Insofern muss man hier auch einen Appell an die Unternehmer richten, die immer von längerer Lebensarbeitszeit reden, aber ihre Belegschaft in den Achtziger- und Neunzigerjahren reihenweise von den über 50-Jährigen „gesäubert“ haben – auf Kosten der solidarischen Finanzierung unserer Sozialversicherungssysteme.
Das muss natürlich auch klar sein. Wer für eine längere Lebensarbeitszeit plädiert – wir sind für längeres Arbeiten, um das Ganze in Ordnung zu bringen –, muss den Unternehmen deutlich machen, dass sie nicht immer wieder die Älteren freisetzen sollten oder ihnen kündigen sollten. Vielmehr ist es vorteilhaft – wie die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen –, wenn Ältere im Betrieb sind, weil sie möglicherweise mehr einbringen können als jüngere Arbeitnehmer. Daran besteht kein Zweifel. Aber das muss deutlich werden.
Der Herr Minister hat die Steuererhöhungsdebatten angesprochen. Wir führen sie nicht; wir haben sie auch in unserer Fraktion nicht geführt. Vielmehr sind wir der Meinung, dass wir zunächst einmal mit dem auskommen müssen, was wir haben. Deswegen sehen wir auch sehr viele kritische Punkte in dem Programm, das der DGB vorgestellt hat. Denn wir sind der Meinung, dass ein solches Konzept in der gegenwärtigen Zeit nicht das Richtige wäre.
Um zu verdeutlichen, worum es eigentlich geht, möchte ich einfach noch einmal die Dramatik aufzeigen.
1961 belief sich die Höhe der Sozialausgaben im Bundeshaushalt gerade einmal auf 4,1 Milliarden €. Jetzt sind es 106 Milliarden € – 4 Milliarden € 1961, 106 Milliarden € jetzt. An Zinsbelastungen waren 1961 0,4 Milliarden € aus dem Bundeshaushalt zu tragen. Jetzt sind es mit Sondervermögen 37 Milliarden € Zinsbelastungen, wenn Sie das einmal zusammenzählen.
Jetzt komme ich noch auf die Frage Lohnnebenkosten; nicht zur Schuldzuweisung, nur damit Sie sehen, dass alle Parteien mit dabei sind: Als die Regierungsgeschäfte von der Regierung Schmidt an die Regierung Kohl übergeben wurden, lagen die Lohnnebenkosten bei 34 %. 1998 hat die Regierung Schröder Lohnnebenkosten von 42,1 % übernommen. Natürlich hängt das auch mit der deutschen Einheit zusammen. Aber ich will einmal sagen: Man hätte das auch anders finanzieren können, nicht über die Lohnnebenkosten –
dann lägen die Lohnnebenkosten heute noch bei 34 oder 35 % und müssten wir diese Debatte heute gar nicht führen –, sondern über Steuern – dann hätten sich alle an den Kosten beteiligt, auch Beamte, auch wir Abgeordneten, die über Lohnnebenkosten nicht so beteiligt werden.
Fehler gibt es also überall. Deswegen brauchen wir gar nicht aufeinander herumzuhacken. Jetzt geht es vielmehr darum, zu sagen, wie wir das jetzt schaffen können.
Ich will Ihnen einfach zum Schluss noch, damit Herr Scheuermann nicht mit einem so traurigen Gesicht hinausläuft,
Dabei ist alles halb so wild. Jedenfalls von außen betrachtet. Britische Firmen nämlich finden mehr und mehr Gefallen an Investitionen in Deutschland, meldete dieser Tage die britische Handelskammer. An die 1 000 Firmen... (mit 150 000 Jobs) sind in der Bundesrepublik ansässig, Tendenz steigend. Was macht den kranken Mann Europas so attraktiv für britische Investoren?
Es sind vermeintliche Krankheitserreger. Deutschland ist geschockt von der PISA-Studie, britische Manager loben die hierzulande hoch qualifizierten Arbeitskräfte.
Die halbe Republik ruft „Weniger Staat!“, auf der Insel preist man die meist mit Staatsmitteln geschaffene hiesige Infrastruktur. Deutsche Firmen fürchten die aus der EU-Osterweiterung entstehende Konkurrenz, britische Betriebe betonen die Nähe zu den Märkten Polens und Tschechiens.
passt in das gar nicht so dunkle Bild. In Deutschland müssen Unternehmen an den Staat Abgaben in Höhe von 10 % des Bruttoinlandsprodukts entrichten.
Jedenfalls sollten hiesige Politiker öfter mal ins Ausland fahren – und von dort aus auf die Heimat schauen.
Ich habe das einfach einmal zum Schluss vorgetragen, um zu zeigen, dass wir, wie dies auch von außen gesehen wird, mit dieser Agenda 2010 große Chancen haben, ein wirkliches Wachstum zu erzeugen und wieder Luft zu schnappen und zu sagen: Jetzt packen wir es an.
Herr Wirtschaftsminister, ich sage Ihnen und dem ganzen Landtag zu: Ich werde dem Herrn Bundeskanzler bei dem nächsten Treffen in Kürze berichten: Der baden-württembergische Landtag steht geschlossen hinter dem Bundeskanzler Helmut Schröder, Gerhard Schröder. Es wird ihm gefallen.
(Lebhafter Beifall bei der SPD – Heiterkeit – Zuru- fe von der CDU: Helmut Schröder! – Zuruf von der CDU: Erwin Drexler! – Abg. Hofer FDP/DVP: Ei- ne „gedrexelte“ Formulierung!)
Herr Präsident! Lieber Herr Drexler, wenn wir uns auf die Formulierung, dass wir gemeinsam hinter „Erwin Schröder“ stehen, einigen könnten,
Ich denke, in Ihren abschließenden Ausführungen und in den von Ihnen vorgetragenen Zitaten aus der „Zeit“ wird auch ein Stück weit Schönfärberei deutlich. Wir sind nach
wie vor, was inländische Investitionen angeht, aber auch was ausländische Investitionen in Deutschland und in Baden-Württemberg angeht,
im europäischen Vergleich gerade gegenüber den wachstumsstarken Ländern wie Großbritannien, Spanien, Irland und auch Teilen Italiens deutlich hintendran und haben hier erheblichen Nachholbedarf. Wenn man einmal fragt, an was es liegt, stellt man fest, dass es in erster Linie die Rahmenbedingungen sind, das heißt zu hohe Abgaben, zu hohe Sozialkosten, Lohnnebenkosten, und natürlich auch andere Dinge wie zum Beispiel Arbeitnehmerschutzrechte, wo man einfach versuchen muss, zu korrigieren, um auch im internationalen Wettbewerb wieder besser zu werden.
Herr Kollege Kretschmann, Sie haben vorhin zum Thema Arbeitslosenversicherung das Richtige angesprochen, was die Frage der über 55-Jährigen betrifft, nämlich dass man sich dort auch nach dem CDU/CSU-Konzept vorstellen kann, Arbeitslosengeld bis zu 24 Monate zu bezahlen. Aber ich betone nochmals: Die Vorschläge, die von uns auf den Tisch gelegt wurden, sind durchgerechnet. Diese erlauben eben eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 % auf 5 %. Das ist immerhin ein Einsparvolumen von 12 Milliarden €.
Ich denke, wir sind mit Vorschlägen in anderen Bereichen über das, was Sie fordern, hinausgegangen, zum Beispiel in der Frage, inwieweit man Arbeitslosengeld für Arbeitsfähige, aber nicht Arbeitswillige kürzt. Da sind wir über das hinausgegangen, was Ihre Vorschläge beinhalten. Deshalb denke ich, dass wir da keinen Nachholbedarf haben, sondern sehr wohl auch den Versuch einer ausgewogenen Symmetrie gemacht haben. Ich halte es – ich sage es noch einmal – für wichtig, dass man im ersten Monat der Arbeitslosigkeit auch bereit sein muss, ein Solidaropfer in der Größenordnung von 25 % Kürzung des Arbeitslosengelds zu bringen, weil wir ja das Interesse haben, dass diese Arbeitslosen wieder sehr rasch in den Arbeitsprozess integriert werden können.