienfirlefanz ausgekehrt hat, den Clement in Düsseldorf hinterlassen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Oh-Rufe von der SPD – Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Sehr rich- tig! – Abg. Schmiedel SPD: Mein Gott, immer Nordrhein-Westfalen! Wann fällt der Regierung mal was anderes ein? – Abg. Brigitte Lösch GRÜ- NE: Das ist eine billige Argumentation! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie sollten nicht ablenken, Sie sollten zum Thema kommen!)

Ich empfehle Ihnen, einmal nachzulesen, wie die Arbeitsmarktsituation in Oberbayern aussieht, damit ich nicht immer nur ein SPD-regiertes Land nenne. Lesen Sie nach, wie viele IT-Firmen in Oberbayern, in München in den vergangenen Monaten zusammengebrochen sind und wie sich dort die Arbeitsplatzbilanz und die Wertschöpfung, von der ich – Herr Kollege Walter oder Frau Kipfer – in der Tat immer spreche, entwickelt hat.

Wir kommen in der Ausbildung voran. Wir sprechen heute über die Popakademie. Wir werden das erste Land sein, das eine musikwirtschaftliche Ausbildung unternimmt.

Wir waren gerade zum wiederholten Mal mit einem Film der Filmakademie Ludwigsburg für den Oscar nominiert. Welche Filmhochschule in der Bundesrepublik Deutschland schafft denn das außer Ludwigsburg?

(Beifall bei der CDU)

Ich habe den Eindruck, Herr Kollege Walter, dass wir die Pressekonferenz der IHK, der Handwerkskammer bezüglich der Wirtschaftsförderung der Städte Stuttgart und Ludwigsburg gestern anders verstanden haben. Da steht nämlich in

der gestrigen Pressemitteilung: „Standort gewinnt an Profil.“ Baden-Württemberg wird als Standort für Medienwirtschaft innerhalb der Bundesrepublik Deutschland besser.

(Beifall bei der CDU – Abg. Stickelberger SPD: Aber nicht mit Hornauer! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Nicht ablenken!)

Die Überschriften heute: „In Berlin ist der Hype – in Stuttgart das Geschäft“. Eine bayerische Zeitung schreibt über Baden-Württemberg: „Die neue Oscar-Schmiede“. Wir lassen uns doch diese Erfolge des Medienstandorts BadenWürttemberg durch Ihre kleinkarierte Aufrechnerei nicht kaputtmachen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das muss ich hier in aller Deutlichkeit einmal sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Pfisterer CDU: Sehr gut! – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Was mich wirklich – –

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Die Rede hat Sie so getroffen, dass Sie sogar zittern!)

Ach was. Wissen Sie, wenn man hier einmal mit Temperament diskutiert, dann ist man nicht betroffen, sondern setzt sich mit Ihren Argumenten auseinander.

(Abg. Bebber SPD: Sie sind nur laut, aber nicht temperamentvoll!)

Ich werde auf jedes der Argumente von Frau Kipfer eingehen – auf ausnahmslos jedes.

Zunächst einmal zu B.TV alt: Über das Scheitern des Ballungsraumfernsehens in Deutschland kann man ganz lange reden. Wir sind nicht nur in Stuttgart oder in Karlsruhe gescheitert, sondern auch in Berlin und in München sind Ballungsraumsender eingegangen.

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Sehr richtig!)

Es wird doch kein ernsthaft denkender Mensch darüber diskutieren, dass es schwierig ist, zwischen nationalen Programmen an Werbung heranzukommen, und dass es darüber hinaus schwierig ist, ein Profil zu entwickeln, Ballungsraumsender oder Landessender zu sein. Im Übrigen haben mit dem Rückgang der Werbeeinnahmen auch Qualitätszeitungen wie die „Frankfurter Rundschau“ zu kämpfen. Sie konnten lesen, dass sie sich in diesen Tagen in Hessen um eine Landesbürgschaft bemüht. Was am Werbemarkt los ist, brauche ich Ihnen, glaube ich, nicht zu sagen. Das spüren alle Tageszeitungen genauso.

Aber was mich maßlos ärgert, ist diese Einordnung von B.TV alt mit der Aussage, von Anfang an hätte man erkannt, dass das zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, dass das ein Staatsfernsehen oder sonst was gewesen wäre. Immer, wenn ich dort war, bin ich einem Sozialdemokraten oder einem Grünen in den Sendungen begegnet, und den Kollegen geht es nicht anders.

(Beifall bei der CDU)

(Minister Dr. Christoph Palmer)

Bei jeder Diskussion bin ich einem von ihnen begegnet, egal ob es der sehr geehrte Herr Präsident war, der Herr Drexler oder der Herr Schmiedel.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Nie habe ich allein diskutiert. Ich bin eigentlich über diese Scheinheiligkeit – –

(Lebhafte Zurufe von der SPD – Abg. Bebber SPD: Und das spricht jetzt alles für Hornauer?)

Ich komme zu Hornauer. Ich habe ja Redezeit.

(Zurufe – Abg. Pfister FDP/DVP: So schlecht war das gar nicht! Lustige Runde! – Glocke des Präsi- denten)

Meine Damen und Herren, wenn Sie ausgetauscht haben, wer alles schon bei B.TV war, dann kann der Herr Minister seine Rede fortsetzen. – Bitte schön.

(Abg. Schmiedel SPD: Wer hat denn seinen Ge- burtstag zelebriert?)

Vielen Dank. – Diese Scheinheiligkeit mögen Sie fortgesetzt sehen in der Veröffentlichung des Rechenschaftsberichts. Die Ersten, die ihn veröffentlicht haben, waren die Grünen. Pecunia non olet. „Welt“, 13. März: „Lokalsender strahlte Wahlspots im Wert von 400 000 DM gratis aus“. Das sei die größte Spende in der Geschichte der Grünen, veröffentlicht im Rechenschaftsbericht der Grünen jetzt vor wenigen Tagen. Scheinheiligkeit ist das!

(Beifall bei der CDU)

Ich habe hier noch eine andere Aufstellung: Vor der Landtagswahl 2001 hat B.TV alle Kandidaten eingeladen, sich zu präsentieren, einen Wahlspot zu machen,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Haben sie alle gemacht!)

dort aufgenommen zu werden. Dafür gab es dann die Spendenquittungen. Ich sage, das ist in Ordnung. Alle Parteien haben das auch in Anspruch genommen.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Zum Thema, Herr Minis- ter! – Abg. Bebber SPD: Und das rechtfertigt jetzt Hornauer?)

Sie haben über B.TV alt gesprochen, und deshalb spreche ich zunächst auch über B.TV alt.