Protokoll der Sitzung vom 27.06.2001

(Beifall bei den Grünen)

Das war ein Parforceritt durch die Landesregierung.

(Heiterkeit – Abg. Drexler SPD: Durch die Lan- despolitik!)

Durch die Landespolitik. Ich bin immer noch in der Ackerfurche und pflüge durch die Landesregierung. Nein, so soll es nicht gemeint sein. Es war ein Parforceritt durch Ihre Absichten, wie Sie in den nächsten fünf Jahren die Landespolitik hier gestalten wollen. Ich glaube, man kann zusammenfassend sagen, dass in diesem Land natürlich vieles gut läuft – das ist keine Frage –,

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

dass Sie aber Ihrem eigenen Anspruch, Politik zu machen für unsere Kinder und Kindeskinder, Politik zu machen, die die Voraussetzungen erfüllt für ein erfolgreiches 2020, in weiten Teilen nicht gerecht werden. Ihre Regierungserklärung atmet das Durchwursteln für die nächsten drei Jahre.

(Abg. Scheuermann CDU: Das sehen die Leute draußen aber anders!)

Nicht einmal das Thema 2006 und die Frage „Wie kommen wir auf eine Nullverschuldung?“ wird hier konkret erwähnt. Ansonsten ist es der Horizont des „Weiter so!“. Das „Weiter so!“ reicht aber in einer Zeit, in der sich die Gesellschaft rasend schnell wandelt, nicht.

Ich habe im Vorfeld, weil ich heute so etwas zum ersten Mal gemacht habe, die Debatte von vor fünf Jahren nachgelesen. Es ist erschreckend, wenn man – Herr Scheuermann, Sie kümmern sich ja auch um das Thema –

(Abg. Schmiedel SPD: Der hat vor fünf Jahren auch schon so geguckt!)

zum Beispiel einmal sieht, wie vor fünf Jahren das Thema Umwelt hier diskutiert wurde und wie es in Ihrer aller Reden jetzt nicht vorkommt.

Wir haben die Wahl verloren, wir haben sie deutlich verloren. Wir haben von den Wählerinnen und Wählern den Auftrag bekommen, die nächsten fünf Jahre hier Opposition zu machen. Wir werden diese Herausforderung annehmen, wir werden den Auftrag einzulösen versuchen, und wir werden insbesondere, was die Bereiche ökologisches Wirtschaften, Gesellschaftspolitik und Bildungspolitik angeht, versuchen, unserem Auftrag gerecht zu werden, Sie zu kontrollieren, Sie anzuspornen und Sie voranzutreiben.

Dieses Land ist zu schön, als dass man 2020 einfach sagen dürfte: „Man konnte es nicht ändern. Hier haben einfach die Falschen regiert.“

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Das Wort erhält Herr Ministerpräsident Teufel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Salomon, der beste Satz kam ganz am Ende: „In diesem Land ist vieles gut.“

(Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Ich habe in der Regierungserklärung versucht, aufzuzeigen, was in diesem Land in den nächsten Jahren alles noch besser werden muss, damit wir auch in Zukunft an der Spitze und wettbewerbsfähig sind.

Ich möchte mich bei allen Fraktionsvorsitzenden für die angekündigte Partnerschaft und für den Wettbewerb an Ideen bedanken. Es ist völlig ausgeschlossen, dass ich jetzt auf jeden einzelnen Punkt eingehen kann. Wir werden in den nächsten Monaten und Jahren über Anträge in den Ausschüssen des Landtags und über Debatten hier im Plenum vielfältig die Punkte aufgreifen, die hier angesprochen worden sind, und sie, soweit das überhaupt möglich ist, einer Lösung zuführen.

Ich möchte mich beim Vorsitzenden der CDU-Fraktion für die angekündigte Partnerschaft und Unterstützung bedanken, die er der ganzen Landesregierung zugesagt hat. Ich möchte sagen, dass ich mit allen Punkten – und es sind wichtige Punkte gewesen –, die angesprochen worden sind, übereinstimme.

Den Punkt, dass wir links außen genauso bekämpfen müssen wie rechts außen und dass auch die Gefahr von rechts außen keineswegs auf Dauer gebannt ist, sondern auch in der praktischen Politik dieser Legislaturperiode eine Aufgabe ist, sehe ich genauso.

Zur Frage der Stärkung des Föderalismus, die mir ein zentrales Anliegen ist, hat Herr Salomon gesagt, das wäre ein Feld für die Landesregierung von Baden-Württemberg. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich stelle Ihnen einmal die Initiativen der Landesregierung im Bundesrat und in der Ministerpräsidentenkonferenz zu exakt diesem Thema aus den letzten Jahren zur Verfügung. Die Ministerpräsidenten von Thüringen, Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg haben vor zweieinhalb Jahren in Freising in einer ganztägi

gen Konferenz über Vorschläge Baden-Württembergs beraten. Wir haben diese Vorschläge anschließend im Bundesrat eingebracht, und wir haben sie auch in der Ministerpräsidentenkonferenz eingebracht. Aber bis zur Stunde – ich möchte sagen: bis zum Freitag und Samstag der letzten Woche – gab es noch keine Gesprächsbereitschaft der Bundesregierung und auch noch keine Gesprächsbereitschaft einer Mehrheit der deutschen Länder. Wenn das alles jetzt in Bewegung kommt – erstens durch die europäische Entwicklung, durch die Regierungskonferenz des Jahres 2004, und zweitens, indem sich Nordrhein-Westfalen zum wiederholten Mal auf die Seite der süddeutschen Länder geschlagen hat; das war keine Eintagsfliege des Kollegen Clement –, dann begrüße ich das außerordentlich.

Kollege Oettinger hat die stärkeren Leistungsanreize im FAG angesprochen. Er hat gesagt, dass wir gemeinsam und in Stufen zu einer Nullverschuldung kommen wollen. Ich gehe völlig einig mit seinen Vorstellungen, die er zur Beteiligungspolitik geäußert hat, und auch mit den Ausführungen zur Landesbank Baden-Württemberg, die sich hervorragend entwickelt, und zur Notwendigkeit einer flächendeckenden Versorgung des Landes mit Bankdienstleistungen im Interesse der Bürger sowie vor allem auch einer ausreichenden Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft in unserem Land. Gerade darin, die Sparkassen dezentral auf Dauer zu sichern und zu stärken und die Genossenschaftsbanken nicht minder, stimmen wir völlig überein. Auch in dem Satz, dass innere Sicherheit eine Frage der Lebensqualität in einem Land sei, und in dem, was er zur Bildung, zu den Aufgaben, zu den Ausgaben und zu den Reformschwerpunkten gesagt hat, stimmen wir überein. Mit dem, was er zur Betreuung gesagt hat, die er ausdrücklich als örtliche Aufgabe und als eine Aufgabe der Jugendhilfe sowie auch als eine Aufgabe, in der ehrenamtliche Arbeit nicht zu kurz kommen darf, sondern mit eingegliedert werden muss, bezeichnet hat, stimme ich völlig überein. Weiterbildung, Familie, Infrastruktur, Verkehr und Reform des Gesundheitswesens waren zentrale Punkte in der Rede des Vorsitzenden der CDU-Fraktion, mit denen ich voll übereinstimme.

Ich möchte mich beim Vorsitzenden der zweiten Regierungsfraktion, Herrn Kollegen Pfister, bedanken. Ich stimme völlig mit den Schwerpunkten überein, die er zum Mittelstand gesetzt hat, zur Integration von ausländischen Mitbürgern, zur Familienpolitik, und auch mit dem Satz, dass Kinder zu haben in unserem Land kein Armutsrisiko sein darf. Genau das ist die Motivation auch bei mir, einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Familienpolitik zu fordern. Sie haben vielleicht überhaupt noch nicht begriffen, wie sehr mir dieses Thema ernst ist und dass wir in der Familienpolitik Umschichtungen vornehmen müssen und die Prioritäten anders setzen müssen. Meine Damen und Herren, das kostet unglaublich viel Geld. Darauf habe ich hingewiesen. Ich habe auch gesagt, das gehe nicht auf einmal, sondern nur in Stufen und nur durch Zusammenfassung der derzeitigen Leistungen.

Es gibt eines, was noch mehr Geld kostet, nämlich wenn wir diese Umsteuerung zugunsten der Familie nicht vornehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/DVP: Richtig!)

(Ministerpräsident Teufel)

Dann werden die Sanierungsmaßnahmen und wird der Versuch der Behebung von Schäden in den nächsten Jahren noch sehr viel mehr Geld kosten als eine gestaltende Familienpolitik.

Herr Kollege Pfister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den letzten Jahren in unserem Land konsequent verbessert worden ist und es sich dabei um eine originäre Aufgabe der Selbstverwaltung handelt, bei der wir allerdings die Kommunen noch zu keiner Stunde haben hängen lassen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Ach was? – Abg. Christine Rudolf SPD: Es darf herzlich gelacht werden!)

Er hat die Themen Bildung, Privatschulförderung, Hochschulreform, Leistungsanreize angesprochen und – auch da stimme ich mit ihm überein – eine realistische mittlere Linie bei der Medienausstattung unserer Schulen verlangt. Ich stimme damit überein, weil erstens mehr nicht notwendig ist und zweitens mehr weder vonseiten der Kommunen noch vonseiten des Landes finanziert werden kann und es schließlich schwerpunktmäßig auch um Inhalte geht, gerade auch bei der Nutzung des PCs; es geht dabei um Software und nicht um Hardware, um Inhalte und um die Unterstützung bei der Unterrichtung durch den Lehrer und nicht um eine rein technische Ausstattung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich habe mit großer Aufmerksamkeit zugehört, Herr Kollege Pfister, als Sie das Thema „Ethik in den Biowissenschaften“ angesprochen haben. Ich bin sehr befriedigt über das, was Sie gesagt haben. In alldem, wo ich Positionen der Landesregierung markiert habe, orientiert an den Artikeln 1 und 2 unserer Verfassung, des Grundgesetzes, nämlich an der Menschenwürde und dem Schutz auf Leben, habe ich eine 100-prozentige Übereinstimmung festgestellt.

(Widerspruch bei der SPD)

Eine 100-prozentige! Lesen Sie es einmal nach. Es lohnt sich, das nachzulesen, was der Kollege Pfister gesagt hat, und es ruhig auch synoptisch mit dem zu vergleichen, was ich in der Regierungserklärung gesagt habe und was im Übrigen auch durch die Vorsitzenden der beiden Oppositionsfraktionen ausdrücklich bestätigt worden ist.

(Zurufe der Abg. Wintruff und Christine Rudolf SPD)

Ich habe in einem weiteren Punkt gesagt, ich wolle meine persönliche Meinung zu weiteren Fragen nicht verschweigen. Diese weiteren Fragen haben Sie, Herr Kollege Pfister, auch angesprochen. Auch dabei habe ich eine 90-prozentige Übereinstimmung festgestellt. Eine 90-prozentige Übereinstimmung! Ich stelle das mit großer Befriedigung fest, weil ich sicher bin, dass zu dem Zeitpunkt, wo es gilt, eine Auffassung der Landesregierung zu diesen Fragen zu formulieren, nach einem öffentlichen Diskurs und einer Diskussion hier im Parlament, etwa wenn die Frage der Änderung des Gentechnikgesetzes ansteht, die im Augenblick von niemandem diskutiert wird, wir auch in dieser

Frage zusammenkommen können; denn Sie haben nach meiner Meinung völlig richtig definiert und mehrfach gesagt, wann Leben beginnt, und Sie haben unzweifelhaft gesagt, dass es sich auch bei den für die Präimplantationsdiagnostik hergestellten Embryonen um Leben handelt. Sie sind dann als Zwischenbilanz in einem einzigen wichtigen Punkt zu einer anderen Schlussfolgerung gekommen. Ich bin dankbar für die Befassung mit diesem Thema, auch dafür, wie Sie es dargestellt haben, und ich bin sicher, dass wir in dieser Frage dann, wenn es gilt, auch innerhalb der Landesregierung zu einer einheitlichen Auffassung kommen werden.

Nun möchte ich ein paar Sätze zu dem sagen, was Herr Kollege Drexler ausgeführt hat.

(Minister Stratthaus: Aber nur ein paar!)

Am Anfang hat zehn Minuten lang der Fraktionsvorsitzende staatstragend in seiner neuen Rolle gesprochen. Dann ist er im Ton immer lauter und im Niveau immer flacher geworden;

(Abg. Pfister FDP/DVP: Generalsekretär!)

da hat wieder der Generalsekretär gesprochen.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Ich habe einen bemerkenswerten Satz von Herrn Kollegen Kretschmann vom Parteitag der Grünen vom letzten Wochenende gelesen, den er in Richtung auf seine Partei gesagt hat. Ich finde, das ist eigentlich der wichtigste kommentierende Satz zur Rede des Herrn Kollegen Drexler. Es kann doch nicht sein, sagte Herr Kretschmann, dass vor der Wahl die gleichen Reden gehalten werden wie nach der Wahl. Ich habe mich vergewissert, Herr Kollege Drexler: Heute ist der 27. Juni, und wir sind drei Monate nach der letzten Landtagswahl. Sie haben aber die letzten 50 Minuten die gleiche Rede gehalten, als wenn wir noch drei Monate vor der Landtagswahl wären.

(Beifall bei der CDU)

Ihre erste Aussage war, der Ministerpräsident liege falsch, wenn er sage, der Mittelstand profitiere nicht von der Steuerreform. Dann wird auch noch Herr Dr. Wiedeking von Porsche zitiert. Ich kann Ihnen nur sagen: Beide Koalitionsfraktionen haben in diesem Haus, im Bundesrat und in der Öffentlichkeit immer gesagt, dass wir für eine Steuerreform für die Aktiengesellschaften und für eine nennenswerte Senkung des Körperschaftsteuersatzes sind. Deswegen stimme ich mit jedem Satz des Vorstandsvorsitzenden von Porsche überein, den Sie zitiert haben.

Aber wir haben immer genauso deutlich gesagt, dass wir für die Personengesellschaften, die 90 % der Unternehmen in Baden-Württemberg sind, für den Handwerksbetrieb und für den mittelständischen Unternehmer die gleiche Steuerentlastung haben wollen wie für die Aktiengesellschaft.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU)