Protokoll der Sitzung vom 01.10.2003

(Unruhe bei der CDU – Abg. Seimetz CDU: Öko- steuer!)

Mir ist natürlich klar, dass Sie das nicht hören wollen. Ich beziehe mich auf die Aussage von Herrn Goll; damit müssen Sie sich auseinander setzen. Wir sagen das im Parlament nur. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr schlechtes Gewissen kommt bei dieser Debatte ja zutage. Sie haben nichts beantwortet.

(Zuruf des Abg. Blenke CDU)

Der Ministerpräsident liest irgendwelche Vorlagen vor. Wir wollen wissen, wie der Gesamtvertrag aussieht, und werden dann auch sehen, was Herr Goll sagt. Was Sie heute geboten haben, wird weder dem gerecht, was die betroffenen 3 700 Arbeitnehmer zu ertragen haben, noch den Stromkunden in Baden-Württemberg.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: So ist es! – Abg. Pfister FDP/DVP: Heiße Luft!)

Ich sage Ihnen, dass wir an dieser Sache dranbleiben. Ich hoffe, dass Sie nachher mit Ja stimmen, Herr Pfister, wenn wir darüber abstimmen, ob der Finanzausschuss diesen Vertrag bekommt. Dann werden wir ja sehen, ob Sie zu Ihrer Aussage stehen, dass es damit kein Problem gibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Kretschmann GRÜNE – Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung.

Abschnitt I des Antrags Drucksache 13/2390 ist ein Berichtsantrag, der mit der Aussprache erledigt ist. – Sie stimmen der Erledigterklärung zu.

Abschnitt II ist ein Beschlussantrag. Herr Fraktionsvorsitzender Drexler hat angekündigt, die Formulierung „dem Landtag“ durch „dem Finanzausschuss“ ersetzen zu wollen. – Ist das so richtig?

(Abg. Fischer SPD: „Dem Finanzausschuss des Landtags“! – Zuruf von der CDU: Des Esslinger Gemeinderats? – Abg. Blenke CDU: Von Baden- Württemberg! Nicht des Bayerischen Landtags!)

„Dem Finanzausschuss des Landtags“! Nicht dass hinterher behauptet wird...!

(Heiterkeit)

Dann lasse ich jetzt über Abschnitt II des Antrags Drucksache 13/2390 abstimmen, wobei die letzten vier Worte wie folgt geändert werden: „Vereinbarungen dem Finanzausschuss des Landtags von Baden-Württemberg vorzulegen“.

Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um das Handzeichen. –

(Oh-Rufe von der SPD)

Gegenprobe! –

(Abg. Drexler SPD: Die FDP/DVP auch!)

Enthaltungen? – Abschnitt II wurde bei einer Enthaltung mit Mehrheit abgelehnt.

Damit ist Tagesordnungspunkt 2 erledigt.

Ich unterbreche die Sitzung bis 14:45 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 13:38 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:46 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg – Drucksache 13/2282

b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Innenministeriums – Cross-Border-Leasing – Drucksache 13/1885

c) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Innenministeriums – US-Cross-Border-Leasing im Lichte der Rechtsprechung des BGH – Drucksache 13/2124

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a bis c fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt.

Das Wort erhält Herr Abg. Oelmayer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eine kleine Zeitreise mit Ihnen hier im Landtag von Baden-Württemberg durchführen.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Jules Verne!)

Denken wir einmal zurück in das Jahr 1904.

(Abg. Blenke CDU: So weit kann ich nicht zurück- denken!)

Ich weiß, es wird Ihnen nicht allzu viel einfallen. Kollege Blenke ist ganz ehrlich. Er sagt gleich, so weit könne er gar nicht zurückdenken. Ich will das aber machen, weil das genau 99 Jahre her ist, wenn man in das Jahr 1904 zurückdenkt.

(Abg. Junginger SPD: Rechnen kann er auch noch! – Abg. Walter GRÜNE: Im Rechnen ist er nicht schlecht!)

Damals gab es keinen Landtag, nicht in Württemberg und nicht in Baden. Es gab keine parlamentarische Demokratie. Der König von Württemberg, Wilhelm II., hat das Land regiert.

(Abg. Pauli CDU: Keine Grünen! – Heiterkeit bei der CDU – Abg. Fleischer CDU: Goldene Zeiten! – Abg. Walter GRÜNE: Keine CDU!)

In den deutschen Afrikakolonien kommt es zu Aufständen der Hottentotten, und zwischen Deutschland und Russland wird ein zehnjähriger Handelsvertrag geschlossen.

(Abg. Walter GRÜNE: Besser als 99-jährig!)

Warum erzähle ich Ihnen das? Ich will zurückfinden in die Gegenwart, nämlich in das Jahr 2003. Ich erzähle Ihnen das einfach deshalb, weil Verträge im Rahmen von Cross-Border-Leasing-Geschäften auf 99 Jahre abgeschlossen werden. Die Zeitspanne allein, die ich Ihnen anhand eines jetzt vergangenen Jahrhunderts versucht habe darzutun, in ein weiteres Jahrhundert hineinzuprojizieren ist für uns Grund genug, zu sagen: Wir können keinen kommunalen Gebietskörperschaften, keinen wirtschaftlichen Unternehmen, die von kommunalen Gebietskörperschaften getragen werden, diese Verantwortung übertragen bzw. sie diese Verantwortung tragen lassen. Über diese Zeitspanne hinweg können wir den Kommunen die Risiken, die in den Geschäften stecken, auf die ich nachher noch im Einzelnen kommen will, nicht überantworten.

(Beifall bei den Grünen)

Auch noch so intelligente Verträge – darauf wird ja immer abgehoben – von noch so großen Steuerberatungs- und Anwaltskanzleien können politische, wirtschaftliche und vor allem gesellschaftliche Veränderungen über hundert Jahre hinweg nicht vorhersehen.

(Abg. Fischer SPD: Das ist wahr!)

Das Risikopotenzial, das beim Abschluss solcher CrossBorder-Leasing-Geschäfte über 99 Jahre zu tragen ist, führt letztendlich dazu, dass wir heute nicht sagen können, was unsere Nachkommen in 50 Jahren an Risikopotenzial von uns übernehmen müssen, wenn wir solche Geschäfte in den Kommunen abschließen.

Unter anderem aufgrund dieser grundsätzlichen Überlegungen – ich habe jetzt nur eine dargetan; es gibt ja mehrere Überlegungen, die man anstellen kann – stellt sich ja, wenn der Bundesgesetzgeber jetzt ein Gesetz zur Hebung der Steuermoral einbringt, schon die Frage, ob eine Gesellschaft, die sich durch Bund, Land und Kommunen strukturiert, ob ausgerechnet diese öffentlich-rechtlichen Institutionen dann ihrerseits wiederum sozusagen für sich Steuergeschäfte in der Form abschließen können, dass durch Barwertvorteile Gelder aus anderen Ländern unseren kommunalen Haushalten zufließen. Auch dies ist zumindest ein grundsätzliches Argument, das gegen solche Geschäfte spricht. Wie wollen wir denn von unseren Bürgerinnen und Bürgern glaubwürdig Steuermoral und Steuerehrlichkeit einfordern, wenn wir selbst als Kommunen, als Gebietskörperschaften, als Land und Bund nicht danach verfahren?

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Pauli CDU)

Deshalb haben wir als Fraktion GRÜNE in diesem Haus mit großer Mehrheit einen Gesetzentwurf beschlossen, der dem Landtag hier zur Ersten Beratung vorliegt. Ich räume gleich ein: Wir haben, was die Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs und dessen Grundlagen anbelangt, glaube ich, auch deswegen einen guten Stand in diesem Haus, weil ja auch immer auf unser Nachbarbundesland Bayern verwiesen wird, wo nämlich im zuständigen Innenministerium ebenfalls solche Gedanken gehegt werden. Deswegen glaube ich, dass wir gut beraten sind, wenn wir auch in dieser Frage einmal über die Grenze schauen.

Dort haben – das sage ich, weil sich der Kollege sonst noch die Hand verrenkt – gerade Landtagswahlen stattgefunden, die ja, wie Sie wissen, für die Sozialdemokratie in Bayern nicht so übermäßig erfolgreich waren. Deswegen wird, glaube ich, letztendlich schon die jetzige Landesregierung, die sich aber noch konstituieren muss, über diese Frage entscheiden. Nach meiner Kenntnis – das sage ich, um Ihr Handwinken etwas abzudeckeln – und nach meinen Informationen ist es in Bayern mitnichten gegessen, ob nicht eine ähnliche Gesetzesinitiative in den dortigen Landtag eingebracht wird.