Protokoll der Sitzung vom 26.11.2003

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Ich möchte kurz auf meine Vorredner replizieren. Zum einen hat Herr Kollege Stickelberger, der sich gerade meldet, versucht, die Gleichstellung und Analogie mit Arbeitnehmern und Beamten herzustellen.

(Abg. Drexler SPD: Mit Bayern!)

Herr Stickelberger, wir sehen schon noch einen erheblichen Unterschied zwischen der Stellung eines Ministers und der Stellung eines mit einem Kündigungsschutz versehenen Arbeitnehmers. Ein Minister kann von heute auf morgen entlassen werden, ein Arbeitnehmer hat im Arbeitsrecht Kündigungsschutz.

(Zuruf des Abg. Knapp SPD)

Zweitens: Schauen Sie sich einmal die Beamtenregelungen an! Ein Beamter kann nicht durch eine Volkswahl von heute auf morgen abgewählt werden oder von einem Ministerpräsidenten von heute auf morgen entlassen werden. Das heißt, es gibt doch auch nach der Verfassung wesentliche Strukturunterschiede zwischen der Stellung eines Ministers, der Chef eines Ministeriums, aber gleichzeitig politischer Beamter auf Zeit ist, und der Stellung eines Beamten.

Das Dritte: Sie sagen, mit dem Bund wollten Sie sich hier nicht vergleichen. Ich frage mich: Mit welchen Strukturen wollen Sie sich überhaupt vergleichen? Ich denke, es ist doch geradezu nahe liegend, dass man diesen Vergleich anstellt. Wenn ein Bundesminister nach zwei Jahren bereits einen Versorgungsanspruch hat, dann ist es doch berechtigt, die Frage zu stellen: Ist es dann unbillig, wenn in BadenWürttemberg die Versorgung erst nach fünf Jahren beginnt?

(Beifall bei der CDU)

Ein Weiteres: Wir haben wesentliche Änderungen durchgesetzt – übrigens alle erst nach 1996, nach der Zeit der großen Koalition, Herr Stickelberger, von 1992 bis 1996. Ich habe damals diesem hohen Hause schon angehört;

(Abg. Drexler SPD: Wir haben auch dauernd An- träge gestellt!)

vielleicht habe ich Erinnerungslücken.

(Abg. Drexler SPD: Das kann auch sein!)

Mir jedenfalls ist nicht bekannt, dass Sie massiv Änderungen gefordert hätten, geschweige denn, Gesetzentwürfe eingebracht hätten. Meines Wissens haben Sie in dieser Zeit überhaupt keine Änderungen des Ministergesetzes durchgesetzt.

(Abg. Drexler SPD: Das ist sieben Jahre her!)

Nächster Punkt: Sie beziehen sich auf Kritik an unserem Ministergesetz. Sie haben bisher keinen Satz gesagt, warum Sie sich ohne triftigen Grund vom bisherigen System abkoppeln wollen. Keinen Satz! Auch der Kollege Walter hat keinen Satz dazu gesagt, warum gerade in Baden-Württemberg ein Sonderweg eingeschlagen werden soll. Auch keinen Satz dazu, wie Sie in Zukunft eigentlich noch qualifiziertes Personal für ein Ministeramt gewinnen wollen.

(Abg. Walter GRÜNE: Das haben wir Ihnen doch letztes Mal alles schon erzählt!)

Lieber Kollege Walter, wenn ich das mal in Ruhe betrachte, komme ich zu der Überzeugung: Sie werden auch bei der nächsten, bei der übernächsten und bei der dritten Änderung so lange diskutieren, bis wir beim Eintrittsgeld angelangt sind.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Das ist die Art und Weise Ihrer Diskussion, die Sie hier führen. Denn 1998 sind hier wesentliche Änderungen durchgesetzt worden. Davor bestand ein Versorgungsanspruch sofort ab dem Ausscheiden. 1998 haben wir das geändert und festgelegt, dass eine Pension nicht vor dem 55. Lebensjahr bezogen werden kann. Jetzt haben wir die Grenze auf das 60. Lebensjahr hochgesetzt. Trotzdem hören wir bei jeder Änderung die gleiche Kritik. Das heißt, auch in Zukunft werden Sie Ihre Kritik aufrechterhalten.

(Zuruf des Abg. Stickelberger SPD)

Unser Gesetzentwurf ist ausgewogen, er ist angemessen, er ist von der Öffentlichkeit akzeptiert worden. Unser Zeuge ist der Bund der Steuerzahler, der Baden-Württemberg als vorbildlich bezeichnet hat.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Drautz FDP/ DVP)

Das Wort erhält Herr Staatssekretär Rückert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie debattieren heute zum wiederholten Male das Ministergesetz. Wir können feststellen, dass über alle Fraktionen hinweg Einigkeit besteht, dass eine Änderung der Ministerversorgung angezeigt und notwendig ist. Uneinigkeit besteht über den Umfang der Kürzungen.

Nun steht mir als von den Änderungen selbst Betroffener nicht zu, selbst Vorschläge zu machen und für den einen oder anderen Vorschlag zu werben. Ich möchte mich deswegen auch weitestgehend mit Aussagen als Regierungsmitglied zurückhalten. Ich möchte aber doch einige wenige grundsätzliche Anmerkungen machen.

Ja, in Zeiten allseitiger Sparzwänge, die von jedem Bürger und jedem Angehörigen des öffentlichen Dienstes Opfer verlangen, kann die Akzeptanz von Sparbeschlüssen nur erreicht werden, wenn auch die Politik mit gutem Beispiel vorangeht.

(Beifall des Abg. Stickelberger SPD)

Deshalb darf die Kürzungsvorgabe auch an Regierungsmitgliedern, Staatssekretären und politischen Staatssekretären nicht vorbeigehen.

Halten wir noch einmal fest: Wegen der demographischen Entwicklung stehen alle öffentlich finanzierten Alterssicherungssysteme vor schwierigen finanziellen Problemen und damit vor Kürzungen bei der Versorgung. Die Finanzierungsprobleme haben in einem ersten Schritt zu einer Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und in einem zweiten Schritt zu einer Absenkung der Beamten- und Soldatenversorgung geführt. Da die Ministerversorgung systematisch – und das ist Inhalt unseres Ministergesetzes – an die Beamtenversorgung gekoppelt ist, ist es aus Gründen der sozialen Symmetrie ein zwingendes Gebot, diese Leistungskürzungen des Beamtenrechts jetzt auch auf die Ministerversorgung zu übertragen.

Es wird nun immer wieder kritisch behauptet, dass in Baden-Württemberg die Ministerversorgung nach fünf Amtsjahren bereits recht üppig ausfalle. Es ist von Vorrednern schon angedeutet worden – aber ich möchte es auch noch einmal deutlich herausarbeiten –, dass bei uns die Ministerversorgung auch erst nach einer Amtszeit von fünf Jahren einsetzt. Beim Bund und in vielen anderen Ländern beginnt sie dagegen schon nach zwei Amtsjahren. Das bedeutet also, dass bei uns ein Minister, der nach viereinhalb Jahren von seinem Amt entbunden wird, völlig leer ausgeht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade dieser Aspekt, dass in Baden-Württemberg ein Anspruch auf Ministerversorgung erst nach fünf Amtsjahren entsteht, ist ein Gesichtspunkt, der in der öffentlichen Diskussion um die Höhe der Bezüge völlig untergeht, genauso wie einschneidende Aufrechnungen mit zuvor in anderen öffentlichen Dienstverhältnissen bereits erworbenen Versorgungsansprüchen.

Zum Thema Altersgrenze meine ich, dass wir da nicht einseitig nur auf die Obergrenze schielen dürfen. Natürlich hört es sich vordergründig gut an, jetzt zu sagen: „Schaut auf die bayerische Landesregierung. Die hat die Altersgrenze auf 65 Jahre hochgesetzt. Das müssen auch wir tun.“ Aber auch in Bayern ist es nicht so, dass es nur und ausschließlich erst mit 65 Jahren Ruhegehalt gäbe. Man muss hier schon differenzieren. Die Regelaltersgrenze ist das eine. Viel wichtiger jedoch sind die vielen abschmelzenden Zwischenschritte, die die Regel eher zur Ausnahme machen.

(Abg. Walter GRÜNE: Aber 60 Jahre sind das Frü- heste! Bei uns sind es 55!)

Ich komme gleich darauf. Nein, nein, auch in Bayern nicht.

Aus meiner Sicht müssen wir richtigerweise viel mehr auf die Mindestaltersgrenze für die Zahlung von Ruhegehalt schauen. In der Tat ist es so, dass die meisten Ministergesetze mit gutem Grund nach der Zeit des Innehabens des Ministeramts differenzieren. So hat zum Beispiel der Bund zwar als Regelalter das 60. Lebensjahr, aber bereits ab drei Amtsjahren ruht der Anspruch auch nur bis zum 55. Lebensjahr. Auch in Bayern wird man Ruhegehalt nach zwei

(Staatssekretär Rückert)

Legislaturperioden weiterhin mit 55 Jahren bekommen können.

(Abg. Walter GRÜNE: Das stimmt nicht!)

Doch.

(Abg. Walter GRÜNE: In den Pressemitteilungen von Herrn Stoiber steht das Gegenteil!)

Ich habe die Informationen, die ich Ihnen vortrage.

Ganz besonders interessant ist das Beispiel des Stadtstaates Berlin, der in seiner Haushaltsnotlage jetzt zum Haushaltsausgleich auch noch Bund und Bundesländer mit Milliardenforderungen bedrängt. Da beträgt die Mindestaltersgrenze 55 Jahre, und sie fällt nach zehn Jahren Amtszeit sogar ganz weg.

Deshalb: Wenn wir schauen, wo wir im Vergleich mit dem Bund und den anderen Ländern mit unserer Ministerbesoldung und -versorgung liegen, dann, meine ich, liege ich nicht falsch, wenn ich sage, dass wir uns nicht schamvoll vor anderen verstecken müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Klein- mann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Sie mögen nun – und das ist Ihre Entscheidung – an dieser oder jener Stellschraube mehr oder weniger drehen und das Eintrittsalter für Versorgungsleistungen früher oder später festlegen.

An einer Grunderkenntnis führt aber nichts vorbei, nämlich dass für ein Regierungsamt in einer Landesregierung über Aktivbezüge so viel Anreiz und über Versorgungsbezüge so viel Absicherung sichergestellt sein muss, dass tatsächlich noch qualifizierte Persönlichkeiten bereit sind, ein solches Mandat auf Zeit zu übernehmen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Ein Regierungsamt ist zweifelsfrei eine Aufgabe von besonderem Reiz. Es ist interessant, in führender Position gestaltend in der Landespolitik mitzuwirken. Aber Sie wissen auch: Ein solcher Amtsträger bekommt einen Rucksack voller Lasten mit auf den Weg, Lasten zeitlicher, psychischer und physischer Art.

Wer also die Übernahme von Regierungsverantwortung für Persönlichkeiten nicht nur aus den Reihen des öffentlichen Sektors, sondern auch aus dem Bereich der privaten Wirtschaft offen halten will, der bedenke doch bitte, dass es angesichts der Verdienstmöglichkeiten in der privaten Wirtschaft und der dort üblichen Abfindungs- und Altersversorgungsmöglichkeiten gerade für die Führungsebene im öffentlichen Sektor notwendig ist, eine gute Vergütungs- und Versorgungsstruktur zu haben, damit wir auch Leute finden, die bereit sind, ein solch hohes Regierungsamt zu übernehmen.

Nun, wir haben gesagt – und dazu stehen wir auch, und das wird heute auch vollzogen –: Es ist notwendig, nunmehr den Regelungen der Beamtenversorgung zu folgen. Es muss getan werden, was angesichts der Haushaltslage geboten und notwendig ist. Ich bin zuversichtlich, dass Sie, meine

Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Maß und Mitte finden und eine ausgewogene Entscheidung treffen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)