Lassen Sie mich jetzt noch etwas zu den Gewerkschaften sagen. Es ist doch richtig, dass die deutschen Gewerkschaften sagen: Ihr müsst euch überlegen, was mit einem 55-Jährigen passiert, der schuldlos arbeitslos geworden ist und nur 18 Monate lang Arbeitslosengeld bekommt. Dann soll er doch nicht unbedingt gleich in die Sozialhilfe fallen. Darüber muss man doch nachdenken,
Bei der Rente, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man natürlich eine Reform in der Weise machen, jetzt einfach den demographischen Faktor zu nehmen. Das heißt, die Rente wird, wenn ich den demographischen Faktor zugrunde lege – weil es immer weniger Jugendliche gibt, die Menschen Gott sei Dank immer älter werden und es in der Zwischenzeit andere Arbeitsphilosophien gibt –, bei unter 60 %
des letzten Einkommens liegen, wenn einer voll gearbeitet hat. Jetzt sage ich Ihnen: Mit diesem Geld kann dann aber im Jahr 2025 niemand mehr leben. Deshalb diskutieren wir darüber, ob dann möglicherweise steuerlich mehr getan werden müsste, weg vom Arbeitsentgelt, damit derjenige, der ein Leben lang gearbeitet hat, mit seiner Rente am Schluss auskommt. Das ist doch für eine sozialdemokratische Partei logisch, und das ist doch vielleicht auch für Sie logisch.
Insofern finde ich es gut, dass wir darüber debattieren. Die Debatte über die Agenda 2010 wird auch nach dem 1. Juni, wenn wir das Projekt zusammen mit dem Bundeskanzler verabschiedet haben, nicht aufhören.
Im Übrigen beinhaltet die Agenda, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur die Frage einer Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Herr Hofer, Herr Birk, die machen wir, und sie wird dann auch auf der Ebene der Sozialhilfe bezahlt, allerdings mit einer – das sage ich gleich – Abstufung bei Älteren. Herr Clement hat ja hierzu schon Vorschläge gemacht. Damit kommen aber – und deswegen machen wir das – 1 Million Sozialhilfeempfänger aus der Sozialhilfe heraus und in das Arbeitslosengeld II. Das wird eine dramatische Entlastung der Kommunen mit sich bringen. Gerade jetzt wird darüber diskutiert, wie viele Milliarden bei den Kommunen bleiben. Ich glaube, dass wir, wenn wir das durchkriegen, die Kommunen, die ja für die Investitionstätigkeit ganz wichtig sind, im nächsten Jahr in die Lage versetzen, wieder mehr zu investieren.
Meine Bitte an die Union ist – ich mache es sehr sanft, Herr Kollege –: Sorgen Sie dafür, dass wir sehr schnell die Gemeindefinanzreform hinbekommen, dass wir möglicherweise, obwohl hier „Blockade“ gemacht wird, ab 1. Januar eine verbreiterte Kommunalfinanzierung haben, damit die Städte und Kommunen wieder investieren können.
Lassen Sie mich noch etwas zum Kündigungsschutz sagen. Zuerst hat die CDU gefordert, alle Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten vom Kündigungsschutz freizustellen.
Und Sie auch. – Dann wurde gesagt: Dann wären 80 % der deutschen Arbeitnehmer sofort ohne Kündigungsschutz. Das hat offensichtlich auch innerhalb der CDU gezogen, und jetzt wird gesagt, dass jeder in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten neu Eingestellte keinen Kündigungsschutz haben soll. Ich sage nur: Die Debatten finden überall statt,
vielleicht nicht so heftig wie bei uns, aber ich sage: Ich bin stolz darauf, dass sie bei uns stattfinden. Wir unterstützen das, und wir werden in den kommenden drei Wochen noch viele Veranstaltungen haben. Ich kann alle Zuhörer einladen, zu diesen Veranstaltungen zu kommen und dort auch ihre Vorschläge zu unterbreiten. Es gibt nämlich ansonsten zurzeit keine Partei, die diesen inneren Konflikt der deut
schen Gesellschaft so austrägt wie die Sozialdemokratie. Viele andere Fraktionen und Parteien müssten uns dafür dankbar sein, dass wir das zurzeit durchführen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Fraktion stimmt der Agenda 2010 der Bundesregierung voll zu.
Man kann natürlich immer Kritik an Einzelheiten solch einer Reformagenda üben. Diese Kritik ist immer auch irgendwie berechtigt, alles hat Vor- und Nachteile. Selbstverständlich bin ich erst einmal dagegen – um nur einen Punkt herausgreifen –, dass die Dauer der Zahlung des Arbeitslosengeldes gekürzt wird. Das trifft ja diejenigen, die ohnehin schon schlecht dran sind. Aber wenn ich das Gesamtpaket sehe, das ja dazu dienen soll, dass es wieder zu mehr Beschäftigung kommt,
Die aktuellen Zahlen zeigen, wie dramatisch die Lage ist und dass wir anders nicht aus der Situation herauskommen.
Wir brauchen deswegen eine schnelle Einigung mit Ihnen von der Opposition in Berlin, damit diese Sache jetzt schleunigst durchkommt.
(Abg. Wieser CDU: Ihr habt doch eine Mehrheit! Ihr regiert doch! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Bundesrat!)
Es hat gar keinen Sinn, jetzt daran herumzumäkeln und zu sagen, das gehe alles nicht weit genug. Das sind erste wichtige Schritte. Diese Schritte müssen gegangen werden. Ich glaube, dabei haben im Zuge der Diskussion alle noch einigen Nachholbedarf. Das gilt durchaus auch für die Union.
Ich erinnere nur an die Rentendiskussion. Ich erinnere daran, dass in dem Einigungspaket von Stoiber, Merkel und anderen noch gar nichts zur Gesundheitspolitik steht. Da haben, glaube ich, alle Nachholbedarf. Deshalb ist es wichtig, dieser Agenda zuzustimmen.
Ich möchte auch noch ein Wort an die Gewerkschaften richten. Ihr Konzept kennen wir noch nicht. Wir wissen lediglich, dass über eine Neuverschuldung von 7,5 Milliarden € Konjunkturprogramme über die Gemeinden finanziert werden sollen.
Ich meine, alle haben jetzt die tolle Idee, dass man aus den Sozialversicherungen immer mehr in steuerfinanzierte Bereiche schiebt; aber man muss die Haushaltssituation des Bundes sehen. Entgegen der bisherigen Annahme, dass die Nettoneuverschuldung 18,9 Milliarden € betragen werde, wird diese aufgrund der Lage wahrscheinlich auf 30 Milliarden € steigen. Das heißt, jeder 30. Euro, der „in der Gegend herumläuft“, ist ja schon schuldenfinanziert. Das ist schon ein riesiges Deficitspending.
Ich bin seit fast 30 Jahren Mitglied der Gewerkschaft, obwohl ich das als Abgeordneter nicht mehr brauchte. Das heißt, ich bekenne mich zu den Gewerkschaften. Aber ich finde, dass das, was sie derzeit zeigen, deutlich macht, dass sie sehr erstarrt sind. Einige sollten mal die Luft anhalten und nachdenken,
Ich darf noch einmal daran erinnern: In allen wichtigen Punkten beim Arbeitslosengeld sind sich Rot-Grün und Union im Kern einig. Die Union geht allerdings nicht so weit wie wir. Das möchte ich noch einmal betonen. Wenn es nach Ihnen ginge, betrüge die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld nach 40 Beitragsjahren 24 Monate. Wir schlagen maximal 18 Monate vor. Ich möchte Sie nur daran erinnern: Sie wollen das genau so, wie es nicht geht. Wenn jetzt jedem einfällt, dass er da noch ein Stückchen heruntergeht und dort noch ein Stückchen heruntergeht,
dann kommen wir nicht auf eine Senkung der Lohnnebenkosten um 2,7 Prozentpunkte, die die Agenda bringen soll, sondern dann landen wir nachher irgendwo bei 1,5 Prozentpunkten. Dann erzielt das keine sichtbaren Effekte mehr am Arbeitsmarkt. Deswegen können wir Vorschlägen wie diesem, der die Lohnnebenkostensenkung weiter nivelliert, nicht zustimmen. Wir nehmen jeden Vorschlag ernst, aber wir können letztlich nur Vorschlägen zustimmen, die – wenn Ihnen dieser Vorschlag nicht passt, können Sie einen anderen machen – zur gleichen Absenkung der Lohnnebenkosten führen. Alles andere muss letztlich zurückgewiesen werden. Deswegen ist durchaus jeder aufgerufen, Vorschläge zu machen. Wenn sie dasselbe Ziel erreichen, kann darüber geredet werden. Wenn sie dieses Ziel nicht erreichen, müssen sie zurückgewiesen werden.