Wie viele PISA-Berichte und Studien müssen eigentlich noch veröffentlicht werden, bis auch Sie verstehen, dass in Baden-Württemberg mitnichten alles in bester Ordnung ist?
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Unsere Kinder und Jugendlichen sind ja nicht dümmer als die Kinder in Finnland, in Kanada oder in Schweden.
Alle, bis auf Sie, sind sich offenbar darüber einig: Wir haben im Bildungsbereich dringenden Nachholbedarf.
Wenn ich aber Ihre Ausführungen hier verfolge, finde ich dafür nur zwei Erklärungsmöglichkeiten: Entweder haben Sie noch gar nicht realisiert, was die PISA-Ergebnisse wirklich bedeuten, oder aber Sie versuchen, uns hier im besten Wissen um die prekäre Situation einen lahmen Gaul als ein Rennpferd zu verkaufen.
Ehrlich gesagt, meine Damen und Herren, ich weiß gar nicht, welche Variante für unser Land schlimmer ist: eine Kultusministerin, die so fern der Realität ist, dass sie die
PISA-Ergebnisse als Auszeichnung für unser Land versteht, oder eine, die zwar die Alarmzeichen versteht,
Egal, welche Erklärung zutrifft, klar ist: Wir Abgeordnete sind dagegen, dass der Landtag dafür herhalten muss, dass Sie, Frau Schavan, vom Staatsministerium aus auf die Bühne geschickt werden, um Ihren eigenen Leuten mit einer Regierungserklärung zu demonstrieren, dass Sie auch eine Regierungserklärung vorlesen können.
(Abg. Schmiedel SPD: Aha! – Lebhafte Zu- und Gegenrufe von der CDU und der SPD, u. a. Abg. Hauk CDU: Das ist doch dermaßen billig! – Weite- rer Zuruf von der CDU: Billig und blöd!)
Wenn Ihre Regierungserklärung heute eine Bewerbung für die Nachfolge im Amt des Ministerpräsidenten gewesen sein soll, dann steht spätestens seit heute fest, dass Sie für diesen Posten nicht infrage kommen.
(Beifall bei der SPD – Lebhafte Zu- und Gegenrufe von der CDU und der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Nur weiter so! Herr Zeller, Sie aber auch nicht!)
Noch etwas vorneweg: Wir freuen uns mit allen BadenWürttembergern über alle, die hervorragende Leistungen bringen.
(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU – Abg. Seimetz CDU: Das ist etwas Neues: Der Zeller kann sich freuen!)
Im Gegenteil, wir freuen uns über Spitzenergebnisse, aber eben über echte Spitzenergebnisse und nicht über angebliche Bestleistungen, die mithilfe irgendwelcher Rechentricks zustande kommen.
Bildung ist die Voraussetzung für die individuelle Entwicklung eines jeden und einer jeden Einzelnen. Bildung ist immer noch die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, unentbehrlich für die Demokratie, den Wettbewerb, die Wettbewerbsfähigkeit und die Weiterentwicklung unseres Landes. Bildung ist wichtig für unsere Gesellschaft insgesamt.
Frau Schavan, es geht nicht, von Woche zu Woche Mittelmäßiges besserzureden und am Ende dazu überzugehen, mittelmäßige Ergebnisse zu Spitzenleistungen zu erklären. Für Ihre Gabe, alles nur rosarot zu sehen und schönzureden, gibt es an den Schulen im Lande –
da sollten Sie sich einmal umhören – schon einen eigenen Ausdruck – so weit ist es gekommen –: Bei Lehrerinnen und Lehrern sowie bei Schulleiterinnen und Schulleitern, ja sogar in Ihrem eigenen Hause, in Ihrem Ministerium spricht man inzwischen von „Schavanismus“ –
Schavanismus als der Kunst, alles schönzureden, Schavanismus als dem Betreiben von Politik ohne Dialog mit Kennern aus der Praxis und dem Durchpeitschen von Maßnahmen gegen die Meinung der Betroffenen, Schavanismus als der Kunst, ein Pilotprojekt nach dem anderen vorzustellen, ohne wirklich etwas zu bewegen, Schavanismus als dem Synonym für die Verbreitung von heißer Luft und Worthülsen, ohne wirklich etwas voranzubringen,
Schavanismus auch als der Verweigerung einer Kooperation mit dem Bund in der Bundespolitik, Schavanismus als der Kunst, über ein Jahr lang über PISA zu lamentieren, ohne irgendeinen guten Vorschlag in die Tat umzusetzen.
Meine Damen und Herren, schon fast anderthalb Jahre sind seit der ersten PISA-Veröffentlichung ins Land gezogen.
Viele tolle Sonntagsreden haben Sie gehalten, Frau Schavan, zum Teil noch als Schattenministerin des gescheiterten Kanzlerkandidaten Stoiber, heute nun im Rahmen der Diadochenkämpfe um die Nachfolge im Amt des Ministerpräsidenten.
Frau Schavan, Sie sprechen hier von einer tief greifenden Bildungsreform in Baden-Württemberg. Das hört sich gigantisch an.
Diese angekündigte tiefstgreifende Bildungsreform in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten ist aber eine reine Luftnummer.
Sie nehmen ja selbst den größten und wichtigsten Bereich, nämlich die Schulstruktur, von jeder Veränderung aus. Betont wird von Ihnen heute wieder einmal, welch entscheidende Rolle der Qualität des Unterrichts zukommt. Wer will dies bestreiten? Frau Schavan, ich denke, Sie stimmen mit mir darin überein:
Voraussetzung für mehr Unterrichtsqualität sind auch motivierende Lehrerinnen und Lehrer, vom Unterricht überzeugte Schülerinnen und Schüler
Was haben Sie in den letzten anderthalb Jahren seit der Veröffentlichung der ersten PISA-Studie in Baden-Württemberg getan, um für mehr Motivation bei Schulleitungen, Lehrkräften und Eltern sowie Schülerinnen und Schülern zu sorgen?
Der Unterrichtsausfall ist nach wie vor immens hoch. Die Klagen von Eltern und Lehrern darüber reißen nicht ab. Die Schulleitungen in Baden-Württemberg stehen unter Druck wie nie zuvor; sie müssen viel Energie für die Gewährleistung der Unterrichtsversorgung aufbringen, weil sie vom Ministerium bei der Ausstattung mit Personal kurz gehalten werden. Gleichzeitig weisen die Eltern völlig zu Recht darauf hin, dass Unterricht ausfällt. Dafür werden sie von Ihnen kritisiert. Pädagogik bleibt unter diesen Umständen dabei weitgehend auf der Strecke.