Protokoll der Sitzung vom 01.10.2003

Der Herr Minister kommt nachher noch einmal ans Rednerpult und lässt dann die Fragen zu.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie, die Regierung und die Regierungsfraktionen, haben in dieser Debatte schlichtweg nichts geboten.

(Abg. Fleischer CDU: Das sagen Sie!)

Außer einem kleinkarierten Fingerhakeln um zwei Windkraftanlagen auf der Holzschlägermatte haben Sie nichts geboten.

(Abg. Fleischer CDU: Wir sind doch noch nicht fertig!)

Im Gegenteil, Sie haben vor einer Woche eine Atomkraftdebatte angezettelt. Heute wird diese Atomkraftdebatte vom Wirtschaftsminister wieder dementiert und gesagt, sie sei gar nicht ernst gemeint und es sei hier gar nicht geplant, neue Atomkraftwerke zu bauen. Das alles ist nur diffuses Zeug. Sie müssen zugeben, dass Sie Ihre selbst gesetzten Ziele der Verdopplung des Anteils der regenerativen Energien nicht einhalten können. Das sagen Sie hier ausdrücklich. Sie haben energiepolitisch einfach nichts geboten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Fleischer CDU: Sie haben nicht zuge- hört!)

Missionarischen und blinden Eifer gegen die Windkraft, Herr Kollege Hofer, produziert hier nur einer: Das ist der Ministerpräsident.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Herr Minister Döring, wenn im Sommer eine Situation eintritt, in der das Kühlwasser nicht mehr ausreicht, um die Grenzwerte nicht zu überschreiten, und der Umweltminister in einer solchen Situation diese Grenzwerte ändert, dann ist das ein Debakel.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Damit ruiniert man ein wichtiges Umweltinstrument.

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Das ist gerade so, als würde man die Brandschutzbedingungen dann außer Kraft setzen, wenn Brandgefahr herrscht. Es ist logisch, dass dies nicht im Winter passiert, wenn es regnet. Natürlich sind die Grenzwerte dafür gedacht, dass sie in solchen Situationen wirksam werden, in denen dies eintritt. Wenn man sie gerade dann außer Kraft setzt, wenn man sie eigentlich bräuchte, ruiniert man ein wichtiges Umweltinstrument. Das i s t ein Debakel.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie halten an der Zielvorgabe fest und können sie nicht umsetzen. Sie haben gesagt, Sie hätten kein Geld dafür. Aber dort, wo man kein Geld braucht, wo die Bürgerinnen und Bürger das Geld zur Verfügung stellen, nämlich zum Beispiel bei Windkraftanlagen, verhindern Sie dies durch rein bürokratische Willkür. Das ist die Tatsache.

Die meisten Windräder sind Bürgerräder,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Was sind das?)

von denen ich nachgewiesen habe, dass der Mittelstand davon profitiert. Das kostet Sie überhaupt keinen Pfennig.

(Abg. Fleischer CDU: Das glauben Sie doch selber nicht, was Sie da erzählen! Das ist eine Geldma- schine! – Unruhe)

Das machen die Bürgerinnen und Bürger selbst.

(Unruhe – Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Das Investitionsklima wird durch Sie ruiniert – und das in einer Phase, in der wir auf eine Arbeitslosenzahl von 5 Millionen zugehen –, in dem einzigen Bereich, in dem wir gute Wachstumsraten hatten wie in keinem anderen Sektor der Volkswirtschaft. In einer solchen Situation erlauben Sie sich, mit Ihrer ganzen Heuchelei von Landschaftsschutz die Errichtung von Windkraftanlagen zu torpedieren.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Fleischer CDU: Damit haben Sie mehr zu tun! Sie verbieten Land- schaftsschutz!)

Sie haben ein Landesplanungsgesetz erarbeitet, das auf 99 % der Fläche in Baden-Württemberg Windräder verhindert.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Ist auch richtig so! – Abg. Fleischer CDU: Die letzte Bastion, die Windkraft!)

Also kann von einer Verspargelung gar keine Rede sein. Zu den wenigen Vorrangflächen, auf denen Windräder errichtet werden können, wird vom MP nach unten angeordnet, sie auch dort noch zu verhindern, selbst wenn sie schon gebaut sind.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Nein, das geht ja gar nicht mehr!)

Das ist Ihre Wirtschaftspolitik: die wenigen Bereiche der Volkswirtschaft, die überhaupt noch wachsen, in einer solchen Situation zu ruinieren. Das kann man an den Aktienkursen nachlesen.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Es ist doch auffällig, dass Sie bei der Windkraft zum allerersten Mal den Landschaftsschutz entdecken.

(Abg. Drexler SPD: Ja, das erste Mal! – Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Wo hat man das von Ihnen jemals zuvor gehört?

(Unruhe)

Als es hier um die Skihalle Sasbachwalden ging, haben Sie „rumsalbadert“, Herr Kollege Fleischer, wie schwierig das doch sei. Da war von Landschaftsschutz überhaupt keine Rede.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Drexler SPD: Ge- nau! Das erste Mal! Bei Vögeln genau das Gleiche! Das erste Mal Vögel, heute!)

Jetzt kommen wir, bitte schön, einmal zum wirtschaftlichen Aspekt der Windkraft.

(Abg. Stickelberger SPD: Das erste Mal haben Sie sich mit Vögeln beschäftigt! – Abg. Drexler SPD: Das erste Mal mit Vögeln! – Heiterkeit)

Sie können Ihre Ziele der Verdopplung des Anteils der regenerativen Energien allein mit Großer Wasserkraft nicht erreichen. Das haben wir Ihnen nachgewiesen. Außerdem haben Sie außer Presseerklärungen nichts für die Große Wasserkraft getan. Das haben wir durchgesetzt.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Gar nichts! – Abg. Fleischer CDU: Kennen Sie nicht den Beschluss des Wirtschaftsausschusses?)

Aber dies genügt nicht, wir brauchen auch Windkraft.

Was ist jetzt eigentlich die Situation? Durch ein außerordentlich kluges Gesetz, dem Sie, Herr Döring, im Bundesrat nicht zugestimmt haben,

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

ist dies überhaupt erst möglich geworden, auch mit der Großen Wasserkraft. Wir haben einen Bereich, in dem 40 000 Arbeitsplätze geschaffen wurden, in dem in zehn Jahren die Kosten für die installierte Leistung Windkraft

halbiert worden sind. Das ist in Zukunft der Exportschlager Nummer 1. Davon profitiert unser Mittelstand. Das hat neue Technologien angestoßen, wie zum Beispiel Gezeitenkraftwerke. Das heißt, davon gehen richtige Innovationen aus. Das ist eine Subvention, die ausläuft und degressiv ist, bei der somit keine Mitnahmeeffekte entstehen.

Das wagen Sie zu torpedieren – in einer Situation hoher Arbeitslosigkeit und absoluter Wachstumsschwäche. Das geht voll gegen den Mittelstand. Renommierte baden-württembergische Firmen liefern hier zu. Das ist Ihre Politik, die Sie in einer solchen Situation betreiben. Statt die Wachstumskräfte nachhaltig zu stärken – in der Ökologie, wo sie sinnvoll sind –, werden sie von Ihnen torpediert. Und das Schlimme: ohne hier Alternativen zu bringen – außer Ihrem Geschwafel von Atomkraft.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Ich finde, dass dies eine Bankrotterklärung der ganzen Energiepolitik dieser Landesregierung ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)