Ich meine den Länderfinanzausgleich. Ich habe dieses Thema in den letzten Tagen in Gesprächen mit der Presse, in der Darstellung gegenüber den Regierungsfraktionen außerordentlich differenziert dargestellt. Für Jubelberichte besteht überhaupt kein Anlass. Da ist ein Kompromiss geschlossen worden. Aber ich möchte das Haus nun auch offiziell darüber informieren, wie die Situation vor 14 Tagen ausgesehen hat, als ich zusammen mit den Kollegen Koch und Stoiber zweieinhalb Stunden lang ein Gespräch mit dem Bundesfinanzminister geführt habe.
An Fronleichnam, einen Tag nach meiner Wahl zum Ministerpräsidenten habe ich mich um die Interessen des Landes gekümmert, auch an einem Feiertag, jawohl.
(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Christine Rudolf SPD – Abg. Christine Rudolf SPD: Selbstverständlichkei- ten!)
(Abg. Döpper CDU: Die hören doch gar nicht zu! – Abg. Alfred Haas CDU: Die Zwischenrufe von der SPD haben das Büttenredenniveau von Drex- ler! – Gegenruf des Abg. Fischer SPD: Ausgerech- net Haas!)
Der Stand vor 14 Tagen war, dass die Bundesregierung – die Bundesregierung! – einen Gesetzentwurf für ein Maßstäbegesetz vorgelegt hatte, das bereits in erster Lesung im Bundesrat behandelt worden war. Danach hätte BadenWürttemberg im eigentlichen Kern des Länderfinanzausgleichs ein Minus von 373,5 Millionen DM gehabt, zusammen unter dem Strich ein Plus durch die 1,5 Milliarden, die der Bund angeboten hat.
Ich sage ja alles Positive und alles Kritische, und die Bewertung überlasse ich Ihnen. Hören Sie einmal zu. Wer Grundbegriffe des Systems noch nicht kapiert hat, für den wäre es gut, er würde jetzt zuhören. Dann würde er am Ende vielleicht ein bisschen mehr über dieses Thema wissen.
Der entscheidende Punkt, den ich dem Bundesfinanzminister und am Donnerstag, Freitag und Samstag in den Verhandlungen genannt habe, ist: Wenn sich am System des Länderfinanzausgleichs nichts ändert, nämlich am Tarif, wenn wir nicht einen größeren Selbstbehalt von dem haben, was die Bürger in diesem Land erarbeiten und an Steuern bezahlen, stimme ich einer Neuregelung nicht zu. Dafür habe ich mir den Rückhalt beider Koalitionsfraktionen geholt, bevor ich nach Berlin gefahren bin.
Ich habe dem Bundesfinanzminister, der mir gesagt hat: „Schauen Sie doch auf das, was unten herauskommt“, gesagt: „Das ist eine Momentaufnahme. Wenn wir am System nichts ändern, haben wir vergebens geklagt.“
Das Bundesverfassungsgericht will eine Systemänderung, sonst würde es nicht festgestellt haben, dass am 31. Dezember dieses Jahres die jetzige Regelung des Länderfinanzausgleichs nichtig ist und außer Kraft tritt.
Das war der Stand, als wir hinfuhren. Der Vorschlag des Hannoveraner Kreises, also der Empfängerländer, wäre in seiner Auswirkung noch viel schlechter gewesen als der Vorschlag der Bundesregierung. Aber auch der Vorschlag der Bundesregierung hätte uns null Verbesserung im System des Länderfinanzausgleichs gebracht, sondern im Gegenteil eine Verschlechterung um 350 Millionen DM.
Nun will ich Ihnen sagen, warum wir dem Kompromiss am Samstag zugestimmt haben. Es gibt jetzt mehrere Änderungen im System, die nicht nur ein rotes Tuch für die Verhandlungspartner waren, sondern von denen eine Ministerpräsidentin gesagt hat, es sei eine Kriegserklärung, wenn man eine Änderung im System vornehme – solche Zitate habe ich hier.
Was hat sich geändert? Der erste und für uns entscheidende Punkt ist, dass die Höchstabschöpfung über den 100 % von 80 auf 75 % gesenkt wird. Damit haben wir einen mäßiger ansteigenden Tarifverlauf schon ab 100 %, und wir haben eine nennenswerte Verbesserung.
Der zweite Punkt war ein Vorschlag des Saarlandes und in den Verhandlungen der vergangenen Woche lange Zeit das einzige Angebot auf Systemänderung, das wir aber nur als
Zusatz akzeptiert haben und das jetzt obendrauf gesetzt worden ist. Danach wird jährlich die durchschnittliche Steuerkraft aller Länder festgestellt und mit der durchschnittlichen Steuerkraft des Vorjahres verglichen. Von der darüber liegenden Steuerkraft eines Landes werden ihm 12 % Eigenbehalt zugestanden, die überhaupt nicht der Abschöpfung unterliegen. Das ist die zweite Verbesserung im System.
Die dritte Verbesserung im System ist, dass später keine Vollauffüllung ohne Rücksicht auf die Tarife stattfindet. Künftig werden Länder, die zwar Empfängerländer sind, aber nahe am Durchschnittssteuersatz liegen, keine Auffüllung mehr bekommen, sondern nur noch die wirklich armen Länder.
Die vierte Änderung im System ist, dass bei 124 % eine Kappungsgrenze eingeführt wird, über der keine Steigerung und kein Ausgleich mehr stattfinden.
Was ist zusätzlich erreicht worden? Die 1,5 Milliarden DM, die der Bund im Wege einer Tilgungsstreckung und einer Übernahme der Lasten für den Fonds „Deutsche Einheit“ geben wollte, müssen nicht, wie geplant, von den Ländern am Ende der Laufzeit wieder finanziert werden, sodass sie jetzt nur vorübergehend als „Schmiermittel“ für eine Verbesserung zur Verfügung stünden. Diese 1,5 Milliarden DM sind vielmehr in frisches Geld umgewandelt worden.
Außerdem ist von der Bundesregierung mit dem System der ursprünglich geplanten 1,5 Milliarden DM zusätzlich 1 Milliarde DM zugestanden worden, also mit der gleichen Methode der Tilgungsstreckung. Das ist kein frisches Geld, sondern eine Länderleistung, die am Ende getragen werden muss.
Das sind die ganz konkreten Verbesserungen, von denen vor 14 Tagen nichts, aber auch gar nichts sichtbar war. Die ganze neue Diskussion hat dann auf der Grundlage einer Vorlage der vier Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen stattgefunden. Sie ist von der anderen Seite akzeptiert worden.
Nun will ich Ihnen sagen, was jetzt das Ergebnis ist, auf das Jahr 2005 bezogen. Auf das Jahr 2001 bezogen sind die Zahlen noch etwas günstiger.
Wir haben im System des Länderfinanzausgleichs eine Verbesserung um 54,5 Millionen DM und insgesamt eine Verbesserung um 250,8 Millionen DM. Das ist der Einstieg. Wenn unsere Steuerkraft in den nächsten Jahren wei
ter so steigt wie in den letzten Jahren, wird sich der Entlastungsbetrag durch die Veränderung des Systems nennenswert erhöhen. Wir können jetzt auch die Summe unten nehmen. Denn die 1,5 Milliarden DM sind echtes Geld – im Unterschied zur Situation in der letzten Woche.
Was sind die Zugeständnisse? Zweieinhalb Zugeständnisse, möchte ich sagen – und alle zweieinhalb sind gravierend –, um die Zustimmung der anderen Seite – immerhin 12 von 16 Ländern – zu erreichen. Die Seite der übrigen vier Länder, zu denen wir gehören, hat ein Viertel ausgemacht.
Erstens: Die kommunale Finanzkraft wird zu 64 statt zu 50 % einbezogen. 100 % zu verhindern war neben der Systemveränderung mein Hauptverhandlungsziel. Ohne dieses Zugeständnis hätte es keine Einigung gegeben.
Man möge jetzt bitte einmal kurz darüber nachdenken, was es bedeutet hätte, wenn es nicht zu einer Einigung gekommen wäre. Das hätte bedeutet, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Maßstäbegesetz weiter beraten worden wäre. Dieser Gesetzentwurf hätte im Deutschen Bundestag eine Mehrheit gefunden – das hat die erste Lesung gezeigt, und die Bundesregierung hatte sich natürlich auch mit den beiden Koalitionsfraktionen abgestimmt – und hätte im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit erhalten.
Denn die Empfängerländer sind im Bundesrat in einer klaren Mehrheit. Damit wären die betreffenden Regelungen zum Gesetz geworden – wohlgemerkt, mit 100-prozentiger Abschöpfung der überschießenden kommunalen Finanzkraft.
Die einzige Möglichkeit, die wir dagegen gehabt hätten, wäre gewesen, erneut vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu gehen.
Das zweite Zugeständnis – nicht minder gravierend – ist, dass die 135-%-Einwohnerwertung der drei Stadtstaaten beibehalten wird. Meine Damen und Herren, ich sage es nicht als Wortspiel, sondern das Bundesverfassungsgericht hat es so gesagt: Ein Einwohner ist ein Einwohner. Beim Länderfinanzausgleich ist ein Einwohner von Bayern ein Einwohner, und ein Einwohner von Baden-Württemberg ist ein Einwohner. Aber ein Einwohner von Bremen, von Hamburg oder von Berlin ist nicht ein Einwohner, sondern entspricht 1,35 Einwohnern. Das muss man sagen. Ausschließlich durch diese Berechnung wird die Stadt Bremen, die pro Kopf der Bevölkerung ein höheres Bruttoinlandsprodukt aufweist als Bayern oder Baden-Württemberg, zum Hauptnehmerland beim Länderfinanzausgleich.
Allein durch die Beibehaltung der Einwohnerwertung stellt sich die Stadt Hamburg, die beim Länderfinanzausgleich ein Zahlerland ist, so günstig, dass dies die Stadt dazu bringt, sich den Empfängerländern anzuschließen und nicht den Zahlerländern, weil die Stadtstaaten die Wertung 1,35 halten wollten.