Protokoll der Sitzung vom 16.07.2003

Nun ist der Herr Minister – wenigstens hat er den Mut gehabt – bei den Landräten herumgereist und hat die Idee gehabt, einen einheitlichen Landesbetrieb einzurichten. Das wäre ja auch sinnvoll. Es wäre sinnvoll, alles in einem Betrieb zu organisieren, auch den Verkauf. Dann könnte man im Übrigen den monopolisierten Sägewerksbesitzern usw. die gleichen Zusagen machen wie jetzt in Preisverhandlungen und all dem, was man da macht. Das können die 44 Landräte nicht. Das ist mir schon klar.

(Zurufe der Abg. Scheuermann und Schneider CDU)

Bei dem, was ich in der Zwischenzeit aus Landratsämtern über die staatliche Jagd höre, graust es mir schon. Bei dem, was da passiert, stehen mir die Haare zu Berge. Denn da wird ja nur gesagt: „Wir privatisieren alles, dann gibt es dort Kohle; die Staatsjagd nehmen wir weg.“ Bei all dem kann ja jeder Landrat machen, was er will.

(Abg. Seimetz CDU: Das können Sie doch auch!)

Es ist falsch, wenn Sie dies beim Wald machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wissen Sie, was ein Forstbeamter – ein ganz einfacher Förster – hier bei unserer Anhörung gesagt hat? Wiebke und Lothar habe der baden-württembergische Wald überstanden, Erwin überstehe er nicht mehr. Genau so ist es.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grü- nen – Zurufe der Abg. Rech und Scheuermann CDU)

Ich habe jetzt einmal zwei Beispiele gebracht. Ich könnte noch fünf andere Beispiele bringen. Ich könnte die Straßenbauverwaltung anführen. Herr Minister Müller hat,

(Zuruf des Abg. Rech CDU)

kurz bevor der Herr Ministerpräsident etwas zur Verwaltungsreform sagte, im Ausschuss gesagt, es sei ein Unsinn, die Straßenbauämter auf 44 Landkreise zu verteilen. Wir haben ihre Zahl gerade auf 19 reduziert.

(Abg. Scheuermann CDU: Haben wir doch gar nicht gemacht!)

Es ist falsch, dies zu machen.

(Abg. Scheuermann CDU: So ein Mist! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ja, ja. Aber ihr macht es trotzdem so.

(Abg. Scheuermann CDU: Erst mal informieren!)

Die Umzugskartons sind überhaupt noch nicht ausgepackt, und trotzdem geht es in diese Richtung.

Ich verstehe nicht, warum Sie zum Beispiel beim Forst keinen einheitlichen Landesbetrieb einrichten.

Lassen Sie mich im Übrigen noch etwas zum Forst sagen. Wenn es keine großen Sturmschäden gibt, dann bringt der Forst – so war es 1999; Sie wissen das, Herr Winckler – fast 50 Millionen € Plus in die Staatskasse.

(Abg. Schneider CDU: So! – Zuruf von der CDU: Und warum?)

Weil es da keine großen Schäden gab. Erkundigen Sie sich in Österreich, wo der staatliche Forstbetrieb ein einheitlicher Landesbetrieb ist, was dieser Betrieb trotz eines einheitlichen Forstamts alles erbringt.

(Zuruf des Abg. Schneider CDU)

Von daher gesehen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir verstehen das alles deswegen nicht, weil wir nach wie vor – –

(Zurufe von der CDU)

Ja, wir verstehen es nicht. Und wenn Sie sich einmal damit beschäftigen würden, würden Sie das auch nicht verstehen. Aber Sie sind ja nur mit der Tapetenaufzieherei in diesem Haus beschäftigt und nicht mit den Grundlagen der Verwaltungsreform.

(Abg. Wieser CDU: Sie haben noch keinen einzi- gen SPD-Vorschlag vorgetragen! – Gegenruf des Abg. Capezzuto SPD: Was?)

Doch, wir haben einen Vorschlag gemacht, lieber Kollege. Den haben Sie offensichtlich gar nicht mitbekommen. Denn sonst würden Sie sich einmal mit uns auseinander setzen. Aber das machen Sie nicht.

(Abg. Capezzuto SPD: Franz, das habt ihr ver- schlafen!)

Von daher gesehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, glaube ich einfach nicht, dass diese Neuorganisation der Ämter 20 % bringt oder diesem Land gut tut.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das glaubt kein Mensch!)

Wir hätten das im Grunde genommen anders machen müssen. Wir hätten nicht die Effizienzrendite an den Anfang stellen dürfen, sondern wir hätten sagen müssen: Was ist die bestmögliche Verwaltung für Baden-Württemberg? Und das hätten wir einmal vom Bürger aus denken müssen: Was für eine Verwaltung braucht der Bürger?

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Dann wären wir darauf gekommen, dass man viel auf die Gemeinden – –

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das tun wir doch!)

Ach, Sie tun überhaupt nichts. Sie tapezieren. Ich habe bis jetzt noch nichts gehört, was Sie hinuntergeben wollen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Machen Sie doch Vor- schläge!)

Wir warten einmal ab. Wir werden auch Fragen dazu stellen. Dann werden wir sehen. Wir haben viele Vorschläge. Wir warten einmal ab, bis das im Parlament debattiert wird und im Ausschuss auf die Tagesordnung kommt, Herr Kollege.

(Zurufe von der CDU)

Bisher machen Sie das ja immer allein. Sie haben uns ja gar nicht beteiligt. Wir wollten das am Anfang der Legislaturperiode ja einmal in einer Enquetekommission machen. Das beruhte auf einem Antrag der Grünen. Dazu haben wir gesagt, das wäre eine vernünftige Idee. Das alles haben Sie weggewischt. Wir wären von der Aufgabeneinteilung und auch von der Veränderung des Bewusstseins der Leute her gekommen: Was brauchen sie von einem Staat? Haben sie regionale Bezüge?

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Jetzt komme ich noch einmal auf die Region. Alle haben sich versteckt. Dann kam am 18. Juni der Herr Wirtschaftsminister an, obwohl schon alles schön klar ist und wir schon über die Regionen debattiert haben – Sie haben das alles abgelehnt, und der Herr Ministerpräsident hat gesagt: „Die Regionen kommen überhaupt nicht in die Debatte“ –: Döring will Kompetenzen der Regionen stärken. Das finde ich stark. Das hätte man alles gleich am Anfang einbeziehen können. Jetzt wird aber nur über die Stärkung der Region Stuttgart gesprochen. Die Region Karlsruhe, die etwas Ähnliches will, hat überhaupt keine Chance. Die Region Bodenseekreis hat überhaupt keine Chance, weil Sie das nicht zulassen. Hätten Sie die Aufgaben von der anderen Seite beschrieben, wären wir möglicherweise zu einer Struktur gekommen, die im ländlichen Raum anders aussieht als im Verdichtungsraum. Auch das wäre eine Möglichkeit.

Deswegen machen wir Ihnen noch einmal das Angebot, gemeinschaftlich die Bedürfnisse von der anderen Seite aus zu formulieren, also nicht unter dem Aspekt der Effizienzrendite 20 % und der Dreigliedrigkeit, sondern indem wir fragen: Was für eine moderne Verwaltung braucht der Bürger Baden-Württembergs, und wie können wir diese moderne Verwaltung zukunftsorientiert in diesem Jahrhundert aufbauen? Das wäre das Angebot ohne Wenn und Aber,

und dazu wären wir auch bereit. Aber zu dem, wie Sie es jetzt machen, sage ich klar und deutlich: Nein, nein und nochmals nein.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Lachen bei der CDU – Abg. Fleischer und Abg. Seimetz CDU: Nein, nein und nochmals nein!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss kann genau das eintreten, was der Herr Ministerpräsident erst neulich gemacht hat und was ich mit Interesse zur Kenntnis genommen habe. Herr Ministerpräsident, jetzt machen Sie die Verwaltungsreform ohne den Sachverstand Ihrer Leute, ohne den Sachverstand der Ministerien, ohne den Sachverstand von außen.

(Abg. Hillebrand CDU: Ohne die SPD!)

Ja, ja. – Aber ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie sich selbst Briefe schreiben.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich denke, es ist schon eine tolle Leistung des Ministerpräsidenten, dass er einen Brief an sich selbst schreibt, in dem er fordert, die Ausführungsbestimmungen der Bundesregierung – EU-Rahmenrecht – zum neuen Arbeitsschutzgesetz im Staatsministerium nicht anzuwenden. Das muss man sich einmal vorstellen! Das ist eine starke Nummer!

(Heiterkeit bei der SPD)

Im Jahre 1996 hat Herr Kohl mit seiner Bundesregierung die EU-Richtlinie beschlossen. Er hat sie wahrscheinlich durchgewinkt. Die Landesregierung hat es im April 1999 genauso gemacht. Dann ging das langsam in die Bürokratiemühle, und plötzlich hat der Herr Ministerpräsident festgestellt, dass das, was er beschlossen hat, beim Arbeitsschutz offensichtlich großer Mist ist. Er konnte es nicht mehr verhindern, aber er hat sich hingesetzt und hat in Spaichingen an den Bürokratieabbauausschuss einen Brief geschrieben und darum gebeten, das nicht so zu machen.

Also, Herr Ministerpräsident, wenn Sie Ihre Verwaltungsreform so durchziehen, werden Sie sich in ein paar Jahren wieder selbst einen Brief schreiben, um das rückgängig zu machen.

Vielen Dank.