Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

Mein Vorgänger als hochschulpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion hat schon damals diese Etikettierung eine Mogelpackung genannt und darauf hingewiesen, dass die Kosten für den Verwaltungsaufwand, der bei der Rückmeldung anfällt, nach Berechnungen des Landesrechnungshofs allenfalls 4 DM betrügen. Das für Gebühren geltende Gebot der Äquivalenz sei daher verletzt. Deshalb, so Salomon schon damals, sei diese so genannte Gebühr als allgemeine Studiengebühr zu bezeichnen.

Ich habe in Vorbereitung auf die heutige Sitzung mir die Protokolle von damals genauer angeschaut und habe festgestellt: Der Kollege Pfister von der FDP/DVP hat auch da

mals schon zugegeben, dass es sich genau genommen um eine allgemeine Studiengebühr handle, während der damalige Wissenschaftsminister mit einer aus heutiger Sicht ganz erstaunlichen und frappierenden Nonchalance alle rechtlichen Bedenken vom Tisch gewischt hat. Gestatten Sie mir, dass ich heute noch einmal aus den Ausführungen von Herrn von Trotha in der Landtagsdebatte vom 31. Januar 1997 zitiere. Damals sagte er:

In der Tat haben wir das Problem, dass die Einschreibgebühr rechtlich eindeutig eine Verwaltungsgebühr ist, dass sie aber von denen, die nicht die erforderlichen Rechtskenntnisse mitbringen – dafür muss man Verständnis haben; man kann sie nicht von jedem erwarten –, als Studiengebühr angesehen wird.

(Heiterkeit des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Deshalb habe ich gesagt:

also Herr von Trotha –

Es kommt mir nicht auf die Semantik an, sondern es kommt mir in der Tat auf die 40 Millionen DM an.

(Beifall des Abg. Kretschmann GRÜNE – Abg. Kretschmann GRÜNE: Schadenfreude ist doch die schönste Freude! – Vereinzelt Heiterkeit)

Heute wissen wir ja, wer die erforderlichen Rechtskenntnisse mitgebracht hat und wer nicht und dass weniger Arroganz deshalb angebracht gewesen wäre.

Sie wissen es alle: Die Rückmeldegebühren kamen. Sie wurden von den Studierenden eingezogen, bis sie vom Landesverwaltungsgericht ausgesetzt wurden und das Thema dann an das Bundesverfassungsgericht verwiesen wurde.

Meine Damen und Herren, die Geschichte mit dem Loch geht weiter. Im Nachtragshaushalt 2003 taucht es wieder auf, dieses Mal in Höhe von 20 Millionen €. „Einnahmen aus Rückmeldegebühren“ steht da, als ungedeckter Scheck sozusagen. In Erwartung nämlich, den Prozess vor dem Bundesverfassungsgericht zu gewinnen, hat Herr Wissenschaftsminister Frankenberg versprochen, die 20 Millionen € auf diesem Weg einzubringen. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als es wirklich schon die Spatzen von den Dächern pfiffen, dass das Bundesverfassungsgericht in Kürze mit aller Wahrscheinlichkeit gegen die Rückmeldegebühren urteilen werde. In der Tat war es so: Die Rückmeldegebühren sind verfassungswidrig.

Jetzt kommen wir zum dritten Teil dieser wahrlich unendlichen Geschichte vom Haushaltsloch. Regelrechte Abgründe tun sich da inzwischen auf, Herr Minister Frankenberg. Sie tun so, als würde Sie und mit Ihnen die Regierungsfraktionen das nicht anfechten, und Sie sagen einfach: Machen wir halt ein neues Gesetz, um Gebühren zu erheben. Sie haben deshalb gleich angekündigt, die neue und zugleich alte Gebühr würden Sie Verwaltungsgebühr nennen und sie solle 75 € betragen. Sie dachten ja an Ihr Haushaltsloch von 20 Millionen €. Weil dieses Gesetz erst zum Wintersemester in Kraft treten kann, reichten 50 € nicht aus. Deswegen würden Sie 75 € pro Semester erheben. Im Übrigen steht es bis heute so auf der Homepage Ihres Ministeriums.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Müssen die ändern! – Heiterkeit des Abg. Pfister FDP/DVP)

Das ist auch nötig. – Sieht man jetzt in den vorliegenden Gesetzentwurf – das wurde ja eben schon ausgeführt –, stellt man fest, dass inzwischen der Betrag von 40 € aufgeführt ist. Bei genauerer Analyse und sicher beim Hinzuziehen von viel juristischem Sachverstand mussten Sie nämlich die 75 € herunterrechnen, damit sie nicht als Studiengebühren gelten und einer juristischen Überprüfung standhalten. Und jetzt glauben Sie alle, dass Sie mit der Erhebung von 40 € auf der sicheren Seite sind.

Damit wären wir wieder einmal beim Thema „Loch im Haushalt“. Es gelingt Ihnen einfach nicht, dieses Loch zu schließen. Sie nehmen auf diese Art jetzt allenfalls 8 Millionen € zum Wintersemester ein. Es bleibt also ein Loch von 12 Millionen €. Deshalb müssen wir weitergehen und tief in die Abgründe, die sich da auftun, hineinblicken. Das Loch wird nämlich bei genauem Hinsehen immer tiefer.

Mit dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts haben die Studierenden bzw. die ehemaligen Studierenden einen Anspruch auf Rückzahlung der 1997 und 1998 widerrechtlich erhobenen Rückmeldegebühren erworben. Es sind bis zu 300 000 Anspruchsberechtigte, die ihre Gebühren zurückfordern können, und die Gesamtsumme, die das Land an sie zurückzahlen muss, beträgt bis zu 36 Millionen €. Bislang hat ein Drittel der Anspruchsberechtigten die Ansprüche angemeldet. Da die Rückzahlung noch bis 2006 beantragt werden kann, ist ein Ende dieser Antragsflut noch nicht abzusehen.

Übrigens, die Frage, woher Sie das Geld nehmen wollen, um diese 36 Millionen € zu finanzieren, haben Sie uns in der Stellungnahme zu unserem Antrag leider nicht beantworten können.

Jetzt wird es tatsächlich duster. Die Anträge auf Rückerstattung müssen von den Hochschulen bearbeitet werden. Allein in Heidelberg, so war vor kurzem in der Zeitung zu lesen, werden es bis zu 40 000 Anträge sein, die zu bearbeiten sind. Die Universitätsverwaltungen versinken regelrecht in einer Flut von Anträgen. Der Aufwand für sie ist immens. Wenn man – eine einfache Rechnung – 15 Minuten Bearbeitungszeit pro Antrag rechnet, bedeutet das allein für Heidelberg vier ganze Stellen. Diese vier Personen werden ein ganzes Jahr lang damit beschäftigt sein, die Rückerstattungsansprüche zu bearbeiten. Das ist völlig absurd. Noch absurder wird es, wenn man bedenkt, dass die Hochschulen diesen Aufwand betreiben müssen, obwohl sie das Geld nie gesehen haben, denn die Rückmeldegebühren sind ja direkt in den Landeshaushalt geflossen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Allerdings in den Wissen- schaftsetat!)

Zwar in den Wissenschaftsetat, aber direkt in den Landeshaushalt.

Nochmals zusammenfassend: Wie sieht das Loch im Haushalt 2003 aktuell aus? Sie haben 20 Millionen € veranschlagt, kriegen aber nach dem vorliegenden Gesetzentwurf nur 8 Millionen €. Es fehlen also 12 Millionen €. 4 Millionen € wollen Sie über eine globale Minderausgabe finanzie

ren. Das – nur am Rande – reißt wiederum Löcher in die Haushalte der betroffenen Einrichtungen. Es bleibt aber dennoch beim Land ein Haushaltsloch von 8 Millionen €. Dazu kommen die 36 Millionen € Rückzahlung.

Es wundert einen nicht, dass Sie bei so viel Haushaltsloch anfangen, chaotisch zu reagieren, und neue Wege suchen, wie denn die Löcher gestopft werden können. Was machen Sie? Sie suchen neue Gebührentatbestände. Meine Damen und Herren, man kann nur sagen: Die baden-württembergische Hochschulpolitik ist Gebührenpolitik. Sie haben Langzeitstudiengebühren. Sie wollen jetzt Verwaltungsgebühren einführen, und Sie schaffen den nächsten Gebührentatbestand – er steht schon fest und ist in diesem Gesetzesvorhaben schon angekündigt –, nämlich Gebühren für Auswahlverfahren. Diese haben Sie in der Formulierung explizit erwähnt. Sie werden den Hochschulen die Freiheit geben, vor Ort Gebühren für Auswahlverfahren zu erheben, und zwar allein deswegen, weil Sie den Hochschulen die Pflicht aufs Auge gedrückt haben, diese Auswahlverfahren flächendeckend und in großem Umfang zu machen. Ohne ihnen die zusätzlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, werden Sie die Hochschulen in die Situation bringen, dass sie sich nicht anders zu helfen wissen und eben diese Gebühren verlangen werden. Daher kann man davon ausgehen, dass auch dieser Gebührentatbestand kommen wird.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Wir könnten auf alles ver- zichten!)

Dazu komme ich gleich, Herr Pfister.

Sie klagen noch zusätzlich gegen das Gebührenverbot im Hochschulrahmengesetz. Daher liegt jetzt Ihre Strategie klar auf dem Tisch: Sie wollen sich hier ein Instrument für allgemeine direkte Studiengebühren schaffen. Der Zweck ist das Stopfen von Haushaltslöchern. Diese Gebühren lassen sich beliebig und ad ultimum erhöhen, je nach Größe der Haushaltslöcher.

Deshalb, meine Damen und Herren und sehr geehrter Herr Minister Frankenberg: Größer als das Finanzloch, das sich hier auftut, ist leider das Glaubwürdigkeitsloch;

(Beifall bei den Grünen)

denn mit dieser Politik, die in diesem Gesetzentwurf verfolgt wird, werden Sie eine fatale Wirkung erzielen. Die Höhe der Gebühr fällt ja im Moment gar nicht so arg ins Gewicht, aber es sind die Konstruktion und die Vorgeschichte dieses Vorhabens, die alle Befürchtungen der Studierenden und der Hochschulen selbst bestätigen; denn dieser Weg führt dazu, dass die Beiträge der Studierenden zur Abzocke dienen. Sie machen hochschulpolitisch keinen Sinn. Sie leisten nichts zur Verbesserung der Lehre. Die Hochschulen haben direkt nichts davon. Sie dienen nur dazu, Löcher im Staatshaushalt zu stopfen. Daher haben wir es hier, meine Damen und Herren, mit einem im wahrsten Sinne des Wortes schwarzen Loch zu tun. In diesem schwarzen Loch versenken Sie die Glaubwürdigkeit Ihrer Hochschulpolitik. Und noch viel schlimmer: In diesem schwarzen Loch versenken Sie die Chancen auf eine bessere und intelligentere Hochschulfinanzierung.

Deswegen noch ein paar Bemerkungen zu Ihren Stichwörtern zur allgemeinen Studiengebühr: Tatsächlich wird in diesen Tagen viel darüber diskutiert, wie wir die Hochschulen gescheiter finanzieren können. Auch bei den Grünen diskutieren wir darüber, dass mehr Geld für die Hochschulen zur Verfügung gestellt werden muss. Es kann auch Möglichkeiten geben, dass Studierende selbst Beiträge dazu leisten. Aber es macht einen riesengroßen Unterschied, ob man nach Geldern, nach Studiengebühren sucht, um die Löcher im Haushalt zu stopfen, oder ob man Finanzierungsinstrumente schafft, mit denen Geld direkt in die Hochschulen fließt

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es! Genau!)

und die die Nachfragemacht der Studierenden steigern.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Völlig in Ordnung! – Bei- fall der Abg. Kretschmann GRÜNE und Pfister FDP/DVP)

Was Sie, Herr Pfister, mit Ihrem Statement für allgemeine Studiengebühren propagieren, ist das Gegenteil einer intelligenten Hochschulfinanzierung. Sie müssen unterscheiden zwischen allgemeinen Studiengebühren für den Haushalt und einer modernen Hochschulfinanzierung, die direkt den Hochschulen zugute kommt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Wissenschaftsminister Professor Dr. Frankenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der beiden Regierungsfraktionen soll die bisherigen Regelungen zur Immatrikulations- und Rückmeldegebühr durch einen allgemeinen Verwaltungskostenbeitrag ersetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherigen Regelungen für nicht verfassungsgemäß und damit für rechtlich unwirksam erklärt. Aus der Urteilsbegründung, vor allen Dingen aus der schriftlichen Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts ergaben sich Konsequenzen für die allgemeine Verwaltungsgebühr, die an die Stelle der bisherigen Immatrikulations- und Rückmeldegebühr treten soll und aus Haushaltsgründen auch treten muss.

Wenn gesagt wird, dass diese Gebühren, solange sie erhoben wurden, nicht direkt den Hochschulen zugute kamen, so muss man dazu feststellen, dass wir nur e i n e n Landeshaushalt haben. Die Alternative wäre gewesen, die entsprechende Summe aus den Haushalten der Hochschulen zu streichen

(Abg. Pfister FDP/DVP: Kommt auf das Gleiche raus!)

oder stattdessen über die Erhöhung der damaligen Immatrikulations- und Rückmeldegebühr zu ersetzen. Mit diesen Gebühren sind globale Mindestausgaben für die Hochschulen in entsprechender Höhe vermieden worden.

In der Tat ist die Begründung damals wie heute in der schwierigen Haushaltslage zu sehen. Sie nennen das „Haus

(Minister Dr. Frankenberg)

haltsloch“, Frau Bauer. Ich ziehe die Begriffe „Haushaltsdefizit“ und „schwierige Haushaltslage“ vor.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Schöner ausgedrückt! Akademischer ausgedrückt! Kommt auf das Glei- che raus!)

Die Opposition kann eher von einem Loch sprechen, als wir das tun.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Die kennen diese Lö- cher so gut! – Abg. Pfisterer CDU: Die stopfen je- den Tag in Berlin Löcher!)

Auch in diesem Fall ist es so, dass das Geld bzw. die skizzierten und erwarteten Einnahmen dazu dienen werden, entsprechende Kürzungen bei den Hochschulhaushalten zu verhindern.

Man muss daran denken, dass wir das einzige Bundesland sind, das mit den Universitäten und den übrigen Hochschulen Solidarpakte abgeschlossen hat, dass wir also auch in diesen extrem schwierigen Haushaltszeiten eine Haushaltsgarantie gegeben haben – bei den Universitäten für insgesamt zehn Jahre – und dass wir trotz der enormen Kürzungen im Landeshaushalt keinerlei Abstriche bei den Hochschulhaushalten gemacht haben. Trotz der gegenwärtig schwierigen Haushaltslage und der vielen Kürzungen, die das Land vornehmen musste und die auch wir im Wissenschaftsetat vornehmen mussten, ist – auch dies muss man sagen – bei den einzelnen Hochschulen bis jetzt kein Cent gestrichen und eingespart worden – zugunsten der jungen Generation, zugunsten von Forschung und Lehre im Land. Auch dies ist ein Teil der Wahrheit der so genannten Haushaltslöcher.