Protokoll der Sitzung vom 01.10.2003

Dort haben – das sage ich, weil sich der Kollege sonst noch die Hand verrenkt – gerade Landtagswahlen stattgefunden, die ja, wie Sie wissen, für die Sozialdemokratie in Bayern nicht so übermäßig erfolgreich waren. Deswegen wird, glaube ich, letztendlich schon die jetzige Landesregierung, die sich aber noch konstituieren muss, über diese Frage entscheiden. Nach meiner Kenntnis – das sage ich, um Ihr Handwinken etwas abzudeckeln – und nach meinen Informationen ist es in Bayern mitnichten gegessen, ob nicht eine ähnliche Gesetzesinitiative in den dortigen Landtag eingebracht wird.

Aber unabhängig davon: Wir sind hier in Baden-Württemberg, und wie Sie der Presse entnehmen können, stehen in Stuttgart, in der Landeshauptstadt, Transaktionsgeschäfte mit einem Volumen von 1 Milliarde € an, und zwar nicht nur über irgendwelche Straßenbahnwagen oder irgendwelche Kanalnetze. Nein, es geht schon um eine neue Qualität des Cross-Border-Leasing. Jetzt geht es nämlich um die Vermietung von Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen, die ich jetzt nicht im Einzelnen aufzählen möchte. Tatsache ist, dass die öffentlichen Einrichtungen, die dem Gemeinwohl der Kommunen in Baden-Württemberg dienen und die zum Teil – und darauf komme ich auch noch zu sprechen – mit nicht unerheblichen Landeszuschüssen finanziert worden sind, jetzt für steuerbegünstigte Geschäfte eingesetzt werden sollen und insbesondere US-amerikanischen Investoren zugute kommen sollen. Es ist ja nicht so, dass die Masse und der große Anteil des Barwertvorteils und des Vorteils solcher Geschäfte überhaupt bei den Kommunen in Baden-Württemberg landen würden. Vielmehr ist es so, dass der große Vorteil natürlich bei den US-amerikanischen Investoren landet, die auch verantwortlich sind für die 1 500 Seiten starken Verträge, bei denen natürlich USamerikanisches Recht gilt und bei denen New York oder andere Standorte in den USA Gerichtsstand sind.

Das alles, meine Damen und Herren, sind Themen, bei denen wir in diesem Haus doch sagen müssen: Das ist nicht überschaubar, das trägt Risikopotenziale in sich, die wir als Landesgesetzgeber in dieser Form nicht verantworten sollten und, meine ich, auch nicht verantworten können.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Rech CDU)

Ich darf Ihnen, Kollege Rech, gleich sagen: Ich bin in dieser Frage nicht befangen. Es ist also nicht so, dass ich an irgendwelchen Cross-Border-Leasing-Geschäften beteiligt wäre.

(Abg. Rech CDU: Ein Vertrag, und Sie sind sa- niert!)

Sie können ganz beruhigt sein.

Ich will aber noch zwei, drei Themen nennen, die meines Erachtens den Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung – um einen solchen handelt es sich ohne Zweifel – rechtfertigen. Natürlich gehört die Finanzhoheit zur kommunalen Selbstverwaltung. Aber in einem Bereich, in dem es nicht um zugewiesene Aufgaben geht wie jetzt zum Beispiel beim Cross-Border-Leasing, können wir als Landesgesetzgeber letztendlich darüber entscheiden, ob wir solche Geschäfte im Rahmen der allgemeinen Finanzhoheit zulassen wollen.

Etwas anderes scheint mir aber viel wichtiger zu sein. Die Landesregierung hat zu mehreren Anträgen, die wir eingebracht haben, immer relativ ausführlich, aber manchmal doch nicht ganz zutreffend Stellung genommen. Es gibt eine vor nicht allzu langer Zeit – ich glaube, im Jahr 2002 – ergangene BGH-Entscheidung, zu der ich der Landesregierung auch Fragen zur Beantwortung vorgelegt habe. Dazu hat das Innenministerium ausgeführt: Bei dieser Materie können die Rechtsaufsichtsbehörden – das wären für CrossBorder-Leasing-Geschäfte die Regierungspräsidien – nicht in Haftung genommen werden.

Ich bin anderer Auffassung. Ich glaube sehr wohl, dass die Rechtsaufsichtsbehörden und somit letztlich das Land in Haftung genommen werden können, wenn es im Zusammenhang mit einem Cross-Border-Leasing-Geschäft zum Worst Case kommt. Stellen Sie sich einmal vor, ein CrossBorder-Leasing-Geschäft mit einem Transaktionsvolumen von 1 Milliarde € geht schief. Dann ist die Stadt Stuttgart nie und nimmer in der Lage, die Schadenersatzproblematik allein zu meistern. Selbstverständlich würde dann das Land in Anspruch genommen werden.

Ein Letztes, was ich bei der Einbringung des Gesetzentwurfs nennen will, ist das Zuwendungsrecht; ich habe es schon angesprochen. Bei der Stellungnahme der Landesregierung kann es nicht bleiben. Sie sagt: Es war nicht vorhersehbar, dass man die Landeszuschüsse, die für Abwasseroder Kanalnetze, Schulhäuser und andere kommunale Einrichtungen gezahlt worden sind, in die USA verleast; deswegen kann man nichts zurückfordern. Das kann man ja für die Vergangenheit vielleicht so stehen lassen. Aber jetzt wird es sicher darum gehen müssen, dass man für künftige Situationen entsprechende Rückforderungsregelungen in die Zuwendungsbescheide aufnehmen muss, wenn man solche Geschäfte will.

Interessanterweise bekommen wir als Fraktion GRÜNE – das entnehme ich der Presse – Schützenhilfe von der Landesregierung, was mich natürlich sehr freut. Der Finanzminister hat sich am 26. September in den „Stuttgarter Nachrichten“ dahin gehend geäußert, dass solche Geschäfte aufgrund der bestehenden Risiken zumindest für das Land nicht in Betracht kommen.

(Zuruf des Abg. Nagel SPD)

Ich hoffe, Herr Innenminister, dass Ihr Ministerium zu der gleichen Überzeugung kommt.

Wir werden Gelegenheit haben, die Details des Gesetzentwurfs im Ausschuss, vielleicht auch bei einer gemeinsamen Anhörung, zu diskutieren. Herr Kollege Heinz, vielleicht könnten Sie sich dazu äußern. Aufgrund der Komplexität der Materie halte ich eine Anhörung für unbedingt notwendig. Im Grundsatz steht für uns jedenfalls fest: Geschäfte mit solchen Risiken für kommunale Einrichtungen können wir nicht befürworten. Wir wollen sie mit unserem Gesetzentwurf in Baden-Württemberg verhindern.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Heinz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In einem Punkt möchte ich Herrn Kollegen Oelmayer Recht geben: Wir bräuchten wahrscheinlich einmal eine Anhörung, um alle Kollegen über Leasing-, Lease-backVerfahren und all die damit verbundenen Probleme aufzuklären.

(Abg. Fischer SPD: Die haben wir gemacht!)

Das ist nämlich nicht so ganz einfach; das ist sicher ein schwieriges Rechtsfeld. Trotzdem schenke ich mir Ausführungen dazu, wie ein solches Geschäft funktioniert und wo die Risiken liegen. Sonst müsste ich meine ganze Redezeit nur dafür verwenden.

(Abg. Stickelberger SPD: Das wissen wir! – Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Ich will nur eines feststellen, lieber Kollege Oelmayer: Das ist nichts Neues. Die Leasing- und Lease-back-Geschäfte gibt es im kommunalen Sektor schon seit Anfang der Neunzigerjahre. Für Flugzeuge und für Immobilien gibt es sie in einer eigentlich weltumspannenden Art und Weise schon viel, viel länger. Ich habe gelesen, dass Deutschland in dieser Hinsicht eigentlich ein Entwicklungsland ist.

Trotzdem, wenn man Bilanz zieht: In Deutschland werden etwa 150 Leasinggeschäfte genannt, und die meisten davon finden sich im rot-grün-regierten Nordrhein-Westfalen. Jetzt könnte man sagen – Sie haben das in Ihrer Initiative ja geschrieben –, eine der Ursachen dafür, dass sich in letzter Zeit gerade Kommunen verstärkt auf diesem Geschäftsfeld engagieren, sind sicherlich die Finanznöte, in denen sich die Kommunen befinden. Die Finanznöte in NordrheinWestfalen wiederum sind wahrscheinlich besonders groß. Man kann jetzt darüber rätseln, weshalb das so ist.

(Zuruf des Abg. Stickelberger SPD)

Vielleicht beantworten Sie die Frage einmal selbst.

Ich habe mir sagen lassen – das kann man ja im Internet recherchieren –: Es handelt sich um 19 Kommunen, die einen Barwertvorteil – das ist nicht der Umfang des Volumens, das Sie vorhin genannt haben; der Barwertvorteil ist auch ein Kriterium – von allein 345 Millionen € erzielen. Das heißt, es sind allein an Kommunen in Nordrhein-Westfalen gigantische Summen geflossen.

Man muss sich dann, wenn man so etwas generell verbietet, natürlich schon fragen: Wo kommt das Geld dann her? Sie haben zu Recht die Frage nach dem amerikanischen und dem deutschen Steuerzahler angesprochen. Ich hoffe, Sie wissen, dass der Barwertvorteil auch nach deutschem Recht versteuert werden muss. Da besteht also auch ein gewisser Gewinnanteil des deutschen Fiskus.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Sie haben am Anfang gefragt – auf meinem Zettel steht noch ein Stichwort –: Was war vor 99 Jahren? Jetzt frage ich Sie, ob Sie wissen, was im Jahr 1978 war.

(Abg. Blenke CDU: Da bin ich volljährig gewor- den! – Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Habe ich fast vermutet. Die Grünen gab es damals, glaube ich, schon. Ich frage das deshalb, weil Sie ja wissen, dass Sie nicht unbedingt 99 Jahre an das Geschäft gebunden sind. Vielmehr können Sie schon nach 25, 26 Jahren wieder aussteigen. Im Jahr 1978 war die Papstwahl – nur damit das auch einmal in die Debatte eingeführt ist. Mir hat Kollege Blenke noch zugerufen, er sei da gerade in die Oberstufe gekommen. Wenn Sie das auch noch interessieren würde – –

(Abg. Blenke CDU: Nein, das war 1977! 1978 bin ich volljährig geworden! – Zuruf des Abg. Oel- mayer GRÜNE)

Und er wurde sogar noch volljährig. Sei’s drum. Das war eine scherzhafte Arabeske.

Ich will eines feststellen, wobei wir übereinstimmen – Sie haben das auch noch einmal klar gesagt –: Es handelt sich bei Cross-Border-Leasing-Geschäften um Geschäfte der kommunalen Selbstverwaltung. Das müssen wir wohl im Einvernehmen feststellen. Die Kommunalaufsicht prüft natürlich auch. Aber sie prüft nur – das ist ja in der Stellungnahme zu Ihrer Initiative klar gesagt worden – den Kreditgeschäftsanteil, der im Cross-Border-Leasing mit enthalten ist, und die kreditähnlichen Geschäfte oder auch – als Beispiel – Bürgschaften und Garantieerklärungen. Dies wird ja im Prinzip geprüft.

Dann kann es bei der Haftung, die Sie angesprochen haben und die nach dem BGH-Urteil in einem ganz anderen Fall gegeben war, auch nur um eine Haftung für dieses Segment gehen. Die gesamte Verantwortung für Cross-Border-Leasing liegt bei der Gemeinde, in diesem Fall beim höchsten Organ, dem Gemeinderat. Ich glaube, es ist klar, dass die Haftung dann nur für diesen einen Teil gelten kann.

Auch wird geprüft, ob die Kommune leistungsfähig genug ist, um im Fall der Haftung auch die erforderliche Abdeckung erbringen zu können. Ich würde es auch ablehnen, dass der Staat dann einspringen müsste und diese Haftung über irgendwelche Garantieerklärungen, einen Ausgleichstock oder anderes quasi mit abdecken müsste. Auch dafür würde ich mich nicht aussprechen. Aber dies wird ja geprüft.

Sie müssen auch sehen – das ist die Praxis; das wissen auch Sie –, dass im Prinzip nur große Städte diese Geschäfte machen, in denen das Know-how vorhanden ist, um diese Ge

schäfte zu prüfen. Mir hat ein Kollege in der Fraktion gesagt: „Das gibt dann ein Stadt-Land-Gefälle.“ Das ist eben so. Manches kann man nicht anders organisieren. Aber ich denke, es ist klar, dass dann in diesen großen Städten auch ein Rückhaltevolumen vorhanden wäre, um ein solches Geschäft nicht nur gut betreuen, sondern auch im Risikofall entsprechend verfahren zu können.

Aber die CDU-Fraktion – um auch das noch einmal klarzustellen – sieht aktuell keinen Anlass, Cross-Border-LeasingGeschäfte generell zu verbieten. Ich muss Ihnen an ein paar Punkten vielleicht noch einmal ausführen, weshalb ich aber in gewissen Punkten Handlungs- und Regelungsbedarf sehe.

Es geht zum Beispiel um die Frage des Barwertvorteils bei gebührenfinanzierten Einrichtungen. Da sehe ich auch einen Handlungsbedarf. Ich persönlich bin der Auffassung, dass in diesem Bereich der Barwertvorteil für die gebührenfinanzierte Einrichtung verwendet werden muss. Das halte ich eigentlich für sinnvoll. Wir können jetzt noch abwarten, bis ein höchstrichterliches Urteil kommt. Es gibt in NordrheinWestfalen schon ein entsprechendes Urteil bezüglich eines Müllverbrennungswerks.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Dann kommt ein höchstrichterliches Urteil, wonach – das ist meine Einschätzung – wir das generell so tun müssen. Auch das Ministerium empfiehlt ja, in den Kommunen so zu verfahren.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Heinz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schmid?

Bitte schön, Herr Schmid.

Herr Heinz, weshalb schlagen Sie dann keine entsprechende Änderung des Kommunalabgabengesetzes vor?

Weil ich denke, dass wir erst einmal die höchstrichterliche Rechtsprechung abwarten müssen. Es ist einfach wichtig, das Urteil zu kennen, damit wir uns da auf einem gesicherten Feld bewegen. Wir müssen auch einmal schauen, wie es die anderen Bundesländer machen. Kollege Oelmayer hat ja nur Bayern erwähnt. Der dortige Entwurf ist zwar lobenswert, aber die Bayern haben ihn ja im Moment gestoppt. Und von den anderen Bundesländern verhalten sich nach meiner Kenntnis nur Mecklenburg-Vorpommern reserviert und Schleswig-Holstein ablehnend. Alle anderen Bundesländer verhalten sich eigentlich eher zustimmend, und das Geschäft wird gemacht. Bayern hat seinen Entwurf wieder zurückgezogen. Wir müssen aber gelassen abwarten, was aus Bayern noch kommen wird.

Ich will noch auf einen zweiten Punkt hinweisen, den ich eigentlich geklärt sehe, bei dem wir aber die entsprechenden Richtlinien Stück für Stück ändern müssen. Sie haben die Frage angesprochen: Was geschieht, wenn eine Einrichtung mit einem Landes- oder Bundeszuschuss gebaut worden ist? Das Land hat bereits für den Bereich Schienenfahrzeuge