Protokoll der Sitzung vom 10.12.2003

(Abg. Pfister FDP/DVP: Fast!)

In dieser Zeit haben wir also sogar etwas mehr an Zinsen gezahlt, als wir insgesamt an Schulden aufgenommen haben. Man kann unter dem Strich sagen: Die Schuldenaufnahme hat sich nicht gelohnt. Wenn wir die Vorhaben immer um zwei, drei Jahre verschoben hätten, alles etwas später gemacht hätten und deshalb keine Schulden hätten machen müssen, dann stünden wir heute gut da. Dann hätten wir im Jahr 2004 2 Milliarden € Haushaltsmittel mehr.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP und Bo- ris Palmer GRÜNE – Abg. Kretschmann GRÜNE: Hättet ihr es gemacht!)

Ich darf in diesem Zusammenhang auf etwas hinweisen – wir vergleichen uns ja fast nur noch mit Bayern und kaum noch mit den anderen Bundesländern –: Bayern hat einen Riesenvorteil. Bayern zahlt über 1 Milliarde € weniger an Zinsen als wir. Sie sehen, wie verhängnisvoll es ist, wenn man die Schulden steigen lässt.

Ich muss es immer wieder betonen – ich rede hier für das Land Baden-Württemberg –: Wir sind immer noch die Zweitbesten. Alle anderen Länder haben eine wesentlich höhere, zum Teil eine dramatisch höhere Verschuldung, bis zu drei-, viermal höher als wir.

Deswegen bin ich der Meinung, dass wir die Nullverschuldung brauchen. Wir werden sie allerdings, ganz realistisch gesagt, im Jahr 2006 nicht mehr erreichen können. Ich hoffe aber, dass dies im Laufe der nächsten Legislaturperiode möglich sein wird. Ich hoffe, dass es bereits im Jahr 2008 möglich sein wird.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Sehr gut!)

Die Rückführung der Neuverschuldung verlangt auch Kürzungen bei den Sachausgaben. Wir müssen uns auf unsere Kernaufgaben beschränken. Wo der Staat noch tätig ist, müssen die vorhandenen Effizienzpotenziale ausgeschöpft werden.

Die Realisierung der Nullverschuldung setzt aber auch, meine Damen und Herren – und das hat sehr viel mit dem Vermittlungsausschuss zu tun –, ein befriedigendes Wachstum der Wirtschaft und damit ein befriedigendes Wachstum der Einnahmen voraus, denn die Steuern bewegen sich in etwa proportional zu der Wirtschaftskraft, zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts.

Steuerpolitische Maßnahmen, meine Damen und Herren, wirken sich natürlich ganz durchschlagend auf die öffentlichen Haushalte aus. Zwischen der Steuerpolitik von heute und der Haushaltspolitik von heute und morgen besteht ein untrennbarer Zusammenhang. Im Vermittlungsausschuss werden derzeit verschiedene Steuerrechtsänderungen beraten. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um vier Steuerarten: einmal um die Reform der Gewerbesteuer – Sie kennen unseren Standpunkt –, um bestimmte Regelungen beim Körperschaftsteuerrecht, um die Steueramnestie und schließlich noch um das Haushaltsbegleitgesetz 2004.

Damit sollen Probleme gelöst werden, die uns allen auf den Nägeln brennen. Das sind Probleme, die kurzfristig zu lösen sind. Langfristig muss nach unserer Ansicht unser Steuersystem grundsätzlich reformiert werden. Um es noch genauer zu sagen: Wir müssen ein neues Steuersystem aufbauen, weil es sehr, sehr schwer sein wird, das bestehende überhaupt noch zu reformieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Dabei begrüßen wir die Überlegungen, wie sie Professor Kirchhof mit seinem Reformmodell angestellt hat, die ele

(Minister Stratthaus)

mentaren Anstöße, die er gegeben hat. Auch das Reformkonzept von Friedrich Merz

(Abg. Pfister FDP/DVP: Uralt!)

orientiert sich am Ziel einer umfassenden Steuervereinfachung. Es ist in vielen Punkten mit dem Modell von Professor Kirchhof vergleichbar.

Meine Damen und Herren, wie sieht es nun im Einzelnen mit dem Haushalt 2004 aus? Wo haben wir konsolidiert? Wo weist der Haushalt dennoch Schwerpunkte und Kontinuität auf?

Insgesamt hat die mittelfristige Finanzplanung 2002 bis 2006 für den Haushalt 2004 eine Deckungslücke von 2,3 Milliarden € ausgewiesen. Diese Lücke hat sich noch während der Haushaltsaufstellung um 500 Millionen € erhöht, einmal, weil bei der Steuerschätzung im Mai 305 Millionen € weggebrochen sind, zum anderen, weil wir zusätzliche Belastungen aus dem Jahr 2002 mit 152 Millionen € haben und weil wir gesetzliche Ausgabenverpflichtungen von 47 Millionen € erfüllen mussten. Deswegen lag zu Beginn der Haushaltsarbeit die Deckungslücke sogar bei 2,8 Milliarden €.

Wie im Mittelfristigen Finanzplan vorgesehen, haben wir 1 Milliarde € durch Einsparungen gedeckt. Dies ist auf der einen Seite sehr, sehr viel, auf der anderen Seite

(Abg. Pfister FDP/DVP: Zu wenig!)

ist es natürlich noch viel zu wenig. Wenn Sie bedenken, dass das 2 Milliarden DM wären und dass wir in den Neunzigerjahren im Durchschnitt immer ungefähr 2 Milliarden DM Schulden hatten, dann sehen Sie, wie viel wir in diesem Jahr tatsächlich gekürzt haben. Jetzt könnte man die Überlegung anstellen, dass eine solche Kürzung irgendwann in den Neunzigerjahren zu einer Neuverschuldung von null geführt hätte. Aber das sind natürlich alles recht müßige Überlegungen.

1 Milliarde € Einsparungen sind zu wenig, wenn man sieht, dass bei einer Deckungslücke von 2,8 Milliarden € noch immer eine Neuverschuldung von 1,8 Milliarden € übrig bleibt. Weil wir noch immer in den Kategorien der D-Mark denken, muss man sich vergegenwärtigen, dass dies 3,5 Milliarden DM wären. Eine so hohe Neuverschuldung hatten wir noch nie im Plan.

Ein Einsparbetrag von 1 Milliarde € wäre früher unvorstellbar gewesen. Wir haben ihn aber erreicht, und zwar mit folgendem Konzept: 200 Millionen € haben wir bei den Personalausgaben durch das Streichen des Urlaubsgelds und die Kürzung des Weihnachtsgelds eingespart. 595 Millionen € haben wir durch eine Vielzahl von Einsparungen in den einzelnen Ressorthaushalten erbracht und 125 Millionen € aufgrund der Spitzabrechnung der Belastung des Landes im Länderfinanzausgleich, die durch die Steuerkraft der Kommunen verursacht worden ist. Schließlich haben wir noch 80 Millionen € durch einen Konsolidierungsbeitrag der Kommunen gespart.

Meine Damen und Herren, wir haben uns trotz dieser wirklich harten Sparaktion bemüht, Schwerpunkte zu setzen. Ich

glaube, es ist ganz eindeutig, dass wir auch in diesem Haushalt Schwerpunkte auf die Unterrichtsversorgung und die innere Sicherheit gelegt haben.

Der vorliegende Entwurf des Staatshaushaltsplans sieht Einsparungen bei den Personalausgaben in Höhe von 200 Millionen € durch besoldungsrechtliche Maßnahmen vor. Ab dem Jahr 2004 wird das bisherige Urlaubsgeld für die Beamten gestrichen. Die monatlichen Sonderzahlungen, die an die Stelle der bisherigen Sonderzuwendungen treten, werden, auf das Jahr gerechnet, auf 64 % eines Monatsbezugs begrenzt, wobei wir familienbezogene Bestandteile ungekürzt lassen. Darüber hinaus werden diese Sonderzahlungen, also das Weihnachtsgeld, das gezwölftelt wird, in Zukunft monatlich ausgezahlt, dadurch mit den zukünftigen Besoldungssteigerungen dynamisiert und vor allem ruhegehaltsfähig.

Außerdem haben wir ein neues Stellenabbauprogramm beschlossen. Es sieht in den Jahren 2004 bis 2008 den Abbau von 2 500 Stellen vor. Das Abbauprogramm erstreckt sich auf die Behörden und Einrichtungen, die nicht der ab 2005 zu erwirtschaftenden Effizienzrendite der Verwaltungsreform unterliegen. In diesen Bereichen erwarten wir ab 2005 eine Einsparung von 4 000 weiteren Stellen. Damit entlasten wir den Haushalt im Jahr 2004 um 20 Millionen € und ab dem Jahr 2008 um ca. 113 Millionen € jährlich.

In den letzten zehn Jahren, meine Damen und Herren, haben wir 9 440 Stellen abgebaut. Man muss einfach noch einmal feststellen: Es war schon eine Leistung, 9 440 Stellen abzubauen. Die Verwaltung funktioniert immer noch gut. Wir haben allerdings auf der anderen Seite bei den Lehrern, bei der Polizei und bei den Hochschulen Stellen in ungefähr der gleichen Zahl wieder aufgebaut. In Zukunft werden wir wirklich unter dem Strich zu einem Abbau von Stellen kommen müssen.

In den Ressorthaushalten werden neben den Kürzungen beim kommunalen Finanzausgleich insgesamt 595 Millionen € eingespart. Den Löwenanteil der Einsparauflagen hatte mit knapp einer Viertelmilliarde Euro der Einzelplan 12, die Allgemeine Finanzverwaltung, und damit auch der Staatliche Hochbau zu erbringen.

Mit den Beiträgen aus der Landesstiftung Baden-Württemberg allerdings können wir im Jahr 2004 im Rahmen der Zukunftsoffensive III dennoch voraussichtlich Neubauten für die Hochschulen und Berufsakademien mit einem Gesamtvolumen von knapp 70 Millionen € realisieren. Gott sei Dank haben wir die Landesstiftung; dadurch ist das noch möglich. Daran sehen Sie: Auch in einer schwierigen Zeit hat bei uns in Baden-Württemberg die Bildung nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert.

Nun noch zum Haushaltsstrukturgesetz: Mit dem Haushaltsentwurf 2004 legt die Landesregierung erneut ein Haushaltsstrukturgesetz zur gesetzlichen Umsetzung von notwendigen Sparmaßnahmen vor. Der Rückgang der Steuereinnahmen, der von Steuerschätzung zu Steuerschätzung zu beobachten war, lässt uns keine andere Wahl. Wir müssen gesetzliche Leistungen beschneiden, und wir müssen Strukturen ändern. Es ist schon häufig darauf hingewiesen worden, dass allein 42 % des Haushalts oder sogar mehr Perso

(Minister Stratthaus)

nalausgaben sind und dass weitere 55 % des Haushaltsvolumens durch gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen gebunden sind. Wir müssen also, wenn wir ernsthaft kürzen wollen, Strukturen umbauen, und wir müssen mit einem Haushaltsstrukturgesetz Gesetze ändern.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf entlasten wir künftige Haushalte, indem wir rechtliche Verpflichtungen und freiwillige Leistungen des Landes abbauen. Insgesamt erzielen wir Einsparungen in Höhe von 219 Millionen € im Jahr 2004 und in Höhe von 100 Millionen € jährlich ab dem Jahr 2005.

Der Gesetzentwurf sieht auch eine Änderung der Finanzverteilung zwischen dem Land und den Kommunen vor. Hierzu wurde zum ersten Mal die Finanzverteilungskommission einberufen, deren Einrichtung auf ein Urteil des Staatsgerichtshofs zurückgeht. Die Finanzverteilungskommission hat Empfehlungen zur Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen gegeben. Dabei konnten sich die staatlichen und die kommunalen Vertreter, wie es fast zu erwarten war, nicht einigen. Die Landesregierung greift die Empfehlungen der staatlichen Mitglieder der Kommission auf und schlägt eine Kürzung der Leistungen nach dem Finanzausgleichsgesetz ab dem Jahr 2004 um 80 Millionen € vor.

Eine weitere Maßnahme habe ich bereits bei der Darstellung des Deckungskonzepts erwähnt: Es geht um den Erstattungsanspruch des Landes aus der vereinbarten Spitzabrechnung der durch die Steuerkraft der Kommunen hervorgerufenen Belastungen des Landes im Länderfinanzausgleich. Durch die Spitzabrechnung für die Jahre 2001 und 2002 haben wir einen Anspruch des Landes von 125 Millionen €, der im Haushaltsentwurf entsprechend veranschlagt ist.

Zum Schluss noch zu den Eckdaten des Haushaltsentwurfs: Die bereinigten Gesamteinnahmen steigen im Jahr 2004 im Vergleich zum Nachtrag des Jahres 2003 um 0,3 %. Das ist ein sehr bescheidener Zuwachs, vor allem angesichts der Steigerungen auf der Ausgabenseite, insbesondere durch Tarifsteigerungen, Besoldungserhöhungen sowie die Zunahme der Zahl der Versorgungsempfänger.

Als Folge dieses konsequenten Sparhaushalts verändern sich die bereinigten Gesamtausgaben ebenfalls, allerdings um 0,3 % nach unten. Das gesamte Haushaltsvolumen ist in seinen Ausgaben um 0,3 % geringer als das Haushaltsvolumen des Jahres 2003. Auch das sollte erwähnt werden, denn wir haben im Finanzplanungsrat beschlossen, dass die Länder ihr Haushaltsvolumen in den kommenden Jahren um höchstens 1 % wachsen lassen dürfen. Wir liegen bei minus 0,3 %. Ich glaube, das ist eine erwähnenswerte Leistung.

Man sollte vielleicht noch Folgendes hinzusagen: Es gibt einen Berechnungsschlüssel, der besagt, wie viel Länder, Gemeinden und Bund zur Einhaltung der EU-Defizitkriterien erbringen müssen. Dabei liegen wir noch ganz klar innerhalb des Betrags, um den sich das Land Baden-Württemberg verschulden dürfte, bis die Kriterien verletzt wären. Das Land und auch seine Gemeinden – die Gemeinden fast noch mehr, obwohl es ihnen so schlecht geht – leisten also einen wichtigen Beitrag, damit das Defizit, das wir nach Brüssel melden müssen, nicht noch höher wird.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ein Nachteil unseres Sparens und eine unvermeidbare Folge ist allerdings auch, dass die Investitionsquote von 9,9 % im Nachtrag 2003 auf 8,5 % zurückgehen wird. Umgekehrt wird trotz der Stellenstreichungen die Personalausgabenquote von 41,2 % auf 42,3 % steigen. Dies hängt natürlich auch damit zusammen, dass das Haushaltsvolumen und damit die Bemessungsgrundlage zurückgegangen ist.

Die Kreditfinanzierungsquote können wir im Haushaltsentwurf von 6,6 % auf 5,9 % absenken. Allerdings ist die Zinsquote von 6,2 % auf 6,5 % gestiegen. Ich habe vorhin schon einmal darauf hingewiesen: Die Zinsquote und die Pensionszahlungsquote werden wahrscheinlich die Zahlen sein, auf die wir in Zukunft am meisten achten müssen.

Meine Damen und Herren, der Blick auf den Haushalt 2004 und mehr noch die mittelfristige Perspektive verdeutlichen uns: Baden-Württemberg steht finanzpolitisch vor allergrößten Herausforderungen. Die aktuelle Wertung im Ratingverfahren hat dies nachdrücklich unterstrichen.

Wenn wir den Haushalt 2004 in der dritten Lesung verabschieden, müssen bereits die Weichen für den Doppelhaushalt 2005/2006 gestellt werden. Dies ist eine gewaltige Aufgabe, meine Damen und Herren. Ich weise immer darauf hin: Wirklich lang anhaltende Konsolidierungsmaßnahmen brauchen einen langen Atem. In der Regel sind gerade diejenigen Maßnahmen, die wirklich langfristig wirken, solche, die im ersten Jahr noch gar nicht wirken. Wir brauchen wirklich Ausdauer und einen langen Atem, wenn wir Spielräume für die Zukunft schaffen wollen. Wir brauchen aber auch Optimismus, und wir brauchen Vertrauen in die eigene Kraft.

Meine Damen und Herren, wir haben eine Verwaltungsreform eingeleitet, die in ihrer Dimension und in ihrer Tiefe gezeigt hat, dass wir diese Kraft haben. Ich glaube, wer die Energie zu diesem Kraftakt aufbringt, müsste auch die Energie haben, unseren Haushalt noch weiter zu konsolidieren.

Meine Damen und Herren, im Namen der Landesregierung bitte ich Sie, diesen Haushaltsentwurf eingehend zu beraten und ihm anschließend zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, die Aussprache über die Haushaltsrede findet am kommenden Mittwoch statt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: