Christoph Palmer

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Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst bedanke ich mich für die doch überwiegende Zustimmung zum Bericht. In der Tat ist richtig, was Kollege Rust gesagt hat, dass durch die Europäische Union in einer unheimlichen Vielfalt eine Beeinflussung politischer Themenfelder in jedem Land, aber auch in jeder Kommune Deutschlands und Europas stattfindet. Wir machen uns das mitunter überhaupt nicht klar. Die bundespolitische Ebene wird immer mitgedacht, aber die europapolitische Ebene wird leider noch immer zu wenig mitgedacht. Es ist eine permanente Aufgabe, diese europäische Ebene mit im Kopf zu haben, wenn wir in diesem Land Politik machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich möchte zweitens sagen: Es gibt mittlerweile ein erstaunliches Maß an Rückflüssen. Wir haben ja im letzten Bericht begonnen, einmal auch die Rückflüsse zu dokumentieren. Im vergangenen Jahr 2003 waren es 570 Millionen €. Man
darf nicht immer nur eine „Zahlmeisterdiskussion“ führen, sondern muss auch einmal darüber sprechen, was die Bundesrepublik und Baden-Württemberg im Besonderen zurückerhalten. Natürlich ist wahr, dass der Landwirtschaftsetat als der einzige voll vergemeinschaftete Bereich der Politik in Europa den Löwenanteil davon erhält, aber der Wissenschaftsetat ist im Steigen begriffen, und auch der Forschungsetat ist im Steigen begriffen. Ich finde es gut, dass wir jetzt einfach in jedem Jahr schwarz auf weiß dokumentieren, was wir von der Europäischen Union an Rückflüssen bekommen.
Ich möchte drittens ein Wort des Dankes sagen, und zwar nicht nur an alle Mitarbeiter, die diesen Bericht erstellt haben, sondern an alle Mitarbeiter in der Landesverwaltung auf den unterschiedlichen Ebenen, die sich das ganze Jahr über mit europäischen Sachverhalten befassen. Es sind vielfach immer noch Pioniere, die in ihren Dienststellen vorausgehen, aber wir haben gar keine Alternative dazu, in der ganzen Verwaltung auch die europäischen Instrumentarien zu schärfen und Bewusstsein für Europa zu wecken. Deshalb sage ich einmal allen „Europäern“ in der Landesverwaltung für ihre gute Arbeit über das ganze Jahr hinweg ein herzliches Wort des Dankes.
Dann will ich zur Strukturpolitik etwas sagen, da sie ja in der Debatte angesprochen worden ist: Wir stimmen an dieser Stelle mit der Bundesregierung in ihrer Einschätzung der finanziellen Vorausschau der Kommission ab dem Jahre 2007 überein. Diese Vorausschau ist in der Tat illusionär. Wir können die Strukturpolitik nicht im gleichen Umfang von Westeuropa auf Osteuropa „umklappen“. Das würde uns finanziell überfordern, und das geht nicht.
Allerdings hat die Bundesregierung, Herr Kollege Rust, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet; denn die Einstellung der INTERREG-Förderung an den alten Binnengrenzen der Europäischen Union, also innerhalb der vormaligen Europäischen Union, ist – soweit ich sehe – bislang in der Diskussion Europas ein Vorschlag, den ausschließlich die deutsche Bundesregierung gemacht hat. Sie haben uns aufgefordert, vonseiten der Landesregierung dagegen Stellung zu nehmen. Das tun wir. Wir haben in den Ausschüssen des Bundesrats gerade einen Antrag durchgesetzt, der in wenigen Tagen in das Plenum kommen wird. Er beinhaltet die Aufforderung an die Bundesregierung, von diesem Vorhaben abzulassen.
INTERREG bleibt in allen Grenzregionen Europas wichtig, weil es das Instrumentarium dafür ist, überregionale Zusammenarbeit zu fördern. Es ist zwar richtig, dass im „alten“ Europa formale Grenzen fortgefallen sind; aber die mentalen Grenzen sind damit noch lange nicht weg. Deshalb brauchen wir die INTERREG-Förderung in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auch weiterhin in einem nennenswerten Umfang an den alten Grenzen: gegenüber der Schweiz – das ist ohnehin noch eine echte Außengrenze –, am Bodensee, im Allgäu gegenüber Vorarlberg bzw. Österreich, aber insbesondere eben auch am Rhein gegenüber Frankreich. Ich würde mich freuen, wenn das Haus uns in diesem Einsatz für INTERREG auch und vor allem gegen
über der Bundesregierung unterstützen würde, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Nun noch ein paar Gedanken zur Verfassung: Sie ist in der Tat – wir haben oftmals darüber diskutiert – ein Meilenstein für die weitere Entwicklung. Es sind wichtige Länderforderungen eingelöst worden: Die Kompetenzkategorien, das Frühwarnsystem, das Klagerecht und die institutionellen Fortschritte sind zu Recht in der Debatte genannt worden. Manches ist nicht erreicht worden. Leider haben wir in einzelnen Bereichen auch Kompetenzausweitungen zu konstatieren, etwa in der Energiepolitik und in der Gesundheitspolitik. Da ist manches gerade auf den letzten Metern des Weges im Konvent und dann in der Regierungskonferenz nicht so gelaufen, wie wir es uns gewünscht hätten. Aber natürlich kann man weit überwiegend mit dieser Verfassung zufrieden sein. Ludwig Uhland hat 1819 bei der Verabschiedung der ersten Württembergischen – halbwegs demokratischen – Verfassung gesagt: „Mancher wird manches vermissen, aber das Wesentliche besteht.“ – So sehe ich es auch bei der Europäischen Verfassung: „Das Wesentliche besteht.“
Allerdings gibt es eine Ausnahme, und diese Ausnahme ist mehr als ein Schönheitsfehler, weil es nicht nur ein Halbsatz oder ein Hinweis ist, der in dieser Präambel fehlt, sondern weil es ein schlechter Start für diesen Verfassungsvertrag ist. Man sollte das nicht so gering schätzen, lieber Herr Kollege Rust, wie Sie es mit einer Seitenbemerkung gemacht haben. Denn in einer Präambel und in einem Gottesbezug kommt das Menschenbild der Europäer zum Ausdruck. Da kommt die Leitlinie, die unser Leben beeinflussende Grundauffassung zum Ausdruck. Deshalb ist es natürlich weit mehr als ein Schönheitsfehler, dass in dieser Europäischen Verfassung eine Invocatio Dei, ein Gottesbezug, fehlt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das ist keine gute Entscheidung der Europäer gewesen.
Ich habe jetzt leider den Zwischenruf nicht verstanden. Aber ich glaube, da ist Herr Kollege Rust einfach falsch informiert.
Ich habe ja an der gesamten Regierungskonferenz teilgenommen: Es war nirgends ein Handel nach dem Motto „Gib mir den Kirchenartikel, und ich verzichte dafür auf den Gottesbezug“. Das war nicht einmal in einem einzigen Wortbeitrag die Alternative. Der Kirchenartikel ist während der Vertragsverhandlungen von Amsterdam 1993 hineingekommen. Der Kirchenartikel wurde wirklich von keinem einzigen Land zur Disposition gestellt. Es war etwas ganz anderes: Die Belgier, die Franzosen und zum Teil auch Vertreter der nordeuropäischen Länder haben gesagt: „Wir wollen eine durch und durch laizistische, eine vollständig säkulare Verfassung haben, und mit einer solchen Verfassung verträgt sich kein Gottesbezug.“
Lassen Sie mich bitte den Gedanken zu Ende führen. Dann gestatte ich gern eine Zwischenfrage.
In meinen Augen ist es eben eine ganz abseitige Fährte, auf die wir uns begeben. Hier ist Neutralität mit Indifferenz verwechselt worden, und Indifferenz dürfen sich die Europäer nicht leisten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Bitte schön.
Herr Rust, wir haben uns da gar nicht irgendetwas Böses vorgeworfen. Sie sind schlicht falsch informiert, habe ich gesagt, und die Informationen aus erster Hand wurden jedenfalls nicht
in irgendeine Debatte im Konvent oder in der Regierungskonferenz eingebracht. Sie finden sie in keinem Protokoll.
Aber ich kann an dieser Stelle natürlich schon ein bisschen schärfer werden, wenn Sie das wünschen. Ich hätte mir von dieser deutschen Bundesregierung in der Tat einen stärkeren Einsatz für den Gottesbezug erhofft, aber er ist leider nicht erfolgt.
Zum Thema religiöses Erbe: Dieses religiöse Erbe ist eine Formulierung, die der Konventspräsident Valerie Giscard d’Estaing eingebracht hat. Diese Formulierung ist ein Fortschritt gegenüber dem, was in der ersten Grundrechtecharta drinsteht, wo nur vom spirituellen Erbe die Rede war. Das hat auch überhaupt niemand bestritten. Ich habe es auch immer wieder gesagt. Diesen Fortschritt muss man konstatieren; aber er ist nicht ausreichend. Es gehört doch zur historischen Wahrhaftigkeit, dass die Europäer noch sagen dürfen und müssen, dass es das Christentum war, das zweitausend Jahre die Wirklichkeit Europas geprägt hat, und nichts anderes!
Da kann ich mich doch nicht in eine neutrale Nische zurückziehen und allgemein sagen: Das religiöse Erbe Europas ist wie das kulturelle Erbe Europas eben wichtig für unsere Traditionen gewesen.
Ich will Ihnen in großem Ernst ein Wort sagen, das der erste Bundespräsident, Theodor Heuss, einmal unnachahmlich formuliert hat. Er hat gesagt – ich finde, das ist auch die zentrale Begründung für einen Gottesbezug und für eine Benennung des Christentums in dieser europäischen Verfassung –: „Von drei Hügeln ging Europa aus: von der Akropolis, vom Kapitol und“ – das hat er als Wichtigstes genannt – „von Golgatha.“ Das ist auch die historische Wahrheit. Griechische Philosophie, römisches Recht und Christentum, das hat Europa in den vergangenen zweitausend Jahren vor allem geprägt. Man hätte den Mut haben müssen, das auch zu benennen. Unsere Bundesregierung hat diesen Mut nicht gehabt, meine sehr verehrten Damen und Herren, sich dafür energisch einzusetzen.
Gerne.
Lieber Herr Kretschmann, ich darf natürlich nicht aus nichtöffentlichen Regierungskonferenzen wörtliche Zitate bringen. Deshalb kann ich Ihnen jetzt ein Zitat unseres Kanzlers, das Sie als Christ sehr beeindrucken würde, nicht sagen.
Ich sage es Ihnen privat.
Aber ich kann Ihnen Folgendes sagen: Es hätte auch in der Regierungskonferenz noch eine Chance gegeben, etwas zu
erreichen. Es gab einen Brief von sieben osteuropäischen und westeuropäischen Außenministern,
um auf den Schlussmetern noch etwas zu erreichen. Das stärkste und größte Land Europas hätte, wenn es gewollt hätte, dieser Initiative mit Nachdruck beitreten können und hätte dann auch etwas erreichen können – zumindest für das „christliche Erbe Europas“.
Nein, Herr Kollege Schmid.
Ich habe den Sachverhalt in der notwendigen Wahrhaftigkeit und der notwendigen Klarheit hier dargestellt.
Sie werden das alles auch einmal nachlesen können,
wenn sich die Wissenschaft diesen Themen einmal näher gewidmet hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Dr. Schüle hat zu Recht auf den ganz wichtigen Aspekt der Subsidiarität und der Umsetzung des Frühwarnsystems im Zusammenhang mit der Verfassung hingewiesen. Ich glaube, wir müssen uns jetzt sehr intensiv mit dieser Frage befassen, auch in der Zusammenarbeit zwischen Landesregierung und Landtag. Wir haben im Jahr ungefähr 1 000 Beratungsgegenstände, über die wir im Europaausschuss des Bundesrats verhandeln. Davon sind zwar nur ein relativ kleiner Teil Gesetzgebungsvorhaben, aber natürlich muss auch vieles andere unter Subsidiaritätsgesichtspunkten geprüft werden.
Ich würde anbieten und hoffen, dass der Landtag und die Landesregierung zu einem gemeinsamen Verfahren kommen, wie wir dieses Frühwarnsystem innerstaatlich und auch im Verhältnis des Bundesrats zu den Landtagen – auch zum Landtag von Baden-Württemberg – sinnvoll umsetzen. Da müssen wir ins Gespräch kommen, denn wir haben nur sechs Wochen Zeit für die Subsidiaritätsprüfung. Es ist zwar nicht so, dass diese Frage morgen vor der Tür stehen würde. Zuerst muss die Verfassung verabschiedet werden. Aber wir brauchen ein Instrumentarium – da hat Kollege Schüle absolut Recht –, mit dem wir das miteinander bewältigen. Wir werden in Zukunft nämlich bei keiner Maßnahme mehr sagen können, wir seien im Vorfeld nicht informiert worden.
Ein Ausschuss als solcher macht die Beratungsintensität auch nicht besser. Es kommt darauf an, dass wir ein Verfah
ren entwickeln, wie wir uns mit den Gegenständen befassen und dann auch verständigen.
Nun hat in der Debatte die Frage des Beitritts der Türkei – auch aus gutem Grund; sie ist aktuell – die zentrale Rolle gespielt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung stellt übereinstimmend fest, dass wir einen Beitritt der Türkei zum jetzigen Zeitpunkt nicht befürworten können. Sie finden das auch im Europabericht.
Wir machen dafür unterschiedliche Gründe geltend, zum Beispiel erstens geografische Gründe. Die Ukraine und Weißrussland haben unter geografischen Gesichtspunkten mindestens das gleiche Recht – wenn nicht sogar ein größeres Recht –, in die Europäische Union zu gelangen, wenn sie die Voraussetzungen, die so genannten Kopenhagener Kriterien, erfüllen.
Es gibt zweitens politische Gründe. Man sollte die Türkei einmal daraufhin anschauen, an welche Länder sie grenzt: Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Iran, Irak und Syrien. Ich glaube, man würde diese Europäische Union politisch überfordern, wenn man der Türkei in einem überschaubaren Zeitraum eine solche Beitrittsperspektive gäbe.
Der dritte Punkt kommt heute ganz anschaulich im Fortschrittsbericht und in der Machbarkeitsstudie zum Ausdruck: Wir würden die Europäische Union auch finanziell an Grenzen bringen. Die Nettokosten für einen Beitritt der Türkei werden von der EU-Kommission auf 16 bis 28 Milliarden € pro Jahr beziffert, je nach Szenario. Das ist natürlich weit mehr als bei jeder anderen Erweiterung, die bisher gemacht wurde. Das kann man auch nicht mit der Erweiterung um zehn Länder vergleichen, bei der für einen Zeitraum von fünf Jahren 40 Milliarden € bereitgestellt wurden. Hier geht es um jährlich 16 bis 28 Milliarden € Nettokosten, die auf die alten Mitgliedsländer umgelegt würden. Wir würden uns auch finanziell überfordern, meine sehr verehrten Damen und Herren.
In der Debatte ist nun gesagt worden, wir hätten den Weg zu einer Mitgliedschaft der Türkei schon früher eingeschlagen. Wahr ist: Es gibt ein Assoziationsabkommen der alten EWG mit der Türkei von 1963. Ich halte das aber für einen ganz falschen Beleg in dieser Debatte. Was war denn die EWG 1963? Es war eine Freihandelszone, es war eine Meistbegünstigungszone. Es hat doch kein Mensch etwas dagegen, dass wir in der Welt Freihandel miteinander veranstalten. Das wird auch jeder Marktwirtschaftler vertreten. Deshalb ist dieser Rekurs auf 1963 natürlich falsch.
Ebenso ist der Hinweis auf den Beschluss des Europäischen Rates vom Dezember 1997 schlicht falsch. Ich habe diesen Beschluss im Wortlaut da. Der Europäische Rat in Luxemburg hat beschlossen, dass für alle Beitrittsländer – für alle, die ein Beitrittsgesuch stellen – die gleiche Anwendung der Kopenhagener Kriterien zu gewährleisten ist, also beispielsweise auch für Bulgarien, Rumänien, Kroatien, Mazedonien, also für alle, die bereits einen Antrag gestellt haben oder in Zukunft einen Antrag stellen.
Der erste Schritt, der wahrhaftig in die Richtung gegangen ist, die Türkei zu einem Vollmitglied der Europäischen Union zu machen, dieser erste Schritt ist im Dezember 1999 durch den Europäischen Rat in Helsinki erfolgt. Da hat die Türkei den Status des Beitrittskandidaten bekommen. Wir halten dies für einen Fehler. Wir glauben, dass das kein Weg ist, der in eine, wie es Kollege Kretschmann genannt hat, strategische Zukunft weist. Ich glaube, es ist ehrlicher, das auch Freunden und wichtigen Nationen im Vorhinein in aller Offenheit zu sagen. Denn was entsteht für ein außenpolitischer Schaden, wenn im Rahmen des Ratifikationsverfahrens, das in allen Ländern erforderlich ist – für das in Deutschland übrigens eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat und in anderen Ländern eine Volksabstimmung vorgesehen ist –, beispielsweise die Franzosen in einer Volksabstimmung Nein zu einem Beitritt der Türkei sagen? Da ist es doch viel ehrlicher, von vornherein guten Freunden zu sagen: Lasst uns aus geografischen, politischen und ökonomischen Gründen gemeinsam das Konzept einer privilegierten Partnerschaft entwickeln, die in die Zukunft weist. Genau das ist der Weg, den auch die Landesregierung vertritt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Nun ist vom Kollegen Kretschmann bezweifelt worden, dass der Vorschlag der privilegierten Partnerschaft mit einem Konzept unterlegt wäre. Herr Kollege Kretschmann, der Verfassungsvertrag sieht in Teil I Artikel 57 über die Beziehungen der EU zu ihren Nachbarn ausdrücklich ein solches besonderes Integrations- und Partnerschaftsverhältnis vor. Diese Regelung schafft den Rahmen dafür, dass es an den Rändern der Europäischen Union engere Formen der Zusammenarbeit gibt. Das ist für die Türkei gangbar.
Dieses Konzept der privilegierten Partnerschaft ist ganz genau definiert und liegt auf dem Tisch. Wir haben im Augenblick bei den Zöllen, bei den Tarifen und Handelsbeschränkungen beispielsweise eine Beschränkung auf Industriegüter und auf verarbeitete landwirtschaftliche Produkte. Man kann auch eine komplette Zollbegünstigung beschließen.
Man kann, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zusammenarbeit mit der Türkei auf anderen Gebieten suchen: beim Umweltschutz, bei der Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen, bei der Gesundheit, bei der Bildung. Man kann sich vorstellen, dass wir im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und bei der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zusammenarbeiten. Man kann sich auch eine Integration in die GASP und in die ESVP vorstellen. Selbstverständlich ist es im Rahmen dieser privilegierten Partnerschaft auch möglich, justiziell bei der Bekämpfung des Terrors zusammenzuarbeiten.
Das gesamte Spektrum der Zusammenarbeit von Nationen, die gleichgerichtete Interessen haben, wird in Zukunft an den Rändern der Europäischen Union unverzichtbar sein, übrigens nicht nur mit der Türkei, sondern, wenn ich die aktuelle Diskussion des Bundesinnenministers über die Auffanglager in Nordafrika sehe, auch mit den Maghreb-Staaten, natürlich auch mit den Staaten im Kaukasus und mit den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion.
Wir brauchen solche strategischen Konzepte für privilegierte Partnerschaften nicht nur mit der Türkei, aber selbstverständlich besonders mit der Türkei. Denn dass die Türkei ein Brückenland ist, ein Übergangsland zwischen Orient und Okzident, dass die Türkei in ihrer geschichtlichen Entwicklung immer ein Janusgesicht hatte, einerseits nach Europa herüber, andererseits nach Asien hinüber, wird von niemandem in dieser Diskussion bestritten. Ich warne nur davor, aus Euphorie und aus Naivität in einen Prozess hineinzugehen, der am Ende die große Gefahr in sich birgt, die Europäische Union an der Frage der Aufnahme der Türkei zu sprengen. Das ist nämlich tatsächlich die große Dimension dieses Beitritts, die wir mit Sorge diskutieren müssen.
Herzlichen Dank.
Herr Drexler von der letzten Reihe, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Landesregierung hat in der ganzen Gebührendiskussion – das ist ja auch angeklungen – eine abgewogene, eine verfassungskonforme und zurückhaltende Position eingenommen. Wir haben die Urteile und hier vor allem das Urteil von 1994 ganz genau gelesen. Wir respektieren es, und deshalb werden Sie von mir in all den Verfahrensschritten auch keine einzige Äußerung hören, die Sie hier problematisieren könnten.
Ich habe dafür sogar in der Publizistik Kritik einstecken müssen, weil gefragt wurde: „Wo ist denn Baden-Württemberg? Warum beteiligt ihr euch nicht an diesem frischen, notwendigen Vorstoß von Bayern und Nordrhein-Westfalen?“ Das ging ja von diesen beiden Ländern aus. Ich habe immer gesagt: „Wir respektieren das Verfahren.“
Dabei bleibt es. Aber nun muss man natürlich sagen, dass die Rundfunkresolution des SWR vom 24. September dieses Jahres noch gar nicht die Position berücksichtigt hat, die die Länder auch nach der Anhörung von ARD und ZDF und nach der Anhörung der KEF gegenüber den Anstalten und gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert und als Beschlusstext für die morgen und übermorgen stattfindende Ministerpräsidentenkonferenz vorgelegt haben.
Deshalb will ich in aller Sachlichkeit einfach einmal begründen und darstellen, wie der Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Staatssekretär Stadelmaier – RheinlandPfalz führt seit Jahrzehnten den Vorsitz in der Rundfunkkommission und vertritt, wie wir auch, in aller Regel moderate Auffassungen in der rundfunkpolitischen Diskussion, fängt links und rechts immer wieder irgendwelche Abweichler ein; Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sind auch gemeinsame Staatsvertragsländer des SWR –, für die Rundfunkkommission der Länder die Abweichungen vom Vorschlag der KEF begründet. Denn das ist ja die einzige Möglichkeit, wie wir von den 1,09 €, die die KEF vorgeschlagen hat, abweichen können.
Diesen Spielraum hat uns übrigens Karlsruhe gelassen. Wenn Sie einmal die Leitsätze des Karlsruher Urteils von 1994 anschauen, dann sehen Sie, dass darin ausdrücklich steht, dass die soziale Angemessenheit ausreichend abzuwägen und zu berücksichtigen ist. Genau das haben die Länder nun getan.
Wenn Sie erlauben, Frau Präsidentin, dann zitiere ich hier einen längeren zusammenhängenden Abschnitt aus einem Brief von Herrn Stadelmaier:
Diese abweichende Entscheidung vom Vorschlag der KEF wird im Einzelnen wie folgt begründet:
a) Die nunmehr von der KEF vorgelegte Gebührenempfehlung fällt in das Umfeld einer deutlich angespannten wirtschaftlichen Lage, die große Herausforderungen und finanzielle Einschränkungen für alle Teile der Bevölkerung mit sich bringt. Zusätzliche Belastungen aus dem öffentlichen und damit aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich haben daher die Angemessenheit dieser Belastungen für die Gebührenzahler jenseits reiner Bedarfskalkulationen zu berücksichtigen.
Hier ist also die Veränderung der gesamtwirtschaftlichen und gesamtsozialen Situation in Deutschland angesprochen. Ich fahre fort mit dem Brief:
b) In die Angemessenheit einer zusätzlichen Belastung des Gebührenzahlers ist ferner einzubeziehen, dass die KEF selbst in ihrem 14. Bericht auf vorhandene Einsparpotenziale hinweist, die noch nicht hinreichend erschlossen sind. Darüber hinaus haben die Rundfunkanstalten mit der Vorlage von Selbstverpflichtungen deutlich gemacht, dass sie entschlossen sind, durch strukturelle und sonstige Maßnahmen jenseits der KEF-Vorgaben solche Einsparpotenziale nutzbar zu machen....
Ich lasse jetzt weg, dass Personalmaßnahmen im 14. KEFBericht noch keine Berücksichtigung finden konnten. Ich zitiere weiter:
c) Solche erst nach dem 14. KEF-Bericht auftretenden Einsparpotenziale ergeben sich weiterhin aus veränderten staatsvertraglichen Rahmenbedingungen.
Da kommt nun auch ein Teil, den wir auf der öffentlichen Seite beschließen können. Das wird übrigens auch von niemandem in den Anstalten bestritten. Weiter im Zitat:
So ist es in die Entscheidung der Rundfunkanstalten gestellt, unter Wahrung der Möglichkeit, auf DVB-T umzustellen, die analoge terrestrische Fernsehversorgung einzustellen, wenn die Versorgung über einen anderen Übertragungsweg gewährleistet ist. Zusätzlich werden mit der Novellierung des Rundfunkgebührenstaatsvertrags einschließlich der Vereinfachung des Gebührenbefreiungsrechts die Rundfunkgebühr entlastende Maßnahmen vorgenommen.
Meine Damen und Herren, aus genau diesen Gründen kommen die Rundfunkkommission und die Chefs der Staatskanzleien zu der Meinung, dass eine Abweichung vom KEF-Vorschlag begründet werden kann.
Nun sagt ein so maßvoller und vernünftiger Ministerpräsident wie Kurt Beck, der zugleich, Frau Kipfer, Vorsitzender Ihrer Rundfunkkommission ist, dass das der Vorschlag für die Gebührenfindung im deutschen Föderalismus ist. Da finde ich es schon einigermaßen verwunderlich, dass Sie jetzt die Landesregierung von Baden-Württemberg für die Ministerpräsidentenkonferenz mit einer Rundfunkratsresolution, die die Begründung der Länder für die Abweichung vom KEF-Vorschlag noch gar nicht kennt, unter Druck setzen möchten. Ich gebe deshalb zu bedenken, ob denn diese Diskussion heute überhaupt aufrechterhalten werden kann, wenn jetzt dieser Vorschlag der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei auf dem Tisch liegt.
Ich will gar keine Schärfe hineinbringen, aber natürlich ist es richtig – das hat Frau Kipfer immerhin gesagt, und auch Jürgen Walter hat es angesprochen –, dass der nordrheinwestfälische Ministerpräsident Steinbrück das schärfste Schwert geführt hat. Ich will ihn aus einer heutigen epdMeldung zitieren:
Steinbrück rechnet es sich als persönliches Verdienst an, den in den Köpfen der Programmverantwortlichen verankerten Gebührenerhöhungsautomatismus durcheinander gebracht zu haben.
Und weiter:
Wenn die Anstalten den Klageweg gehen, dann wird es mit Sicherheit eine lange Reise.
Dann erhofft er etwas. Das will ich auch zitieren:
„In dieser Zeit wird mit Sicherheit dann auch die EU tätig werden“, betonte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident. Die Sportrechte, die Finanzierung von Teilen des Programms und die Online-Aktivitäten seien ohnehin Bereiche, mit denen sich Brüssel beschäftigen müsse.
Von daher kann ich nur sagen: Die Resolution hat die falschen Adressaten. Die baden-württembergische Landesregierung hat sich auf Punkt und Komma an das Urteil von 1994 gehalten. Wir haben in der gesamten Diskussion immer eine moderate Position vertreten. Dafür bräuchten wir eigentlich Unterstützung und nicht Kritik.
Ich will aus aktuellem Anlass in aller Kürze noch zweitens sagen, was auf dieser Ministerpräsidentenkonferenz offen ist und wofür wir uns einsetzen. Es sind drei Fragen offen.
Die erste Frage ist: Sollen die Hotels weiterhin einen halben Satz für das einzelne Empfangsgerät, Radio und Fernseher, zahlen? Wir sind der Meinung, es sollte bei dieser Reduzierung für Hotels bleiben. Wir werden uns in der Ministerpräsidentenkonferenz dafür einsetzen.
Allerdings geht man in keine Konferenz so hinein, wie man herauskommt. Wir sind auf Einstimmigkeit angewiesen. Im Augenblick ist die Gefechtslage so, dass Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern für diese Position sind. Da sind die drei großen Tourismusländer – A- und B-Länder – unisono der Meinung, dass eine Veränderung kommen soll. Bayern ist leider nicht dieser Meinung. Ich kann Ihnen den Ausgang dieser Frage noch nicht prognostizieren.
Zweitens setzen wir uns für das Anliegen des SWR ein, dass wir die Zuständigkeit für 3sat, das deutschsprachige Kulturprogramm der Schweiz, Österreichs und Deutschlands, nicht allein dem ZDF geben, sondern der ARD die Mitzuständigkeit lassen. Die Federführung hierfür hat unser SWR. Es sollte so bleiben, dass wir bei 3sat das gesamte öffentlich-rechtliche System abbilden und da nicht allein das ZDF für zuständig erklären.
Ich kann Ihnen allerdings auch hierzu noch nicht den Ausgang sagen. Aber wir gehen mit dieser Position in die MPK hinein.
Der dritte Bereich, bei dem wir eine Änderung anstreben, ist der ARD-interne Finanzausgleich. Ich verhehle nicht, dass uns da die Strukturhilfen für Radio Bremen und den Saarländischen Rundfunk im Bereich von Investitionen für Häuser im Jahr 2003 überhaupt nicht gefallen haben. Das haben die Intendanten festgelegt. Wir halten das auch nicht für mit dem Wortlaut der Protokollerklärungen von 1999 gedeckt, als wir den ARD-internen Finanzausgleich beschränkt und halbiert haben. Wir hatten diese Strukturhilfen – das sage ich ausdrücklich – mit dem Wortlaut nicht gemeint. Man hat mit der Protokollerklärung etwas anderes gemeint. Man wollte den Austausch von Programmen. Man wollte Hilfe für die Kleineren, damit man sich bei Sendungen und bei Programmen unterstützen kann. Wir haben uns nie und nimmer vorgestellt, dass wir für fast 100 Millionen € Strukturhilfen an Radio Bremen und den Saarländischen Rundfunk zahlen.
Aber was wir mindestens erreichen wollen, ist, nachdem die fusionierte Anstalt RBB
jetzt aus dem ARD-Finanzausgleich herausfällt, dass wir deren Anteil nicht auf Radio Bremen und den Saarländischen Rundfunk umlegen, sondern dass wir zu einer Entlastung unserer Gebührenzahler und zu einer Entlastung des SWR kommen, indem wir diesen Anteil herausrechnen und nicht in Richtung der zwei kleinen Anstalten umschichten.
Mit diesen drei Zielen gehen wir in die Ministerpräsidentenkonferenz. Wir haben, glaube ich, keinen Grund, uns zu verstecken oder von dieser Resolution unter Druck setzen zu lassen. Ich stelle noch einmal anheim, zu bedenken, ob sie sich durch die Begründung des den Vorsitz führenden Landes in der Rundfunkkommission, Rheinland-Pfalz, nicht mittlerweile überholt hat.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte für die Landesregierung ein klares Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland – das ist heute das Thema, nicht die duale Rundfunkordnung – abgeben, und ich möchte auch ein klares Bekenntnis zum SWR abgeben. Der SWR hat sich in den Jahren seit seiner Fusion für das Land außerordentlich bewährt, zumindest weit überwiegend. Wir haben einen klaren Standortmehrwert von dieser Zweiländeranstalt, und wir können auch einmal mit Respekt sagen, dass in der Fusionsphase sehr viel Arbeit erfolgreich bewältigt worden ist. Das will ich hier für die Landesregierung ausdrücklich einmal sagen.
Es ist richtig, dass der SWR auch für die Kulturlandschaft, für die Medienlandschaft insgesamt, für die Produktionslandschaft sehr wichtig ist. Ich bin für den Hinweis dankbar, dass der SWR aufgefordert ist, sein Auftragsvolumen in der Filmproduktion nach außen zu geben. Da sind wir noch nicht so weit, wie wir sein sollten. Ich will an dieser Stelle auch sagen, was ich bei einem anderen Anlass hier im Parlament schon gesagt habe: Wir müssen darauf achten, dass sich das Land Baden-Württemberg innerhalb der ARD auch in den Serien besser und breiter darstellt. Baden-Württemberg ist das drittgrößte deutsche Land. Es muss innerhalb von ARD und ZDF auch angemessen in den nationalen Programmen zur Geltung kommen.
Im nationalen und internationalen Vergleich hat sich das öffentlich-rechtliche System bewährt, und in den vergangenen
20 Jahren hat sich die duale Rundfunkordnung in Deutschland austariert.
Im Rahmen dieser dualen Rundfunkordnung habe ich hier ein weiteres Mal eine klare Übereinstimmung für eine angemessene Gebührenausstattung des öffentlich-rechtlichen Systems festgestellt. Man muss allerdings schon sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dass die Gebührenanmeldungen der Anstalten für die neue Gebührenperiode außerordentlich fantasievoll waren. Die KEF hat die Anmeldungen schließlich auf das richtige Maß zusammengestutzt, und wir haben mit einer Erhöhung der Rundfunkgebühren um 1,09 € einen vernünftigen Vorschlag vorliegen. Aber die Frage muss schon erlaubt sein, ob man in Zukunft Fantasieanmeldungen bei der KEF vornehmen kann oder nicht. Ich bin dafür, dass auch bei den Anstalten mehr Realität und Klarheit in der Anmeldepolitik einkehren.
Denn die Anstalten müssen sehen: Deutschland verändert sich; unser Land verändert sich. Der Föderalismus und auch die Länderhaushalte sind im Umbruch. In einer solchen Situation kann der Rundfunk nicht weiter so expandieren, wie er das in den vergangenen Jahrzehnten getan hat.
Eine Expansion des öffentlich-rechtlichen Systems wie in der Vergangenheit wird es in Deutschland nicht mehr geben, meine sehr verehrten Damen und Herren; das ist eine einfache Wahrheit.
Natürlich muss man deshalb auch sagen: In den vergangenen 14 Jahren haben wir den Gebührenzahlern schon einen kräftigen Schluck aus der Gebührenpulle zugemutet. Ich habe einmal die Erhöhungen der Jahre 1990 bis 2004 zusammengestellt: Insgesamt 66 % betrugen die Erhöhungen in den letzten Gebührenperioden – 66 %! Eine solche Erhöhung wird man in kaum einem anderen Lebensfeld feststellen. Daher ist angesagt, dass auch im öffentlich-rechtlichen System Vernunft und Beschränkung einkehren, dass man sich am Riemen reißt, dass man den Gürtel enger schnallt und dass man sieht, dass sich die Rahmenbedingungen in Deutschland verändert haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Da ist, liebe Frau Kipfer, das Medienbudget des Einzelnen ein schlechter Anknüpfungspunkt. Das haben Ihnen aber auch Herr Theurer und, glaube ich, Herr Walter schon gesagt. Das persönliche Budget liegt eben in der eigenen Verantwortung. Jeder Mensch kann entscheiden, was er mit seinem Handy macht, wie viel er telefoniert und wie viel er dafür ausgibt, während ein Rundfunkgerät oder ein Fernsehgerät zum Standard gehört. Wenn ein solches Gerät in einer Wohnung bereitgehalten wird, ist man der Rundfunkgebühr unterworfen. Das persönliche Budget hingegen ist gestaltbar. Das Rundfunkgebührenbudget ist nicht gestaltbar, und deshalb ist auch besondere Sorgfalt angesagt.
Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir in der jetzigen Diskussion beachtliche Fortschritte erreicht haben. Ich will diese Fortschritte gern in drei Punkten
benennen – nicht in zehn. Was Herr Kollege Oettinger gesagt hat, findet aber die volle Zustimmung der Landesregierung. Ich bin ihm für diese Darstellung im Zusammenhang auch dankbar.
In drei Punkten sehe ich die größten Fortschritte in der jetzigen Diskussion:
Erster Punkt: Mit der Bestands- und Entwicklungsgarantie ist es durchaus vereinbar, dass wir erstmalig in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu einer Begrenzung der Programmzahl auf nationaler Ebene kommen. Im eigenen Land waren wir Vorreiter. Die Opposition hat damals den SWR-Staatsvertrag mit seiner Begrenzung der Programmzahl noch erbittert angegriffen. Jetzt sind wir in der Bundesrepublik Deutschland so weit, dass es erstmals zu einer Gesamtbegrenzung der Programme kommt. Die Hörfunkprogramme werden auf dem Stand von 48 Programmen eingefroren. Die Bestands- und Entwicklungsgarantie wird insofern umgesetzt, als neue Programme möglich sind, wenn alte dagegen ausgetauscht werden. Es wird auch keine weiteren Fernsehprogramme geben. Ich halte es für die größte Innovation und den größten Fortschritt in der aktuellen Diskussion, dass zum ersten Mal eine Sperre gegenüber weiterer Expansion eingebaut worden ist. Diese Expansion können wir uns einfach nicht mehr leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der zweite Punkt: Personalkosten. Auch er ist außerordentlich wichtig. Es wäre eine verhängnisvolle Entwicklung – allerdings sitzen wir da auch im Glashaus und sollten diesen Punkt nicht mit zu starker Kritik gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk diskutieren –, wenn am Ende eines jahrzehntelangen Erfolgswegs so viel Personal aufgebaut wäre, dass es sich bei den Anstalten nur noch um Versorgungswerke, um Personalapparate mit angeschlossenen Programmen handeln würde. Auf diesem Wege sind wir, wenn wir die Entwicklung beim Personal und in den öffentlichen Haushalten nicht bremsen.
Ein erster Schritt war die fünfprozentige Personalreduzierung im Bereich der ARD. Ich verhehle nicht, dass wir als baden-württembergische Landesregierung in den Verhandlungen noch mehr wollten. Ich verhehle auch nicht, dass es bei dieser fünfprozentigen Personalreduzierung einen Schönheitsfehler gibt. Dieser Schönheitsfehler liegt darin begründet, dass ein ARD-Durchschnitt genommen wird und sich die fünfprozentige Reduzierung somit nicht auf jede einzelne Anstalt erstreckt. Das führt zum Beispiel dazu, dass die fusionierte Anstalt Berlin-Brandenburg in weit überdurchschnittlichem Umfang Personal abbauen wird und andere Anstalten aus der Pflicht entlassen werden, ihre 5-%-Quote zu erbringen.
Gleichwohl ist diese Personalreduzierung ein Fortschritt. Sie geht in die richtige Richtung, und ich darf für die Landesregierung von Baden-Württemberg auch in Anspruch nehmen, dass wir diese Personalreduzierung in der Rundfunkkommission der Länder angesprochen, mehrheitsfähig gemacht und durchgesetzt haben. Meine Vorredner haben es gesagt: Der SWR ist mit gutem Beispiel vorangegangen. Deshalb waren wir in einer starken Verhandlungsposition. Der SWR wird bis 2005 600 Stellen abgebaut haben. Das hat die anderen Länder durchaus beeindruckt.
Aber lassen Sie mich an dieser Stelle auch sagen: Mit dem Abbau fester Personalstellen ist es nicht getan, wenn das Personalbudget nicht auch insgesamt zurückgeht. Es darf also keine Fluchtbewegungen in die freie Beschäftigung geben, sondern wir müssen das Personalbudget in den Anstalten insgesamt auf einem vernünftigen Niveau halten. Wir dürfen also nicht zu Umgehungen kommen, indem Mittel für feste Stellen ersetzt werden durch Personalmittel, die an anderen Stellen auftauchen. Da ist auch beim SWR noch sehr viel zu tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Lassen Sie mich aus gegebenem Anlass einen Aspekt beim Personal ansprechen, bei dem wir uns in einem deutlichen Dissens zu den Anstalten ARD, ZDF und auch SWR befinden. Ich meine, man muss im öffentlich-rechtlichen System jetzt auch an die Tarifverträge herangehen, wie wir das in Baden-Württemberg und wie das auch viele andere Länder bereits gemacht haben. Es ist nicht mehr zeitgemäß, nahezu ein volles 13. Monatsgehalt zu zahlen. Der öffentliche Dienst ist dabei vorangegangen. Wir müssen auch über das Urlaubsgeld nachdenken. Bei entsprechenden Kürzungen kann man sich nicht mehr auf das Argument zurückziehen, dass wir sie nur bei den Beamten vornähmen. Durch die Kündigung des Tarifvertrags zahlen wir das volle 13. Monatsgehalt auch nicht mehr an neu eingestellte oder neu beförderte Angestellte und Arbeiter. Ich erwarte vom öffentlich-rechtlichen System, dass es sich hier am öffentlichen Dienst orientiert und seinen Mitarbeitern die gleichen Einschnitte zumutet. Denn auch dort gibt es krisensichere Arbeitsplätze, und das ist in der heutigen Zeit ein hohes Gut. Daher sollte man die Regelungen, die wir für den öffentlichen Dienst getroffen haben, in vergleichbarer Weise auf das öffentlich-rechtliche System übertragen.
Der dritte besonders wichtige Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Begrenzung der Online- und Marketingaufwendungen auf 0,75 bzw. 1 % des Gesamtaufwands. Das zeigt eine Konzentration auf die Kernaufgaben. Ich will nur in Erinnerung rufen, dass es ja Politiker und Intendanten gab, die das Internet als eigenständige dritte Säule der Rundfunkordnung in Deutschland etablieren wollten. Diesen Überlegungen ist mit den neuen Vereinbarungen ein Riegel vorgeschoben worden.
Lassen Sie mich kurz zum Verhandlungsstand kommen: Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen; es sind noch Punkte offen. Die wichtigsten Punkte möchte ich jetzt auch in diesem Zusammenhang kurz benennen:
Es ist noch nicht über die Einstellung des zweiten bayerischen Fernsehprogramms befunden worden. Hier teile ich die Kritik des Kollegen Walter, dass es ja schon bizarr gewesen ist, dass die Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen das Kulturprogramm arte mit Mit-Sitz in Baden-Württemberg zur Disposition gestellt haben, aber über ein zweites bayerisches Fernsehprogramm in diesem Papier kein Wort verloren haben. Auch das ist ein Schönheitsfehler des seinerzeitigen Papiers gewesen. Über die Fortexistenz von BR-alpha ist noch nicht entschieden. Das wird in den weiteren Verhandlungen zu klären sein.
Das Gleiche gilt für die Frage der Gebührenreduzierung in Hotels und gastronomischen Betrieben. Hier will ich für die Landesregierung klar erklären, dass wir bei der Gebührenreduzierung bleiben wollen. Man muss ja auch die tatsächliche Belegung der Hotels und der Beherbergungsbetriebe sehen, die ja nicht 100 % beträgt, sondern geringer ist. Kollege Oettinger hat den touristischen Aspekt und den Kostenaspekt angesprochen, und zwar in einem Bereich, in dem die Margen mittlerweile ohnehin gering sind,
und es ist auch der tatsächliche Auslastungsfaktor der Hotelzimmer zu nennen. Daher wird die Landesregierung in den weiteren Verhandlungen darauf achten, dass es bei der Gebührenreduzierung für Hotels und gastronomische Betriebe bleibt.
Der dritte Punkt in diesem Zusammenhang ist die Gebührenbefreiung für behinderte Menschen. Wir sind in den Verhandlungen nicht so weit gegangen wie NordrheinWestfalen. Ich fand das mutig, was Nordrhein-Westfalen gesagt hat: „Wir stellen insgesamt die Gebührenbefreiung für Behinderte infrage; sie ist nicht mehr zeitgemäß.“ So weit wollen wir nicht gehen, aber wir können uns eine Orientierung am Einkommen sehr wohl vorstellen und sind da in den weiteren Verhandlungen auch diskussionsbereit. Denn es ist natürlich kein Bedürftigkeitskriterium als solches, behindert zu sein. Vielmehr sollten wir jeweils an der tatsächlichen Vermögens- und Einkommenssituation anknüpfen, allerdings unter zwei einschränkenden Voraussetzungen: Erstens sollte der Aufwand für ein solches System nicht zu groß sein; wir sollten die Bürokratie nicht vermehren, sondern das System muss handhabbar sein. Zweitens sollte eine solche Systematik insgesamt in Deutschland diskutiert werden, also zum Beispiel auch bei der Kfz-Steuer und bei der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. Wir brauchen hier insgesamt eine Verständigung darüber, ob die Gewährung der Gebührenfreiheit für Behinderte noch zeitgemäß ist oder ob sie einkommensabhängig gestaltet werden kann.
Wie hoch die Gebührenerhöhung endgültig ausfällt, wird nicht politisch festgelegt; dies sollte auch nicht so sein. Deshalb kann ich für die Landesregierung heute weder den endgültigen Zeitpunkt noch die endgültige Höhe taxieren. Es muss plausibel gerechnet werden. Ich habe mich im ganzen Verfahren immer gegen gegriffene Zahlen gewehrt. Wir haben ein vernünftiges, gutes, eingespieltes KEF-Verfahren. Dieses Verfahren steckt den Handlungsrahmen ab und zeigt die Grenzen für die Politik, aber eben auch – das sage ich im gleichen Zusammenhang mit großem Ernst – für die Anstalten auf. Wir werden im Oktober bei der Ministerpräsidentenkonferenz hoffentlich zum Durchbruch kommen und uns auf Zeitpunkt und Höhe verständigen. Ich bin eigentlich auch optimistisch, dass das jetzt im föderalen System ein weiteres Mal gelingt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch einen kurzen Ausblick wagen. Rundfunkordnung und Rundfunkgebühr sind ja nicht die einzigen Fragen, die die öffentlich-rechtlichen Anstalten belas
ten und betreffen, sondern die Herausforderungen – insbesondere durch die europäische Entwicklung – bleiben groß. Im Augenblick laufen Auskunftsverfahren. Ich nenne die Stichworte Transparenzrichtlinie und Dienstleistungsrichtlinien der Europäischen Union. Man darf gespannt sein, ob die laufenden Verfahren bei der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Folge dann noch weit größere Veränderungen für unsere Rundfunkordnung mit sich bringen werden. Auf all diese zum Teil rasanten Entwicklungen werden wir ordnungspolitisch angemessen reagieren müssen.
Das heißt für die Landesregierung von Baden-Württemberg: Wir werden unsere bisherige Politik fortsetzen. Es war eine Politik des vernünftigen Interessenausgleichs zwischen dem verfassungsmäßig gebotenen Ziel, die Rundfunkanstalten finanziell in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben sachgerecht zu erfüllen, und einer Fortsetzung des jetzt begonnenen Wegs, Wirtschaftlichkeits- und Sparansätze im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verfolgen. Es wird also weiter eine auf Sparsamkeit und Vernunft bedachte Rundfunkpolitik in diesem Land betrieben.
Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für die breite Zustimmung zu unserem frühzeitig gestellten Antrag hinsichtlich der Ausnahmegenehmigungen für die Mitglieder der Landesregierung.
In der Debatte wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass auch umfangreiche Genehmigungen für die politischen Staatssekretäre erteilt wurden. Diese Genehmigungen erteilt die Landesregierung selbst. Aber selbstverständlich legen wir diese offen. Das haben wir im Ständigen Ausschuss auch getan.
Zu den Fragen bzw. Anmerkungen des Herrn Kollegen Stickelberger möchte ich bemerken, dass ich auf diese Fragen schon im Ständigen Ausschuss eingegangen bin. Dort gab es keine Nachfragen. Ich hatte den Eindruck, dass meine Ausführungen auch die Mitglieder der Opposition befriedigt haben. Jetzt kommen Sie erneut mit diesen Fragen. Ich will das deshalb gerne noch einmal im Zusammenhang erklären.
Herr Stickelberger, bei der Tourismus-Marketing GmbH Baden-Württemberg handelte es sich um ein persönliches Mandat des Wirtschaftsministers Dr. Walter Döring. Aber wir mussten dieses Mandat natürlich anmelden. Es besteht bei diesem Mandat ein Zusammenhang mit dem Staat. Ich habe es schon gesagt: Dr. Döring bleibt Präsident des Tourismusverbandes. Da übt er keine staatliche Funktion aus. Vielmehr ist er in dieses Amt gewählt. Dieses Amt übt er weiterhin aus. Der neue Wirtschaftsminister übernimmt nicht die Funktion eines Aufsichtsratsmitglieds der Tourismus-Marketing GmbH Baden-Württemberg, in der im Wesentlichen die Tourismusverbände des Landes Baden-Württemberg Gesellschafter sind, sondern der ehemalige Wirtschaftsminister behält diese Funktion bei. Das ist, glaube ich, ziemlich plausibel und kann daher eigentlich auch relativ leicht nachvollzogen werden.
Zu der zweiten Frage, warum der frühere Umwelt- und Verkehrsminister Müller seine Mandate als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Flughafen Stuttgart GmbH und der Baden-Airpark GmbH behält, möchte ich gerne noch einmal sagen, dass es im Bund, in allen anderen Ländern und auch in Baden-Württemberg sehr wohl üblich ist, dass ausscheidende Amtsträger, die eine besondere Erfahrung in Mandaten haben, Mandate für eine beschränkte Zeit weiterführen. Beim Flughafen bietet sich das insofern an, als derzeit besonders schwierige Fragen anstehen. Ich erwähne die Koordination mit der Fildermesse, die Fragen des Flugbetriebs und der Flugentwicklung, insbesondere auch die Frage, wie es mit dem Flughafen Söllingen weitergeht, die landseitigen Baumaßnahmen am Flughafen, wohlgemerkt – ich habe das schon im Ausschuss deutlich gemacht – nicht etwa eine zweite Start- und Landebahn, sondern landseitige Baumaßnahmen, die in Vorbereitung und in Durchführung sind. All das ist im Augenblick im Gang, und daher bietet es sich gerade für diese zwei Flughäfen an, dass der bewährte Kollege Ulrich Müller weiterhin den Aufsichtsratsvorsitz in diesen beiden Landesgesellschaften wahrnimmt.
Ich möchte Sie herzlich um Ihre Zustimmung bitten.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin immer dafür, eine Debatte angemessen und adäquat zu führen.
Wenn ich mir Ihr Vokabular, liebe Frau Kipfer, vor Augen führe, das Sie bei dieser doch relativ übersichtlichen Debatte ins Felde führen, dann denke ich immer: Für was muss man sich solche Begriffe eigentlich aufheben?
„Beute des Staatsministeriums“, „Beute der CDU“, „Machtgeilheit“, „Das Ansehen des Medienstandorts ist zerstört“, das habe ich jetzt schon zum wiederholten Mal gehört. Aber dieser Medienstandort Baden-Württemberg ist quicklebendig.
Insofern kann ich immer nur sagen: Bleibt auf dem Boden! Frau Kipfer, Sie sind im Ausschuss so sachkompetent und so sachlich, und da können wir uns so gut unterhalten, aber sobald Sie hier an dieses Rednerpult treten, lassen Sie die Sau raus, und dann erkennt man Sie gar nicht wieder.
Von daher bitte ich Sie, zur Sachlichkeit zurückzukommen.
Das war aber nicht böse gemeint. „Die Sau rauslassen“, das ist Schwäbisch. Ihr Badener könnt uns halt nicht gleich verstehen. „Die Sau rauslassen“ ist bei uns etwas Liebenswürdiges.
Zur Sache.
Gern. – Zur Sache: Ich möchte zunächst einmal sagen: Sie, Frau Kipfer, haben den Gegenstand Ihres Gesetzentwurfs hier nicht erläutert,
und zwar einfach deshalb, weil Sie gemerkt haben, dass Sie sich verrannt haben.
Das Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs von 1997 – die Kollegen Pauli und Theurer haben das dargestellt – ist hier nicht einschlägig. Die Organe in Sachsen und in Baden-Württemberg haben völlig unterschiedliche Kompetenzen. Das Organ in Baden-Württemberg ist ein Beschlussorgan. Das Organ in Sachsen ist ein Beratungsorgan. Von daher können Sie die Gesetze in Sachsen und in Baden-Württemberg nicht miteinander vergleichen.
Dann zum Thema LfK und zu dem, was da fehlgelaufen ist. Herr Walter war ja sehr sachlich, und ich will deshalb an dieser Stelle auch sehr sachlich antworten.
Die Ausschreibung ist sehr widersprüchlich gewesen. Sie war mindestens unklar; vermutlich war sie rechtsfehlerhaft. Wir haben als Aufsicht in einer sehr milden Form der Beanstandung fünf Fehler in der Ausschreibung festgestellt, darunter mehrere sehr markante Fehler.
Ja, nach der öffentlichen Diskussion, weil wir nicht bei jeder Institution, bei der wir die Rechtsaufsicht ausüben – auch nicht beim SWR, wo wir die Rechtsaufsicht ausüben –, mit Argusaugen jede Ausschreibung vorher oder hinterher überprüfen. Als die öffentliche Diskussion aufkam, haben wir dies überprüft und in dieser vernünftigen Form beanstandet.
Ich will vor dem Parlament nur noch einmal klarstellen – weil das auch behauptet worden ist –: Der Ausschreibungstext der LfK lag dem Staatsministerium zu keinem Zeitpunkt vor.
Über diesen Ausschreibungstext wurde mit uns keine Absprache getroffen. Das geht auf eigene Rechnung der Landesanstalt für Kommunikation. Offensichtlich kommt sie ja jetzt auch zu unserer Rechtseinschätzung, hat den Ausschreibungstext in unterschiedlichen Punkten korrigiert und eine neue Ausschreibung vorgenommen.
Jetzt bin ich beim letzten Punkt. Dieser letzte Punkt betrifft das zukünftige Wahlverfahren. Ich habe im Ständigen Ausschuss gesagt und will das hier wiederholen: Ich bitte Sie auch um Verständnis, dass wir keine rechtliche Bewertung abgeben werden, ob im ersten Wahlgang ein Zweidrittelquorum erforderlich ist oder gleich mit absoluter Mehrheit gewählt werden kann. Das ist eine Frage des Wahlorgans. Dies sollte das Wahlorgan selbst rechtlich prüfen. Der Vorsitzende des Ständigen Ausschusses hat festgehalten, dass man diese Frage im Präsidium erörtern werde. Ich glaube, dass in der Tat viel dafür spricht, einen vernünftigen Versuch zu unternehmen, auf eine Zweidrittelmehrheit zu kommen.
Zur rechtlichen Bewertung, ob das auch zwingend erforderlich ist, ist jetzt das Wahlorgan – sprich der Landtag von Baden-Württemberg – und nicht die Landesregierung von Baden-Württemberg gefragt.
Herr Präsident, das wäre keine Zwischenfrage, sondern eine Abschlussfrage. Aber ansonsten gestatte ich sie gerne.
Liebe Frau Kipfer, er weicht ab in der Benennung der Voraussetzung – das war der schwerwiegendste Punkt – der Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst. Die Gesetzesformulierung ist insoweit sehr eindeutig. Man hat sich dann – und das war eben rechtsfehlerhaft – in der LfK auf eine LMG-Kommentierung zurückgezogen und hat im Übrigen eine Bürgermeisterstellenausschreibung zugrunde gelegt, was man nicht hätte machen dürfen. Der Gesetzestext ist eindeutig, und das ist jetzt in der neuen Ausschreibung als wichtigster Punkt korrigiert.
Über die Folgen haben wir im Ständigen Ausschuss diskutiert. Lassen Sie uns da noch ein bisschen Spielraum für Interpretationen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich rate uns, die ganz großen Töne bei diesem Thema hier beiseite zu lassen.
Ich habe mich ein bisschen gewundert, Frau Kipfer, über Formulierungen wie „Verfassungswidrigkeit“ oder „demokratischer Anstand“. Jetzt gerade sagte Herr Walter: Wir schaden dem Medienstandort.
Es geht um einen Personalkonflikt, wie er in jeder Demokratie zu jeder Stunde auf jeder Ebene immer wieder vorkommt.
Ich rate Ihnen einfach, ein bisschen auf den Teppich zu kommen, das Thema ein bisschen herunterzuziehen und nicht zu überhöhen.
Einfach ein bisschen herunterzonen!
Es geht um eine Personalfrage. Es geht darum, dass mehrere geeignete Bewerber für ein Amt zur Verfügung stehen. Es gibt einen Bewerber, den Sie als Ihren Favoriten erklärt haben. Dieser Bewerber ist bisher in der Landesanstalt für Kommunikation sehr qualitätsvoll tätig. Er ist ein ausgewiesener Fachmann für Medienrecht. Er versteht etwas davon. Das kann für den medienrechtlichen Teil gar nicht bestritten werden. Er ist auch Kommentator des Landesmedienrechts.
Auf der anderen Seite haben wir einen genauso qualifizierten Bewerber, den Regierungssprecher des Landes, der vielfältige Führungserfahrung in Bundesministerien und in Landesministerien hat, einen promovierten Sozial- und Geisteswissenschaftler, der dem Rundfunkrat des SWR angehört und ebenfalls über beträchtliche Medienkunde verfügt.
In einer solchen Situation – das will ich einfach sagen – finde ich es nicht richtig – deshalb danke ich auch dem Kollegen Walter dafür, dass er am Ende auch in der Würdigung der Person von Dr. Steinle sehr sachlich war –, dass man einen von zwei möglichen Bewerbern einfach runtermacht und seine Qualifikation bestreitet.
Wir haben es bei Herrn Dr. Steinle mit einem hoch qualifizierten Bewerber zu tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Nun möchte ich an etwas erinnern, was bisher in der Diskussion noch gar nicht gesagt wurde. Das muss man aber einfach auch einmal in diesen Zusammenhang stellen. Es ist ein guter Grundsatz in fast allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, dass man Hausberufungen vermeiden soll. Es gibt dazu einen eigenen Erlass bei Schulleitern. Es gibt an Universitäten die Verpflichtung, Hausberufungen zu unterlassen. Man kann in extremen Ausnahmefällen, wenn überhaupt kein fremder Bewerber von auswärtigen Institutionen zur Verfügung steht,
auch einmal eine Hausberufung vornehmen. Aber ich gebe schon zu bedenken, ob es nicht richtig ist, dass Institutionen immer wieder der Erneuerung bedürfen, dass es eines revolvierenden Elements in der Verwaltung bedarf, dass es geradezu gewünscht ist, dass man seinen Berufsweg nicht ausschließlich in e i n e r Institution vollzieht. Deshalb spricht auch sehr viel dafür, dass man in diesem Fall eben keine Hausberufung vornimmt, sondern Sachverstand von außen in die Landesanstalt für Kommunikation ruft, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dann möchte ich sagen, lieber Herr Walter, es handelt sich um eine B-7-Stelle und nicht um eine B-9-Stelle.
Vor sieben Jahren wurde hier genauso die Qualifikation von Dr. Hirschle bestritten. Sie haben ihn im ersten Wahlgang durchfallen lassen. Heute ist er ein allgemein anerkannter Präsident, mit dem alle zufrieden sind.
So wird es gegebenenfalls nach der Wahl auch mit Herrn Dr. Steinle sein.
Zu Ihrem Gesetzentwurf möchte ich in der Sache vier Argumente vortragen.
Erstens: Es ist gängige Praxis – im Bund, in den Ländern, überall, auch bei der Richterwahl –, dass sich die Mehrheitsverhältnisse in den Wahlorganen bei der Wahl der
Kandidaten widerspiegeln. Das hat in der Vergangenheit bei der LfK dazu geführt, dass zwei der vier ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder Kandidaten der stärksten Oppositionsfraktion im Landtag waren. Dieses Prozedere ist schon deshalb nicht bedenklich, weil es letztlich die politischen Mehrheitsverhältnisse abbildet, die sich bei der Landtagswahl ergeben.
Zweitens – darauf hat Kollege Theurer zu Recht hingewiesen –: Die bestehende Regelung – zuerst die Suche nach einer Zweidrittelmehrheit; falls sie erfolglos ist, Wahl mit absoluter Mehrheit – hat die Verhinderung einer Blockade im Sinn. Es soll eben gerade nicht eine Sperrquote, eine Sperrminorität vorgesehen werden, sondern es soll nach dem Versuch einer Einigungsfindung eine politische Mehrheitsfindung ermöglicht werden.
Man hat sich in den Achtzigerjahren, als man dieses Landesmediengesetz konzipiert und beschlossen hat, auf diese Praxis verständigt. Sie ist in 20 Jahren von niemandem bestritten worden. Seit 20 Jahren wird nach dieser Praxis verfahren, um die Handlungsfähigkeit und die Entscheidungsfähigkeit der LfK zu gewährleisten.
Drittens: Es ist eine völlig verkürzte Sichtweise, bei der Beurteilung der notwendigen Staatsferne allein auf den Wahlmodus abzustellen. Zu fragen ist vielmehr, ob in der Gesamtschau der Regelungen des Landesmediengesetzes die erforderliche Staatsferne gewährleistet ist, und genau dies ist der Fall.
Kollege Professor Reinhart hat völlig richtig die von Ihnen, Frau Kipfer, zitierte Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs erläutert. Ich will das auch noch einmal tun: Dieses Urteil ist gerade auf das baden-württembergische Organisationsmodell nicht übertragbar. Es ist nicht einschlägig.
Die Begründung kommt, verehrter Herr Kollege Stickelberger. – Anders als in Sachsen haben wir neben dem Vorstand mit dem gruppenplural zusammengesetzten Medienrat ein weiteres starkes und, wie die Diskussionen der vergangenen Wochen auch gezeigt haben, unabhängiges Organ der LfK, das unmittelbar in die wesentlichen Entscheidungen der Anstalt eingebunden ist. Ohne die Zustimmung des Medienrats kann der Präsident Entscheidungen des Vorstands, zum Beispiel im Bereich der Zuweisung von Übertragungskapazitäten im Hörfunk oder im TV-Kabel – das sind schlechthin die wichtigsten –, nicht vollziehen. Der Haushaltsplan wird vom Medienrat beschlossen.
In Sachsen ist zwar ebenfalls ein gruppenplural zusammengesetztes Organ der Landesmedienanstalt vorhanden, aber dieses ist, anders als in unserem Fall, überhaupt nicht mit eigenen Entscheidungskompetenzen ausgestattet. Die Aufgaben der sächsischen Versammlung beschränken sich ausschließlich auf Beobachtungs- und Vorschlagsrechte. Es gibt in der sächsischen Versammlung kein Entscheidungs
recht. Deshalb können Sie das Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs von 1997 nicht übertragen.
Ich möchte ein zweites Urteil, das wir gefunden haben, nachdem wir uns mit Ihrem Gesetzentwurf befasst haben, hier heute vorstellen. Ich verweise auf die NiedersachsenEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1986. Dort wird ausgeführt, dass selbst eine staatliche Erlaubnisbehörde, also zum Beispiel ein Ministerium, die Kompetenzen eines Vorstands einer Medienanstalt wahrnehmen könnte, wenn eine ausreichend starke Versammlung, ein ausreichend starkes Gremium über die Pluralität und die Sicherung der Meinungsvielfalt als Widerlager wacht. Wir hätten also noch einen weiteren Gestaltungsspielraum, den man aber im Landesmediengesetz seinerzeit und über 20 Jahre hinweg unbeanstandet nicht gesucht hat. Ich empfehle auch dieses Urteil Ihrer Lektüre und rate Ihnen, dann zu der Entscheidung zu kommen, Ihren Gesetzentwurf bzw. auch die angekündigte Klage beim Staatsgerichtshof noch einmal zu überprüfen.
Viertens: Eine Anmerkung zu unserem Landesmediengesetz am Rande: Gerade erst am 8. Juni hat die rheinland-pfälzische Landesregierung ein neues Mediengesetz nach Vorbild unseres Landesmediengesetzes beschlossen.
Der Direktor der dortigen Landesmedienanstalt wird im Übrigen nach wie vor mit einfacher Mehrheit gewählt; von einer Zweidrittelmehrheit ist in Rheinland-Pfalz, dem Sitzland der Rundfunkkommission der Länder, keine Rede.
Ich empfehle uns also, das Thema in der gebotenen Sachlichkeit und auch in der gebotenen Verhältnismäßigkeit zu diskutieren. Wir sind gern zu weiteren Auskünften im Ständigen Ausschuss bereit.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst möchte ich mich, da es vermutlich Ihre Abschiedsrede war, Frau Kollegin Dr. Gräßle, für die angenehme, gute und kompetente Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren bedanken.
Das gehört sich so. Da muss man nicht muhen, sondern eher Beifall klatschen.
Wir wünschen Ihnen, sehr verehrte Frau Kollegin, alles Gute. Ich bin sicher, es werden sich auch auf der europäischen Ebene viele Felder der Zusammenarbeit ergeben, bei denen wir Sie brauchen. Herzlichen Dank dafür.
Ich finde, bei manchen Fragen bewahrt man einfach Stil, auch parteiübergreifend, und dankt auch einmal. Aber manche können das halt nicht.
Ich bedanke mich nochmals bei Frau Dr. Gräßle.
Jetzt zu drei Themen, die Frau Kipfer angesprochen hat, bevor ich zu den Dingen komme, die ich eigentlich sagen wollte.
Erster Punkt, Frau Kipfer, kurz: Staatssekretär für E-Government. Sie haben das als lobendes Vorbild erwähnt.
Jetzt haben wir doch gestern eine Debatte darüber geführt, die Regierung zu verkleinern. Seien Sie doch froh, dass ich diese Fragen der Medien auch noch nebenher bearbeite. Führen wir doch nicht schon wieder einen neuen Staatssekretär ein.
Auch nachts. Überall, Herr Capezzuto. Immer aktiv.
Zweiter Punkt: Pressekonzentrationsrecht. Ich glaube, darüber muss man ernsthaft sprechen. Wir haben noch keine abschließende Position. Wir konnten, Frau Kipfer, auch in der Stellungnahme zu diesem Antrag keine abschließende Position darstellen. Der Antrag ist vor einem Dreivierteljahr oder einem Jahr eingebracht worden. Ich sage heute gern etwas zum Pressekonzentrationsrecht.
Es gibt natürlich Argumente, die für den Entwurf sprechen, den Wolfgang Clement vorgelegt hat, weil wir in der ganzen Republik ein Zeitungssterben konstatieren können. Deshalb sind manche der Vorschläge, zum Beispiel Kooperationslösungen im Verbreitungsbereich, nachdenkenswert. Es gibt aber auch berechtigte Einwände der Monopolkommission, übrigens auch der Zeitungsverleger. Es gibt Fragen, die im bisherigen Entwurf nicht befriedigend geregelt sind, etwa: Wie sichere ich bei kleinen Zeitungen die Unabhängigkeit, wenn sie sich in solche Kooperationen einlassen? Andere Fragen sind völlig unstrittig, etwa dass wir nichtredaktionelle Kooperationen, zum Beispiel im Vertrieb oder bei Marketingstrategien, zulassen. Da haben auch die Oppositionsparteien im Bundestag zugesagt, dass man das mit ihnen machen kann.
Wir sind mitten im Diskussionsprozess. Es gibt viele unterschiedliche Auffassungen. Auch die Meinungen der Zeitungsverleger sind überhaupt nicht einheitlich. Der Bundesrat wird sich in Kürze in der ersten Lesung damit befassen. Wir sind hier wirklich in alle Richtungen gesprächsbereit und wollen, weil wir die schwierige Situation der Zeitungsverlage sehen, auch möglichst eine Konsensregelung erreichen.
Beim nächsten Punkt, Frau Kipfer, kann ich es leider nicht so versöhnlich machen, sondern da muss ich Ihnen einfach einmal die Abfolge des Verkaufs der Kabelinfrastruktur darstellen. Die Kabelinfrastruktur wurde von der Telekom, bundesbeteiligt, unter dem Einfluss Ihrer Bundesregierung 1999/2000 überstürzt auf den Markt geworfen, um Kasse zu machen.
Es waren nicht wir, die die Kabelinfrastruktur auf die Märkte geworfen haben. Wir haben sie nicht privatisiert. Das war 1999/2000.
Dann hat man, weil damals ein großer Boom da war – ich sage ganz offen: auch in Baden-Württemberg –, gesagt, das sei ein guter Weg. Wir haben uns genau um das bemüht, was Sie hier angemahnt haben, nämlich ein baden-württembergisches Bankenkonsortium. Die Gespräche haben alle bei mir stattgefunden. Ich kann heute im Rückblick nur sagen: Gott sei Dank ist es nicht zu diesem baden-württem
bergischen Bankenkonsortium gekommen. Die Banken waren vorsichtig. Die hätten sich die Finger verbrannt.
Vor Callahan. Wir waren – das wissen Sie aus Landtagsdiskussionen und Ausschussberatungen, haben es aber vielleicht im Augenblick nicht präsent – die Ersten, die versucht haben, die Lösung einer inländischen Struktur zu zimmern. Es ist nicht gelungen. Dann hat Callahan mit Beteiligung der Telekom Kabelnetze übernommen und hat fürchterlich die Finger hineingebracht, allerdings nicht nur Callahan, sondern auch andere Investoren, etwa Klesch, um ein Beispiel zu nennen, in Hessen. Jetzt sind die Reste mit erheblichen Verlusten für die Bankenszenen, die Callahan, Klesch und die anderen Investoren bezahlt haben, von Kabel Deutschland aufgekauft worden. Was hätten Sie mir erzählt, wenn damals die baden-württembergische Lösung gelungen wäre und wir heute mit leeren Händen dastünden?
Es wäre nicht gelungen. Diese Debatte wollte ich nicht aushalten. Wir haben dadurch wenigstens nicht die Hände hineingebracht. Allerdings gebe ich Ihnen Recht: Wir reden in Deutschland viel zu wenig über diese wichtigen Fragen: Wie geht es eigentlich mit unserer technischen Infrastruktur weiter? Wie machen wir das Netz in Ballungs- und in ländlichen Räumen zukunftsfähig? Was wird im Internet über das Kabel abgewickelt? Was wird in der Telefonie über das Kabel abgewickelt? Das ist technische Infrastruktur, und das ist für dieses Land von einer ganz eminenten Bedeutung. Ich bin dankbar für jeden, der diese Fragen aufwirft. Wir müssen darüber diskutieren und auch streiten.
Ich möchte, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein paar Worte sagen. Wir sind ja zum Teil auch freundlich gelobt worden. Natürlich ist aber auch noch vieles zu tun. Gleichwohl muss man zunächst einmal in Erinnerung rufen, was dieser Medienstandort Baden-Württemberg heute darstellt. Wir denken immer, wir wären nur das Automobilland, wir wären nur das Land des Maschinenbaus. Die Wertschöpfung der Medienbranchen in Baden-Württemberg liegt in der Tat mit 10 % Wertschöpfung vor den anderen Leitbranchen der baden-württembergischen Wirtschaft. In der Medienbranche arbeiten über 300 000 Beschäftigte im Land. Sie erwirtschaftet 61,5 Milliarden € Jahresumsatz. Das sind so stolze Zahlen, dass eigentlich jeder Politiker, egal ob in der Opposition oder in der Regierung, die badenwürttembergische Medienwirtschaft in einer Diskussion über die Stärken dieses Landes immer mit erwähnen muss, weil wir hier außerordentlich gut aufgestellt sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben insbesondere Kompetenz für die Technologie: für Software, für Computer, für Chips und für die Vernetzung dieser Technologien mit anderen Branchen. Wir sind die Weltmeister in der Kompetenz für Konvergenz – so sage ich das immer –, die darin besteht, dass man den Chip
und die Unternehmenssoftwarelösung in die Werkzeugmaschine hineinbringt, dass man die Umwelttechnik entsprechend steuert und dass man unsere Schwerpunkte in der exportorientierten Industrie Baden-Württembergs zusammendenkt. Das ist die zentrale Kompetenz Baden-Württembergs.
Sie haben Recht, Herr Walter: Da haben IBM und auch HP eine bedeutende Rolle. Wir sind total offen für Open-Source-Software. Wir können stolz darauf sein, dass IBM da ist, und wir können auch stolz darauf sein, dass HP die weltweite Fusion mit Compaq in Europa und in Deutschland am Standort Böblingen/Sindelfingen zulasten des Standorts München vollzogen hat. Damit verbunden war ein Arbeitsplatzeffekt für den Standort Baden-Württemberg, der in die Größenordnung von tausend geht.
Das muss man auch einmal sagen, wenn man über Strukturentscheidungen in der Wirtschaftspolitik in diesem Land spricht.
Natürlich haben wir Sorgen, weil der Kostendruck da ist. Ich habe das gestern in der Debatte gesagt. Die SAP, der Weltmarktführer für Unternehmenssoftware mit deutschlandweit fast 30 000 Beschäftigten, denkt ernsthaft darüber nach, die Verwaltung in Osteuropa zu zentralisieren, weil der Kostenblock hier zu hoch ist und weil sie in Osteuropa natürlich zu ganz anderen Bedingungen Abrechnungen machen können.
Wir müssen auch sehen: Auch die Medienwirtschaft ist nicht von einem Gartenzaun umgeben. Auch die Medienwirtschaft steht unter einem Kostendruck und unter einem Standortwettbewerb. Man hat ringsum in der Welt zugelegt, hat gute Informatiker und hoch qualifizierte Softwareingenieure ausgebildet, wirklich gute Leute. Wenn wir uns bei den Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik nicht anstrengen, wird auch diese Branche, wird auch die Medienwirtschaft in Deutschland zusätzlich unter Druck kommen. Ich muss das leider so sagen.
Deshalb gilt es, Netzwerke und Cluster zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Politik zu schmieden. Wir machen das in zwei Gremien, in „Baden-Württemberg: Connected“ und im „Beratungsforum Information, Telekommunikation und Software“ (bits) Baden-Württemberg. Lassen Sie mich das auch einmal sagen, weil da ganz viele kompetente Leute aus der Wirtschaft und aus der Wissenschaft mitwirken und die Arbeit sich mehr oder weniger im Stillen vollzieht: Allein „Baden-Württemberg: Connected“ hat in den vergangenen Jahren über 100 Millionen € Venture-Kapital für junge Existenzgründerfirmen im Medien- und Biotechnologiebereich zur Verfügung gestellt. Das war generiert durch „Baden-Württemberg: Connected“. Über 100 Millionen € frisches Geld haben wir auf den Weg gebracht.
bits Baden-Württemberg: Die gesamte Leitungsetage der Computerwirtschaft und der Softwareunternehmen, Herr
Walter, die Ordinarien der Informationstechnologie geben ihren guten Rat für den Standort. Es ist nicht wahr, dass nichts geschieht
oder dass wenig geschieht. Gerade haben wir als Ergebnis der Arbeit von bits Baden-Württemberg, das ich gemeinsam mit Herrn Harms von HP leite, ein Schwerpunktprogramm Unternehmenssoftware mit 15 Millionen € für Schwerpunkte der Grundlagenforschung, die die Wirtschaft nicht allein bewältigen kann, auf den Weg gebracht. Ich lade alle Fraktionen einmal ein, an diesen regelmäßigen Beratungen mitzuwirken und mitzubekommen, wie wir den Medienstandort hier dialogisch weiterentwickeln. Sie sind herzlich eingeladen, einmal an solchen Sitzungen teilzunehmen.
Es geschieht also etwas, es wird nicht nur geredet.
Ich sage heute an dieser Stelle: Deshalb kann die MaxPlanck-Gesellschaft, kann die Bundesrepublik Deutschland auch nicht anders entscheiden, als das neue Max-Planck-Institut der Bundesrepublik Deutschland für Software in die Stadt zu bringen, in der es die größte Exzellenz für Informatik in der Republik gibt. Wir haben uns mit Karlsruhe um den Standort des neuen Max-Planck-Instituts für Software beworben, und dieses Institut muss auch nach Karlsruhe kommen, weil wir dafür die beste Ausstattung haben.
430 Millionen € geben wir in dieser Legislaturperiode in den Mediensektor. Das ist in Zeiten knapper Kassen weiß Gott viel Geld. Aber es ist gut angelegtes Geld, weil wir damit in zukunftsträchtige Bereiche investieren.
Ich mag diese Schwarz-Weiß-Bilder nicht. Natürlich geht auch einmal etwas schief, und natürlich kann man auch an dem einen oder anderen Projekt Kritik üben. Ich finde es aber schon bemerkenswert, wie weit wir in den vergangenen Jahren mit dem Medienland Baden-Württemberg gekommen sind. Mit Nordrhein-Westfalen und Bayern zusammen spricht man von den großen Drei – wenn man BadenWürttemberg erwähnt – in der deutschen Mediendiskussion. Baden-Württemberg ist immer dabei, und es war eine Aufholjagd.
Wir haben – weil Sie, Herr Kollege Walter, sagten, man lache gelegentlich über uns – nicht so dramatische Flops hingelegt wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen mit Oberhausen mit einem Ausfall von über 100 Millionen.