mehr Realitätsnähe, mehr Gerechtigkeit und mehr Transparenz: mehr Realitätsnähe im Blick auf die tatsächlichen Aufgaben, die wir ganz automatisch mit Schule verbinden, mehr Gerechtigkeit im Blick auf augenscheinlich höchst unterschiedliche Belastungen der Lehrerinnen und Lehrer und mehr Transparenz im Blick auf viele Missverständnisse, die es gibt und die Sie beschrieben haben, Missverständnisse auch zwischen Gesellschaft und Schule.
Bislang gab es zwei erste Versuche in Baden-Württemberg, ein bisschen oder – ich drücke es noch vorsichtiger aus – einen Hauch von Bewegung in die Entwicklung und Diskussion zu bringen.
Der erste Versuch war mein Vorschlag vor einigen Jahren, ein flexibles Deputat einzuführen. Jede Schule sollte ein flexibles Deputat einführen können. Wir haben Gespräche mit Schulen geführt. Es gab Schulleiterinnen und Schulleiter, die interessiert waren, und letztlich ist es gescheitert. Selbst der letzte mutige Schulleiter an einem südbadischen Gymnasium – ich weiß nicht mehr genau, wo es war – hatte die Waffen gestreckt, weil es als Prozess von unten nach oben nicht umsetzbar war.
Mein Vorschlag war, nicht wir beschreiben exakt, was welche Belastung bedeutet, sondern wir versuchen in Kooperation mit einigen Schulen, die aus der Praxis heraus sagen: „Wir haben im Kollegium ein solches Konzept entwickelt“, gleichsam Erfahrungswerte zu sammeln, die für künftige allgemeine Regelungen herangezogen werden können.
Da gibt es zwei Ebenen. Das eine ist das Angebot der GEW, das ich angenommen habe. Nach der zweiten oder dritten Gesprächsrunde ist das Ganze zunächst einmal daran gescheitert, dass seitens meines Hauses gesagt worden ist: Es gibt Bereiche, nämlich da, wo wir einen Vertrag bis 2012 abgeschlossen haben, in denen wir, wenn Veränderungen in diesem Zeitraum vorgenommen werden sollten, auch rechtlich prüfen müssen, was dann möglich ist.
Es gibt eine zweite Arbeitsgruppe im Zusammenhang mit dem Bericht des Rechnungshofs, aus der nicht das Ministerium ausgestiegen ist, sondern die GEW. Das ist alles Schnee von gestern. Granit bei mir suchen kann man also gerne, das macht sich immer gut, setzt aber bei diesem Thema an der völlig falschen Stelle an.
Ich will Ihnen zwei Beispiele außerhalb Baden-Württembergs nennen. Herr Zeller hat von Nordrhein-Westfalen gesprochen. In Nordrhein-Westfalen gab es eine groß angelegte Arbeitszeituntersuchung: Feststellung von Belastungen, bis in die Sommerferien hinein exaktes Festhalten von Arbeitszeiten bis hin zu Lektürezeiten. Jetzt bin ich vorsichtig mit meinen Schlussfolgerungen, was Maßnahmen in anderen Ländern betrifft. Zu Bremen könnte ich auch noch was sagen. Wenn der Koalitionsvertrag verabschiedet ist, komme ich auf dieses Thema zurück. Dann schauen wir mal, was da passiert ist.
Jetzt zu NRW. Können Sie mir eine Konsequenz nennen, die Nordrhein-Westfalen aus dieser Arbeitszeituntersuchung gezogen hat? Gibt es eine Konsequenz, die in Nordrhein-Westfalen aus dieser Arbeitszeituntersuchung gezogen wurde?
Die Arbeitszeitverlängerung, über die heute in der Zeitung berichtet wird, genau. Ich will damit sagen: Es nützt uns überhaupt nichts, eine groß angelegte Arbeitszeituntersuchung zu machen, die dann zu den Akten gelegt wird und zu überhaupt keiner Veränderung in den Schulen führt.
Der zweite Versuch, interessanterweise zum neuen Schuljahr, wird in Hamburg stattfinden. Hamburg hat genau diesen Versuch unternommen: ein neues Verständnis von Arbeitszeit mit einem flexiblen Deputat, einer Auflistung zentraler Arbeitsbereiche der Lehrerinnen und Lehrer. Das wird zum 1. August bzw. zum neuen Schuljahr bereits eingeführt. Haben Sie gehört, dass die GEW dieses Modell richtig findet? In Hamburg haben sich zunächst einmal 240
(Abg. Wacker CDU: Ja! So ist es! – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das habe ich doch gesagt! – Glocke des Präsidenten)
Frau Ministerin, da sind wir uns sicher einig. Das ist sicher ein schwieriges Thema und auch nur gemeinsam zu bewältigen. Aber ist Ihnen bekannt, dass das Arbeitszeitmodell in Hamburg mit der Forderung verbunden wurde, gleichzeitig um 1 000 Lehrerstellen zu reduzieren, und von daher einseitig belastet und somit zum Scheitern verurteilt war? Ist Ihnen zweitens bekannt, dass die hiesige GEW in Baden-Württemberg das Arbeitszeitmodell in Hamburg für sehr sinnvoll hält?
Ich weiß, dass 1 000 Lehrerstellen gestrichen werden sollten, ich weiß aber nicht, was das endgültige Ergebnis war. Da gab es ein Hin und Her zwischen Finanzsenator und Bildungssenator.
Ich weise auch nur darauf hin – zum Thema Ewiggestrige –, dass es kein Bundesland gibt und niemanden in Deutschland, der bislang einen nächsten Schritt zum Verständnis von Arbeitszeit in Kraft gesetzt hat, von dem der Eindruck entsteht, das könnte etwas Sinnvolles sein.
Wenn mein erster Satz stimmt, dass die jetzige Beschreibung von Lehrerarbeitszeit nicht mehr in unsere Zeit passt, dann muss man es grundlegend verändern.
Man darf es nicht nur an dieser oder jener Stelle ändern. Vielmehr muss man Eckpunkte formulieren, die gleichsam die Diskussionsstränge darstellen, aufgrund derer wir zu einem neuen Verständnis und damit verbunden zu neuen rechtlichen Grundlagen kommen.
Ich schlage Ihnen sechs solcher Eckpunkte vor, die wir in eine Arbeitsgruppe geben, die ab 1. Oktober 2003 tagt und uns in Form eines Stufenmodells Vorschläge zur Entwicklung eines neuen Verständnisses, einer neuen Verteilung von Belastungen und allem, was dazu gehört, machen wird.
Der erste Eckpunkt – übrigens auch der erste Schritt, der getan werden kann – ist die Einführung eines flexiblen Deputats. Das heißt, es sind unterschiedliche Belastungsgrade festzustellen, das heißt eine Bandbreite – – In Österreich gibt es, glaube ich, eine Bandbreite zwischen 18 und 27, 28 Stunden. Das lässt sich in einer allerersten Phase in Modellschulen durchführen. Das sollte zukünftig genereller Bestandteil von Arbeitszeitregelungen sein.
Zweitens: Jahresarbeitsstunden. Da muss man gar nicht lange überlegen, wie viele es sind, weil für jeden Beamten im öffentlichen Dienst die Arbeitswoche 41 Stunden umfasst.
dass ein Urlaubsschein ausgefüllt wird. Das sind die 30 Tage, an denen man nicht verfügbar ist. An allen anderen Tagen gilt für jeden von uns: Da ist man verfügbar. Das kann zu Hause sein.
Das ist in der Tat das angemessene Tempo am Beginn des 21. Jahrhunderts. Die Zeit der Kutschfahrten ist vorbei.