Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Auf der anderen Seite sieht er, dass er nun plötzlich der Transparenz ausgesetzt ist, dem Vergleich ausgesetzt ist. Dazu kommt noch ein Controlling. Wenn Sie das alles sehen, dann haben Sie durchaus Verständnis, dass das auf bestimmte Vorbehalte bei der Belegschaft stößt.

Nun ist mit Recht von vielen gesagt worden, man müsse in einem solchen Projekt versuchen, den Mitarbeiter mitzunehmen. Das ist ganz klar. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass man bei qualifizierten Mitarbeitern nicht schreien kann und nicht befehlen kann, sondern dass man versuchen muss, zu überzeugen. Wir haben das gemacht. Es ist zum Teil gelungen. Aber nicht alle sind begeistert.

Nun sagen Sie, wie das in anderen Ländern aussieht. Ich habe mir einmal einige Unterlagen beschafft. In allen Ländern gibt es die gleichen Schwierigkeiten bei der Einführung der Neuen Steuerungsinstrumente. Die nördlichen Länder tun sich sehr viel schwerer, weil sie sehr rigide Personalvertretungsgesetze haben und in vielen Fällen diese Neuen Steuerungsinstrumente gar nicht einführen können. Das muss man auch einmal in aller Klarheit ansprechen können.

(Zuruf von der SPD: Bremen!)

In Bremen ist man relativ weit, das ist wahr. Es gibt drei Länder, die weit sind: Das ist Baden-Württemberg, das ist Hessen, und das ist Bremen. Alle anderen Länder hängen wesentlich zurück.

Es ist einige Male angesprochen worden, man müsse in den einzelnen Ministerien Betriebsvereinbarungen schließen. Herr Dr. Birk hat schon darauf hingewiesen. In der Tat ist das in fünf Ministerien bereits erfolgt, bei den anderen steht man kurz vor einem Abschluss. Ich weiß nicht, wie weit man ist, aber ich bin davon überzeugt, dass wir in einiger Zeit das, was Sie gefordert haben, haben werden: Betriebsvereinbarungen in jedem einzelnen Ministerium.

(Minister Stratthaus)

Ein letzter Gedanke noch zum Haushalt. Ich werde dabei in erster Linie auf die Frage eingehen, die Sie sicher besonders interessiert: Verwaltungsreform und Neue Steuerungsinstrumente. Das ist natürlich ein Problem. Der Haushalt wird transparenter werden, als er bisher war. Ich bin davon überzeugt, dass der einzelne Abgeordnete viel besser sein Königsrecht ausüben kann als bisher, denn er hat nicht nur die Inputzahlen, sondern er hat auch Kennzahlen. Er kann besser vergleichen, er kann auch Qualitäten miteinander vergleichen. Ich bin der festen Überzeugung: Der Haushalt wird für Sie besser sein, er wird transparenter sein. Sie werden die eine oder andere Zahl nicht mehr vorfinden. Die hat aber die ganze Zeit für Sie schon keine Bedeutung gehabt. Die wichtigen Zahlen, die Kennzahlen, werden Sie in Zukunft haben.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Das ist genau das Problem, dass Sie als Minister festlegen, was mich als Abgeordnete zu interessieren hat! Das überlas- sen Sie bitte mir als Abgeordnetem, was für Zahlen ich will!)

Sie werden jetzt aber nicht jähzornig, wenn ich nicht darauf antworte.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf das eingehen, was eigentlich im Mittelpunkt meiner Rede stehen sollte, nämlich die Auswirkungen der Verwaltungsreform auf NSI. Das ist natürlich ein Thema, ganz klar. Es ist das Recht des Parlaments, zu fordern, dass man sich darüber Gedanken macht.

Um es einmal ganz eindeutig zu sagen: Durch die Verwaltungsreform ändert sich der Aufbau unserer Verwaltung ganz entscheidend. Die Struktur ist eine andere. Es ist ganz klar, dass dann, wenn man eine andere Verwaltung hat, auch Veränderungen an den Steuerungsinstrumenten vorgenommen werden müssen. Ich bin der festen Überzeugung, dass durch die Verwaltungsreform, durch die Verlagerung der Aufgabenerfüllung nach unten bürgernähere Entscheidungen möglich sind und dass Kosten gesenkt werden. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Reform durch die einsetzende Kraft der Oberbürgermeister, der Landräte, der Landkreise und der kreisfreien Städte noch mehr Schwung in unser Land bringen wird.

Eine solche nachhaltige Reform kann natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die Verwaltungssteuerung sein. Ich werde nun versuchen, hierzu einiges klarzustellen.

Nachdem auch künftig eine Steuerung der Landesverwaltung mit modernen betriebswirtschaftlichen Instrumenten zwingend notwendig ist, müssen wir die Neuen Steuerungsinstrumente an die veränderte Situation anpassen. Eine solche Veränderung ist aber nichts Ungewöhnliches, und wir haben bereits in der Konzeption von NSI dafür Sorge getragen, dass dieses System anpassungsfähig ist.

Hier ist einige Male davon gesprochen worden: „Wenn es einmal eingeführt ist, dann...“ Es ist doch ganz klar, dass ein solches System, auch wenn es bereits eingeführt ist, dauernd weiterentwickelt werden muss. Wir haben hier die erste große Herausforderung. NSI wird durch die Verwaltungsreform nicht überflüssig, wie uns die Opposition

manchmal glauben machen möchte. NSI wird auch künftig der Politik und für die Führung der Verwaltung wichtige Entscheidungshilfen geben und ein wesentliches Instrument zur Optimierung der Landesverwaltung sein. Auch eine verkleinerte Verwaltung muss schließlich effizient und effektiv arbeiten.

Die Neuen Steuerungsinstrumente, meine Damen und Herren, bestehen – darauf habe ich vorhin schon einmal hingewiesen – nicht nur aus der Kosten- und Leistungsrechnung und dem Controlling, sondern sie umfassen auch die dezentrale Budgetverantwortung und das Haushaltsmanagementsystem.

Welche Auswirkungen hat nun die Verwaltungsreform auf die einzelnen Komponenten der Neuen Steuerungsinstrumente? Die Frage, welche Auswirkungen sie hat, macht es notwendig, dass ich drei Gruppen von Verwaltungsteilen unterscheide, nämlich erstens solche, die von der Verwaltungsreform überhaupt nicht berührt sind – zum Beispiel die Steuerverwaltung, die Justiz, die Universitäten –, zweitens solche, die direkt betroffen sind – also die Teile, die ausgegliedert werden –, und schließlich drittens solche, die mittelbar betroffen sind, zum Beispiel die Ministerien und die Regierungspräsidien. Die werden eine veränderte Art der Steuerung brauchen.

Lassen Sie mich mit der ersten Gruppe anfangen, dem von der Verwaltungsreform nicht betroffenen Bereich. Um es ganz eindeutig zu sagen: Hier werden die Neuen Steuerungsinstrumente genau so, wie sie konzipiert waren, zum Einsatz kommen. Das sind von allen Betroffenen über 70 % der Mitarbeiter. Das ist die große Steuerverwaltung, das ist die große Justizverwaltung, und das sind die Universitäten. Sie machen ungefähr 70 % derjenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus, die bisher von den Neuen Steuerungsinstrumenten betroffen waren.

Anders stellt sich die Lage beim von der Verwaltungsreform direkt betroffenen Bereich dar, also bei denjenigen, die künftig in die Stadt- und Landkreise eingegliedert werden. Soweit die Stadt- und Landkreise über eigene betriebswirtschaftliche Systeme verfügen, sind diese wohl nicht bereit, das Landessystem in der derzeitigen Form zu übernehmen. Hier würde ich eine Unterscheidung zwischen dem betriebswirtschaftlichen Teil von NSI und der Fachkontrolle vornehmen. Ich sage ganz eindeutig: Der betriebswirtschaftliche Teil der Neuen Steuerungsinstrumente wird in den einzugliedernden Bereichen nicht mehr weitergeführt werden können.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Nachher. Lassen Sie mich das erst ganz ausführen.

Natürlich lassen sich die Landräte und die Oberbürgermeister, die die volle Finanz- und Organisationshoheit haben – –

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Dederer?

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Er will das gerade ausführen!)

Also gut, ja, bitte sehr. Ich will Sie nicht wutentbrannt machen, womit Sie vorhin ein paar Mal gedroht haben.

(Abg. Stickelberger SPD: Jähzornig!)

Jähzornig.

Ich frage ganz sanft: Was für Auswirkungen hat das denn auf die Anzahl der Lizenzen, die ja wohl schon gekauft wurden, wenn jetzt bei einem Großteil der Verwaltung, nämlich bei den Landratsämtern, plötzlich auf die Neuen Steuerungsinstrumente verzichtet werden soll?

Ein Teil der Lizenzen wird dann nicht mehr gebraucht werden.

(Unruhe – Abg. Heike Dederer GRÜNE: Ist das in den Verträgen so drin?)

Das ist doch klar, meine Damen und Herren. – Ja, natürlich ist das in den Verträgen drin.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Ohne Schaden für das Land? Bezahlt sind sie doch!)

Nein. – Die Tatsache, dass wir die Neuen Steuerungsinstrumente in diesen Bereichen zumindest betriebswirtschaftlich und finanziell nicht mehr weiter betreiben können, wird ohne Frage Umorganisationen verursachen. Sie wird bestimmte Maßnahmen, die wir bisher durchgeführt haben, überflüssig erscheinen lassen. Das ist klar. Wenn wir die Neuen Steuerungsinstrumente gleich auf die neue Art der Verwaltung zugeschnitten hätten, dann hätten sie natürlich anders ausgesehen.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Also Geld versenkt, auf Deutsch!)

Es wäre doch töricht zu behaupten, ich könnte die ganze Verwaltung umkrempeln, aber bei den Neuen Steuerungsinstrumenten alles belassen, wie es war. Es bleibt nicht alles, wie es war. Aber sie werden auch in Zukunft notwendig sein.

Um das noch einmal ganz klar zu sagen: Der finanzielle Teil des Controllings wird in dieser Form nicht mehr weitergeführt werden. Aber das Fachcontrolling wird, so glauben wir, in vielen Fällen noch notwendig sein. Denn wir müssen natürlich wissen, wie weit die Oberbürgermeister und die Landräte die Aufgaben, die ihnen übertragen werden, tatsächlich erfüllen. Das haben Sie ja vorhin auch gesagt.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Sehr richtig!)

In diesem Sinne werden wir das noch brauchen. Ich bin aber überzeugt, dass es in dem finanziellen Sinne kaum noch gebraucht werden kann.

Schwieriger wird die Sache dann bei den Behörden, deren Unterbau in die Stadt- und Landkreise eingegliedert wird, also in erster Linie bei den Regierungspräsidien. In diesem indirekt betroffenen Bereich wird das Haushaltsmanagementsystem in unveränderter Form auch weiterhin genutzt werden können.

Hinsichtlich der Kosten- und Leistungsrechnung und des Controllings ergeben sich aber aufgrund der veränderten Strukturen teilweise veränderte Steuerungsbedürfnisse gegenüber dem bisherigen Konzept. So wird die bisher vorgesehene Fachbereichssicht über drei Behördenebenen hinweg mit einer detaillierten Produktkostensicht künftig voraussichtlich in den Hintergrund treten und um eine fachbereichsübergreifende Sicht ergänzt werden. Ich weiß, das alles ist sehr abstrakt. Aber es ist klar: Die Sicht, die vorher in erster Linie vom Produkt her vertikal war, wird in Zukunft sehr viel stärker horizontal sein.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Immerhin 70 % der bisher von NSI betroffenen Mitarbeiter werden auch in Zukunft mit NSI weitgehend so weiterarbeiten wie bisher.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Heißt das, 30 % vom Geld waren hinausgeworfen?)

Nein, das ist nicht hinausgeworfen. Sie argumentieren wesentlich schneller, als Sie denken.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Kleinmann FDP/ DVP: Das ist aber nichts Neues!)

Er sagt, das sei nichts Neues. So weit will ich nicht gehen.

(Abg. Dr. Birk CDU: Aber Recht hat er! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das war eine Frage!)

Es ist doch überhaupt keine Frage, dass wir zunächst einmal viel Geld für die betriebswirtschaftliche Schulung ausgegeben haben. Die Mitarbeiter, die wir an die Landratsämter übergeben, und die Mitarbeiter, die wir an die kreisfreien Städte geben, sind betriebswirtschaftlich geschult. Sie werden dort mit den Neuen Steuerungsinstrumenten arbeiten können, und sie werden darauf vorbereitet sein, die Effizienzrendite für die Landratsämter und für die großen Städte dadurch leichter zu erzielen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Dr. Birk CDU – Abg. Theurer FDP/DVP: Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Stickelberger SPD)