Das Gegenteil ist der Fall. Die PISA-Studie räumt endlich auf mit dem überkommenen Familienbild der CDU, das immer noch so aussieht: Der Mann geht arbeiten, und die Frau bleibt zu Hause am Herd und bei den Kindern.
Das ist für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch für die individuelle Förderung, für das selbstständige Lernen von Lernschwächeren und Leistungsstärkeren gleichermaßen wichtig. Die rot-grüne Bundesregierung hat ein 4-Milliarden-€-Investitionsprogramm aufgelegt, mit dem allein Baden-Württemberg für den Ausbau und Aufbau von Ganztagsschulen mehr als eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung steht. Ganz nebenbei sage ich Ihnen: Das wäre übrigens auch ein hervorragendes Konjunkturprogramm für unsere Wirtschaft und unsere Handwerksbetriebe im Land.
Allein die Unterschrift der Landesregierung von BadenWürttemberg fehlt auf dem vorliegenden Entwurf der Verwaltungsvereinbarung noch. Und das, obwohl die FDP/ DVP laufend tönt, wir benötigten mehr Ganztagsschulen im Land. Man kann sogar auf Ihrer Internetseite, Herr Kleinmann, nachlesen – „PISA lesen und verstehen“ heißt diese Seite –, dass Sie für mehr Ganztagsschulen sind und dass wir mehr Ganztagsschulen brauchen.
(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sie haben nicht eine einzige geschaffen, als Sie angetreten sind! – Ge- genruf des Abg. Drexler SPD – Weitere Zurufe)
Wissen Sie, Herr Kleinmann, es ist halt immer peinlich, wenn Sie entlarvt werden und wenn das, was Sie hier sagen, nicht mit dem übereinstimmt, was Sie wirklich tun. Das ist Ihr Problem.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Klein- mann FDP/DVP: Sie sind ein Sprücheklopfer! Pfarrer können nicht alles!)
Frau Schavan, das würde Sie doch, ehrlich gesagt, aus einem Dilemma befreien: dem Dilemma, dass Sie aus ideologischen Gründen eigentlich nur an so genannten Brennpunkthauptschulen Ganztagsschulen einrichten wollen. Gerade eben haben Sie wieder von 40 weiteren Schulen gesprochen. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.
Bei 4 500 Schulen, Herr Kleinmann! Das ist doch keine Zahl. Deswegen brauchen wir in unserem Lande –
und das ist auch das Angebot der Bundesregierung – 1 000 zusätzliche Ganztagsschulen. Dann können wir von einem flächendeckenden Angebot sprechen – vorher nicht.
Der Bundesverband der Arbeitgeber fordert ein flächendeckendes Angebot von 20 %. Wenn Sie schon uns nicht glauben, dann glauben Sie doch wenigstens dem Arbeitgeberverband.
Meine Damen und Herren, wenn wir hier über längere gemeinsame Lernzeiten sprechen und mehr individuelle Förderung wollen, dann gehört für die SPD-Landtagsfraktion dazu auch, dass wir Kinder mit besonderen Lernschwierigkeiten fördern.
PISA hat gezeigt, dass behinderte Kinder, die an allgemein bildenden Schulen integriert sind, tatsächlich hervorragende Leistungen bringen. Schauen Sie sich einmal in Finnland um. Schauen Sie sich einmal an, wie dort die Kinder gefördert werden. Und schauen Sie sich an, wie erfolgreich unsere Schulversuche waren, die wir zu Zeiten der großen Koalition durchgeführt haben.
Sie aber gehen, wenn es von Eltern oder Schulen Anträge auf Einführung solcher integrativer Systeme gibt, den Weg, diese Anträge in der Regel abzulehnen. Es gibt im ganzen Land gerade einmal zehn oder zwölf derartige Schulen. Das ist beschämend; das ist bei weitem nicht ausreichend.
Jetzt sage ich noch etwas, Frau Schavan, wenn Sie hier in Ihrer Rede schon die Hochbegabten als Kronzeugen für Ihre doch so ausgezeichnete Bildungspolitik anführen: Das geplante Hochbegabtengymnasium in Schwäbisch Gmünd ist nun also Ihr idealer Beitrag für Ihre ach so ausgezeichnete Förderung von Hochbegabten.
Die Situation von Eltern hoch begabter Kinder im Lande lässt sich aber nicht nur an einem einzigen Prestigeobjekt festmachen, Frau Schavan.
Während Sie nämlich am Hochbegabtengymnasium herummachen, haben Sie die Hochbegabtenberatungsstelle an der Universität Ulm für Rat suchende Eltern schließen lassen.
Weder Wissenschafts- noch Kultusministerium konnten Geld lockermachen. Ich denke, das ist für immer dahin.
Immerhin kommen täglich Hilfe suchende Eltern, denen abgesagt werden muss. Sie bleiben nun ohne Beratung, weil Sie auch in Ihrem Hause keine Ansprechperson haben.
Und noch etwas: Sie wissen, dass es einen Landesverband für Hochbegabte in Baden-Württemberg gibt. Dieser hat interessanterweise auch zu Ihren Plänen des Hochbegabtengymnasiums in Schwäbisch Gmünd Stellung genommen. Ich zitiere hier aus einer Pressemitteilung des Landesverbands Hochbegabung Baden-Württemberg. Wörtlich schreibt die Vorsitzende Theresa Müller in der gefetteten Überschrift: „Wir wollen kein Internat für hoch begabte Kinder“. Das ist eine klare und eindeutige Aussage und eigentlich eine Ohrfeige für Ihre Hochbegabtenpolitik.
Meine Damen und Herren, ein ganz wichtiger Befund der PISA-Studie muss hier unbedingt noch angesprochen werden, nämlich die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Dieser Befund, der besagt, dass diese Integration nur unzureichend gelingt, ist in der Tat erschreckend,
(Abg. Dr. Lasotta CDU: Da ist überhaupt keine ro- te Linie drin! Das ist ein Sammelsurium, das ist un- glaublich! Parlament von Timbuktu!)
Wozu dies führen kann, hat uns der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg vor einigen Tagen vorbildlich und pressewirksam gezeigt. Er hat vorgeschlagen, in Zukunft Ausländerquoten an Kindergärten und Schulen einzuführen und überall dort, wo die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund diese Höchstquote übersteigt, die Kinder und Jugendlichen in Bussen durch die Lande zu karren und an anderen Schulen unterzubringen.
Diesen Vorschlag des stellvertretenden Ministerpräsidenten halte ich wirklich für den Gipfel und einen Höhepunkt.
Frau Schavan, ich fordere Sie auf, diesen Menschen nach Herkunft diskriminierenden Vorstoß des stellvertretenden Ministerpräsidenten unseres Landes entschieden zurückzuweisen, und ich fordere Sie auf, Ihren Kabinettskollegen Döring über die Folgen einer solchen Maßnahme aufzuklären. Und meine Bitte an Herrn Döring, der ja selbst Gymnasiallehrer ist: Erst denken, dann schwätzen.
Auch Ihr Hinweis, Frau Schavan, Baden-Württemberg schneide bei PISA hervorragend ab, wenn wir Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund herausrechnen, ist – mit Verlaub – völlig daneben