Wir haben jetzt eine ganze Menge Lippenbekenntnisse gehört, wie wichtig die Ausbildung der Jugendlichen sei. Ich habe aber wenig gehört, was denn die Landesregierung in dieser Hinsicht zu tun gedenkt.
Ich weiß, dass bei den nächsten Haushaltsberatungen wieder massive Kürzungen anstehen. Schon bei den letzten Haushaltsberatungen wurden massive Kürzungen bei der Jugendsozialarbeit an Schulen vorgenommen. Gerade für diejenigen Jugendlichen, Herr Minister Döring, die es schwer haben, wäre es wichtig gewesen, das Programm weiterzuführen. Es hat 266 Anträge gegeben, und 180 sind abgelehnt worden. Man müsste also eigentlich die Fördermittel erhöhen. Die Landesregierung hat das Gegenteil getan, sie hat das Programm gekürzt.
Bei den Haushaltsberatungen 2004 werden die Ergebnisse der Jugendenquetekommission aus der letzten Legislaturperiode komplett abgeräumt. Im Landesjugendplan werden 1,3 Millionen € gestrichen. Die Jugendberufshilfe am Übergang von Schule zu Beruf, die für Jugendliche so wichtig ist, die Hilfe beim Einstieg in die Ausbildung benötigen, steht kurz vor dem Zusammenbruch. Die Zuschüsse an die Berufsschüler werden gestrichen.
Diese Kürzungen sind kontraproduktiv. Sie sind nicht hinnehmbar, auch weil Sie sich andererseits hier hinstellen und sagen, Sie würden sich für die Jugendlichen einsetzen.
Zu den beruflichen Schulen: Herr Minister Döring hat gesagt, wie viele Jugendliche derzeit im BVJ sind – 13 000, haben Sie gesagt. Das BVJ muss reformiert werden. Die beruflichen Schulen sind so, wie sie sich heute darstellen, nicht in der Lage – weder personell noch was die Infrastruktur oder die Qualifizierung des Personals angeht –, den gegenwärtigen Run so zu verkraften, dass die Jugendlichen das BVJ tatsächlich auch ausbildungsreif verlassen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, Frau Ministerin.
Im Sommer, als klar war, dass wir ein massives Problem mit den Ausbildungsstellen bekommen, da deren Zahl auch in diesem Jahr weiter zurückgehen wird, wäre die richtige Reaktion gewesen, die beruflichen Schulen zu öffnen. Stattdessen haben Sie an der Kontingentierung der Plätze festgehalten.
Die beruflichen Schulen müssen sich zu Kompetenzzentren weiterentwickeln. Wir haben eine zunehmende Spezialisierung der Lehrpläne, und wir brauchen gerade das Gegenteil.
Trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage muss die Wirtschaft natürlich ihre Anstrengungen für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen verstärken. Die demographische Entwicklung ist bereits angesprochen worden. Sie wird dazu führen, dass Defizite in der jetzigen Ausbildung morgen nicht wieder gutzumachen sind.
Es gibt bei den Tarifvertragsparteien einige Beispiele, wo die Ausbildungssituation auch in die Vereinbarungen einbezogen worden ist. Beispielhaft möchte ich hier den Bereich der chemischen Industrie nennen, die vertraglich geregelt hat, die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen – „Start 2000 plus“ –, Südwestmetall sowie die Bauwirtschaft. Schließlich hat die IHK Region Stuttgart ein wichtiges Signal gesetzt, indem sie die Ausbildungsgebühren für Betriebe in diesem Jahr ausgesetzt hat. Wir hoffen und appellieren an die Kammern, weiterhin gute und wichtige Impulse zu geben, und wir appellieren an die Landesregierung, sich verstärkt um die berufliche Bildung, vor allem auch an den Schulen, zu kümmern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme allem zu, was der Herr Kollege Wirtschaftsminister gesagt hat, und möchte in der zweiten Runde seinen Beitrag nur noch ergänzen.
Erstens: Der erste Satz des Berufsbildungsgesetzes aus den Sechzigerjahren heißt: „Berufliche Bildung ist Sache der Wirtschaft.“ Die 40 Jahre, die seitdem vergangen sind, sind faktisch – und wir stehen nicht erst davor, Frau Weckenmann – eine Zeit der zunehmenden Verstaatlichung beruflicher Bildung mit dem Ergebnis, dass heute die 16 Länder in Deutschland 6 Milliarden € in berufliche Bildung investieren.
Weil das so ist und weil sich da ein Prozess entwickelt hat, bei dem noch überhaupt kein Ende absehbar ist, haben die 16 Länder in der letzten Amtschefkonferenz einmütig einen Zehnpunktekatalog verabschiedet, in dem wir genau aufzählen, welche konkreten Probleme im Moment da sind, die auch mit Neuordnung von Berufsbildern zu tun haben und damit, dass der Bund zunehmend einen Prozess der Spezialisierung in Gang gesetzt hat, der nicht in Ordnung ist – übrigens auch nicht im Blick auf die Übernahme von Ausgebildeten. Wir brauchen viel breiter angelegte Berufsbilder als das, was da mit einer immer höheren Spezialisierung in Gang gekommen ist. Das ist ein Katalog, den ich den Fraktionen gerne zur Verfügung stellen kann, weil wir ihn jetzt an die Bundesregierung übersandt haben, ein Katalog, in dem ganz sachlich parteiübergreifend festgelegt ist, in welchem Prozess wir stehen und an welchen Stellen eine Veränderung notwendig ist.
Zweitens – und das kann man wirklich noch einmal verschärfen –: Warum tun sich denn Unternehmen in Deutschland in diesem Jahr und im letzten Jahr schwer – vermutlich wird das auch noch im nächsten Jahr so sein –, auszubilden? In der Tat: Der Prozentsatz der Unternehmen, die ausbilden, liegt bei unter 50 %. Da gibt es zwar auch Streit um die richtige Erstellung der Statistik; aber faktisch liegt ihr Anteil bei unter 50 %.
Ich bin in den letzten drei Wochen in insgesamt sechs Ausbildungsbetrieben in Baden-Württemberg gewesen. In einer wirtschaftlichen Situation, die über eine so lange Wegstrecke – also nicht ein paar Monate und nicht ein oder zwei Jahre – von totalem Stillstand geprägt ist, in einer Situation, in der immer mehr Unternehmen – vor allem in starken Ausbildungsbereichen, also Handwerk, Mittelstand, Einzelhändler – nicht wissen, ob sie die nächsten Monate überstehen, ist doch völlig klar, dass die Zahl der Ausbildungsplätze zurückgeht. Das ist sicher.
Arbeitsmarkt und Ausbildungsmarkt stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Wenn Arbeitsplätze verloren gehen, gehen Ausbildungsplätze verloren. Das ist doch die eigentlich dramatische Situation für Jugendliche in Deutschland. Wir alle wissen: Es ist überhaupt noch kein Ende bei der Steigerung der Arbeitslosigkeit zu erwarten. Alle Prognosen deuten darauf hin, dass der Höhepunkt seit der Nachkriegszeit überhaupt erst im Winter 2004/2005 zu erwarten ist.
Das heißt, wir müssen damit rechnen, dass zum nächsten Schuljahr noch mehr Ausbildungsplätze nicht geschaffen werden können, weil es den Betrieben schlecht geht, weil vielen das Wasser bis zum Hals steht und weil weitere Insolvenzen zu erwarten sind. Das ist der Kernpunkt. Das ist das Kernstück der Misere für junge Leute.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Aber nicht nur! – Abg. Schmiedel SPD: Die Zeichen stehen auf Aufschwung! Nicht schlechtreden!)
Jetzt komme ich zu dem, was Frau Weckenmann gesagt hat im Hinblick auf die Frage: Kommt eine Ausbildungsplatzabgabe dann für Baden-Württemberg oder nicht? Stellen wir uns doch jetzt hier nicht einfältiger, als wir sind. Wenn eine Ausbildungsplatzabgabe beschlossen wird, wird sie für 16 Länder beschlossen. Glaubt denn einer von uns im Ernst, sie würde dann nur für bestimmte Regionen in Deutschland gelten?
(Beifall des Abg. Dr. Birk CDU – Abg. Dr. Birk CDU: So ist es! – Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es! – Abg. Schmiedel SPD: Das hat niemand behaup- tet! – Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD)
Jetzt kenne ich den Knatsch in Ihren eigenen Reihen. Das ist völlig klar: Die einen sind dafür, die anderen sind dagegen.
(Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD – Gegen- ruf des Abg. Dr. Birk CDU: Doch, so ist es! Dann kennen Sie Ihre Beschlusslage nicht!)
Aber ich finde, in einer wirtschaftlichen Situation, wie sie jetzt eben besteht, in einer Situation, in der es um Zukunftschancen der jungen Generation geht, tut diese Bundesregierung, was sie seit Jahren tut: Sie erfindet eine neue Steuer, sie erhöht eine Steuer, sie erfindet eine neue Abgabe,
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Kiefl CDU: So ist es! – Abg. Schmiedel SPD: Was reden Sie da für ein Blech? – Abg. Ruth Wecken- mann SPD: Sagen Sie doch mal etwas zur Schule!)
Jeder Fachmann und jede Fachfrau sagt, eine Abgabe, eine Umlage bringe nicht einen einzigen zusätzlichen Ausbildungsplatz.
Wir brauchen zusätzliche Ausbildungsplätze für junge Leute, aber keine Drohungen und Bestrafungen für Unternehmen, die weder ein noch aus wissen.
Damit komme ich zur Schule. Ich finde es im Blick auf unsere Schulen und im Blick auf die Haushaltsressourcen jetzt schon ein starkes Stück, wenn Sie hier über die Kontingentierung sagen, angesichts der Lage habe die Kultusministerin oder hätten die Schulen nichts getan. Wir haben in diesem Schuljahr über 10 000 zusätzliche Schüler und Schülerinnen in berufliche Vollzeitschulen aufgenommen.
(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Das habe ich doch gesagt! Was haben Sie denn? – Abg. Edith Sitz- mann GRÜNE: Das war auch bitter nötig!)