Wenn Sie heute einmal in die „Stuttgarter Zeitung“ schauen, dann sehen Sie den unglücklichsten Minister der ganzen Regierung,
Herr Müller hat noch im Frühjahr gesagt, dass die Aufteilung der Straßenbauämter auf Landkreise absoluter Quatsch sei. Jetzt darf er das nicht mehr sagen. Jetzt verteidigt auch er die Aufteilung. Das ist doch gar keine demokratische Spielregel mehr. Dieses Ding ist doch von oben rausgedrückt und unten reingedrückt worden, und die Minister sagen doch alle in Hintergrundgesprächen: Es ist ein Riesensch...
Ich sage Ihnen: Das hat etwas mit Zusammenarbeit, mit demokratischen Spielregeln zu tun, Herr Ministerpräsident. Deswegen werden Sie da auch Schiffbruch erleiden. Sie erleiden jetzt schon Schiffbruch, weil die Minister ja überhaupt nicht mehr mitmachen. Sie streiten bloß noch ums Personal, wobei ich Ihnen zugebe: So, wie Sie das angedacht haben, wäre das Personal logischerweise schon beim Innenministerium. Aber dann könnten Sie natürlich reihenweise andere Ministerien auflösen. Das ist mir schon klar.
Jetzt wird nur noch gekämpft: Wer kriegt was? Es hat überhaupt niemand den Aspekt der Bürgernähe, der Aufgabenbeschreibung drin. Es gibt sie nicht. Wir werden Sie da auch stellen. Die Regionen spielen keine Rolle, die Effizienzrendite ist in weiter Ferne. Landräte sagen Ihnen dies auch. Wenn Sie jetzt Debatten im Landtag und in den Kreisen bekommen,
dann stellen Sie fest, dass es durch das Eingliederungsgesetz, nach dem die Wasserwirtschaftsämter und die Gesundheitsämter eingegliedert worden sind, Herr Schneider, schon jetzt Landkreise gibt, die bis zu einer Million mehr bezahlen müssen, obwohl sie 100 % Ersatz bekommen. Wie sieht denn das nachher bei 80 % aus? Die Kommunen werden das über die Kreisumlage bezahlen.
Ich weiß nicht, was Sie da mit „Geschäft machen“ meinen. Auf jeden Fall sieht es mit dieser Regierung, so wie sie behandelt wird, und dem Parlament schlecht aus in BadenWürttemberg, Herr Ministerpräsident.
Das sieht man auch schon daran, dass die Minister, wenn sie Grußworte sprechen, schon gar nicht mehr wissen, wer Ministerpräsident ist.
Erst neulich hat der Landwirtschaftsminister in Sasbach ein Grußwort gesprochen und hat liebe und herzliche Grüße
(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei den Grünen – Lachen bei der SPD – Abg. Seimetz CDU: Das war keine gute Leistung! Keine gute Leistung! – Abg. Alfred Haas CDU: Dr. Lothar Späth! Das waren jetzt die Zukunftsentwürfe der SPD in Baden-Württemberg, die wir gerade gehört haben! – Gegenruf des Abg. Fischer SPD: Oh Haas!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Der Landtag von Baden-Württemberg befindet sich in der zweiten Halbzeit seiner 13. Arbeitsperiode, und der heutige Tag bietet aus Anlass der Regierungserklärung die Gelegenheit zu einer Zwischenbilanz, zu einem Ausblick auf die Tagesordnung der nächsten Zeit.
Zunächst eingangs: Der Regierungschef hat mit seiner Bewertung „Wo stehen wir? Wo steht Baden-Württemberg?“ eine nüchterne Bestandsaufnahme vorgenommen – die teilen wir uneingeschränkt –, eine klare Analyse vorgenommen – die teilen wir uneingeschränkt –, und er hat ein ehrgeiziges Ziel aufgestellt: Baden-Württemberg muss vorne bleiben im Ländervergleich Deutschlands, und Deutschland muss besser werden im Maßstab Europas und global.
Ich glaube, dass uns diese Gesamtbetrachtung gut tut und dass sich an diesem ehrgeizigen Ziel „Baden-Württemberg muss vorne bleiben, im deutschen Maßstab und darüber hinaus“ alles einordnen muss, was in den nächsten Wochen und Monaten bei uns auf der Tagesordnung steht. Mit neuen Handlungsfeldern gehe ich auf die wesentlichen Punkte ein, die im Landtag von Baden-Württemberg in den nächsten Monaten auf der Tagesordnung stehen.
Zunächst, Kollege Drexler: Ich gestehe zu, dass manches kritikwürdig ist, was in der Haushaltsberatung bei uns derzeit geschieht, geschehen muss und unumgänglich ist. Aber wer nur kritisiert, wer eine Kritik in breitem Umfang übt und kein Konzept vorlegt, wer den Standort Baden-Württemberg schlechtredet, wer von unseligen Kampagnen spricht,
der dient, glaube ich, der Ausgangslage unseres Landes Baden-Württemberg im Ländervergleich nicht. Er schadet unseren Wettbewerbschancen in Gegenwart und Zukunft enorm.
(Beifall bei der CDU – Abg. Zeller SPD: Aber be- schönigen hilft auch nicht weiter! Sie müssen eine nüchterne Analyse bringen und dürfen nicht be- schönigen!)
Die Landespolitik ist vor allem dafür verantwortlich, wo das Land im Ländervergleich steht. Im Ländervergleich steht Baden-Württemberg mit Bayern, vor Bayern oder hinter Bayern auf den Plätzen 1 und 2.
Die Bundespolitik ist vor allem dafür verantwortlich, wo Deutschland im europäischen Maßstab und im weltweiten Vergleich steht. Deutschland ist zurückgefallen. BadenWürttemberg fällt indirekt mit zurück. Baden-Württemberg hält seinen besten Platz im nationalen Maßstab. Aber Deutschland, die nationale Politik genügt den Herausforderungen der weltweiten Wirtschaft längst nicht mehr.
Noch eine Vorbemerkung zu Baden-Württemberg: Der beste Gradmesser dafür, ob sich ein Land gut entwickelt, ob der Arbeitsmarkt stimmt, ob Bildung, Betreuung, Forschung auf gutem Wege sind, ob Lebensqualität besteht, ob Infrastruktur entwickelt wird, sind für mich die Menschen, die kommen und gehen, Menschen, die herziehen und Arbeit suchen, Menschen, die herziehen und eine Wohnung nehmen,
und Menschen, die weggehen. Wer die Wanderungsbilanz Baden-Württembergs betrachtet – nicht durch Asyl und Spätaussiedler geprägt, sondern die nationale Wanderungsbewegung –, der stellt fest: Unser Bundesland – Ihr Land und mein Land – wächst jedes Jahr um 60 000 Menschen an – keine Miesmacher, sondern Leute, die hier ihre Perspektive sehen, einen Arbeitsplatz finden, sich wohl fühlen und im Grunde genommen das Gegenteil von dem sind, was von Ihnen behauptet worden ist. Es sind Menschen, die Ja sagen zu Baden-Württemberg.
Jedes Jahr sagen 60 000 Menschen Ja zu Baden-Württemberg – mit all seinen Stärken, mit all seinen Schwächen und auch mit dieser Politik, die von CDU und FDP/DVP in diesen Jahren verantwortlich gemeistert wird. Ich lade Sie ausdrücklich ein: Sorgen Sie mit dafür, dass noch mehr Menschen Ja sagen zu Baden-Württemberg,
und hüten Sie sich davor, dass Baden-Württemberg durch Ihre destruktive Kritik ohne Konzept im Landtag von Baden-Württemberg einen schlechten Ruf bekommt!
Handlungsfeld Nummer 1: die Haushaltspolitik. Wir haben im dritten Jahr eine Stagnation der Wirtschaft: 2001 Nullwachstum, 2002 ebenso, und auch in diesem Jahr bleiben belebende Kräfte der Wirtschaft aus. Die Folge ist: Das Steueraufkommen stagniert, die Einnahmen bleiben auf gleichem Niveau. Und die Ausgaben laufen uns zwangsläufig davon: 2 bis 3 % jedes Jahr. 2 bis 3 % steigen die Löhne, die Gehälter, die Sozialleistungen, im Grunde genommen die Ausgaben bei jeder Titelgruppe im Landeshaushalt, wenn man nicht kürzt. Dieser Spagat – im dritten Jahr Nullwachstum und jährlich 2 bis 3 % Ausgabensteigerung – zerreißt uns, bundesweit und fast auch in Baden-Württemberg.
Dies ist die allergrößte Herausforderung: Wie werden wir in unseren Haushaltsbüchern der nächsten Generation gerecht? Derzeit tun wir dies längst nicht mehr uneingeschränkt. Wir müssen weit mehr als bisher dafür tun, dass die Deckung der Ausgaben, die Erfüllung der Aufgaben und die Straffung der Aufgaben mit den Einnahmen wieder standhalten und die Deckungslücke geschlossen werden kann. Und wir brauchen Wirtschaftswachstum. Ohne Wachstum der Wirtschaft, ohne Vertrauen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den Standort Deutschland kommt die Haushaltsstruktur in Deutschland mit Sicherheit nicht mehr auf ein stabiles Niveau.
Die Europäische Kommission hat ihre Zahlen zum Haushaltsdefizit korrigiert. Mittlerweile geht sie für dieses Haushaltsjahr von einem Defizit in Deutschland von 4,25 % – 4,25 %! – aus. Erlaubt ist ein Defizit von 3 % des Bruttoinlandsprodukts. Unser Bruttoinlandsprodukt beträgt 2 100 Milliarden € Jahr für Jahr.
70 Milliarden € Schuldenrechte haben wir in Deutschland. Wir kommen damit nicht hin. Herr Eichel hat im Grunde genommen seinen Konkursantrag längst gestellt. Er hat lange verschwiegen, lange verdrängt, was nicht mehr zu verheimlichen ist. Der Bund verschuldet sich wie noch nie. Deutschland ist ein Sanierungsfall. Unsere Haushalte sind im Grunde genommen die Hauptbaustelle, um die man sich kümmern muss. Natürlich würden wir gern diese und jene Leistung im Haushalt erhalten, natürlich ist manches kritikwürdig, Herr Kollege Drexler, gar keine Frage. Wer aber nur gegen jede Kürzung ist und kein Konzept vorschlägt,
Jetzt haben wir einen Haushaltsentwurf fertig gestellt, FDP/ DVP und CDU, Regierung und Fraktionen Hand in Hand, und wir gehen derzeit von 1,8 Milliarden € neuen Schulden im nächsten Jahr aus. Die Europäische Kommission sagt, auch im nächsten Jahr mache Deutschland Schulden; 3,9 % heißt die Prognose, ohne Vorziehung der Steuerreform. Die große Gefahr ist also, dass im nächsten Jahr die Schulden auch in Baden-Württemberg noch höher sind als in diesem Jahr. All unser Ehrgeiz muss darin liegen, zu schauen, dass die Verschuldung im nächsten Jahr nicht die von diesem Jahr übersteigt und in jedem Fall der Haushalt Baden-Württembergs die Vorgaben der Landesverfassung einhält, was für zehn bis zwölf Länder in Deutschland mit Sicherheit nicht mehr und erst recht nicht mehr für den Bund erreichbar sein wird.