Wer sich so wie das Land Baden-Württemberg engagiert, der ist, glaube ich, über alle Vorwürfe erhaben, man wolle jetzt bei einer verwaltungsorganisatorischen Maßnahme irgendwo der Flurneuordnung ans Leder gehen. Das eine schließt das andere komplett aus. Deswegen einfach von vornherein noch einmal das eindeutige Bekenntnis zur Flurneuordnung als wichtigem Bestandteil der Entwicklung des ländlichen Raums in Baden-Württemberg.
Ich möchte Ihnen aber auch sagen, was ansteht. Man sollte ruhig immer wieder in die Diskussion einbringen, dass wir eine sehr hohe Arbeitsauslastung haben, ein Arbeitsvolumen von rund acht Jahren. Wir haben dieser Tage im Kabinett das Arbeitsprogramm 2003/2004 verabschiedet. 76 neue Verfahren mit rund 29 000 Hektar Bearbeitungsfläche werden kommen.
Interessant ist auch die Aufteilung, weil das Ganze nicht nur mit Landwirtschaft zu verbinden ist: Es sind 23 neue Verfahren in Unternehmensflurneuordnungen bei planfestgestellten Infrastrukturprojekten, es sind 43 land- und forstwirtschaftliche Strukturmaßnahmen, und es sind 10 Verfahren aufgrund infrastruktureller oder ökologischer Erfordernisse im Gange. Und bis zum Jahr 2012 sind etwa 300 weitere Verfahren zu erwarten.
Warum nenne ich das so ausgiebig und detailliert? Weil in der Tat die Diskussion geführt werden muss, erst recht bei knappen Kassen. Dabei muss halt auch dieser Belang des ländlichen Raums auf Augenhöhe stehen mit all den anderen Belangen, um die es bei schwieriger werdender Kassenlage geht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe den Eindruck, dass Klischees oder Vorurteile aus den Fünfziger-, Sechzigerjahren schon längst hinter uns sind. Es mag ja immer wieder Konfliktsituationen geben. Kollege Walter, es gibt sicher auch hin und wieder Konfliktsituationen zwischen ökologischen und ökonomischen Belangen zu bereinigen. Das ist in allen Bereichen der Verwaltung tägliches Geschäft.
Aber ich habe den Eindruck – und hier muss ich an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein hohes Kompliment aussprechen –, dass man in den letzten Jahren – mittlerweile Jahrzehnten – geübt ist, diese Konflikte zu bewältigen, Abwägungen vorzunehmen, um den ökologischen Belangen bestmöglich Rechnung zu tragen. Ganz im Gegenteil: Ich höre eher hier und da von Bürgermeistern und Eigentümern
die Klage, dass sie sagen: „Wir müssen viel, sehr viel in den ökologischen Ausgleich einbringen.“ Also da muss ich sagen: Die Mitarbeiter der Verwaltung sind sensibel in den ökologischen Belangen. Ich kenne die Lektüre noch nicht, die vom BUND erstellt wurde. Ich werde sie mir gründlich durchlesen. Aber ich kann mir gar nicht vorstellen, dass das exemplarisch ist für das, was im Land derzeit an Flurneuordnung betrieben wird.
Also kurzum, jetzt ein Zweites: Die Flurneuordnungsverwaltung war, wie viele andere Verwaltungsbereiche, natürlich in ständiger Veränderung. Wir haben seit 1993 – auch das muss bei der Verwaltungsreformdiskussion Beachtung finden – 22 % des Personals eingespart. Wir haben in den nächsten Jahren drastische Altersabgänge. Wir konnten das immer wieder durch entsprechenden technologischen Fortschritt kompensieren, gar keine Frage. Man konnte das auffangen. Das ist doch der Sinn der technologischen Innovation. Aber diese Verwaltung hat gestanden und hat sich in den Inhalten, aber genauso in den Verfahren weiterentwickelt.
Wenn wir jetzt vor einer Verwaltungsreform stehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann dürfen wir bei der Diskussion bitte auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Die Verwaltungsreform hat drei elementare Überschriften. Die erste ist ganz wichtig: Wir beginnen nicht bei null. Wir haben eine optimale Landesverwaltung. Ich kann und darf immer nur sagen: Es geht letztlich nur so, indem man Topmodelle, Topsituationen unter dem Gesichtspunkt „noch mehr Transparenz, noch mehr Entscheidungskonzentration“ weiterentwickeln möchte. Und zum Dritten möchte man natürlich angesichts leerer Kassen vielleicht da und dort neue Synergieeffekte im Interesse der Kostenersparnis erzielen. Das sind die Überschriften.
Jetzt kommt natürlich das, was man in einem Bereich angedacht hat, nämlich Kompetenzzentren. Ich sage: Der Gedanke der Kompetenzzentren wird fortgeführt in dem, was die Überschriften zu dieser Verwaltungsreform sind, indem nämlich im Sinne der Einhäusigkeit und der Einräumigkeit alles, was auch immer geht, in ganz große Verwaltungsfachkompetenzen der Landkreise übergeführt wird. Dabei muss natürlich das Prinzip der absoluten Funktionalität im Auge behalten werden.
Ich kann nur sagen: Wir befinden uns in einem aktuellen Diskussionsprozess. Die Entwürfe kommen auf den Tisch. Wir haben noch viel Gelegenheit, in diesem Hause zu beraten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Hauk, ich habe Ihnen ja gesagt, wir gehen gern in der zweiten Runde darauf ein. Dabei wüsste ich von Ihnen gern einmal, sehr geehrter Kollege Hauk, was Sie selbst denn wollen. Warum steht denn in der Zeitung immer nur, dass Sie einer der wenigen gewesen seien, der gegen die Verwaltungsreform gestimmt habe?
Aber Sie haben sich auch nicht dagegen gewehrt. Wenn ich Ihnen irgendetwas unterstelle, wehren Sie sich immer sofort. Durch Tolerieren kann man auch sagen: „Ich will es.“
Ja, aber in dem Fall ging es darum, dass Sie gesagt haben, Sie würden gern wissen, was wir zur Verwaltungsreform zu sagen haben und was wir darüber denken.
Das sage ich natürlich gern. Ob das in der ersten oder in der zweiten Runde ist, dürfen wir aber wohl selbst entscheiden.
Aber zunächst noch zu Herrn Drautz. Er hat gesagt, wir müssten Bürokratie abbauen. Dann müssen wir das aber doch nicht wieder rückwärts in 35 Landratsämter zurückgliedern. Jetzt haben wir 22 Ämter. Daraus kann man – das hat Herr Stächele zumindest nicht ausgeschlossen; vielleicht sagt er es in der zweiten Runde – Kompetenz bündeln. Aber wie soll ich denn die Kompetenz, die ich mühsam in 22 Ämtern habe, in die 35 oder mehr Landratsämter eingliedern, wenn die dann gar nicht mehr vorhanden sind? Das Einzige, was ich bei Ihnen herausgehört habe, ist, dass Sie für größere Kreise sind. Dann bringen wir das in 22 Zentren hin. Dann hätten wir eben eine andere Regionalstruktur. Aber das haben Sie bisher nicht gesagt.
Jetzt noch einmal: Wenn wir bei der Verwaltungsreform etwas einsparen wollen, dann muss ich doch auch sagen: Wie will ich das machen? Herr Hauk, Sie haben ja gesagt, Sie sagten das erst in der zweiten Runde. Okay. Das höre ich mir gern an. Herr Drautz hat es auch nicht gesagt. Die Frage ist doch: Wie soll denn die jetzt funktionierende Zusammenarbeit der 22 ÄFL werden, und was wird mit der Landesanstalt, die auch noch zentrale Aufgaben hat – das geht auch an den Minister –, wenn das alles plötzlich in einem RP untergebracht wird? Dann ist das Regierungspräsidium Stuttgart auch für etwas zuständig, was jetzt in Säckingen umgesetzt wird; denn da ist ein solches Amt. Sie müssen das schon deutlich machen.
Sie haben sehr schön gesagt: Kompetenz soll konzentriert werden. Aber dann nehmen wir doch die vorhandenen
Strukturen und bauen nicht etwas Neues in Landratsämter ein. Denn wieso soll irgendein Landratsamt, das bisher kein Amt für Flurneuordnung hatte, das plötzlich nicht bekommen? Das leuchtet mir nicht ein. Ich kann mir auch nicht erklären, dass sich ein Landratsamt die Kompetenz von dem benachbarten oder dem übernächsten Landratsamt leihen muss, weil es keine eigene entsprechende Behörde hat.
Was wollen Sie denn abbauen? Der Minister hat deutlich gesagt: 22 % sind schon abgebaut. Dafür gibt es sehr viel neue Technik, und das läuft auch einigermaßen, aber nicht unbegrenzt, weil irgendwann das Nicht-Ersetzen von älteren Beamten und Beamtinnen in den Ämtern nicht mehr aufgefangen werden kann. Sie haben übrigens beim Jubiläum der Landesanstalt selber gesagt, dass Sie wissen, was die Beamtinnen und Beamten leisten, und dass man irgendwann aufhören müsse, die Einsparungen auf Kosten der Arbeitskraft der dort Beschäftigen weiter auszudehnen. Das werden Sie inzwischen sicher auch so sehen. Aber die Betreffenden gehen doch nicht einfach in die Landratsämter und machen dort das, was sie bisher machen.
Erstens: Sagen Sie bitte ganz klar, wo Sie die Kompetenz für Flurneuordnung und Landentwicklung zukünftig haben möchten. Wenn Sie sie wirklich in den Landratsämtern haben möchten, können Sie aber nicht von einem Abbau der Bürokratie sprechen, sondern das wird ein Zuwachs.
Zweitens können Sie sagen: Wir haben die Landesanstalt, und wir möchten sie weiterhin möglichst als Kontrollorgan erhalten. Dann muss sie aber eine gewisse Selbstständigkeit haben und darf nicht in eines der Regierungspräsidien eingegliedert werden. Wenn Sie aber – wie wir – der Meinung sind, dass man die Regierungspräsidien sowieso nicht mehr braucht, können Sie die Kompetenz gleich dorthin geben, wohin sie gehört, nämlich direkt ins Ministerium.
Drittens: Es ist doch die Frage, ob wir nicht Fachkompetenz zersplittern. Wegen des Zugriffs auf die Landesanstalt für jeden Bereich der 22 Ämter sind inzwischen Anfragen mit sofortiger Antwort per PC möglich. Soll das dann alles über die Landratsämter laufen? Das kann mir niemand erklären.
Eines haben Sie eben selber gesagt: Wir sind noch gar nicht fertig im Land. Wenn es noch 453 Verfahren gibt, kann man das doch nicht während der Verfahren einfach ändern. Herr Minister, wir brauchen ein regionales Kompetenzzentrum für alles, was den ländlichen Raum betrifft. Wir sind da offen. Wir können uns das gut vorstellen, und zwar so verteilt, dass dieses Zentrum jeweils dahin kommt, wo die Kompetenz ist, anstatt dass die Kompetenz in irgendwelche entfernte Gegenden wandert. Das ist kein Bürokratieabbau.
Noch ein Letztes zu Ihnen, Herr Kollege Hauk. Über Ihren Plan kann man ja sprechen. Aber warum machen Sie das so klammheimlich, als ob es ein Geheimnis wäre? Wenn Sie etwas beschließen wollen, haben Sie die Mehrheit; das weiß ich auch. Aber man kann doch vorher fragen, was erreicht werden soll. Ich sehe in dem, was Sie in diesem Punkt vorhaben – das wussten wir bei der Antragstellung noch nicht –, keinen Fortschritt, sondern einen Rückschritt.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann – da muss man etwas grundsätzlicher werden – bei der Verwaltungsreform zwei Denkrichtungen verfolgen. Zum einen geht es um eine stringente, schlanke, an einem Strang durchorganisierte staatliche Verwaltung, und zum anderen geht es vom Denkansatz her um ein – so sage ich einmal – weitgehendes Kommunalmodell. Beide Denkrichtungen sind nicht von vornherein falsch, und nicht jeder, der an Veränderungen denkt, Herr Kollege Teßmer, ist von vornherein der Böse
Beide Möglichkeiten sind zu sehen in der finanziellen Situation, in der sich das Land Baden-Württemberg aufgrund der von Ihnen in Berlin verschuldeten Politik derzeit befindet.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Widerspruch bei der SPD – Abg. Teßmer SPD: Das war der blödeste Satz! Was hat denn die Flurneuordnung mit Berlin zu tun?)